Unterrichtssituationen meistern 2 (E-Book)

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Erklärungsansätze und Hintergründe

Annina Schlosser, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie FMH

Aus jugendpsychiatrischer Sicht können folgende Überlegungen und Interpretationsansätze zum Fall gemacht werden:

Bei der Lehrperson kommen zwei Botschaften des Schülers an: Die erste ist quasi der Rahmen: Er kommt, meistens pünktlich. Die Präsenz kann eine Botschaft sein, sie meint: «Ich bin da.»

Die zweite Deutungsebene kann initial mit der ersten nicht so recht in Einklang gebracht werden: Seine Inaktivität. Im Rahmen der Botschaft des zuverlässigen Kommens steht die zweite Botschaft, welche die Lehrperson noch nicht zu entschlüsseln vermag. Der Schüler ist inaktiv, teilweise sogar demonstrativ inaktiv; und es ist auch nicht klar, ob er das bewusst oder unbewusst tut. Daraus ergeben sich die Fragen: Wozu dient das tägliche Erscheinen? Ist es gleichsam eine Leinwand, eine Projektionsfläche für das Kundtun einer Not, seiner persönlichen Situation? Welche Bedürfnisse drückt der Schüler damit aus? Allenfalls Bedürfnisse, die er nicht in Worten äussern kann.

Ohne weiteres Wissen über den Schüler, über seinen Hintergrund und sein Herkommen können die beiden Botschaften nicht abschliessend verstanden und eingeordnet werden; sie können nicht in Deckung gebracht werden. Daraus ergibt sich etwas sehr Irritierendes für die Lehrperson. Jede Überlegung, die von ihr angestellt wird, passt nur zu einer der beiden Botschaften und wird durch die Gegendarstellung oft entkräftet. Deswegen versanden die meisten Interpretationsansätze kurz nach der Entstehung.

Es werden viele Bemühungen der Lehrperson beschrieben, die immer wieder in der Erkenntnis enden, dass sie nicht funktionierten, nichts gebracht hätten. Die Beschreibung gibt aber keine Auskunft darüber, in welcher Beziehungsqualität diese Bemühungen geschehen sind. Dieser sollte besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Für die Lehrperson gibt es einen irritierenden Schüler, der täglich kommt und sie herausfordert. Daraus entsteht mit der Zeit ein Gefühl der Ohnmacht. Es ist quasi eine Nötigung: «Gib mir etwas, ich sage aber nicht was!» Oder kann es der Schüler nicht sagen?

Wofür ist die tägliche Präsenz gut? Es scheint, als ob der Schüler für seinen «Auftritt», für sein Erscheinen etwas bekommt, was er sonst nicht erhält, sonst wäre er nicht immer anwesend. Es bleibt allerdings offen, was das ist. Das führt zu Spannungen: Die Anspannung der Lehrperson schimmert durch den Text und wird wahrscheinlich auch vom Schüler wahrgenommen. Wenn diese Anspannung von der Lehrperson nicht selbst erkannt und bearbeitet wird, führt sie in eine Sackgasse im Umgang mit dem Schüler. Mittelfristig können sogar berufliche Probleme entstehen.

Nochmals: Wofür ist der tägliche «Auftritt» gut? Was könnte der Schüler dadurch gewinnen? Möglicherweise gestaltet der Schüler seinen Schulbesuch auch unbewusst, um sich seinen Status über Monate hinweg zu sichern und um ein Bedürfnis anzumelden. Gibt es ein Bedürfnis, das ausserhalb des Settings gedeckt werden kann, sodass eine Veränderung möglich wird? Wegen des fehlenden Hintergrundwissens können hier nur Hypothesen formuliert werden. Möglicherweise ist der Schüler auch erkrankt. Denkbar ist vielerlei, etwa eine unerkannte Psychose oder eine Depression, aber auch eine kognitive Über- oder Unterforderung, eine Autismus-Spektrums-Eigenheit etc. Insgesamt lässt sich vermuten: Der Jugendliche schafft es gerade noch in die Schule, aber seine Kraft reicht nicht weiter.

