Endlich Schluss mit Typ-2-Diabetes!

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

KAPITEL 1
Was ist Typ-2-Diabetes?


Eine Schlange im Gras

Diabetes ist eine Krankheit, die schleichend wichtige Körpersysteme angreift – ohne Vorwarnung.

Der Prozess zieht sich über viele Jahre, und während dieser Zeit können sich die Betroffenen vollkommen gesund fühlen. Doch heimlich, still und leise sorgt ein hoher Blutzuckerspiegel für zahlreiche Probleme und schwerwiegende Folgen, die dann oft plötzlich in Erscheinung treten, sodass es schwierig ist, wieder ganz gesund zu werden. Ärzte bezeichnen diese Folgen als „Komplikationen“ von Diabetes, ein höflicher Begriff, der in keiner Weise ausdrückt, wie furchtbar das für die Betroffenen ist. Wenn Sie jedoch wissen, dass sich eine Schlange im Gras verbirgt und sie sehr giftig ist, dann können Sie selbst die Gefahr verringern, gebissen zu werden.

Die gute Nachricht vorneweg: Das Risiko, dass es zu diesen langfristigen Folgen kommt, kann gesenkt werden, indem Sie Ihren Blutzuckerspiegel so gut wie möglich unter Kontrolle halten. Und es gibt sogar eine noch bessere Nachricht: Wenn der Glukosewert in den Normbereich zurückkehrt, ist die Gefahr von Schäden an Augen, Nerven, Füßen, Nieren, Herz und Gehirn wieder genauso groß oder klein, wie sie bei Nichtdiabetikern in ähnlichem Alter und mit ähnlichem Gewicht ist. Aus Sicht des Menschen, der in einen Gewehrlauf schaut, kommt das einem Wunder gleich. Dieses Wunder zu erklären, ist das Hauptanliegen dieses Buches.

Zucker und Diabetes

„Diabetes“ bedeutet einfach nur, dass der Zuckerspiegel im Blut zu hoch ist.

Doch was genau ist Zucker? Der Begriff schließt jede süße, einfache Form von Kohlenhydraten ein. Der Zucker in Ihrem Blut ist eine besondere Form, die als Glukose bezeichnet wird. Gewöhnlicher Haushaltszucker besteht aus zwei chemisch aneinander gebundenen Zuckerarten. Die eine Hälfte ist Glukose, die andere ist Fruktose (ein sehr ähnlicher Zucker, der üblicherweise in Obst vorkommt und auch Fruchtzucker genannt wird; Anm. d. Übers.). Doch die Art des Zuckers spielt keine Rolle, da Ihr Körper Fruktose bei Bedarf in Glukose umwandelt. Glukose ist die Grundform des Zuckers, den Ihr Körper als Energielieferant nutzt.

Bei gesunden Menschen unterliegt der Blutzuckerspiegel einer sehr engmaschigen Kontrolle. Über Nacht findet sie im Minutentakt statt, um ihn konstant zu halten. Selbst nach einem Festmahl ist der Blutzuckeranstieg ziemlich gering. Das liegt daran, dass der Insulinspiegel im Blut, des wichtigsten Hormons, das den Blutzucker kontrolliert, stark und rasch ansteigt. Bricht dieser Mechanismus jedoch zusammen, steigt der Blutzuckerspiegel nach dem Essen zu stark an.

Spielt das also eine Rolle? Zucker sieht doch so harmlos aus, wie er da in seiner Zuckerschale liegt, heute so omnipräsent in unserem Leben ist, und man es sich nur schwer vorstellen kann, dass er einmal ein Luxusgut und zusammen mit dem Honig aus den Klöstern die einzige Möglichkeit war, um Nahrungsmittel zusätzlich zu süßen. Wir haben uns daran gewöhnt, dass Zucker fast allem hinzugefügt wird. Und ja, es spielt eine Rolle, denn wenn der Glukosespiegel im Blut zu sehr ansteigt, treten Probleme im ganzen Körper auf.

