Heilende Wildkräuter

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GEMEINSCHAFT PFLEGEN

So wie Pflanzen voneinander abhängige Beziehungen haben, brauchen auch Menschen die Gemeinschaft. Sich mit anderen verbunden zu fühlen, stärkt nicht nur Ihre persönliche Gesundheit, sondern kann Sie auch dazu inspirieren, sich für das Wohl anderer einzusetzen. In diesem Buch lesen Sie Geschichten darüber, wie Menschen ihr Wissen über die Pflanzenmedizin mit ihrer Gemeinschaft geteilt haben. Überlegen Sie, wie Sie Ihre einzigartigen Interessen und Gaben einbringen können. Vielleicht laden Sie einen gestressten Freund zu einem Spaziergang in der Natur ein oder sind Gastgeber eines Brunches mit saisonalen Lebensmitteln. Vielleicht engagieren Sie sich in einem Schulgarten, spenden pflanzliche Heilmittel für Menschen in Not oder setzen sich für mehr Gerechtigkeit beim Zugang zu Grünflächen in Ihrer Stadt ein. Denken Sie daran, es liegt nicht alles auf Ihren Schultern! Nehmen Sie sich Zeit, anderen zuzuhören und sich mit ihnen auszutauschen – vielleicht gibt es in Ihrer Gemeinde bereits Gruppen, die Ihre Hilfe brauchen könnten.

DIE SCHATTENSEITEN DES WILDSAMMELNS

Das Wildsammeln kann für Sie, Ihre Familie, Ihre Gemeinde und das Gebiet, in dem Sie ernten, enormen Nutzen bringen. Wenn jemand allerdings bei der Ernte nur seine eigenen Interessen im Sinn hat, geschieht leider oft eine Katastrophe. Pflanzen wie der Purpur-Sonnenhut, die Kanadische Gelbwurz und das Falsche Einhorn sind in der Wildnis so gut wie verloren gegangen. Durch den Trend zum Wildsammeln gibt es viele Beispiele von Köchen, Floristen und sogar Kräuterkundlern die in ihrem Verlangen, alles zu ernten, was sie finden können, Ökosysteme verwüstet haben. Dieser kurzsichtige Ansatz zerstört lokale Gebiete, schadet einzelnen Pflanzenpopulationen und zementiert in den Köpfen der Menschen die Idee, dass Mensch und Natur sich nicht vermischen sollten.

Als ethische Wildsammler müssen wir Verantwortung dafür übernehmen, wie wir das Bild vom Wildsammeln in die Welt tragen. Überlegen Sie zum Beispiel beim Teilen von Aktivitäten und Fotos im Internet, ob Sie die Ernte von Pflanzen verherrlichen, ohne die damit verbundenen Prinzipien und ethischen Grundsätze mitzudiskutieren.

Es gibt zwar viele Beispiele dafür, wie sich das menschliche Handeln negativ auf die Pflanzenwelt ausgewirkt hat, aber die Lösung liegt nicht in einem »Hände weg«-Ansatz. Wenn unsere Interaktionen mit Pflanzen sich lediglich auf den Nahrungsaspekt beschränken oder auf stark gepflegte öffentliche Räume, können unsere Wildpflanzen leicht aus den Augen, aus dem Sinn geraten und verloren gehen. Darüber hinaus haben sich viele Pflanzen zusammen mit menschlichen und nichtmenschlichen Lebewesen entwickelt. So wie blühende Pflanzen zur Bestäubung auf Insekten angewiesen sind, sind Wurzelpflanzen darauf angewiesen, dass der Boden umgegraben wird, damit er belüftet wird und Lücken für die Samen entstehen. Wenn diese Verantwortung zur Pflege der Pflanzen nicht erfüllt wird, kann dies zu einem Rückgang ihrer Populationen führen. Tiefere Verbindungen werden durch persönliche, enge Beziehungen hergestellt. Die Ernte von Pflanzen und ihre Verarbeitung zu heilenden Nahrungsmitteln und pflanzlichen Heilmitteln gehören zu den intimsten Beziehungen, die wir mit der Pflanzenwelt haben können.


