Handbuch Anti-Aging und Prävention

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Hauptquelle der Radikalbildung: Essen und Trinken

Das Einatmen von Sauerstoff ist eine wichtige, aber nicht die Hauptursache für die Entstehung gefährlicher Radikale in unserem Körper. Diese Krone nimmt eine andere Belastung ein, der wir unser ganzes Leben lang ausgesetzt sind: die Verdauung und Umsetzung von Nahrung. Die Verwertung von Essen und Trinken zur Energiegewinnung bringt nicht nur den größten, sondern auch den vielschichtigsten oxidativen Stress mit sich, dem unser Organismus standhalten muss. Entsprechend verringert eine Reduktion der Nahrung die Radikalbelastung des gesamten Organismus. Weil es hier genau genommen nur um den Energiegehalt der Nahrungsmittel geht, spricht man von „kalorischer Restriktion“. Der Forschungsbereich ist so aktuell und aufregend, dass wir dem Thema ein eigenes Kapitel gewidmet haben (s. Kap. II.12). Zu den Dimensionen, um die es dabei geht, sei hier nur so viel gesagt:

● Kalorische Restriktion reduziert das Altern drastisch.

● Die Wirkung, die durch kalorische Restriktion erzielt wird, betrifft nicht nur einzelne Alterserscheinungen, sondern den gesamten Alterungsprozess; entsprechend verlängert sich nicht nur die durchschnittliche, sondern auch die maximale Lebensspanne.

● Kalorische Restriktion verlängert nicht die Altersphase, sondern das Jungsein; in erster Linie also die aktive, gesunde Lebensspanne.

Weniger Nahrung gleich weniger Lebensenergie?

Lange Zeit wurde spekuliert, längeres Leben durch geringere Energieaufnahme könnte ein Leben auf Sparflamme bedeuten. Diese Zweifel konnten mittlerweile beseitigt werden. Im Gegenteil: Als Lohn für die Mühe winkt mehr Lebensenergie und längere Aufrechterhaltung der körperlichen und geistigen Kraft. Der Ursache für dieses scheinbare Paradoxon gehen wir im Kapitel kalorische Restriktion auf den Grund.


Kalorische Restriktion und Lebensspanne: Auswirkungen lebenslanger kalorischer Restriktion auf die Lebensdauer von Mäusen: Im Vergleich zur normal gefütterten Kontrollgruppe (durchgezogene Linie) leben die Diättiere fast 50 Prozent länger (gepunktete Linie). Die durch kalorische Restriktion bewirkte vielschichtige Reduktion von oxidativem Stress führt nicht nur zu einer größeren durchschnittlichen Lebenserwartung, sondern auch zu einer Verlangsamung aller wichtigen Alternsprozesse und dadurch zur Erhöhung des maximal erreichbaren Höchstalters (mod. nach Weindruch/Sohal, 1997).

Bei aller Euphorie angesichts der jüngsten Forschungsergebnisse zur Nahrungseinschränkung darf man natürlich nicht vergessen, dass der Verzicht auf vielleicht ein Drittel oder mehr energetischer Nahrung nicht jedem leicht fallen dürfte. Denken wir nur an die Schwierigkeit, allein Fettleibigkeit zu reduzieren. Im entsprechenden Kapitel finden Sie deshalb auch eine Reihe von Praxistipps, wie kalorische Restriktion im Alltag umgesetzt werden kann.

Neben der Reduktion des Energieumsatzes gibt es noch weitere Möglichkeiten, oxidativen Stress zu reduzieren und dem Ziel von anhaltender Gesundheit näher zu kommen. Lassen Sie uns dazu zunächst den Quellen nachspüren, welche die Bildung von Radikalen am stärksten fördern.

Die gefährlichsten Beschleuniger der Radikalbildung

Die Gefahr der Radikalbildung wächst mit steigendem Energieumsatz. Mehr Nahrungsenergie bedeutet mehr Radikale und umgekehrt. Doch auch bei gleichem Energieverbrauch können Schäden durch oxidativen Stress unterschiedlich stark ausfallen. Zu den gefährlichsten Beschleunigern der Bildung freier Radikaler gehören die folgenden Einflüsse.