In diesem Buch dreht sich alles um Diabetes vom Typ 2, die bei Weitem häufigste Form der Zuckerkrankheit. Die anderen Typen haben jeweils andere Ursachen (im Anhang finden Sie nähere Einzelheiten hierzu), doch alle Formen führen zu einem hohen Blutzuckerspiegel und können ähnliche Langzeitkomplikationen verursachen. Es ist nicht einfach, mit Sicherheit zu sagen, dass jemand einen ganz bestimmten Typ von Diabetes hat, und damit die anderen auszuschließen. Doch rund 90 Prozent der Menschen, bei denen ein hoher Blutzuckerspiegel festgestellt wird, leiden unter Typ-2-Diabetes. Und wenn Sie als erwachsener Mensch zugenommen haben, älter als 30 Jahre sind und einen hohen Blutzuckerspiegel haben, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie eher von Typ-2-Diabetes als von einem der anderen Typen betroffen sind.

Doch es gibt keinen Test, der diese Diagnose definitiv bestätigen kann, und so können die anderen Diabetes-Typen manchmal fälschlicherweise für Typ 2 gehalten werden. Ihr Arzt kann prüfen, ob auch einer der anderen Typen die richtige Diagnose sein könnte.

Wenn Sie selbst Typ-2-Diabetiker sind oder ein Angehöriger betroffen ist, dann haben Sie wahrscheinlich eine Menge Fragen. Was bedeutet das für mich? Ist es die schwerwiegende Form? Wie kann ich meinen Blutzuckerspiegel unter Kontrolle halten? Werfen wir einen Blick auf diese Dinge und einige andere zentrale Probleme, die sich um die Krankheit ranken.

Warum schießt der Blutzuckerspiegel nach den Mahlzeiten in die Höhe?

Sobald wir den ersten Bissen einer Mahlzeit geschluckt haben, wird er im Magen abgebaut und die darin enthaltene Glukose wird rasch ins Blut abgegeben. Aus einer durchschnittlich großen Portion Nudeln mit Gemüse werden zum Beispiel im Zuge der Verdauung etwa 30 Teelöffel Zucker freigesetzt. Auf diese plötzliche Glukoselawine reagiert der Körper normalerweise mit einer schnellen Erhöhung des Insulinspiegels. Und wird die richtige Menge Insulin gebildet, ist der Blutzuckerspiegel rasch wieder unter Kontrolle. Geschieht dies jedoch nicht, steigt er massiv an.

Die Bauchspeicheldrüse (fachsprachlich Pankreas) – genauer gesagt, die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse – sollten dieses Insulin liefern, doch wenn sie nicht richtig arbeiten oder in irgendeiner Weise beeinträchtigt sind, können sie nicht rechtzeitig genügend Insulin bilden, und es kommt zu Diabetes. Zu allem Übel reagiert der Körper bei einem Diabetes vom Typ 2 auch nicht mehr besonders gut auf das angebotene Insulin, um welche Menge es sich auch immer handelt. Und auch wenn der Insulinspiegel zwar langsam, aber stetig ansteigt, kann er seine Funktion nicht erfüllen. Und so klettert der Blutzuckerspiegel nach den Mahlzeiten immer weiter in die Höhe – und braucht dann Stunden, um wieder abzusinken.

Warum sind meine Blutzuckerwerte schon vor dem Frühstück erhöht?

Wenn Sie Diabetiker sind, können Sie sich vielleicht nicht erklären, warum Ihr Blutzucker schon am Morgen so hoch ist, obwohl Sie doch nachts – für 12 Stunden oder noch länger – gar nichts gegessen haben. Manchmal ist der morgendliche Nüchternblutzucker sogar höher als der Wert am Abend zuvor. Was ist da los? Sie sind doch ganz sicher nicht schlafwandelnd zum Kühlschrank gegangen, oder?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zuerst verstehen, wie akkurat der Nüchternblutzucker normalerweise überwacht wird. Unmittelbar am Morgen stammt keines der Glukosemoleküle in Ihrem Blut direkt aus der Nahrung. An die letzte Mahlzeit erinnert sich der Stoffwechsel nur noch entfernt. Tatsächlich wurde der gesamte Blutzucker von Ihrem eigenen Körper gebildet, von Ihrer Leber. Warum bloß stellt Ihr Körper dieses Gift her? Nun, weil ein konstanter Blutzuckerspiegel lebensnotwendig ist (wir werden uns in Kapitel 3 und 4 eingehender damit befassen). Wir brauchen den Blutzucker als Energielieferanten für das Gehirn und als potenzielle sofortige Energiequelle für die Muskeln – sodass wir allzeit bereit zum Handeln sind, selbst wenn wir plötzlich geweckt werden und vor einer Gefahr fliehen müssen. Das Schlüsselwort ist „konstant“: Glukose gelangt leicht aus dem Blutstrom in die Körpergewebe, und weil Glukose giftig sein kann, wird ihre Bildung normalerweise streng reguliert. Bei Typ-2-Diabetes ist diese Regulierung verlorengegangen und Ihre Leber bildet Glukose im Übermaß.