Geschichte aus der Community

DAS BESPRÜHEN DER STRAßENRÄNDER MIT HERBIZIDEN REDUZIEREN

Autobahnen sind für engagierte, einheimische Freiwillige, die etwas bewegen wollen, besonders geeignet. In vielen ländlichen Gebieten werden Straßenränder regelmäßig mit Chemikalien besprüht, um die Ausbreitung von »schädlichem« Unkraut zu stoppen. Freiwillige Helfer können helfen, das Besprühen zu verhindern, indem sie diese Pflanzen manuell entfernen und ein einheimisches Pflanzenökosystem wiederaufbauen. Dies war der Fall bei einer kleinen Gruppe von Mitgliedern des Okanogan Ortsverbands der Washington Native Plant Society, die seit 2008 einen viel befahrenen Highway umgestaltet haben. Sie treffen sich im Frühling und Herbst, bei Regen oder Sonnenschein, um Unkraut zu jäten und einheimische Samen zu säen. Jedes Jahr unterzeichnen sie zusammen mit dem Verkehrsministerium des Bundesstaates Washington ein Spritzverbot-Abkommen, das sicherstellt, dass ihr Autobahnabschnitt frei von Herbiziden bleibt.

Mehr als ein Jahrzehnt später ist dieser Autobahnabschnitt das Zeugnis einer aktiven pflanzenliebenden Gemeinschaft! Im Gegensatz zu anderen Straßenabschnitten, die regelmäßig mit Herbiziden besprüht werden, ist ihre Fläche voller farbenfroher Tupfer von einheimischen Pflanzen. Es hat sich ein selbst erhaltendes Ökosystem gebildet, in das der Mensch bisher kaum oder gar nicht eingreifen musste.

Werden bei Ihnen die Straßen mit Herbiziden besprüht? Möchten Sie ein ähnliches Projekt starten? Joyce Bergen, die ehrenamtliche Organisatorin dieses Projekts, hat folgende Empfehlungen:

Arbeiten Sie mit lokalen Gärtnereien für einheimische Pflanzen zusammen, die möglicherweise über Fachwissen verfügen sowie Samen- und Pflanzenspenden anbieten.

Suchen Sie nach lokalen Experten für einheimische Pflanzen, die als Berater fungieren und den Prozess beaufsichtigen.

Vergewissern Sie sich, dass Sie eine ausreichende Menge an Freiwilligen haben, bevor Sie diese Aufgabe übernehmen. Das Jäten von Unkraut entlang einer Autobahn ist harte Arbeit. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn die Zahl der Beteiligten etwas abnimmt. Überlegen Sie, ob Sie sich auf eine begrenzte Anzahl von Jahren festlegen oder ob Sie es zu einem fortlaufenden Projekt machen wollen.

Wenn Sie in den USA leben, müssen Sie sich mit Ihrem regionalen Verkehrsministerium abstimmen, bevor Sie mit der Arbeit beginnen. Wenn Sie Ihren Standort mit einem Schild kennzeichnen möchten, kann das US-Verkehrsministerium Parameter für die Anbringung eines Schildes festlegen, damit es legal und sicher steht. Möglicherweise kann es Ihnen auch Sicherheitswesten und Warnschilder zur Verfügung stellen, um die Autofahrer auf Ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen.

Zeigen Sie zu Beginn jedes Arbeitseinsatzes jeweils ein Exemplar der Unkräuter, die dieses Mal entfernt werden sollen. Denn nicht jeder Freiwillige ist mit jedem Unkraut vertraut. Ein gutes Motto ist: »Wenn Sie unsicher sind, fragen Sie, bevor Sie es herausziehen!« Am besten ist es, eine Person zu benennen, die den Freiwilligen bei der Identifizierung hilft.

Machen Sie zum Vergleich Fotos von der Stelle, die Sie bearbeiten wollen, gleich zu Beginn und danach in regelmäßigen Abständen.

Machen Sie jeden Herbst Aufzeichnungen über die Samen und Pflanzen, die gesetzt wurden, damit Sie den Erfolg im folgenden Jahr beurteilen können.

Journal:

REFLEXION

In diesem Kapitel haben wir über unsere ethische Grundhaltung und unsere Prinzipien im Zusammenhang mit dem Wildsammeln berichtet. Was ist Ihre persönliche ethische Haltung und welche Verantwortung empfinden Sie in Bezug auf das Sammeln von Wildpflanzen? Welche Bedenken und Ängste haben Sie diesbezüglich? Wie können Sie bestehende Gruppen ausfindig machen, die Sie beraten und Ihre Untersuchung zu lokalen Nachhaltigkeitsfragen unterstützen können? Wie können Sie das, was Sie lernen, mit anderen teilen?

