Endlich Schluss mit Typ-2-Diabetes!

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Sparen für schlechte Zeiten

Im Laufe unserer langen Entwicklung mussten wir Menschen mit häufigen Perioden von Nahrungsknappheit zurechtkommen. Wir mussten Zeiten von Missernten oder Pechsträhnen bei der Jagd überleben. Infolgedessen haben wir sehr kluge Mechanismen zur Speicherung von Nahrungsenergie entwickelt.

Wir beziehen unsere gesamte Energie aus dem, was wir essen oder trinken. Das ist zwar eine Binsenweisheit, doch sie eignet sich gut als Ausgangspunkt, um sich mit der Lebensenergie zu befassen. Nachdem die Nahrung verzehrt ist, wird sie durch die Verdauung zu einfacheren Stoffen abgebaut. Die Leber ist eine Fabrik, die verwertbare Formen daraus herstellt. Es gibt nur wenige Quellen von Nahrungskalorien: Fett, Protein und Alkohol. Der Weg von Ihrem Teller in Ihren Körper funktioniert folgendermaßen:

• Kohlenhydrate: Kartoffeln, Nudeln, Reis, Brot und alle Zuckerarten werden zu Glukose abgebaut.

• Fett: Butter, Öle, Milch und Milchprodukte, Fett im Fleisch werden zu einfacheren Fetten abgebaut.

• Protein: Fleisch, Linsen, Nüsse, Milch und Milchprodukte werden zu den Grundbausteinen (den Aminosäuren) abgebaut und für Muskeln und andere Gewebe verwendet. Jeder Überschuss wird in Glukose umgewandelt.

• Alkohol: wird abgebaut und als Fett gespeichert.

Wenn Sie nochmal einen Blick auf die Liste werfen, können Sie feststellen, dass Ihre gesamte Nahrung entweder zu Glukose oder zu Fett umgewandelt wird. Und diese „Treibstoffe“ sind die Quelle der gesamten Energie für Ihren Körper.

Jetzt können Sie Ihren Teller also in einem ganz neuen Licht betrachten. Kohlenhydrate sind im Endeffekt Zucker, und Fett ist Fett. Glukose kann als Glykogen in der Leber sowie in Muskeln und Fett unter der Haut (Unterhautfettgewebe) gespeichert werden. Jedes überschüssige Protein wird zu Glukose. Entgegen der landläufigen, durch die Werbung für Proteine als Nahrungsergänzungen geförderten Meinung, führt eine übermäßige Proteinzufuhr nicht zur Bildung von großen Muskelpaketen. Produkte mit exotisch klingenden Bezeichnungen wie „verzweigtkettige“ Aminosäuren oder Rinderprotein beflügeln nichts weiter als das Wunschdenken. Aminosäuren sind lediglich die Grundbausteine für Proteine. Sind sie im Übermaß vorhanden, trennt der Körper die Atome, durch die sie sich voneinander unterscheiden, kurzerhand ab und ihre Kohlenstoffgerüste wandern in den Pool zur Umwandlung in Glukose.

Und was geschieht mit dem Alkohol – hierbei handelt es sich doch sicherlich um einen speziellen „Treibstoff“? Ganz und gar nicht. Alkohol ist im Wesentlichen flüssiges Fett. Er enthält fast so viel Energie wie Fett – sieben Kalorien pro Gramm, im Vergleich zu neun Kalorien, die in jedem Gramm Fett enthalten sind. Die Leber entfernt die speziellen Atome, durch die sich der Alkohol als solcher auszeichnet, und er wird einfach verbrannt oder als Fett gespeichert.

Was also die Energiespeicherung im Körper und den Energieverbrauch betrifft, sprechen wir nur von Glukose und Fett. Darin zeigt sich die wunderbare Sparsamkeit der Natur.

DER ENERGIESTOFFWECHSEL IST EINFACH

• Der Körper verbrennt nur zwei „Treibstoffe“ zur Energiegewinnung – Glukose und Fett. Beide können gespeichert und bei Bedarf genutzt werden.