Wie wird Typ-2-Diabetes normalerweise behandelt?

Die Aussichten, die in den offiziellen Richtlinien für die Behandlung eines Diabetes vom Typ 2 geboten werden, sind deprimierend: Eine ständig steigende Anzahl von Tabletten, dann Injektionen, danach die Behandlung mit Insulin. Erhalten Betroffene die Diagnose Typ-2-Diabetes, stehen ihre Chancen 50:50, dass sie innerhalb von 10 Jahren insulinpflichtig werden.

Direkt nach der Diagnose wird dem Diabetiker dann gesagt, dass er abnehmen und mehr Sport treiben solle. Allzu oft wird diese wichtige Botschaft jedoch nur heruntergebetet, ohne den Betroffenen von der tatsächlichen Wirksamkeit zu überzeugen oder ihm hilfreiche Informationen zu geben, wie er all das umsetzen kann. Der Diätplan, den die Patienten in die Hand gedrückt bekommen, ist erst einmal nur ein Stück Papier. Allzu oft besteht der nächste Schritt nämlich in der Verschreibung von Metformin, eines Medikamentes, das den Blutzuckerspiegel niedrig halten soll. Metformin ist billig, die Tabletten sind groß und entsprechend schwer zu schlucken, und es hat „Nebenwirkungen“.

„Nebenwirkungen“ ist eine wunderbare medizinische Beschönigung für Dinge, die dem Patienten Schwierigkeiten bereiten, nicht aber dem Arzt. Was den Arzt angeht, so ist es nur wichtig, dass die verordneten Tabletten die gewünschte Wirkung haben – in diesem Fall sollen sie den Blutzucker unter Kontrolle halten. Wirkungen, die „nebenbei“ auftreten, sind dann eben einfach in Kauf zu nehmen. „Aber Herr Doktor, ich kann gar nicht mehr aus dem Haus gehen, weil ich Angst habe, dass ich ganz schnell zur Toilette muss.“ (Metformin verursacht häufig Durchfall; Anm. d. Übers.) Vielleicht sollten wir also unsere Wortwahl revidieren und von der Gesamtwirkung eines Medikaments sprechen – schließlich sind Sie selbst der beste Experte hinsichtlich dessen, was mit Ihrem Körper geschieht.

 

Etwas Positives hat Metformin dennoch, denn es verursacht keine weitere Gewichtszunahme. Ebenfalls hervorzuheben ist, dass es den Blutzuckerspiegel nur senkt, wenn er hoch ist, und es keine lästigen Unterzuckerungen verursacht. Vom medizinischen Standpunkt ist es also für die meisten Menschen ein relativ sicheres Medikament.

Doch die Wirkungsdauer von Metformin auf den Blutzuckerspiegel verliert sich mit der Zeit, und bald schon ist ein zusätzliches Präparat erforderlich. Die preisgünstigeren Wirkstoff-Alternativen wie Glicalzid, Glibenclamid und Gliquidon führen allesamt zu einer Gewichtszunahme sowie einer plötzlichen Benommenheit, wenn der Glukosespiegel zu weit absinkt (es also zu einer Unterzuckerung kommt). Teurere Wirkstoffe (z. B. Pioglitazon) verursachen keine Unterzuckerung, lassen aber das Gewicht ansteigen und können zu Knöchelschwellungen führen. Die teuersten neueren Alternativen (Gliptine oder Gliflozine) verursachen weder eine Gewichtszunahme noch eine Unterzuckerung, haben aber andere Nebenwirkungen. Es gibt viele gute Gründe, warum Menschen nur ungern Tabletten nehmen möchten.

