Kobe Bryant

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Kapitel 11
THE VIBE

Zwar hatte sich die Szenerie für Kobe Bryant geändert, doch die Dynamik blieb wie immer dieselbe. In seiner zweiten Saison an der Lower Merion erschien plötzlich ein weiteres farbiges Gesicht in diesem Meer flauschig weicher Blässe. Es war das Jahr, in dem er und Jermaine Griffin sich kennenlernten – der eine dem privilegierten Leben in Europa entflohen, der andere ein New Yorker aus dem Far Rockway in Queens.

Wie Kobe war Griffin im zweiten Highschooljahr, als er vom harten Pflaster in „Far Rock“ als Teil eines Jugendprogramms namens ABC, A Better Chance, an die Lower Merion kam. Er war einer von acht Jugendlichen, die zusammen mit einem Sozialbetreuer in einem Haus wohnten. Das Programm gab Jugendlichen die Chance, ihr Leben neu auszurichten. „Sie nahmen viele Jugendliche aus den innerstädtischen Bezirken“, erklärte Griffin 2015. „Ich hatte damals das Gefühl, dass es eine gute Idee wäre, daran teilzunehmen.“

Hier traf Griffin nun auf eine Welt, die das genaue Gegenteil von „Far Rock“ war, ein an der Küste New Yorks gelegener Bezirk voller Sozialwohnungen und tausender heruntergekommener Bungalows, die noch aus einer Zeit stammten, in denen Far Rockaway als beliebtes Ausflugsziel fernab des Asphaltdschungels galt. Inzwischen waren dort Schießereien, Drogen und Prostitution an der Tagesordnung. Dieses Klima der Gewalt stand im krassen Gegensatz zu der langsam beginnenden Aufwertung der Gegend, hervorgerufen von Yuppies, die begonnen hatten billig Grundstücke in dem Stadtteil aufzukaufen. Griffin hatte schon viel in seinem jungen Leben gesehen, doch A Better Chance bot ihm eine ganz neue Erfahrung. „Ich kam aus einer Gegend, wo vorwiegend Schwarze wohnten“, erklärt er. „An der Schule, die ich in Lower Merion besuchte, waren mehrheitlich Weiße. Das war ein Kulturschock für mich.“

Obwohl Basketball nichts mit seiner Entscheidung an diesem Programm teilzunehmen zu tun hatte, sollte es schnell zu einem wichtigen Element werden. Eine der ersten Personen, die Griffin bei seiner Tour durch die Schule traf, war Gregg Downer, dem Griffins Größe von knapp über 1,90 m sofort auffiel.

Schnell lernte er dann auch Kobe Bean kennen und beide empfanden schnell gegenseitigen Respekt. „Als ich ihn das erste Mal traf, war er ein cooler Junge“, erinnert sich Griffin. „Wir haben uns nur angesehen. Er machte sein Ding und ich meins.“

„Basketball gehörte sicher auch dazu“, meint Downer, „doch ich glaube, dass die Chemie zwischen ihm und Kobe einfach gepasst hat. Jermaine spielte quasi die zweite Geige in der Mannschaft. Er war sehr wichtig für uns und er wurde Kobes Freund.“

„Kobe war der mit dem größten Selbstvertrauen“, sagt Griffin. „Ich glaube, das war auch der Grund, warum wir so gut befreundet waren während unserer Schulzeit. Ich kam aus New York, das unterschied mich von den anderen hier und ich sprach auch anders, ein leicht anderer Dialekt, ein anderer Stil, und das hat es auch gebraucht.“ Damit konnte Griffin seinem neuen Freund auch ganz neue Perspektiven bei den Entscheidungen und Themen, mit denen sich Kobe auseinandersetzen musste, eröffnen.