• Protein wird zu den Bausteinen abgebaut, die der Körper für das Wachstum und zur Instandhaltung braucht. Doch in der westlichen Welt neigen wir dazu, mehr Protein als benötigt zu verzehren, und jeder Überschuss wird vom Körper in Glukose umgewandelt.

• Alkohol? Da der Körper immer effizient arbeitet, baut er Alkohol einfach ab und verbrennt ihn, als handele es sich um Fett.

• Der Stoffwechsel ist nichts anderes als die koordinierte Handhabung von Glukose und Fett.

Energiespeicherung in Form von Glukose

Die Speicherung von Glukose ist kompliziert. Sie zieht Wasser an, daher würden Gewebe, die Glukose speichern, schnell anschwellen und geschädigt werden. Aus diesem Grund hat der Körper eine unglaubliche Notlösung entwickelt. Durch Verknüpfen der Glukosemoleküle zu einer Kette oder, fachsprachlich, einem Polymer (ungefähr wie eine Perlenschnur), werden sie unbeweglich und können zur Nutzung bereitgehalten werden, ohne dass lokale Probleme entstehen. Die Glukose kann kein Wasser mehr anziehen und problemlos in Muskel- oder Leberzellen gespeichert werden. Diese konzentrierte Form von Glukose ist als Glykogen bekannt.

In Zusammenhang mit Langstreckenläufen steht Glykogen sehr oft im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit. Bei den Nudelpartys vor Marathonläufen geht es nur um die Versorgung mit viel Glykogen, also darum, große Mengen Kohlenhydrate zu sich zu nehmen und den „Tank“ bis zum Rand aufzufüllen. Im täglichen Leben besteht die Aufgabe der Glykogenspeicher jedoch darin, den Körper nach den Mahlzeiten darin zu unterstützen, dass der Blutzuckerspiegel unter Kontrolle bleibt. Und so funktioniert das: Nach dem Essen steigt der Blutzuckerspiegel und der Körper beginnt, die aus dem Blut aufgenommene Glukose zu entfernen und als Glykogen in Leber und Muskeln zu speichern. In der Nacht kann er diese Glukosespeicher nutzen; die Leber gibt Tag und Nacht in aller Stille genau die richtige Menge Glukose an das Blut ab, damit der ganze Körper – in jeder Minute – mit Energie versorgt wird, egal, ob Sie etwas essen oder nicht.

Die folgenden beiden Grafiken zeigen den Ablauf.

Sobald sich der „Glukose-Tsunami“ aus einer Mahlzeit verzogen hat, wird der Treibstoff neu verteilt, um den restlichen Körper mit Energie zu versorgen. Das Leberglykogen kann bei Bedarf Glukose ins Blut abgeben. Das Muskelglykogen wird zu kurzen Kohlenstoffketten abgebaut, die vom Blut zur Leber transportiert und wieder in Glukose umgewandelt werden. Glykogen kann auch sofort genutzt werden, um den Muskel bei einer plötzlichen körperlichen Anstrengung mit Energie zu versorgen, doch für die meisten Menschen, die eine sitzende Lebensweise pflegen, ist der Muskel nur eine nützliche vorübergehende „Lagerhalle“ für das Glykogen. Der Grafik können Sie entnehmen, dass der Glykogenspiegel etwa fünf Stunden nach einer Mahlzeit sein Maximum erreicht; dann sinkt er durch die Neuverteilung des Treibstoffs ab.


Abbildung 2.5a: Veränderte Menge von Muskelglykogen nach dem Frühstück.


Abbildung 2.5b: Steigerung der Menge von Muskelglykogen im Laufe eines Tages bei drei Mahlzeiten – und Absinken während der Nacht.