1 * Dem Bundesamt für Naturschutz (BFN) zufolge sind in Deutschland über 30 Prozent der Wildpflanzen bestandsgefährdet. Das BFN stellt regelmäßig Rote Listen für in Deutschland einheimische Pflanzen vor. Weitere Informationen finden Sie unter www.bfn.de (Anm. d. Verlags).

KAPITEL 4
DIE PRAXIS DES WILDSAMMELNS

Nimm nie mehr, als du zum Überleben auf Mutter Erde brauchst. Respektiere immer die Pflanzen, denn ohne sie wären wir nicht hier. Gib immer etwas zurück. Wenn wir also diese Pflanzen ernten, entwickeln wir eine Beziehung zu ihnen.

— CRAIG TORRES

Mit dem Herzen voller Fürsorge machen wir uns nun auf den Weg, um die praktischen Fertigkeiten der Pflanzenernte zu erlernen. In Kapitel 2 haben Sie einige Schritte unternommen, um Ihr lokales Umfeld kennenzulernen. Der nächste Schritt besteht darin, sich auf Ihre spezifischen Erntegebiete zu konzentrieren.

DAS GESAMTE ÖKOSYSTEM BERÜCKSICHTIGEN

Je mehr Sie über das Ökosystem eines Gebiets wissen, desto verantwortungsvoller können Sie darin ernten. Die in Kapitel 2 (»Die eigene Bioregion verstehen«) aufgeführten Fragen und Quellen sind ein guter Ausgangspunkt. Obwohl es unmöglich ist, alle Feinheiten eines Ökosystems zu verstehen, sollten Sie sich bemühen, genau zu beobachten, Fragen zu stellen und nach Antworten zu suchen.

 

Ist Ihr Erntegebiet wild oder kultiviert? Beim Sammeln von Pflanzen aus der Wildnis sind mehr Vorsichtsmaßnahmen nötig als zum Beispiel beim Sammeln aus dem Garten eines Nachbarn. Auch Orte wie ungenutzte Flächen sind Teil eines Ökosystems. Achten Sie vor der Ernte auf die Beziehungen, die in einem Gebiet zwischen Pflanzen, Tieren, Pilzen, dem Boden und dem Wasser bestehen. Wie sensibel reagieren die Pflanzen auf äußere Einwirkungen, und wie vorsichtig müssen Sie daher vorgehen? Untersuchen Sie den Boden: Gibt es Erosion oder Verdichtung? Hanglagen, Bachböschungen und andere Lebensräume können anfällig für Erosion durch menschliche Tritte und das Ernten von Pflanzen sein.

Wachsen die gefährdeten Pflanzen in Ihrem Gebiet zu jeder Jahreszeit? Wenn ja, wie können Sie negative Auswirkungen auf sie verhindern? Wenn Sie keine spezielle Schulung bzgl. der Regeneration von empfindlichen Lebensräumen und gefährdeten Pflanzen erhalten haben, empfehlen wir, deren Ernte zu vermeiden. Wenn Sie an der Arbeit mit gefährdeten Pflanzen in Wildgebieten interessiert sind, suchen Sie sich erfahrene Leute, die Sie eng betreuen. Sie können Ihnen zeigen, wie man sich einer Landschaft am besten nähert und wie man Pflanzen erfolgreich vermehrt.

Auch einheimischen Pflanzen, die nicht gefährdet sind, sollte man mit einer fürsorglichen Haltung begegnen, um sicherzustellen, dass ihre Bestände intakt bleiben. Viele der in diesem Buch aufgeführten Pflanzen sind sogenannte Unkräuter oder invasive Pflanzen. Sie sind ideal, um mit der Ernte zu beginnen, da sie oft ein robustes Wachstum haben und negative Auswirkungen auf einheimische Arten und Ökosysteme haben können. Es ist schwierig, auf invasive Pflanzen negativ einzuwirken, aber es ist nicht unmöglich. Ganz gleich, welche Pflanze Sie ernten, denken Sie daran, dass sogar ein invasives Unkraut so viel Respekt verdient wie eine geliebte einheimische Pflanze.