Bryant durchlebte gerade seinen eigenen Kulturschock an der Lower Merion. Zwar schien er sich an dieser weißen Vorstadtschule recht wohlzufühlen, er war aber auch begierig darauf, typisch afroamerikanische Dinge kennenzulernen, um ein besseres Gefühl für seine kulturellen Wurzeln zu bekommen und sich nicht mehr wie ein Fremder in einem fremden Land zu fühlen. „Kobe sagte: ‚So geht’s.‘ Und ich sagte: ‚Kobe, ich denke wir sollten es lieber so machen‘, erinnert sich Griffin. Das war der Grund warum wir beide uns auf Anhieb verstanden – er musste nicht mein Händchen halten und ich nicht seines. Jeder von uns hatte seinen eigenen Führungsstil.“

Trotz allem, Bryants Selbstbewusstsein in seinem zweiten Jahr war unerreicht. Griffin sah aber darüber hinweg und lernte schnell neue Facetten der Persönlichkeit seines Freundes kennen. Unter all dem überlegenen Gehabe steckte eine Sensibilität, die allerdings von seiner Einstellung, alles selbst machen zu wollen, überschattet wurde. „Ich habe sicherlich eine Seite an ihm kennengelernt, die andere nie zu Gesicht bekommen haben“, sagt er.

„In vielerlei Hinsicht war Bryant wie jeder andere“, meint Griffin, außer dass er ein Alphatier war auf dem Weg ein Weltklassebasketballer zu werden.

Evan Monsky, ein anderer Teamkollege damals, pflichtet Griffin bei, dass Kobe nur ein heranwachsender Junge war, der versuchte seinen Platz in dieser manchmal recht komplizierten Welt der Highschool zu finden.

Bald schon würde dieses ungezwungene Leben dem Ruhm weichen und Bryant sich diesem hingeben, so wie es jeder Teenager machen würde. Sein zweites Jahr war das letzte, in dem er seine jugendliche Unbedarftheit und Freiheit, die ein Amateur eben genießt, auskosten konnte, bevor ihn das Leben, nach dem er sich so sehnte, einholte und wegtrug.

„In der Highschool machten wir immer Witze, spielten anderen Streiche und solche Sachen“, erinnert sich Griffin. „Wenn man zur Schule geht, gibt es immer Tage, an denen du lieber nicht gehen willst. Tage, an denen du dir eine kleine Auszeit nehmen willst. Wir gingen gerne zur Schule, doch es gab auch Zeiten, da wollten wir mal raus und was essen gehen oder uns eine kleine Pause genehmigen, einfach nur kurz weg und Musik hören oder so.“

Zusammen schlichen sie sich aus der Schule und zusammen besuchten sie auch den Englischunterricht bei Jeanne Mastriano, einer jungen Lehrerin mit Brille, die einen Hauch Gegenkultur ausstrahlte. „Sie war eine meiner Lieblingslehrerinnen“, sagt Griffin. „Sie hatte einfach etwas. Dass ich in ihrer Klasse war, hat mich verändert und gab mir eine Perspektive, was das Schreiben, Leben, Reden und Lesen anbelangte. Es hob mich auf ein ganz neues Level.“

„Wir schrieben viel in der zehnten Klasse“, erinnert sich Mastriano 2015. „Eine Menge freies Schreiben, einfach nur Gedanken und Ideen rauslassen – sowohl die Guten, als auch die nicht so guten.“

Schreiben bedeutete Griffin wirklich viel, vor allem in Bezug auf seine Erinnerungen an Far Rock, genauso wie es Bryant half, sein eigenes Leben genauer unter die Lupe zu nehmen – so sehr, dass er Mastriano 2015 sogar als seine „Muse“ bezeichnete, worüber sich seine ehemalige Lehrerin sehr amüsierte, wurde sie doch damit einer „Halbgöttin“ gleichgesetzt. „Eine Muse, eine der neun göttlichen Schwestern der Inspiration, verstehen Sie?“, erzählte sie einem Radiojournalisten. „Zu seiner Zeit an der Highschool hat er mich nie so bezeichnet, doch wir hatten immer ein gutes Verhältnis. Trotz der ganzen Wochenenden, die er beim Basketball verbrachte, hatte er immer seine Hausübungen, er war sehr diszipliniert“, erinnerte sie sich.

Die Disziplin hatte er von Pam, sagen Familienfreunde. Disziplin war ein wichtiges Element in ihren Bemühungen, das sich ständig verändernde Umfeld ihres Sohnes einigermaßen zu kontrollieren.

Auch wenn sich Bryant bei seinen schulischen Pflichten nicht annähernd so hineinsteigerte wie beim Basketball, so erkannte Mastriano seinen Hunger nach Wissen. „Für ihn ist Lernen etwas, das ihn stärker macht. Er ist ein aufmerksamer Zuhörer“, meinte sie 2014 einmal.

Mastriano benotete Griffins und Bryants schriftliche Arbeiten und drängte die beiden, sich die Frage zu stellen, was sie mit ihren schriftlichen Werken bezwecken wollten, um ihnen einen tieferen Sinn zu geben.