Wo soll man in einer solchen Situation fordernd, wo unterstützend auftreten, soll man nachsichtig oder streng sein? Wer überzeugt ist, dass der Schüler den Anforderungen nicht gewachsen ist und gleichzeitig den äusseren Umständen und dem Auftrag gerecht werden will, indem er dem Schüler sagt: «Du musst!», begibt sich in energiefressende Widersprüche. Diese Ambivalenz der Lehrperson beeinträchtigt deren Wirksamkeit erheblich.

Gibt es Auswege? Hilfreich könnte eine unvoreingenommene Begegnung mit dem Schüler sein. Beispielsweise bei einem Kaffee. Unvoreingenommen heisst, nicht den Anspruch zu erheben, zu wissen, was zu tun ist. Die Botschaft wäre: «Ich sehe dir an, dir geht’s nicht gut, und ehrlich gesagt, mir geht’s auch nicht gut, weil ich nicht weiss, was du brauchst.» Ein solch direktes Ansprechen ist durchaus möglich und sinnvoll. Diese Art der Begegnung ist nicht unprofessionell, denn ein solches Treffen zwischen zwei Menschen kann viel bewirken. Es sind Reaktionen möglich wie: «Mich hat noch nie jemand gefragt.» oder «Es hat noch nie jemand gewagt, mir zu sagen Du nervst mich unheimlich!». In gewissen Fällen ist es möglich, dadurch schrittweise eine Veränderung zu erreichen. Denn es geht primär nicht darum, Lösungen zu suchen, sondern es geht darum, das Problem zu beschreiben und darüber zu reden: zu schauen, was ist. Ein Einstieg in die Begegnung mit der Absicht, wissen zu müssen, was das Problem ist und wie die Lösung sein könnte, überfordert die involvierten Personen meistens.

Weitere Ursachen des Verhaltens des Schülers:

Adoleszenzkrise

Das ist keine Krankheit. In diesem Fall wäre der Schüler entwicklungsmässig noch nicht so weit, wie es Alter und Situation erwarten lassen. Oder es gibt eine Differenz zwischen emotionaler und kognitiver Entwicklung. Denkbar ist auch eine Entwicklungsblockade, die dazu geführt hat, dass der Schüler sein Selbstwertgefühl ungenügend ausbilden konnte. Das wäre jedoch eine Vorstufe zu einer Erkrankung.

Depression

Ein depressives Zustandsbild zeigt sich bei Jugendlichen in diesem Alter häufig. Die Entwicklung dahin ist schleichend, wie ein Schwelbrand. Jugendliche erleben dabei auch fröhliche Phasen, trotzdem sind sie depressiv. Das ist bei Erwachsenen anders, diese sind meistens durchgängig niedergedrückt.

Hoch- oder Minderbegabung

Eine Hoch- oder Minderbegabung kann zu einer kognitiven Unter- oder Überforderung führen. Immer wieder fallen Hochbegabte durch extreme Minderleistung auf und können ihr Potenzial nicht zum Ausdruck bringen.

Autismus

Die Tatsache, dass der Schüler kaum Beziehungen zu anderen Personen pflegt, strukturelle Vorgaben jedoch einhält, kann auf Autismus hindeuten. Die Kopfbedeckung und die Kopfhörer können als Reizabschirmung interpretiert werden, schliesslich sind für einen Autisten Gruppensituationen per se unangenehm.

Intrinsische Erkrankungen

Es gibt die Minussymptomatik: Betroffene ziehen sich zurück, sind kaum motiviert, können sich nicht konzentrieren, sie sind müde und still.

Die Plussymptomatik kommt später dazu. Betroffene hören Stimmen, sie beziehen alles auf sich und überbewerten Situationen: «Dir luegt mi so aa!».