DEN ERNTEZEITPUNKT KENNEN

Kräuterkundler ernten traditionell einzelne Pflanzenteile zu bestimmten Jahreszeiten. Als allgemeine Richtlinie gilt: Ernten Sie, wenn sich die Energie in dem Pflanzenteil befindet, den Sie verwenden möchten. Sammeln Sie zum Beispiel die Blätter, solange sie kräftig und frisch aussehen und bevor die Pflanze blüht. Ernten Sie Blüten kurz vor oder kurz nach der Blüte. Sammeln Sie Früchte, wenn sie reif sind, und Samen, wenn sie reif oder trocken sind. Graben Sie Wurzeln aus, wenn die Pflanze abgestorben ist, zwischen dem Spätsommer und dem frühen Frühjahr. Rinde erntet man am besten, wenn der Saft im Spätwinter oder Frühling fließt und sich die Rinde leicht von den inneren Holzschichten trennen lässt.

Natürlich kann man Ausnahmen machen. Zum Beispiel können Löwenzahnwurzeln im zeitigen Frühjahr geerntet werden, und die an den Wurzeln haftenden Blätter können eine köstliche Beigabe zu einem Frühlingssalat sein. Wir haben Freunden geholfen, Königskerzen aus ihren Gärten zu entfernen. Die Blätter waren in erstklassigem Zustand, und die Wurzeln, die ebenfalls gezogen werden mussten, waren gut genug für medizinische Zwecke, auch wenn sie theoretisch nicht in der richtigen Saison geerntet wurden. Manchmal ernten wir Pflanzen aus der Not heraus. Wenn man sich beim Wandern schneidet, ist eine alte, verwelkte Schafgarbe mit grünen Blättern besser als nichts!

NIE DIE ERSTE PFLANZE ERNTEN

Die erste Einzelpflanze, der Sie begegnen, ist ein Wachposten. Sie ist ein Anhaltspunkt, um das Vorkommen dieser Pflanze in diesem Gebiet einzuschätzen. Sie werden in vielen Kulturen und Kursen zum ethischen Sammeln von Wildpflanzen immer wieder das Gebot antreffen, niemals die erste Pflanze zu ernten, die Sie finden. Dafür gibt es viele Gründe, der erste ist Respekt. Wenn man die erste Pflanze nicht sofort von der Erde wegnimmt, kann man sich ihr mit Dankbarkeit nähern. Wenn Sie mehrere Pflanzen in einer Gruppe vorfinden, dann grüßen Sie die größte »Großeltern-Pflanze« oder ein anderes Mitglied Ihrer Wahl. Legen Sie ihr Ihre Dankbarkeit zu Füßen und lassen Sie sie weiterwachsen.

Die erste Pflanze nicht zu ernten, bedeutet auch, ein guter Fürsorger zu sein. Bei einigen Pflanzen, wie dem Veilchen, kann es sein, dass sowohl einheimische als auch invasive Arten in Ihrer Nähe wachsen. Die einheimische kann einen reichhaltigen Pflanzenbestand haben oder die einzige im Umkreis von vielen Kilometern sein. Gehen Sie nie davon aus, dass das Auffinden einer einzelnen Pflanze bedeutet, dass es viele weitere in ihrer Nähe gibt. Die Ernte beginnt erst, nachdem man sich eines gesunden Pflanzenbestands versichert hat.

FRAGEN SIE UM ERLAUBNIS

Wo immer Sie sammeln möchten, brauchen Sie eine Erlaubnis. Erkennen und respektieren Sie das Land anderer, wenn Sie nach Orten Ausschau halten, an denen Sie nach Nahrung suchen möchten. Fragen Sie immer, bevor Sie auf privaten Grundstücken ernten. Scheuen Sie sich nicht, sich an die Landbesitzer zu wenden – viele Menschen werden eine zusätzliche Unkrautbekämpfung oder -pflege begrüßen. Sie können anbieten, z. B. alte Zweige zu entfernen und Schutt zu beseitigen, während Sie den Holunder im Garten ernten. Wenn Sie auf öffentlichem Gelände ernten wollen, seien Sie sich der Einschränkungen und notwendigen Genehmigungen bewusst. Wenden Sie sich an die zuständige lokale, staatliche oder Bundesbehörde, um zu erfahren, wie Sie vorgehen müssen.