„Kobe schrieb immer über Basketball“, sagte sie. „Er sprach immer darüber, ein professioneller Basketballer zu werden.“ Bryant hatte schon seit längerem eine gewisse Affinität fürs Schreiben, vor allem von Gedichten, gehabt, was Kobes Großvater, Big Joe, sehr freute. Über die Jahre hinweg hatte Big Joe oft über all die Dinge gestaunt, die ihm sein Enkelsohn gezeigt hatte, und immer wieder gesagt, dass Kobe so viel Talent in den verschiedensten Bereichen besaß und er vielleicht darüber nachdenken sollte, etwas anderes als Basketball zu machen. Doch Jellybean und sein Sohn waren so in der Welt des Basketballs verloren, dass es nie wirklich dazu kam.

Der Rapper

Die Möglichkeit seine Gedanken zu Papier zu bringen, war etwas, an dem sich der junge Bryant außerhalb des Basketballcourts festhalten konnte. Ein Weg sich mit seiner Identitätskrise auseinanderzusetzen, war, die afroamerikanische Kultur seiner Eltern genauer zu erkunden.

Seltsamerweise fand er einen Schlüssel, der ihm das Tor zu dieser Kultur eröffnen konnte, im jüdischen Gemeindezentrum auf der City Avenue, im vorstädtischen Wynnewood. Joe, sein Vater, arbeitete dort als Fitnessdirektor – einer seiner vielen kleinen Jobs, die er hatte, um wieder Geld zu verdienen, nachdem er nicht länger Profi war. Daneben arbeitete er noch an der Lower Merion als Assistenztrainer sowie als Trainer der Mädchenschulauswahl an einer jüdischen Privatschule in Wynnewood, Akiba, wo er sehr beliebt war. „Er war phänomenal“, erinnert sich Jeremy Treatman, damals Coach der Burschen der Akiba Schulauswahl.

Treatman erinnerte sich auch an Kobe als Teenager, als er öfters mit seinem Vater zu den Trainingseinheiten mitkam und etwas abseits an einem eigenen Korb sein Ausnahmekönnen zeigte. So spielte kein Teenager.

Treatman fragte Joe einmal, ob er in Kobes Alter auch so gut gewesen war.

„Nicht einmal annähernd“, antwortete Joe lachend. „Wirklich?“, sagte Treatman staunend.

„Glaub mir“, sagte Joe. „Er ist weitaus besser als ich in seinem Alter. Sieh ihn dir doch an.“

Abgesehen vom Basketball war das jüdische Gemeindezentrum auch der Ort, wo Kobe jemanden kennenlernen würde, der einen starken Einfluss auf sein Teenagerleben haben sollte. In der Zeit, in der Vater und Sohn in der Sporthalle dieses Zentrums trainierten, machte Kobe Bekanntschaft mit dem etwa sechzehnjährigen Anthony Bannister, einem der dortigen Hauswarte. Bannister war ein Experte, was Rapmusik betraf, von den guten alten Klassikern des Genres bis hin zur neu aufblühenden Welle schwarzer Musik – Hip-Hop, R&B, diese wirbelnden Wortkaskaden basierend auf Wut, Machoverhalten und Bling, die die Fantasien der Jugend rund um den Globus für über ein Jahrzehnt prägten. Dieses Dauerfeuer an gesprochenen Worten beim Rap gefiel dem jungen Poeten in Kobe.

 

Aufgrund seiner Freundschaft zu Kobe geriet auch Griffin immer mehr in den Sog des jüdischen Gemeindezentrums und der „Bannister Experience“, die auch andere Personen, die versuchten sich einen Namen in der Rapperszene Philadelphias zu machen, miteinschloss.

„Er hatte sicherlich einen gewissen Einfluss“, erinnert sich Griffin an Bannister. „Er war ein cooler, entspannter Typ, der Musik liebte, gerne schrieb und andere unterhielt. Er war vielleicht ein paar Jahre älter als wir.“

„Der Typ ist unglaublich“, sagte Kobe zu Griffin. „Er konnte rappen“, erinnert sich Griffin an Bannister. „Er war einfach gut darin, Dinge in Worten auszudrücken.“

Bannister führte Bryant in dieses Genre ein, zeigte ihm, wie man Beats und Teile von Liedern sampelt, dann seine eigenen Worte und Ideen darüberlegt, Sachen einfach neu und originell verwendet und Teile von verschiedenen Songs einander gegenüberstellt.