Metalle – Hilfe, wir rosten!

Wir hatten die Problematik bereits besprochen: Eine Reihe von Metallen fördern die Bildung der gefährlichen Hydroxyl-Radikale – das gilt auch und gerade für die lebensnotwendigen Spurenelemente Eisen und Kupfer. In geringen Mengen sind Metalle für viele Stoffwechselfunktionen unerlässlich. Mit zunehmender Konzentration steigt jedoch auch bei den „gesunden“ Metallen das Risiko verschiedener Altersprozesse.

Verschiedene Studien bestätigten inzwischen den engen Zusammenhang zwischen im Körper vorkommenden Metallen – vor allem Eisen, Kupfer, Aluminium und Schwermetallen wie Blei – und einer Beschleunigung von Alterungsvorgängen. Im Gehirn wird die Problematik besonders deutlich. Unter anderem kommt es dort zu unerwünschter Oxidation von ungesättigten Lipiden in Zellmembranen und anderen Strukturen. Für die Alterskrankheiten Parkinson und Alzheimer ist oxidativer Stress als ein ursächlicher Auslöser für das Absterben der Hirnzellen eindeutig nachgewiesen.

Natürlicher Alternsschutz bei Frauen: Weil Frauen aufgrund ihrer Regelblutungen immer wieder Eisen verlieren, ist ihr Körperspiegel an diesem Metall geringer als bei Männern. Einige Wissenschaftler nehmen an, dieser Umstand trage zu der etwa fünf bis sieben Jahre längeren Lebensspanne von Frauen bei. Keine abwegige Theorie. Wie stark genau sich der niedrigere Eisenspiegel auf die Alterung auswirkt, lässt sich nicht exakt abgrenzen.

Aber Vorsicht! Wer jetzt überlegt, seine Eisenzufuhr völlig einzuschränken, sollte bedenken, dass mit zu weit sinkendem Eisenspiegel die aerobe Kapazität und damit die körperliche aber auch geistige Leistungsfähigkeit abnimmt. Eisen ist ein Leistungsmetall für Körper und Gehirn. Und: Ein extremer Eisenmangel kann die Energieproduktion sogar ineffizient machen und dann seinerseits oxidative Schädigungen innerhalb der Zellen fördern (s. Kap. II.10). Vom Standpunkt der Alternsprophylaxe ist also allenfalls ein – gegenüber Durchschnittswerten – leicht reduzierter Eisenstatus optimal, nicht ein extrem erniedrigter; regelmäßige Blutuntersuchungen bringen Klarheit. Leistungssportler brauchen generell mehr Eisen. Relativ viel Eisen benötigen auch Klein- und Schulkinder. Im Unterschied zu Erwachsenen haben sie häufig eher zu wenig Eisen zur Verfügung. Die Folgen können dann sinkende kognitive Leistungen sein. Einmal mehr wird deutlich, dass beim Thema Prävention keine einseitigen Extremlösungen zum Ziel führen, sondern gezieltes und individualisiertes Vorgehen.

Praxistipp: Ein Schutzstoff, der vorhandenes Eisen biologisch nutzbarer macht, die von Eisen ausgehende Lipid-Peroxidation aber verhindert, ist Melatonin (s. Kap. II.9). Bei erhöhtem Eisenspiegel kann man sich auch eines natürlichen Mechanismus bedienen: Die Mineralien Kalzium und Zink sowie Inhaltsstoffe im grünen Tee sind Gegenspieler der Eisenaufnahme. Eine gezielte Zufuhr dieser Substanzen kann die Eisenkonzentration in sensiblen Gewebebereichen wie den Gefäßwänden reduzieren. Der Schutzmechanismus eines hohen Zinkspiegels im Zusammenhang mit Cholesterin und Atherosklerose wurde Ende 2006 in Singapur vom Forscherteam um den englischen Biochemiker Barry Halliwell weiter aufgeklärt.