Das sind Psychosen, die häufig mit depressiven Phasen beginnen. Auch hier sind Jugendliche oft dankbar, wenn sie direkt angesprochen werden. Das Thema ist ihnen peinlich. Deshalb ist es hilfreich, das Gespräch mit einer Feststellung zu beginnen, wie: «Ich habe da mal einen Schüler gehabt, der … und ich beobachte bei dir …». Das Ansprechen dessen, was der Schüler zu verbergen sucht, kann erleichternd wirken. Das kann jede Lehrperson tun, dafür braucht es nicht zwingend eine Psychologin oder einen Psychiater.

Fazit: Es sollte versucht werden, einen persönlichen Kontakt mit dem Schüler aufzubauen. Dabei ist wichtig, keine Ansprüche an sich selbst zu stellen und wissen zu wollen, worum es geht und wie eine Lösung aussehen könnte. Die persönliche Kontaktaufnahme funktioniert jedoch nur, wenn sie für die Lehrperson stimmig ist.

Lösungsansätze

Zwei Vorgehensweisen könnten eine Atmosphäre schaffen, die sowohl dem Schüler als auch der Lehrperson das Leben etwas erleichtern: Einerseits sollten die Hintergründe des Verhaltens des Schülers ergründet werden, andererseits braucht die Lehrperson Entlastung. Im Umgang mit dem Schüler in der Klasse ist es wichtig, vorerst den Blick nur auf das Positive zu richten, also auf Konfrontationen zu verzichten, keine Forderungen zu stellen, die nicht erfüllt werden können, von Massregelungen und negativen Rückmeldungen abzusehen.

Der Schüler vermittelt von sich ein einseitiges Bild. Infolgedessen ist es wichtig, auch andere Seiten kennen zu lernen. Ein Gespräch mit den Eltern oder anderen Vertrauenspersonen könnte vielleicht das Bild ergänzen. Die zentrale Frage bleibt: Was will der Schüler? Wie kann er wieder Kraft gewinnen?

Damit ein persönlicher Kontakt, ein Gespräch auf Augenhöhe möglich wird, muss das Machtgefälle zwischen Lehrperson und Schüler vorübergehend aufgehoben werden. Das ist ausserhalb des Schulalltags leichter möglich. Wie wäre es mit einem Spaziergang, mit gemeinsamer Gartenarbeit oder mit gemeinsamem Putzen? Dabei keine Vorwürfe machen, sondern dem Schüler zuhören, Interesse und Neugierde zeigen. In einem anderen Rahmen Zeit schenken und Interesse zeigen, kann möglicherweise zu einer Öffnung führen. Allerdings können zu viele Fragen den Schüler überfordern, also Mass halten. Vielleicht ist es möglich, die Erwartungen und Ziele des Schülers ansatzweise wahrzunehmen.

Das ständige Tragen der Kopfbedeckung ist einem Ritual ähnlich. Hier könnte man anknüpfen und das Hutritual durch ein Begrüssungsritual ersetzen.

 

Vielleicht lässt sich der Schüler auf ein Gedankenspiel ein: Wir leben zehn Jahre später. Du bist zufrieden und glücklich. Was hast du gebraucht, um diesen Weg zu schaffen? Wie bist du dahin gekommen?

Grundsätzlich gilt: Die Verantwortung ist geteilt; auch der Schüler muss einen Teil übernehmen. Kommt die Lehrperson zum Schluss, dass sie überfordert ist, dann sollte unbedingt externe Unterstützung angefordert werden, beispielsweise von der Erziehungsberatung[13].

Literatur

Flammer, August (2002): Entwicklungspsychologie der Adoleszenz. Bern: Hans Huber.

Liechti, Jürg (2013[3]): Dann komme ich halt, sage aber nichts. Heidelberg: Carl Auer.