Viele Sammler von Wildpflanzen bitten auch die Pflanzen selbst um Erlaubnis. Das mag seltsam klingen, wenn Sie es nicht gewohnt sind, auf diese Weise mit Pflanzen zu kommunizieren, aber es könnte Sie überraschen, was Sie herausfinden! Manche Menschen erhalten eine Antwort in Worten, Bildern oder Gefühlen. Der Pflanzenökologe Robin Wall Kimmerer formuliert es in Braiding Sweetgrass folgendermaßen: »Ich muss beide Seiten meines Gehirns benutzen, um die Antwort zu verstehen. Die analytische linke Hirnhälfte liest die empirischen Zeichen, um zu beurteilen, ob das Vorkommen groß und intakt genug ist, um eine Ernte zu ermöglichen und ob genug zum Teilen da ist. Die intuitive rechte Hälfte liest etwas anderes, ein Gefühl der Großzügigkeit, eine freigebige Ausstrahlung, die besagt: »Nimm mich«, oder manchmal eine wortkarge Widerspenstigkeit, die mich dazu bringt, meine Pflanzkelle wegzulegen.«1


GEBEN SIE, BEVOR SIE NEHMEN

In Kapitel 3 haben wir uns mit den Prinzipien der Fürsorge und Gegenseitigkeit im Umgang mit Pflanzen befasst. Überlegen Sie, wie Sie diese Aspekte am Tag Ihrer Ernte in die Praxis umsetzen wollen. Dies wird bei jedem anders aussehen und ist abhängig von den spezifischen Bedürfnissen der Umgebung. Es kann zum Beispiel bedeuten, einen leeren Sack mitzubringen, um Müll entlang des Weges aufzusammeln, oder eine Flasche Wasser, um dürregestresste Pflanzen zu versorgen. Für andere könnte es bei der Ankunft die Form eines Gebets oder einer Gabe sein. Ein Ritual oder eine bestimmte Vorgehensweise hilft Ihnen, sich zu zentrieren, bevor Sie mit dem Pflücken und Graben beginnen. Und denken Sie daran, dass diese Hingabe über den Augenblick hinausgeht. Langfristig könnten Sie, wenn es angebracht ist, Samen pflanzen, invasive Pflanzen entfernen, damit die einheimischen gedeihen können, sich für Umweltgerechtigkeit und Umweltschutz einsetzen und vieles mehr.

ERNTEN SIE MIT EINEM BEWUSSTEN ZIEL

Unzählige Male haben wir in den sozialen Medien Anfänger gesehen, die Fotos ihrer Ernte gepostet haben und dann nach Ideen fragten, wie sie die Erträge nutzen können. »Ich habe fünf Pfund Schafgarbe geerntet – was soll ich jetzt damit machen?«

Lassen Sie nicht zu, dass die Begeisterung über die Ernte eine tatsächliche Verwendung verhindert! Wenn Sie erst ernten und sich dann Gedanken über die Verwendung machen, führt es zu Verschwendung. Machen Sie sich stattdessen eine Liste, wie Sie die Pflanze verarbeiten wollen, und bestimmen Sie, wie viel Sie für jeden Zweck benötigen. Möchten Sie ein Pfund trocknen, um Tee herzustellen? Soll etwas in Öl oder Alkohol eingelegt werden? Möchten Sie daraus ein Abendessen kochen? Haben Sie bereits alle anderen benötigten Zutaten im Haus, oder müssen Sie z. B. erst Essig kaufen? Lassen Sie Ihre Ernte nicht vergammeln, weil Ihnen die Vorräte ausgegangen sind.

Überlegen Sie auch, wie viel Sie realistisch trocknen, verarbeiten und lagern können. Es kann viel Zeit und Energie kosten, Wurzeln zu schrubben, Samen zu entfernen oder Blätter zu trocknen. Am Anfang müssen Sie vielleicht die Mengen schätzen, aber mit der Zeit werden Sie das Verhältnis von Ernte und Produkt besser beurteilen können. Aufzeichnungen über Ihre Ernteaktionen helfen Ihnen, dies nachzuverfolgen.

Natürlich ist es nicht immer möglich, einen genauen Plan zu haben. Vielleicht ziehen Sie los, um Holunder zu pflücken und finden stattdessen reich behangene Brombeersträucher. Dennoch können Sie sich immer noch einen Moment Zeit nehmen, um Ihre Bedürfnisse und Kapazitäten realistisch einzuschätzen.

VERHALTEN SIE SICH UMSICHTIG

Der Umgang mit der Natur löst bei vielen Menschen Ängste aus. Wenn Sie wenig oder keine Erfahrung mit Pflanzen und der Natur haben, ist es normal, vorsichtig zu sein. Sicherheit beginnt mit der Kenntnis der Gefahrenmöglichkeiten. Mit Wissen können Sie die Angst vor dem Unbekannten zerstreuen.