Aluminium. Um die unerwünschte Aufnahme von Aluminium, das in jeder Dosierung gefährlich ist, zu verhindern, sollte unbedingt auf aluminiumhaltiges Kochgeschirr verzichtet werden. Auch aluminiumhaltige Magenmittel sind extrem kritisch einzustufen. Deos enthalten sehr häufig Aluminium, von dem – wie Studien zeigen – immer Spuren in den Körper gelangen. Ob das für den Gesamtorganismus problematisch ist, hängt von der individuellen Ausscheidungsfähigkeit ab. Bei Frauen kommt allerdings hinzu, dass die Kontaktfläche sehr nahe am Brustgewebe liegt und Aluminium einen Brustkrebsfaktor darstellt.

Zink und Altern

Dieses Spurenelement ist nicht nur einer der wichtigsten Vitalstoffe und an etwa 200 Reaktionen im Körper beteiligt, es reduziert auch Radikalschäden und stimuliert gleich mehrere Bereiche des Immunsystems. Einige Wissenschaftler stufen Zink inzwischen als eine regelrechte Altersuhr für die hormonelle Alterung ein.

Die meisten Menschen liegen deutlich unterhalb der für die Alternsprophylaxe optimalen Zufuhr von 20 bis 50 mg. Sehr gute Zinklieferanten sind Austern, Bierhefe und Weizenkleie; relativ gute Quellen sind Krabben, Camembert, Rindfleisch, Walnüsse und Erdnussbutter. In der Regel ist es jedoch schwierig, ohne die Unterstützung durch Ergänzungspräparate allein über die Nahrung mehr als 10 mg Zink täglich zuzuführen. Eine Ausnahme bilden Austern. Bereits sechs Stück liefern 22 mg des Vitalstoffs.

Aminosäuren

Vergleichsuntersuchungen an Mäusen haben gezeigt, dass die Tiere langsamer altern, wenn bestimmte leicht oxidierbare Aminosäuren in der Nahrung durch schwer oxidierbare ersetzt werden. In der Alltagsernährung beim Menschen ist eine entsprechende Selektion aber nur schwer umzusetzen, weil jede Proteinquelle aus einem breiten Spektrum an Aminosäuren besteht und auch einige essenzielle Aminosäuren empfindlich gegenüber Radikalen sind.

Tipp: Sojaprotein weist eine Besonderheit auf. Obwohl alle lebenswichtigen Aminosäuren enthalten sind, ist das in Sojaprodukten vorkommende Eiweiß weniger leicht oxidierbar. Möglicherweise trägt dieser Umstand neben anderen positiven Wirkungen von Soja für die weltweit höchste Lebenserwartung der Japaner bei. Die Lebenserwartung von Labortieren ließ sich jedenfalls durch das Füttern von Soja als einzige Proteinquelle um 13 Prozent verlängern. Allerdings kann eine hohe Sojazufuhr bei empfindlichen Personen die Wirkung der Schilddrüsenhormone stören (s. Kap. II 4).

Fette

Fettreiche Ernährung birgt nicht nur das Risiko von Dickleibigkeit. Bei hohem Fettanteil in der Nahrung steigt auch das Risiko der Radikalbildung. (Unter anderem deshalb, weil die Effizienz des Radikalfängers Katalase sinkt und dadurch weniger Wasserstoffperoxid neutralisiert wird.) Nur wenige wissen allerdings, wie sehr nicht nur die Menge, sondern auch die Art der Fette den Alterungsprozess beeinflusst.

 

Die größte Gefahr im Hinblick auf gefährliche Oxidation liegt tatsächlich in der Beschaffenheit der Fette, die wir mit der normalen Ernährung aufnehmen. Oxidativer Stress entsteht vor allem durch die Aufnahme von ungesättigten Fetten und Ölen, vor allem wenn der antioxidative Schutz im Körper nicht optimal ist. In erhöhtem Maß gilt das für den Konsum von bereits oxidierten Fetten. Lipidperoxidation ist ein entscheidender Faktor bei der Entstehung von degenerativen Erscheinungen und Krankheiten wie Arteriosklerose und Demenz, aber auch einiger Krebsformen.