Ich sage vorübergehende Lagerhalle, denn das wäre der Idealfall. In der westlichen Gesellschaft nehmen die Menschen aber normalerweise drei Mahlzeiten täglich zu sich, sodass dass das Glykogen durch die kurzen Abstände gar nicht verbraucht werden kann. Stattdessen kommt es – wie in der unteren Grafik gezeigt wird – zu einem weiteren Glykogenanstieg nach der zweiten und zu einem weiteren Anstieg nach der dritten Mahlzeit, wobei die Speicher den höchsten Tageswert erreichen.

Glukose, die nicht als Glykogen gespeichert werden kann, muss einen anderen Platz finden. Und die einzige Möglichkeit, die der Körper hat, ist die Umwandlung in Fett. Dieser Prozess geht in der Leber vor sich. Das neugebildete Fett kann bei Bedarf Energie für die Leber selbst liefern oder an irgendeine andere Stelle im Körper geschickt werden. Wird die Energie jedoch innerhalb von 24 Stunden nicht gebraucht, steigen die gespeicherten Mengen allmählich an. Wenn Sie zu fett oder zu kohlenhydratreich essen, wird sich das Fett in der Leber ansammeln.

Glukoseüberschuss wird zu Fett

Der Körper kann – kurzfristig – gut damit umgehen, wenn Sie zu viele Kohlenhydrate zu sich nehmen. Sind die Glykogenspeicher voll, muss die überschüssige Glukose, wie gesagt, irgendwo anders gespeichert werden. Das ist der Schlüssel zum Verständnis, warum ein Überangebot von Kohlenhydraten und Fett dasselbe Schicksal teilen. Unser Körper hat nur eine Möglichkeit mit diesem Überschuss umzugehen: er muss in Fett umgewandelt werden.

Dieser Prozess, also die Umwandlung von Glukose in Fett, geht nur in der Leber vonstatten. Wird dieses neugebildete Fett nicht für die Energieversorgung gebraucht, nimmt das in der Leber gespeicherte Fett immer mehr zu. Dieser Prozess ist für die Entwicklung von Typ-2-Diabetes von zentraler Bedeutung, wie noch deutlich werden wird.

Und wo speichern Sie Ihr Fett?

Ich untertreibe nicht, wenn ich sage, dass unsere Fähigkeit, Energie als Fett zu speichern, das Geheimnis unserer Überlebensfähigkeit ist. Auf einer einsamen Insel gestrandet, kann der Durchschnittsmensch viele Wochen ohne Nahrung überleben. Zuerst greift der Körper auf Glykogen zurück – obwohl es eine geringere Rolle spielt, da diese Speicher nach etwa 48 Stunden erschöpft sind. Ist bis dahin noch immer kein Schiff am Horizont in Sicht, wendet er sich den Fettspeichern zu. Das Körperfett kann uns wochenlang mit all der Energie versorgen, die wir brauchen.

In der langen Kette von Kohlenstoffatomen, aus der ein Fettmolekül gebildet wird, stecken große Mengen Energie. In jedem Gramm Fett sind neun Kalorien eingeschlossen. Etwa 500 g Fett enthalten mehr als 4000 Kalorien (oder ein Kilogramm enthält 9000 Kalorien).

Beim Nahrungsfett ist es nicht anders, deshalb sind fetthaltige Nahrungsmittel zugleich hochkalorisch. Für das Fett in Ihrem Körper bedeutet der hochkalorische Gehalt eine wirksame Form der Energiespeicherung.

 

Fett wird hauptsächlich einfach unter der Haut gespeichert. Manche Menschen können im Unterhautfettgewebe große Mengen unterbringen, auch wenn das, mit den Augen des 21. Jahrhunderts betrachtet, nicht gerade wünschenswert aussehen mag. Doch für die meiste Zeit in der Geschichte des Menschen war es sogar sehr wünschenswert und bedeutete, dass jemand es sich leisten konnte, gut zu essen. Zugleich war es ein Hinweis auf den Erfolg und den hohen Sozialstatus der Menschen. Und es gibt noch einen weiteren, sehr wirkmächtigen Faktor, der schon vor langer Zeit erkannt wurde: Für die Fortpflanzungsfähigkeit bedarf es einer angemessenen Ernährung, schlecht ernährte Menschen sind weniger fruchtbar. Daher zeigen Bilder und Funde der von Menschenhand geschaffenen Objekte, die die Fruchtbarkeit symbolisieren, allesamt sehr dicke Figuren.