Prior, Manfred, (2019[16]): MiniMax-Interventionen. Heidelberg: Carl Auer.

Schuster, Nicole (2016): Schüler mit Autismus-Spektrum-Störungen. Stuttgart: Kohlhammer.

4.2 Null-Bock-Stimmung

Rahmen

BVS BPA[14]; alle Fächer; 10 Lernende (8 Männer, 2 Frauen), 7 Lehrpersonen (6 Frauen, 1 Mann)

Die Klasse ist eher klein. Das Desinteresse der Lernenden prägt den Unterrichtsalltag massgebend. Im Laufe des ersten Semesters sind zwei Schüler von der Schule ausgeschlossen worden und zwei weitere haben die Schule aus eigenen Stücken abgebrochen.

Fallbeschreibung

Wir teilen uns die Klassenlehrerfunktion an einer berufsvorbereitenden Klasse im 10. Schuljahr. Wir unterrichten zusammen die Fächer Deutsch, Mathematik, Beruf und Gesellschaft. Im Sommer haben wir eine relativ kleine Klasse, bestehend aus 10 Schülerinnen und Schülern, übernommen. Die Klasse ist sehr heterogen, schulisch eher schwach und unruhig. Zudem fehlt es an der Motivation, im Unterricht aktiv mitzumachen. Alle die Klasse unterrichtenden Lehrpersonen sind pädagogisch und didaktisch gefordert, um mit der Klasse immerhin kleine Lernfortschritte zu erreichen.

In der Klasse gibt es mehrere Schüler, die sich problematisch verhalten. Einer davon ist Fabian. Er ist 15 Jahre alt. Seit diesem Schuljahr nimmt er wieder Ritalin. Er hatte dieses Medikament schon früher eingenommen. Fabians Eltern trennten sich, als er die 7. Klasse besuchte. Während dieser Zeit konnte er sich nicht auf die Schule konzentrieren und hat dadurch im Unterricht viel verpasst. Er ist schüchtern und ruhig. Oft trägt er einen Hut oder eine Kapuze, die er gerne ins Gesicht zieht. Im Unterricht trägt er auch seine Jacke, die er nicht ausziehen möchte. Er zieht sich im Laufe der Zeit immer mehr zurück.

Fabian erscheint zu Beginn des Schuljahres jeweils pünktlich zum Unterricht. Wenn der Unterricht beginnt, nimmt er das Material meistens nicht selbstständig hervor und bleibt passiv. Erst wenn man ihn dazu auffordert, nimmt er die Unterlagen langsam und bedächtig hervor.

Das Abschreiben von der Wandtafel geht nur sehr langsam vonstatten. Fabian lässt sich dafür viel Zeit. Zudem schreibt er oft nur einen Teil des Textes ab und wird anschliessend wieder passiv. Wenn die Lehrpersonen einen Auftrag, eine Aufgabe oder auch Theorie erklärt, hört er meistens gar nicht zu. Wenn sich die Lehrperson zu ihm hinsetzt und Inhalte erklärt, hört er zwar zu, denkt aber meistens selbst nicht mit. Wenn er zum Beispiel Mathematikaufgaben lösen soll, schreibt er oft irgendwelche Antworten ins Buch. Er beschäftigt sich nicht wirklich mit den ihm übertragenen Aufgaben. Manchmal kritzelt er auch die Buchseiten oder gar das Pult voll.

Nach den ersten paar Schulwochen ist Fabian vermehrt krank. Anfänglich fehlt er jeweils am Freitag. Die Vermutung liegt nahe, dass er das Wochenende verlängert. Die Lehrpersonen haben Fabian darauf angesprochen. Danach fehlte er jeweils bereits am Donnerstag. In einem Gespräch haben wir Fabian erklärt, dass er Ende der Woche nicht mehr fehlen darf. Daraufhin fehlte er jeweils am Montag. In den folgenden Wochen fehlte er montags und dienstags. Die von den Lehrpersonen eingeforderten Arztzeugnisse hat Fabian nicht gebracht. Die Mutter zeigt Verständnis für ihren Sohn. Er sei nicht motiviert für die Schule und sie wolle ihn dazu auch nicht zwingen. Der Vater versuchte, die Lehrkräfte zu unterstützen und seinen Sohn in die Schule zu schicken. Da der Vater getrennt von der Familie lebt, ist diese Unterstützung wirkungslos.