Gefahr geht nicht nur von erkennbar ranzigen Fetten aus, wie wir am Beispiel der Salami aufgezeigt haben. Auch Speiseöle mit einem hohen Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren entwickeln in kürzester Zeit ein gefährliches Maß an Selbstoxidation. Zum Teil geschieht das bereits bei der Produktion, da noch immer nur wenige Hersteller ausreichende Sorgfalt beim Gewinnungsprozess walten lassen. Um sich vor der Autooxidation von Ölen zu schützen, sollte man unbedingt einige Grundsätze beachten:

Der richtige Umgang mit ungesättigten Fetten und Ölen:

● Niemals mit hoch ungesättigten Ölen braten oder frittieren (wie zum Beispiel mit Distelöl, Walnussöl, Rapsöl oder Sonnenblumenöl), selbst wenn die Öle als Bratöl deklariert sind.

● Öle ausschließlich in dunklen Flaschen und absolut frisch kaufen.

● Generell keine raffinierten oder gereinigten (farb- und geruchlosen) Öle verwenden!

● Geöffnete Ölflaschen im Kühlschrank lagern!

● Hoch ungesättigte Öle innerhalb von ein bis zwei Wochen aufbrauchen!

● Jedes Öl, das auch nur entfernt ranzig oder bitter schmeckt, sofort entsorgen!

„Es ist schon ironisch, dass das Ranzigwerden des Körperfetts wohl in genau der gleichen Art verhindert werden kann wie das Ranzigwerden von Nahrungsfett.”

BALARAMAN KALYANARAMAN [Biophysisches Forschungsinstitut von Wisconsin, USA]

Das gesunde und das tödliche Gesicht der Öle

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren (MUF) wie die Linolsäure und Linolensäure sind essenzielle Baustoffe für unseren Körper, vor allem für die hochempfindlichen Membranen der Zellen. Der Mensch kann MUF nicht selbst produzieren, sie müssen also über die Nahrung aufgenommen werden. Enthalten sind sie beispielsweise in Soja, Walnüssen, Leinsamen, Sonnenblumenkernen oder Hanfsamen. Auch das Fett vieler Wildtiere enthält MUF in größeren Mengen. Menschen in Industrienationen nehmen die meisten MUF über Pflanzenöle auf.

Bestimmte Salatöle können zur Senkung des Cholesterinspiegels beitragen und gelten deshalb als gesundheitsfördernd. Doch gerade Öle mit einem hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren bergen ein bisher unterschätztes Langzeitrisiko im Hinblick auf den Alterungsprozess in sich. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind hoch empfindlich gegen Oxidation. Gesundheitlich positiv können sie deshalb nur wirken, wenn sie nicht schon bei der Gewinnung Licht, Luft und Wärme ausgesetzt werden. Denn ansonsten wird ein aggressiver Prozess der Autooxidation gestartet, der sich nach dem Verzehr in einer Kettenreaktion fortsetzt.

Bisher wurde bei der Ölgewinnung auf diesen Aspekt nur unzureichend Rücksicht genommen (mit Ausnahme einiger Hersteller aus dem Bereich der Naturkost). Aktuelle Tests zeigen, dass von den derzeit angebotenen Ölmarken viele ein extremes Maß an Oxidation (Ranzigkeit) aufweisen. Und selbst beim relativ stabilen und häufig kalt gepressten Olivenöl (es enthält lediglich zehn Prozent MUF) sind unakzeptabel hohe Oxidationsgrade bereits in der ungeöffneten Flasche nicht selten.

Die Vitamin-E-Falle. In diesem Zusammenhang möchten wir auf einen ebenso verbreiteten wie verhängnisvollen Trugschluss hinweisen. Bei der Raffination und Reinigung von Speiseölen werden zunächst alle natürlichen Tocopherole (Vitamin E) entzogen. Anschließend setzen die Hersteller vor der Abfüllung Vitamin E wieder zu. Allerdings wird von der kompletten Tocopherolfamilie ausschließlich das Alpha-Tocopherol ergänzt. Vor allem ohne das bedeutsame Gamma-Tocopherol führt dies zu Störungen der antioxidativen Abwehr (insbesondere im Bereich der Bildung von Peroxinitrit, einem Atherosklerosefaktor). Doch es kommt noch etwas dazu.