Abbildung 2.6: Schaut man sich den Körper von der Seite an, zeigen diese Bilder, was sich im unteren Teil des Rumpfes befindet. Die Wirbelsäule verläuft in der Mitte von oben nach unten. In der Bauchhöhle sind die Darmschleifen grau dargestellt und der Rest ist mit viszeralem Fett (weiß) gefüllt. Die linke Aufnahme zeigt einen Menschen mit Typ-2-Diabetes und einem Body-Mass-Index (BMI) von 35; die rechte Aufnahme zeigt denselben Menschen nach einem Gewichtsverlust von 15 Kilo. Die Originale der Kernspinaufnahmen können online angesehen werden unter: https://go.ncl.ac.uk/diabetes-reversal

Menschen hängen tendenziell einem sehr seltsamen Glaubensmodell an – die Rede ist von „viel hilft viel“ – eine Redensart, die aber nur selten der Wahrheit entspricht. Im Unterhautfettgewebe ist das Fett sicher verwahrt, und zwar in einer Form, die im übrigen Körper keinen Schaden anrichtet. Diese Wohlfühlschicht mag zwar an sich keine schlechte Sache sein, doch sie ist eventuell ein Hinweis darauf, dass auch anderswo schon zu viel davon vorliegen könnte (vgl. die folgenden Abbildungen in diesem Kapitel). Und die Menge, die ein Mensch in dieser sicheren, zweckorientierten Speicherschicht einlagern kann, variiert erheblich. Ist mehr Fett vorhanden als untergebracht werden kann, muss die zusätzliche Menge also irgendwo anders gespeichert werden, beispielsweise in der Bauchhöhle. Dort wird es als viszerales Fett bezeichnet und ist eine grobe Orientierung dafür, wie viel überschüssiges Fett der Körper mit sich herumschleppt. Je mehr viszerales Fett vorhanden ist, desto höher ist das Risiko für einen künftigen Herzinfarkt – und für Diabetes.


Abbildung 2.7: Diese Aufnahmen zeigen, was sich im unteren Teil des Rumpfes befindet, wie in Abbildung 2.6. Hier handelt es sich aber um einen Menschen mit einem BMI von 26. Wieder sind in der Bauchhöhle die Darmschleifen grau dargestellt und der Rest ist mit viszeralem Fett (weiß) gefüllt. Nach der Gewichtsabnahme (rechtes Bild) besteht die wichtigste Veränderung darin, dass das meiste viszerale Fett verschwunden ist, doch die Schicht unter der Haut nur mäßig abgenommen hat. Die Originale der Kernspinaufnahmen können online angesehen werden unter: https://go.ncl.ac.uk/diabetes-reversal

Warum ist das so? Nun, viel viszerales Fett ist, obwohl es keine unmittelbare Gefahr darstellt, ein Hinweis auf etwas anderes, das definitiv gefährlich ist, nämlich auf das Fett, das sich in den Hauptorganen ansammelt – in Leber, Bauchspeicheldrüse, Herz und Muskelgewebe. Während die Menge des viszeralen Fetts mithilfe eines Maßbandes um die Taille geschätzt werden kann, entzieht sich das Fett, das in den Hauptorganen lagert, tatsächlich jeder Beurteilung – es ist gut versteckt. Und was die Leber und die Bauchspeicheldrüse betrifft, so kann es schwerwiegende Probleme verursachen, über die später noch ausführlich zu sprechen sein wird.

Im nächsten Kapitel werden wir den „Dirigenten“ dieses ganzen Kohlenstoff-Orchesters im Körper kennenlernen und erfahren, warum die „Musik“ bei Typ-2-Diabetes so schrecklich falsch spielt.

DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE

• Der Körper verbraucht die meiste Energie täglich dafür, sich selbst am Leben zu erhalten.