„Kobe war vierzehn, dünn und drahtig, aber leidenschaftlich und entschlossen“, erklärte Bannister einmal dem Autor Thomas Golianopoulos. Im Gegenzug bedankte sich Bryant bei Bannister damit, dass er seine neusten Tricks am Platz an ihm ausprobierte.

Die nächste Station für sein neu gefundenes Interesse an Musik war eine Gruppe ähnlicher Gestalten in der Schulkantine der Lower Merion, die ihre Zeit mit Freestyling verbrachten und einfach Texte und Beats raushauten und sich mit anderen Rappern maßen. Dort war es auch, wo Bryant jemand anderen Wichtigen kennenlernte, und zwar Kevin „Sandman“ Sanchez. Bryant hatte ihn mit einem Reim beeindruckt, in dem er als Cyborg gegen MCs kämpfte. Griffin erinnert sich: „Es kam nicht selten vor, dass andere ihm vorwarfen aus einer privilegierten Familie zu kommen und er deshalb über gewisse Dinge nicht rappen dürfe. Dass er eigentlich überhaupt nicht rappen sollte, oder wenn, dann nur über dieses oder jenes. Aber für Bryant war Musik eine Art Flucht aus dem Alltag, eine andere Art zu kommunizieren, eine Geschichte zu erzählen, so wie Basketball ein anderer Weg war allem zu entkommen.“

Einige Beobachter empfanden Bryants Versuche sich als Rapper zu profilieren als den offensichtlichen Versuch, seine Street Credibility – also die Glaubwürdigkeit bei seinen gleichaltrigen Kollegen – zu verbessern.

„Wenn Bryant auf der Suche nach Glaubwürdigkeit war, so fand er sie auf indirektem Weg“, erklärt Griffin. Jegliche Street Cred hing normalerweise mit seinen Beats oder dem A-cappella-Zugang zusammen. Es war nicht so, dass Bryant versuchte vorzugeben, er sei auf der Straße aufgewachsen.

In den USA entwickelte sich Rapmusik unterschiedlich, abhängig von der jeweiligen Stadt. In Philadelphia etwa drehte sich vieles um die sogenannten Battles, diese scharfzüngigen Schlagabtäusche, die geradezu maßgeschneidert waren für jemanden, der einen solchen Wettkampfgeist wie Kobe besaß.

In vielerlei Hinsicht lernte Bryant eigentlich nur, seine sportlichen Intentionen auf eine Art zu artikulieren, dass seine gleichaltrigen Kollegen, wie Donnie Carr, sie verstehen konnten. Rap bot ihm ein Mittel, sich rasch verständlich zu machen.

Rap-Battles waren unverfälschte, direkte Konfrontationen und Bryant zeigte schnell Talent dafür. Es half sicherlich auch, dass er gerade zu einem imposanten Zweitmeterriesen heranwuchs, vollgepackt mit jedem Gramm Selbstbewusstsein, das er in seinen schlaksigen Körper hineinstopfen konnte.

„Im Basketball muss man immer einen Zug vorausdenken, egal ob man verteidigt oder angreift“, sagt Griffin. „Das gleiche gilt beim Rappen.“

Bryant der Rapper würde sich schon bald noch weiter hinauswagen und in Philadelphias Hip-Hop-Szene hineinschnuppern. „Er forderte Typen zu Battles, die bereits viele Jahre rappten“, erzählt Griffin, „und wir waren noch neu in dem Genre. Wir gingen einfach in diese Battles und wollten beweisen, dass wir es mit den Besten aufnehmen konnten.“

Basketball war ein wichtiges Element in diesen Battles, was wiederum das Schreiben der Texte beeinflusste und Bryant und Griffin dazu brachte, Dinge zu finden, die sie sampeln konnten. Laut Griffin kam dabei die meiste Inspiration von Bannister. „Wenn du am Anfang stehst, hörst du die Sachen von verschiedenen Leuten, du versuchst deinen eigenen Sound zu finden und dein eigenes Thema zu kreieren und nimmst ein wenig von hier und ein bisschen von da.“

Anfangs machten sie sich vorher noch Notizen, doch Bryant lernte schnell zu improvisieren. Es genügte dann, nur einen Beat zu hören, einen gewissen Rhythmus zu finden und einfach auf sein Herz zu hören.