Zwar ist Vitamin E innerhalb des Organismus und im Zusammenspiel mit anderen Helfern ein starkes Antioxidans. Außerhalb garantiert es aber nur eine begrenzte Schutzwirkung. Die bei Ölen zugesetzte Menge reicht gerade aus, die Oxidation der verschlossenen Flasche zu verhindern. Spätestens nach dem Öffnen ist die Schutzwirkung jedoch völlig unzureichend und das Vitamin wird schnell inaktiviert.

Aber auch wenn wir Öl aus einer frisch geöffneten Flasche zu uns nehmen, wird bei hoch ungesättigten Ölen das darin enthaltene Vitamin E im Körper durch die Verstoffwechslung der MUF und die damit zwangsläufig ansteigende Oxidation schnell aufgebraucht. (Anmerkung: Dieser spezifische Vitaminverbrauch lässt sich heute sehr genau messen. Der Bedarf an Vitamin E steigt proportional mit der Aufnahme von ungesättigten Fettsäuren und beträgt mindestens 0.5 IE pro Gramm MUF.) Und nun das Fatale: Ab einem bestimmten Gehalt an ungesättigten Fettsäuren, die eine Ölsorte enthält, übersteigt der dadurch bedingte „Verbrauch“ an Vitamin E die Menge, die mit diesem Öl geliefert wird. Wohlgemerkt: Wir reden von frischen Ölen. Bei älteren oder oxidierten Ölen ist die Situation ohnehin dramatisch.

Ein Beispiel: Abgefülltes Distelöl enthält etwa 300 IE Vitamin E pro Liter und gilt entsprechend als „sehr gute Vitamin-E-Quelle“. Der Gehalt an MUF beträgt 75 Prozent, dabei sind 11 Prozent einfach ungesättigte Fettsäuren noch nicht einmal eingerechnet. Diese Dichte an MUF erfordert mehr als 370 IE Vitamin E zum Ausgleich der nach dem Konsum des Öls einsetzenden Vitamin-E-Inaktivierung. Das bedeutet, der Organismus benötigt zum Eigenschutz 20 Prozent mehr Vitamin E, als vom Öl selbst geliefert wird. Trotz der scheinbar guten Quelle entsteht also im Organismus ein Nettodefizit und der antioxidative Schild wird – statt unterstützt – zusätzlich beansprucht und durchlöchert.

Wie das Beispiel hoffentlich deutlich macht, sind Salatöle nicht immer Vitamin-E-Lieferanten, sondern nicht selten sogar Vitamin-E-Räuber. Listen und Empfehlungen, die Öle als Vitamin-E-Quelle propagieren, berücksichtigen fälschlicherweise nur den numerischen Vitamingehalt des Produkts, ohne die physiologischen Prozesse bei der Verstoffwechselung mit einzubeziehen. Bei naturbelassenen frischen Vitamin-E-haltigen Rohprodukten wie Nüssen ist die Gefahr eines Nettoverlustes an Vitamin E in der Regel nicht so groß. Dennoch darf man die mit diesen Nahrungsmitteln aufgenommene Vitamin-E-Menge keinesfalls absolut sehen. Denn sie enthalten eben meist auch leicht oxidierbare Fettsäuren, die bei ihrer Verstoffwechslung einen mehr oder weniger großen Teil des Vitamin E selbst aufbrauchen. Im Unterschied zu anderen Vitaminen ist bei heutigen Ernährungsgewohnheiten eine ausreichende Erhöhung des Vitamin-E-Spiegels praktisch nur über die zusätzliche Substitution in Form von Ergänzungspräparaten garantiert.

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind also einerseits lebensnotwendig und entfalten positive Wirkungen, die weit über die Cholesterinsenkung hinaus gehen; sie unterstützen etwa die Funktion der Nervenzellen, sind immunstimulierend, wirken der Fettspeicherung entgegen und vieles mehr. Die hoch ungesättigte Alpha-Linolensäure, enthalten vor allem in Leinöl, Hanföl und Rapsöl, gewinnt darüber hinaus eine zunehmende Bedeutung bei der Krebsprophylaxe.