• Kurze Trainingseinheiten verbrennen relativ wenige Kalorien und verschieben das Gleichgewicht zwischen den mit der Nahrung aufgenommenen und den verbrauchten Kalorien nur geringfügig.

• Körperliche Langzeitaktivitäten – Gärtnern, Arbeiten im Haushalt, Herumlaufen – können einen guten Beitrag zu einem langfristigen Energiegleichgewicht leisten.

• Menschen beziehen Energie nur aus zwei elementaren Arten von „Brennstoffen“ im Körper: Glukose und Fett.

• Glukose wird als Glykogen in der Leber und im Muskelgewebe gespeichert – aber nur in geringen Mengen.

• Fett verursacht kein Stoffwechselproblem, sofern es nur im Unterhautfettgewebe gespeichert wird, doch es kann zu schwerwiegenden Problemen führen, wenn es in den Hauptorganen, insbesondere in Leber und in Bauchspeicheldrüse, lagert.

KAPITEL 3
Wie Ihr Körper mit Nahrung umgeht


Wir sind soziale Wesen. Und ein großer Teil unseres sozialen Lebens dreht sich um das Essen: Es ist der „Schmierstoff“ der Kommunikation und setzt einen Rahmen, in dem wir Zeit mit der Familie und mit Freunden verbringen. Das ist alles schön und gut – zumindest so lange wir jung und gesund sind. Der Körper wird mit allem fertig, was wir essen – oder trinken. Wir könnten auf einer Party wilde Fressorgien veranstalten und viel zu viel Alkohol in uns hineinschütten, aber nichts davon scheint allzu ernste Folgen zu haben. Ebenso macht es unser erstaunlicher Körper mit, wenn wir einmal eine Mahlzeit auslassen, er lebt einfach weiter.

Doch im Zuge unseres Erwachsenenlebens verändert sich unser Verhältnis zum Essen tendenziell. Inzwischen ist die Ernährung zu einer Gewohnheit geworden. Anstatt uns beim Essen vom Instinkt leiten zu lassen – und aufzuhören, wenn wir satt sind –, essen wir, weil Essen zur Verfügung steht, weil wir uns an eine bestimmte Menge gewöhnt haben und auch, weil wir uns schwer damit tun, eine Mahlzeit auszulassen oder unsere Gewohnheiten zu verändern. Heutzutage steigt im Vereinigten Königreich das durchschnittliche Körpergewicht von Erwachsenen im Alter zwischen 20 und 60 Jahren jedes Jahr um ein halbes Kilogramm. Manche Menschen nehmen nur wenig zu, manche sehr viel mehr, aber wer mit 25 Jahren 70 kg wog, wird bis zum Alter von 45 Jahren im Durchschnitt 80 kg auf den Rippen haben. Das Ende vom Lied ist, dass viele Menschen abzunehmen versuchen, oft mehrmals. Doch der Druck des alltäglichen Lebens – Arbeit, Familie, Haus, Geld – ist unerbittlich, und das Hauptaugenmerk im Leben liegt tendenziell nicht so sehr darauf, schlank zu bleiben, sondern darauf, sich um das zu kümmern, was gerade am dringendsten ist. Manchmal fühlt sich das Leben eher wie ein Überleben an. Und währenddessen lebt der Körper weiter und scheint gar nicht zu bemerken, was alles in ihn hineingelangt – wird dabei aber immer schwergewichtiger.

Wie er das Wunder vollbringt, weiter zu funktionieren, ob Sie sich nun hauptsächlich von stärkehaltigen Nahrungsmitteln oder hauptsächlich von Fleisch ernähren, ist erstaunlich.