„Wir mussten nichts mehr niederschreiben“, erklärt Griffin. „Du bist einfach nur mehr rausgegangen und hast gereimt und gerappt.“

In dieser Umgebung wurde Kobe Bryant zu einem respektablen Rapper und das Projekt, das er mit Bannister und ein paar anderen Künstlern gegründet hatte, entwickelte sich zu einem erfolgreichen Plattendeal mit Sony Music und brachte wieder neue Einflüsse ins Leben der Bryants, das sich für immer verändern würde.

Der Name der Band war CHEIZAW, ein Akronym für Canon Homo sapiens Eclectic Iconic Zaibatsu Abstract Words, etwas das sie sich von der Chi Sah Gang in einem Kung-Fu-Film der Shaw Brothers mit dem Namen Die fünf Kampfmaschinen der Shaolin abgeguckt hatten.

Sie holten neue Mitglieder dazu und zogen von Rap-Battle zu Rap-Battle durch ganz Philly, von der South Street, der Parkside und der Temple University bis hin zum Belmont Plateau und in verschiedene Clubs und Malls.

Bryant selbst nannte sich „the Eighth Man“, also der achte Mann, nahm aber nur sehr selten an öffentlichen Auftritten der Gruppe teil. Wenn er einmal bei einem öffentlichen Auftritt dabei war, erstaunte es Griffin immer wieder, wie sehr die Veranstaltung einem rowdyhaften Basketballspiel ähnelte, mit Fans auf der einen und anderen Seite und einigen dazwischen, darauf wartend, auf eine Seite gezogen zu werden.

CHEIZAW wurde zum Liebling der Rap-Battle-Szene Philadelphias.

Es dauerte nicht lange bevor Gregg Downer einmal einen Blick in den hinteren Teil des Mannschaftsbusses warf und sah, wie Bryant seine Mannschaftskollegen und Griffin rund um sich versammelt hatte und die Gruppe mit seinem Freestyle unterhielt. Sie waren alle etwa im selben Alter und dem jungen Kobe Bryant lag viel daran, eine enge Beziehung zu seinen Teamkameraden zu haben.

„Wenn du mit Freunden zusammen bist, dann berührt das auch etwas in dir“, blickt Jermaine Griffin zurück. „So ist das mit der Musik. So ist das auch mit Basketball.“

Teil 3

Kapitel 12
SUMMER LOVE

Jahrelang war Joe Bryant von Julius Erving fasziniert, ja beinahe eifersüchtig auf ihn gewesen. Als Teamkollege des berühmten Doctor J lernte er etwas, das durch den schnellen Aufstieg Magic Johnsons bestätigt wurde. Was Joe Bryant aus seiner Zeit in der NBA mitgenommen hatte, war, dass du ein Star sein musst, wenn du im Pro-Basketball wirklich ganz oben stehen willst – du musstest eine Kombination aus Talent und Selbstbewusstsein mitbringen, die Einstellung, der beste Spieler in einem Team zu sein. Ein Star wird einfach anders behandelt als der Rest.

Jellybean brachte sicherlich eine gewisse Begabung mit. Wie viele gute Athleten hatte Joe auch ein großes Ego, das befriedigt werden wollte. Doch die Besten der Besten, Elitespieler wie Erving und Johnson, hatten einen Weg gefunden ein Team ihrem Willen und besonderem Talent unterzuordnen. Fast alles im Verein drehte sich um sie.

Jellybean fehlte dieses letzte bisschen Talent, beziehungsweise die Zielstrebigkeit, um ein Starspieler in einem NBA-Team zu werden. Doch genau das wurde nun Teil des Mantras, das er als Vater seinem Sohn weitergeben wollte. Ginge es nach Joe, so würde es seinem Sohn niemals an Selbstbewusstsein mangeln.

Ganz gleich ob Basketball oder Rap, im Laufe der Zeit wurde Kobe Beans eigener, angeborener Ehrgeiz, der Beste zu sein, immer deutlicher – auch ohne Joes Zutun. Egal auf welchem Niveau oder bei welchem Team Kobe Bean spielte, er setzte seine Dominanz durch. War er einmal in einer Situation, wo das nicht der Fall war, so versuchten er und seine Familie diese Situation zu verändern.