Sind Fettsäuren aber bereits oxidiert oder stehen nicht ausreichend Antioxidantien (wie Vitamin E und C oder Glutathion) im Körper zur Verfügung, beschleunigen MUF ihrerseits die Radikalbildung und damit Krankheits- und Alterungsprozesse. Ein Beispiel verdeutlicht das: Wollen Wissenschaftler im Labor atherosklerotische Prozesse untersuchen, haben sie zwei Möglichkeiten. Zum einen gibt es Labortiere, bei denen Gefäßveränderungen genetisch bedingt verstärkt auftreten. Ein anderes Standardmodell ist folgende Vorgehensweise: Man füttert den Untersuchungstieren Futter, das kaum Vitamin E und andere Antioxidantien enthält, und lässt sie dazu einfach viel herkömmliches Salatöl essen. Diese Diät führt in kurzer Zeit zu Atherosklerose und beschleunigter Zellalterung!

Umwelt und Radikalbildung

Neben den Radikalen, die stoffwechselbedingt im Körper entstehen, rufen auch andere Faktoren oxidativen Stress hervor. Das kann durch eine direkte Förderung der Radikalbildung geschehen oder indirekt über eine Beeinträchtigung des antioxidativen Schutzes:

Aggressive Umwelteinflüsse:

– Umweltgifte (z. B. Dioxin oder Lindan)

– Unkraut- und Entlaubungsmittel (z. B. Paraquat)

– Erhöhte Metallbelastung (Aluminium, Cadmium, Quecksilber, Blei)

– Aromatische Chlorkohlenwasserstoffe (z. B. im Zigarettenrauch)

– Stoffwechselprodukte (wie das nach Alkoholkonsum produzierte Acetaldehyd)

– Strahlung (Sonne, Röntgen, Elektrosmog)

– Schädlingsbekämpfungsmittel (sie erzielen ihre Wirkung häufig dadurch, dass sie bei den anvisierten Tieren lebensgefährliche bzw. tödliche Oxidationen bewirken. Interessant dabei: Werden Tiere gegen ein Spritzgift resistent, liegt das meist „einfach“ an einer verbesserten antioxidativen Abwehr).

Risiken bei Arzneimitteln

Auch viele Arzneimittel rufen im Körper eine verstärkte Radikalbildung hervor. Das kann Teil der erwünschten Wirkung sein oder ein Grund für Nebenwirkungen.

– Krebsmittel. Beispiele für Medikamente, die einen extremen aber größtenteils erwünschten oxidativen Stress erzeugen, sind bestimmte Antibiotika, die in der Tumorbekämpfung eingesetzt werden (z. B. Adriamycin).

– Chloroquin. Wer schon einmal in den Tropen war, hat vielleicht schon einmal Chloroquin zur Malariaprophylaxe eingenommen. Der Wirkstoff erhöht indirekt die Radikalbelastung, indem er unter anderem im Gehirn und den roten Blutkörperchen die Schutzstoffe Glutathion und Vitamin C reduziert. (Anmerkung: Für kurze Zeit ist das nicht allzu problematisch und der Nutzen im Hinblick auf die Malaria überwiegt deutlich. Das liegt auch daran, dass in wichtigen Organen wie der Leber ein körpereigenes Enzym, NADPH, für eine teilweise Reaktivierung von verbrauchtem Glutathion sorgt. Das wieder aufgebaute Glutathion kann dann seinerseits den Vitamin-C-Spiegel etwas stabilisieren. Wie wichtig diese wenigstens teilweisen Reaktivierungen sind, sieht man an Personen mit einem angeborenen Defizit an NADPH. Sie erleiden nach der Einnahme von Chloroquin sehr ernsthafte Schädigungen durch die nun erheblich eingeschränkte Radikalabwehr. In jedem Fall ist es eine gute Strategie, für den nächsten Tropenurlaub in der Reiseapotheke neben Malariamitteln auch L-Cystein, Vitamin C, Glutathion und andere Antioxidantien mitzunehmen.)