Wenn Sie zwei oder drei verschiedene Präparate nehmen, Ihr Blutzuckerspiegel aber noch immer nicht stabil ist, kann eventuell eine Injektionsbehandlung empfohlen werden. Liraglutid und ähnliche Medikamente unterscheiden sich in ihrer Wirkung erheblich von Insulin. (Liraglutid ist als Victoza gegen Typ-2-Diabetes und als Saxenda zur Gewichtsreduktion bei Adipositas und Übergewicht auf dem Markt; Anm. d. Übers.) Im Wesentlichen verlangsamen diese Medikamente die Geschwindigkeit der Magenentleerung nach einer Mahlzeit massiv und verhindern so, dass die Nahrung, insbesondere der Zucker, zu schnell ins Blut gelangt. Sie begrenzen auch die Nahrungsmenge, die Sie zu sich nehmen können, da das Sättigungsgefühl früher einsetzt – eine wirklich nützliche Wirkung. Manche Patienten müssen sich auch übergeben oder leiden unter Übelkeit zu Beginn der Behandlung – aber machen Sie sich keine Sorgen, es ist schließlich „nur“ eine Nebenwirkung!

Und dann gibt es ja noch Insulin. Bei vielen Menschen kann Insulin die Kontrolle des Blutzuckerspiegels zwar leicht verbessern, aber der Teufel steckt im Detail einer speziellen Nebenwirkung – den Unterzuckerungen. Es kann passieren, dass der Glukosespiegel völlig unvorhersehbar zu stark gesenkt wird. Dadurch kann es zu allen möglichen Problemen im Alltag kommen, zum Beispiel am Steuer, auf einer Leiter oder bei Küchenarbeiten. Die Folgen im Straßenverkehr sind schwerwiegend, und wenn Sie zum ersten Mal Insulin verordnet bekommen, muss Ihr Führerschein in Großbritannien beispielsweise alle drei Jahre erneuert werden. Zudem nehmen die meisten Menschen unter Insulin zu.

„Behandlung“ ist ein weiterer Begriff, der unterschiedlich interpretiert werden kann. Fragt ein Patient: „Ist mein Diabetes behandelbar?“, dann will er in der Regel wissen, ob die Behandlung seine Gesundheit und damit die Normalität wiederherstellen kann, wie es mit Antibiotika bei einer Infektion oder einem Gips bei einem Knochenbruch der Fall ist. Doch viele Ärzte hören aus dieser Frage heraus: „Gibt es Leitlinien für eine medikamentöse Behandlung dieser Krankheit?“ – und bejahen das. Es gibt nämlich viele offizielle medizinische Leitlinien. Doch weder von der geringen Wirkung zur Verbesserung der Krankheit, noch von der wahrscheinlichen Litanei an voraussichtlichen gesundheitlichen Probleme ist großartig die Rede.

Die gute Nachricht, dass Typ-2-Diabetes „behandelt“ werden kann, übermittelt vielen Menschen eine irrige Botschaft und erzeugt ein falsches Sicherheitsgefühl. Das wird durch die Tendenz wohlmeinender offizieller Informationsportale verschlimmert, die die reale Krankheitssituation beschönigen und betonen, das Leben könne trotzdem ziemlich normal weitergehen wie bisher. Die unbequeme Wahrheit jedoch wird verschwiegen – dass die Hauptkomplikationen nur leicht gemildert werden und selbst die beste konventionelle Behandlung das erhebliche Risiko künftiger gesundheitlicher Probleme nicht beseitigen kann.

Ich bin nicht (krankhaft) übergewichtig, warum habe ich trotzdem Typ-2-Diabetes?

Im Gegensatz zur landläufigen Meinung hat Diabetes vom Typ 2 tatsächlich sehr wenig mit Fettleibigkeit zu tun – obwohl es dabei um das Körpergewicht geht und genauer noch, ob Sie Ihre individuelle Gewichtsschwelle überschritten haben oder nicht.

Heutzutage bedeutet das ständig steigende Durchschnittsgewicht, dass es natürlich mehr Betroffene gibt, die sehr übergewichtig oder krankhaft fettleibig sind. Da sich die Aufmerksamkeit der Medien bei jeder Diskussion über das Gewicht auf diese schwerwiegende Krankheit konzentriert, ist es nachvollziehbar, wenn die meisten Menschen glauben, das sei das Hauptproblem. Doch tatsächlich sind nicht die stark übergewichtigen Menschen das Problem, sondern die Riesenzahl von Menschen, die mehr wiegen, als sie idealerweise auf die Waage bringen sollten.