Auch während den Schnuppertagen verhielt sich Fabian passiv. Er war sehr ruhig oder schüchtern. Die Schnupperbetriebe meldeten einhellig zurück, Fabian sei nicht an einem Beruf interessiert. Für uns als Lehrkräfte ist es schwierig, mit dieser Situation umzugehen. Wir haben die Aufgabe, die Lernenden bei der Suche nach einer Anschlusslösung zu unterstützen. Für Fabian sehen wir im Moment keine Lösung mehr, wir sind ratlos.

Was fällt auf?

Fabian ist desinteressiert, seine Motivation, die Schule zu besuchen, scheint im Verlauf des Schuljahres abzunehmen. Er fehlt häufig vor den Wochenenden. Als dies den Lehrpersonen auffällt und sie ihn darauf ansprechen, fehlt er am Wochenanfang. Es macht den Eindruck, als würde er seine Wochenenden verlängern wollen.

Die Mutter nimmt ihn wegen seiner Absenzen in Schutz, da er krank war, und zeigt Verständnis für seine Abwesenheit. Der Vater unterstützt die Position der Lehrpersonen und möchte, dass sein Sohn zur Schule geht. Da er aber nicht bei der Familie lebt, kann er nichts ausrichten. Die Eltern leben getrennt, seit Fabian in der 7. Klasse war. Damals begannen seine schulischen Probleme, er hat seither viel Schulstoff verpasst.

Wenn er im Unterricht anwesend ist, macht er wenig oder gar nicht mit. Er muss immer wieder aufgefordert werden, sein Material hervorzuholen und mitzuarbeiten. Beim Lösen von Aufgaben lässt er sich viel Zeit. Oft bringt er Arbeiten oder Aufgaben nicht zu Ende, da er nach einer Weile wieder passiv wird. Er kann sich nicht auf die Schule konzentrieren und tut manchmal nur so, als würde er mitarbeiten, um nicht aufzufallen.

Der 15-Jährige stört den Unterricht nicht aktiv, kritzelt aber aufs Pult, was grundsätzlich verboten ist. Seine Jacke behält er an, obwohl dies gegen die Kleiderregeln der Schule verstösst. In der verhältnismässig kleinen, aber desinteressierten Klasse fällt er wahrscheinlich kaum auf, da er sich ruhig verhält und den Unterricht – zumindest auf den ersten Blick – nicht stört.

Nicht geklärt ist, warum nicht früher disziplinarische Massnahmen ergriffen wurden, da er gegen die Kleiderordnung verstösst, aufs Pult kritzelt, seine Materialien nicht bereithält und häufig unentschuldigt fehlt.

Fabian nimmt seit diesem Schuljahr wieder Ritalin. Warum, erfahren wir nicht und die Auswirkungen des Medikaments werden auch nicht erläutert.

Er wird als ruhig, schüchtern und zurückgezogen beschrieben. Auch von den Schnupperlehrbetrieben vernimmt man, dass er schüchtern und passiv sei und sich für den jeweiligen Beruf nicht interessiere. Er verhüllt sich in seinen Kleider, als wolle er sich verstecken oder unsichtbar machen.