Die Nacht überstehen

Es gibt ein Organ, das im Laufe eines jeden 24-Stunden-Zyklus kontinuierlich dieselbe Menge „Treibstoff“ beansprucht. Das ist das Gehirn. Tag und Nacht braucht Ihr Gehirn eine gleichbleibende und erhebliche Menge an Energie. Es nutzt nur eine Quelle – Glukose – und ob es nun bewusst arbeitet oder nicht, es verbraucht immer dieselbe Menge. Das mag eine enttäuschende Nachricht sein, wenn Sie nach einem langen Tag voller Entscheidungen und Planungen gerade müde sind. Doch die Wahrheit ist, dass Ihr Gehirn auch nicht mehr Energie aus der Nahrung genutzt hätte, wenn Sie Ihre Zeit mit Tagträumen verbracht hätten.

Im Vergleich zu unseren tierischen Artgenossen haben wir Menschen jedoch ein vergleichsweise großes Gehirn. Da fragt man sich schon, wie es zwischen den Mahlzeiten genügend Treibstoff bekommt, gerade in der Nacht. Ist es wirklich auf die Glukose der letzten Mahlzeit angewiesen? Ganz sicher nicht, denn der Blutzuckerspiegel sinkt schon wenige Stunden nach der letzten Mahlzeit wieder auf den Ausgangswert ab und bleibt während der vielen Stunden, die wir schlafen, stabil. Die Glukose muss also von woanders herkommen.

Zum Glück übernimmt ein anderes Organ die ganz besondere Aufgabe, das Glukoseangebot konstant zu halten. Das ist, wie in Kapitel 2 erwähnt, die Leber. Ihr verdankt das Gehirn seine Glukoseversorgung nicht nur zwischen den Mahlzeiten, sondern auch während der Nacht. Die Leber bildet sie ununterbrochen. Tatsächlich kommt die meiste Glukose im Blut nicht direkt aus der Nahrung, sondern aus der Leber.


Abbildung 3.1: Damit die Versorgung des Gehirns mit der benötigten Energie aus Glukose gesichert ist, bildet die Leber sie in genau der richtigen Geschwindigkeit, und der Blutglukosespiegel bleibt konstant.

Da der Blutzuckerspiegel beim abendlichen Zubettgehen einen ähnlichen Wert hat wie beim morgendlichen Aufwachen, scheint es, als wäre nichts geschehen. Tatsächlich wird jedoch jedes kleinste bisschen Glukose im Blut alle 90 Minuten ausgetauscht. Da sie vom Gehirn aufgenommen und verbraucht wird, muss sie immer wieder durch Nachschub aus der Leber ersetzt werden. Das ist wie bei einem Fluss mit hoher Strömungsgeschwindigkeit, dessen Wasser sich ständig fortbewegt, ohne dass der Wasserspiegel sich verändert.

In der Zeit, in der man keine Nahrung zu sich nimmt, bildet die Leber eine konstante, geringe Menge Glukose pro Kilogramm Körpergewicht. Bei einem Mann mit einem Körpergewicht von 75 Kilo ist das zum Beispiel pro Minute 1/6 Gramm. Das summiert sich zu etwa 10 g Glukose pro Stunde (2 Teelöffel). Während der 8 Stunden Schlaf werden etwa 80 g (16 Teelöffel) in das Blut abgegeben. Das ist eine Menge Glukose, die gebildet werden muss, während Ihr Körper relativ inaktiv ist. Um die gleiche Menge in Form von Kohlenhydraten aufzunehmen, müssten Sie vier dicke Scheiben Brot essen.

Als Sie heute Morgen aufwachten, war jedes Molekül Glukose in Ihrem Blut von Ihnen selbst gebildet worden, Sie hatten also im wahrsten Sinne des Wortes „süße Träume“. Das Gehirn fordert an – die Leber liefert. Alle anderen Gewebe können auf Fett als Energiequelle zurückgreifen.

Diese Gratwanderung klingt ziemlich einfach: Die Leber gibt Zucker an das Blut ab zum Transport ins Gehirn, und das Gehirn nutzt ihn, um am Leben zu bleiben. Doch der Zusammenhang zwischen Verbrauch und Nachschub ist von entscheidender Bedeutung und läuft im Verborgenen ab. Woher weiß die Leber, wie viel Glukose sie an das Blut abgeben muss?