Das Problem ist, dass viele Menschen sich als normalgewichtig betrachten, weil sie ähnlich aussehen wie die meisten anderen Menschen gleichen Alters. Doch das Wort „normal“ ist hier doppeldeutig: Befindet sich ein Mensch innerhalb des in der Bevölkerung typischen Bereichs, kann er zwar als „normal“ angesehen werden, doch das ist nicht unbedingt gesund oder ideal.

Wiegen Sie noch genauso viel wie mit 25 Jahren? Schauen Sie sich einfach die Menschen an, die Ihnen in der Stadt beim Einkaufen begegnen. Wer um die 20 ist, ist tendenziell schlanker als diejenigen um die 60. In den westlichen Industrienationen nehmen wir während der meisten Zeit unseres Erwachsenenlebens jedes Jahr rund ein halbes Kilogramm zu. Das hat nichts mit dem Älterwerden oder den Hormonen zu tun – das spiegelt einfach nur das Umfeld wider, in dem wir leben. Und dieses Umfeld wird zu einer Zeitbombe. Auch wenn die Zwanzigjährigen im Vereinigten Königreich tendenziell schlanker sind als die Sechzigjährigen, sind auch junge Menschen inzwischen schwergewichtiger als jemals zuvor und mehr als ein Drittel tritt schon mit einem viel zu hohen Gewicht in das Erwachsenenleben ein. Als Gruppe betrachtet werden sie, das ist sicher, früher als ihre Eltern an Typ-2-Diabetes erkranken. Diese Zeitbombe würde es verdienen, in einem eigenen Buch behandelt zu werden.

Es gibt keinen biologischen Grund, warum Menschen im Laufe ihres Erwachsenenlebens zunehmen müssen. In Gesellschaften, in denen Ernährung kein massiv beworbener Zeitvertreib ist und man zur täglichen Arbeit laufen oder mit dem Rad fahren muss, bleibt das Körpergewicht mit zunehmendem Alter tendenziell stabil. Aber in einem auf Konsum ausgerichteten Umfeld, das wir in den Industrieländern bevölkern, in dem es überall verlockende, schnelle, kaloriendichte Nahrung gibt, die aggressiv beworben wird, muss man tatsächlich unglaublich diszipliniert sein (oder darf sich gar nicht erst großartig mit Essen beschäftigen), damit man nicht zunimmt.

Gesellschaftliche Vorstellungen spielen bei all dem eine wichtige Rolle. Und während eines Großteils meines Berufslebens als Arzt und Wissenschaftler habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie wir diese gestalten können. Vielleicht könnten Fernseh- und Filmproduzenten ja einen Schritt in diese Richtung machen und die üblichen Stereotypien vermeiden? Ganz sicher verdient dieses Problem, auf breiter Ebene diskutiert zu werden.

Normale Nahrungsmittel oder Diabetikerkost?

Ein Teil der Behandlung von Typ-2-Diabetes besteht in einer Ernährungsumstellung.

In Drogerien und in Supermärkten kann man „Diabetikerkost“ in den Regalen finden. Typischerweise werden diese Produkte mit Zuckern hergestellt, die der Körper langsamer und nur unvollständig resorbiert, wie etwa Sorbitol. Solche Nahrungsmittel enthalten jedoch mindestens ebenso viele Kalorien wie ihre preisgünstigeren normalen Entsprechungen. Sie unterscheiden sich in Bezug auf die Kontrolle des Blutzuckerspiegels nicht nennenswert davon und unterstützen auch keine Gewichtsabnahme. Ärzte und andere Gesundheitsexperten raten nunmehr von „Diabetikerkost“ ab, da sie nicht hilfreich ist. Diabetiker sind auf die gleichen Energieträger angewiesen wie alle anderen Menschen auch, und es ist weitaus wirksamer, die Zucker- und die Kalorienzufuhr zu reduzieren, statt Spezialnahrung zu sich zu nehmen.