Fabian besucht eine problematische Klasse, vier Schülerinnen und Schüler haben sie im letzten Semester verlassen. Die zehn Jugendlichen werden von insgesamt sieben Lehrpersonen unterrichtet, von denen sich zwei die Klassenlehrpersonenaufgaben teilen. Dies deutet auf einen häufigen Wechsel der unterrichtenden Lehrpersonen hin, sodass wenig persönlicher Kontakt mit den Lernenden möglich ist. Die Lehrpersonen haben das Ziel, bis Ende Schuljahr mit Fabian eine Anschlusslösung zu finden. Momentan sehen sie aber keine Lösung, denn sein unmotiviertes und passives Verhalten verunmöglicht eine erfolgreiche Lehrstellensuche.

Was ist das Problem?

Es kommen mehrere Problemfelder zur Sprache. Erstens wollen die Lehrpersonen mit Fabian eine Anschlusslösung finden. Das ist aus ihrer Sicht nicht möglich, weil er bei den Lehrbetrieben keinen guten Eindruck hinterlassen hat und sich auch keine Mühe gibt, eine Lehrstelle zu finden. Zweitens fehlt der Junge häufig und arbeitet im Unterricht nicht mit. Er muss drittens oft aufgefordert werden, sich zu beteiligen und kann sich nicht auf die Aufgaben konzentrieren. Fabians passives und desinteressiertes Verhalten gefährdet auch den Lernerfolg der anderen Schülerinnen und Schülern. Denn seine Passivität stört den Unterricht: Er muss häufig zur Mitarbeit aufgefordert werden, erhält deswegen zu viel Aufmerksamkeit und die Klasse muss auf ihn warten.

Die Auswirkungen des Medikaments Ritalin sind unklar. Fabians Unkonzentriertheit passt nicht dazu, denn Ritalin sollte die gegenteilige Wirkung haben.

Die vielen unentschuldigten Absenzen weisen darauf hin, dass er viel Schulstoff verpasst. Ein Arztzeugnis legt er nicht vor, seine Mutter deckt ihn und sagt, er sei krank. Zuhause steht Fabian zwischen seinen beiden Eltern. Die Mutter will ihren Sohn nicht zwingen, die Schule zu besuchen, der Vater unterstützt die Lehrpersonen. Von Seiten der Mutter ist keine Hilfe zu erwarten und der Vater kann anscheinend nichts ausrichten, da sie nicht mehr zusammenwohnen. Es scheint, als ziehe er sich aus der Verantwortung.

Schwierig zu beurteilen ist auch die Tatsache, dass er weder Jacke noch Mütze ausziehen will. Offenbar will er sich verstecken, vielleicht will er seinem Umfeld etwas mitteilen. Allerdings bleibt die Botschaft unklar. Vielleicht ist er verunsichert, hat psychische Probleme oder Ängste.

Die Lehrpersonen sind ratlos. Sie wissen nicht, wie sie ihn dazu bringen können, sich am Unterricht zu beteiligen und eine Lehrstelle zu suchen. Vielleicht würde eine engere Beziehung zu einer Lehrperson eine Verbesserung bewirken oder zumindest das Verständnis für seine Situation fördern. Solange dies nicht geschieht, bleibt sein Verhalten unerklärt. Vielleicht braucht er externe Hilfe, denkbar ist auch, dass die Schule nicht der richtige Platz für ihn ist.

Insgesamt geht es um zwei Probleme, die sich gegenüberstehen: Auf der einen Seite der Erfolgsdruck, den die Lehrpersonen spüren, und auf der anderen Seite die Probleme des Schülers, die wir nicht genau kennen. Es fällt auf, wie wichtig es wäre, Fabians Position kennen und verstehen zu lernen, um ihm allenfalls helfen zu können. Dies würde möglicherweise auch den Erfolgsdruck der Lehrpersonen etwas lindern. Klar ist, dass es den Lehrpersonen bis jetzt nicht möglich war, eine vertrauensvolle Beziehung zu Fabian aufzubauen und sie nicht herausfinden konnten, was er mit seinem Verhalten ausdrücken will. Ist das das zentrale Problem?

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