Das Wichtigste ist Ihre persönliche Sicherheit. Ob Sie sich in einem Stadtpark oder in der Wildnis befinden, seien Sie sich Ihrer Umgebung jederzeit bewusst. Es kann eine gute Idee sein, jemandem zu sagen, wohin Sie gehen und wie lange Sie voraussichtlich dortbleiben werden. Tragen Sie dem Wetter und dem Gelände angepasste Kleidung und Schuhe. Je nachdem, wohin Sie gehen, sollten Sie eventuell einen kleinen Rucksack mit Wasser und einem Erste-Hilfe-Set mitnehmen.

Informieren Sie sich über die potentiellen Gefahren in Ihrem Sammelgebiet und zeigen Sie die entsprechende Vorsicht. Dazu gehören z. B. aufziehende Stürme, rutschige Wege, giftige Pflanzen, größere Raubtiere, Giftschlangen oder Zecken. Achten Sie auch auf von Menschen verursachte Faktoren wie beispielsweise die Anwesenheit von Jägern.

Für einige Gemeinschaften kann der Aufenthalt in Wildgebieten unerwünscht sein oder sich unsicher anfühlen. Gruppen wie »Diversify Outdoors«, »Outdoor Afro«, »Latino Outdoors«, »Native Womens Wilderness« und »Pride Outside« sind einige gute Ansprechpartner, um Unterstützung zu finden und sozialen Wandel herbeizuführen. TrailLink.com listet rollstuhlgerechte Wanderwege in den Vereinigten Staaten auf. Auch viele Städte und Bundesstaaten haben solche Listen. In Deutschland informiert z. B. das Portal Barrierefreier Tourismus über rollstuhlgerechte Wanderwege (www.barrierefreier-tourismus.info, Anm. d. Verlags).

Prüfen Sie, ob das Gebiet sicher ist, um dort zu ernten, insbesondere im Hinblick auf die Bodenbeschaffenheit. Vermeiden Sie Gebiete, die regelmäßig mit Pestiziden oder Herbiziden besprüht werden, Gebiete, die von Abflüsse oder Abfälle aus landwirtschaftlichen oder Produktionsbetrieben betroffen sind, verschmutzte Wasserläufe und Überschwemmungsgebiete, ehemals erschlossene Industrieflächen (Brachflächen), mit bleihaltiger Farbe verseuchte Fundamente alter Gebäude sowie Orte mit hoher Tierzirkulation. Verdächtig sind Straßenränder, Gleisanlagen, Golfplätze und große landwirtschaftliche Betriebe. Lernen Sie, die Anzeichen zu erkennen, wenn Pflanzen vor kurzem mit Chemikalien besprüht wurden, wie z. B. seltsam gelbe oder deformierte Blätter und Stängel.


LERNEN SIE IHREN BODEN KENNEN

Allgemein betrachtet man bestimmte Landschaften, insbesondere städtische und industrialisierte, mit Argwohn. Doch Nance Klehm, Designerin von Ökosystemen und Begründerin der Sozialen Ökologie, plädiert dafür, sich stattdessen dem Boden mit Neugier und Staunen zu nähern. Als eines ihrer vielen Projekte unterstützt sie Gemeinden bei der Bodenbewertung und -sanierung, der »Hilfe zur Selbsthilfe für den Boden«, indem sie Mittel wie Pflanzen, Bakterien und Pilze einsetzt, um der Kontamination entgegenzuwirken.

 

»Es besteht viel Angst und Widerstand rund um die Bodensanierung, genau wie die Angst vor der Nahrungssuche«, sagt Nance. „Aber wir können uns darauf einlassen und neugierig auf etwas werden, das krank ist, und dem wir bei der Heilung helfen können.«

Um etwas über Ihren Boden zu erfahren, schlägt Nance vor, Ihre Sinne einzusetzen und sich Fragen zu stellen. Im Folgenden finden Sie einige Vorschläge, die Ihnen den Einstieg erleichtern sollen.*2

1. FÜHREN SIE EINE GRÜNDLICHE STANDORTBEWERTUNG DURCH.

Eine Standortbeurteilung ist sowohl ein sensorischer Prozess vor Ort als auch ein forschungsbasierter Vorgang. Beginnen Sie mit der Kartierung und Beschreibung der Strukturen und Merkmale des Standorts (Bäume, Gebäude, Wasserquellen usw.). Ziehen Sie einen breiteren Bogen, der angrenzende Grundstücke umfasst, und notieren Sie, wie sie den Standort beeinflussen.