Was und wie viel Sie essen, bestimmt natürlich, wie gut Sie Ihren Blutzuckerspiegel unter Kontrolle halten können. Die Leitlinien fokussieren immer mehr darauf, stark zuckerhaltige Nahrungsmittel und zu viele Kohlenhydrate zu meiden, doch je nach Quelle finden sich unterschiedliche Empfehlungen und nur wenige betonen die zentrale Bedeutung einer reduzierten Nahrungsgesamtmenge. In Zeitschriften und Zeitungen finden sich häufig irreführende Ratschläge.

Was essen Sie? Im Alltag essen die meisten Menschen das, was Familie und Freunde essen. Familiäre Gewohnheiten zu verändern, kann herausfordernd sein, doch schon kleine Änderungen können eine Menge bewirken. So wäre es zum Beispiel gut, die Verzehrmenge von Kartoffeln, Nudeln und Reis zu halbieren und dafür die Gemüseportion zu verdoppeln. Im Laufe des Buches finden Sie viele weitere Ideen, wie sich bessere Essgewohnheiten einführen lassen.

Typ-2-Diabetes und die kurzfristigen Folgen

Wenn Sie nach einem Arztbesuch, zu dem unangenehme Beschwerden Sie veranlasst haben, nun wissen, dass Sie Diabetiker sind, kennen Sie auch schon manche der Probleme, die diese Krankheit verursacht.

Steigt der Blutzuckerspiegel zu stark an, überschreitet die Glukosemenge die sogenannte Nierenschwelle, und die Glukose wird über den Urin abgegeben. Und da sie hydrophil ist, also wasserliebend, bilden die Nieren mehr Urin als üblich. Bei Nichtdiabetikern sorgen die Nieren dafür, dass die Glukose im Blut verbleibt. Als Nachfahren von Menschen, die über Jahrtausende hinweg eine Hungersnot nach der anderen überleben mussten, haben wir uns zu energieeffizienten Wesen entwickelt. Energie zu verlieren, die aus der Nahrung gewonnen wurde, ist problematisch. Doch mit solch einer überwältigenden Menge Glukose kommen unsere Nieren nicht zurecht, das haben sie schlicht nicht gelernt.

Wenn Sie Diabetiker sind, sind Ihnen große Urinmengen nur allzu gut bekannt. Ist Ihr Diabetes außer Kontrolle – weil Sie vielleicht zu viel gegessen, Ihre Tabletten vergessen oder nicht gespritzt haben –, dann ist eine zu große Urinmenge ein sicheres Zeichen, dass der Blutzuckerspiegel zu hoch ist. Wahrscheinlich müssen Sie nachts häufiger zur Toilette gehen. Da hierbei Wasser aus dem Körper verlorengeht, haben Sie Durst und möchten viel trinken. Das könnte eines der Warnsymptome gewesen sein, mit dem sich Ihr Diabetes angekündigt hat. Da die Nierenschwelle für den Übertritt von Glukose in den Urin jedoch individuell verschieden ist, sind vielleicht zuerst andere Probleme aufgetreten.

Beispielsweise könnten Sie auch allgemein schlecht gelaunt oder müde gewesen sein. Natürlich kann Müdigkeit viele Ursachen haben, wenn also nicht noch andere Symptome aufgetreten sind, ist vielleicht nicht unmittelbar eine Verbindung zu Diabetes hergestellt worden. Doch diese Müdigkeit steht oft am Anfang eines ganzen Katalogs von Problemen. Zu den häufigsten, die zu einer Diabetesdiagnose führen, gehören Hautinfektionen. Andere „Lebensformen“ ernähren sich nämlich auch gerne von Glukose und lassen sich dort nieder, wo sie leicht zu bekommen ist. Juckreiz und Entzündungen an Penis oder Vulva können die Folge einer Pilzinfektion mit Candida sein. Doch jede Art von bakterieller Infektion ist bei einem erhöhten Blutzuckerspiegel wahrscheinlicher. Hautverletzungen – kleine Schnitte oder andere banale Verletzungen – neigen dazu, sich zu infizieren, und Harnwegsinfektionen kommen häufig vor. Das klingt nach einer deprimierenden Liste – aber es kommt leider noch schlimmer. Bislang habe ich nur die unmittelbaren Folgen beschrieben. Wenn der Blutzuckerspiegel jedoch über Jahre hinweg erhöht ist, dann können sich ernstere langfristige Probleme häufen.