Ziehen Sie, falls vorhanden, historische Aufzeichnungen und Fotos hinzu. Diese können ein Licht auf langfristige Entwicklungen am Standort werfen, die sonst unbemerkt bleiben könnten.

Wenn Sie können, setzen Sie sich mit einem langjährigen Anwohner oder Geschäftsmann zusammen. Wenn Sie diese Person zu einer Tasse Tee oder einem Mittagessen einladen und ihr ein paar Fragen stellen, können Ereignisse oder Entwicklungen aufgezeigt werden, von denen Sie sonst unmöglich erfahren würden. Diese »In-Perts« (oder lokale Experten) können Hinweise auf die soziale und kulturelle Nutzung des Landes und auf Dinge geben, die die Unversehrtheit des Landes beeinträchtigt haben könnten (Abbruch, Wiederaufbau, Autoreparatur, Gemüseanbau usw.). Vergessen Sie nicht zu fragen, mit wem Sie sonst noch sprechen sollten!

2. ERKUNDEN SIE DIE BIOLOGISCHEN VORAUSSETZUNGEN DES STANDORTES

Um die Beeinträchtigungen und die Fruchtbarkeit des Bodens zu verstehen, versuchen Sie als nächstes, die Besonderheiten und die Gesundheit der kultivierten und spontanen Vegetation vor Ort zu identifizieren. Welche Arten gibt es dort und wo? Welche Arten oder Bereiche der Landschaft scheinen gesund zu sein oder haben zu kämpfen, und auf welche Weise?

Nehmen Sie etwas Erde in die Hand und riechen Sie daran, sehen Sie sich ihre Farbe und Dichte an, fühlen Sie ihre Textur zwischen Ihren Fingern und markieren Sie die Stelle, von der Sie sie genommen haben, mit einer Schnur. Tun Sie dies in mehreren verschiedenen Bereichen.

Welche Tierspuren – von Wild- oder Haustieren – sehen Sie?

Wie fließt Wasser durch das Gelände?

Gibt es offensichtliche Anzeichen von Verschmutzung? Wie stark oder weit verbreitet ist sie? Was ist die Ursache? Ist sie aktuell oder alt, kommt sie wiederholt vor oder rührt sie von einem einzelnen Ereignis her? Können Sie die Art der Verschmutzung genau bestimmen?

Graben Sie mit Handschuhen mehrere Testlöcher, jeweils 30 cm tief, und betrachten Sie die Bodenhorizonte. Führen Sie einen Rüttel- und einen Perkolationstest durch, um die Bodenstruktur und -zusammensetzung zu bestimmen. Sammeln Sie genügend Boden, um auch einen chemischen Bodentest in einem örtlichen Labor durchführen zu lassen. (Mehr über diese Bodentests erfahren Sie in Nance Klehms Handbuch The Ground Rules).

3. ENTWICKELN SIE EINE STRATEGIE FÜR DIE LANGFRISTIGE GESUNDHEIT DES BODENS IN IHRER NACHBARSCHAFT

Setzen Sie sich mit einigen Entscheidungsträgern aus der Gemeinde zusammen, um Ihre Ergebnisse zu besprechen, Ihre Ziele zu bestimmen und eine realistische und realisierbare Strategie für die Fortführung Ihres Plans zur Bodensanierung zu entwickeln. Um erfolgreich zu sein, müssen Sie im Rahmen Ihrer gemeinschaftlichen Leistungskapazitäten arbeiten!

4. LAST BUT NOT LEAST – GEHEN SIE HINAUS UND BEGINNEN SIE ZU GRABEN!

Vorsicht:

VERBREITETE GIFTPFLANZEN

Viele Pflanzen sind sicher zu handhaben und zu konsumieren, einige können jedoch tödlich sein oder zumindest starke Beschwerden verursachen. Mit Ausnahme der unten erwähnten giftigen Pflanzen werden alle Pflanzen in diesem Buch schon seit langem sicher verwendet. Wenn Sie eine neue Pflanze finden, müssen Sie sich zu 100 Prozent sicher sein, also konsultieren Sie zusätzlich zu diesem Buch weitere Bestimmungsbücher für heimische Pflanzen. Informieren Sie sich über eventuelle giftige Doppelgänger, die mit der von Ihnen gesuchten Pflanze verwechselt werden könnten. Bitten Sie im Zweifelsfall jemanden, der sich mit lokalen Pflanzen auskennt, Ihren Fund zu prüfen. Organisationen, die sich für einheimische Pflanzen einsetzen, existieren an vielen Orten und bieten oft kostenlose Treffen, Exkursionen oder Online-Foren, bei denen Sie um Hilfe bitten können. Wir empfehlen auch, Kurse bei lokalen Kräuterkundlern, Pädagogen, Naturheilkundlern und Botanikern zu besuchen.

Machen Sie sich, zusätzlich zu den folgenden verbreiteten Giftpflanzen, auch mit allen anderen Giftpflanzen vertraut, die in Ihrer Gegend vorkommen. Naturführer, Bücher zum Thema Nahrungssuche, Gruppen, die sich für einheimische Pflanzen einsetzen, sowie staatliche Beratungsstellen sind gute Informationsquellen.


GEFLECKTER SCHIERLING (Conium maculatum) ist hochgiftig. Verschlucken führt in der Regel zum Tod, manche Menschen bekommen durch bloße Berührung eine allergische Kontaktdermatitis. Diese Pflanze aus der Familie der Doldenblütler (Apiaceae) wächst auf Ruderalflächen wie Schuttplätzen oder Brachen und an Ufergebieten. Sie hat hohe, hohle Stängel mit violetten Flecken, Blätter, die wie Karottengrün aussehen, und schirmförmige Büschel mit winzigen, fünfblättrigen weißen Blüten.


WASSERSCHIERLING (Cicuta spp.) gilt als giftigste Pflanze Nordamerikas. Verschlucken kann Erbrechen, Delirium, Krampfanfälle und den Tod verursachen. Diese in feuchten Gebieten vorkommende hochwachsende Pflanze der Familie der Doldenblütler (Apiaceae) hat Blätter und Blüten, die denen des Gefleckten Schierlings (Conium maculatum) ähneln, sowie eine knollenartige, gekammerte Wurzel, die einen öligen gelben Saft enthält.

ROTER FINGERHUT (Digitalis purpurea) kann bei Einnahme zu schwerer Krankheit und Tod führen. Diese häufig vorkommende Zier- und Wildpflanze hat eine grundständige Blattrosette aus einfachen, groben Blättern und einen aufrechten Stängel mit auffälligen, glockenförmigen Blüten, die gewöhnlich violett oder rosafarben sind. Sie kann mit Pflanzen wie Beinwell und Königskerze verwechselt werden.


JOCHLILIE (Zigadenus spp.) ist eine giftige Pflanze, die Erbrechen, Krämpfe und Tod verursachen kann. Sie wird häufig mit einem Zwiebelgewächs verwechselt, da sie aus einer zwiebelartigen Knolle herauswächst. Sie hat kleine weiße Blüten; die Blätter ähneln Gräsern. Der Lebensraum erstreckt sich von feuchten Tälern bis zu sandigen Ebenen (Verbreitung nur in den USA und in Kanada, Anm. d. Verlags).


RIESEN-BÄRENKLAU (Heracleum mantegazzianum) enthält einen Saft, der bei Kontakt mit der Haut zu einer Reaktion namens Wiesengräserdermatitis (Phytophotodermatitis) führt, bei der Blasen und Hautausschläge entstehen, wenn die Haut dem Sonnenlicht ausgesetzt ist. Diese hoch aufragende (bis zu 4,5 m hohe) Pflanze aus der Familie der Doldenblütler (Apiaceae) wächst in Feuchtgebieten. Sie hat weiße, schirmförmige Blütenbüschel und dicke, leicht geriffelte Stängel mit violetten Flecken. Ihr Verwandter, der Wiesen-Bärklau (Heracleum maximum), kann ebenfalls Hautreizungen verursachen.

KLETTERNDER GIFTSUMACH, EICHENBLÄTTRIGER GIFTSUMACH UND GIFTSUMACH (Toxicodendron radicans, T. diversilobum, T. vernix) sind Pflanzen der Familie der Sumach-Gewächse (Anacardiaceae), die einen chemischen Stoff namens Urushiol enthalten, der Hautausschläge und Blasen verursachen kann. Kletternder Giftsumach und Eichenblättriger Giftsumach wachsen typischerweise als Sträucher oder Reben in bewaldeten Gebieten und haben dreiblättrige Büschel. Giftsumach ist ein großer Strauch oder Baum, der in feuchten Gebieten vorkommt und an roten Stängeln gefiederte zusammengesetzte Blätter hat.