Gregg Downer erlebte es selbst an der Highschool. Zwar war er anfangs besorgt, dass Bryant an eine Schule mit einem prestigereicheren Programm wechseln könnte, doch es wurde bald klar, dass dies niemals passieren würde, da Bryant mit der Lower Merion den Platz gefunden hatte, an dem er den Ton angeben konnte.

Mit dieser Gewissheit begann Bryant gegen Ende seiner ersten Saison an der Highschool vom Undenkbaren zu sprechen, nämlich einer State Championship, einem Landesmeistertitel. Die Aces machten einen großen Schritt vorwärts in diesem Jahr mit 16 Siegen und nur sechs Niederlagen. Dabei erzielte Bryant im Schnitt 22 Punkte und 10 Rebounds, eine recht beachtliche Statistik, bedenkt man, dass ein Spiel in der Highschool nur 32 Minuten dauert.

Trotz des Erfolgs könnte man argumentieren, dass Kobe Bryants eigentliche Entwicklung ganz woanders stattfand, weit weg von der Lower Merion und Highschoolbasketball. Die wachsende Popularität von Basketball auch in der spielfreien Zeit war vor allem ein Verdienst der Amateur Athletic Union, die in den 1990ern eine wichtige Rolle bei der Entdeckung und Entwicklung von Elitetalenten spielte und die später sogar noch viel bedeutender werden sollte.

Es war nicht allein die AAU, sondern eine Reihe an Eliteturnieren, bei denen die besten und größten Talente des Landes zusammenkamen. In einem Interview 2015 erklärte Sam Rines, der Coach von Bryants AAU-Team, den Sam Rines All-Stars, dass er Joe Bryants Sohn jedes Jahr von März bis Oktober trainierte, während Gregg Downer ihn nur relativ kurze Zeit bei sich hatte, nämlich von Ende Oktober bis Anfang März.

Bryant hätte laut Rines auch bei bekannteren, stärkeren AAU-Teams spielen können, doch er bevorzugte Rines’ weniger bekanntes und weniger ambitioniertes Team, da er dort der Starspieler in der Mannschaft war. Als sich die Bryants auf die Suche nach AAU-Teams machten, war Rines ein junger Trainer, der ein Team übernommen hatte, das 1992 von seinem Vater – auch ein Sam Rines – gegründet worden war. Rines Sr. hatte als Pennsylvania Highschoolcoach in den 1970ern eine Landesmeisterschaft gewonnen und war dann 12 Jahre lang als Assistenzcoach an der La Salle University tätig, bis er 1992 in Pension ging.

Doch bevor Kobe bei Rines’ Team spielen konnte, musste Joe erst sicherstellen, dass sein Sohn dort auch der Star sein würde. Der Status eines Spielers wurde unter anderem an der Anzahl der Würfe, die er in einem einstündigen AAU-Spiel nehmen durfte, gemessen. Je mehr Würfe, desto besser die Chance, Interesse bei den Colleges zu wecken.

„Joe und mein Vater unterhielten sich darüber, wie Kobe in einem für ihn geeigneten Umfeld spielen konnte“, erklärt Rines. „Es gibt einen Unterschied, ob du zwanzigmal wirfst oder nur fünfmal.“

Kobe brauchte diese fünfzehn zusätzlichen Würfe für seine Entwicklung. Die Trainer und anderen Spieler müssten eben einsehen, dass Kobe an der Spitze der Hierarchie stand.

Rines lernte sehr schnell, dass Bryant es hasste vom Feld genommen zu werden, genauso wie schon auf der Lower Merion. Der AAU-Coach erinnert sich, dass Bryant so extrem auf Auswechslungen reagierte, dass sich das Team im Endeffekt dazu entschloss, nur neun Spieler in der Mannschaft zu haben, um weitere Konflikte zu vermeiden. Doch selbst dann kam es nach jeder Auswechslung zu heftigen Konfrontationen.

„Wir hatten nur neun Spieler, da wir versuchten Kobe drinnen zu lassen“, gab Rines 2015 in einem Interview zu. „Er liebte es zu spielen, wir wussten das. Wir wussten auch, dass wir nicht fünf Spieler austauschen konnten, wie es sonst üblich war, denn er wollte nicht runter vom Feld. Kobe war einfach Kobe. Er war ein Showman. Ich habe nie jemanden anderen gesehen, der so konzentriert war am Feld wie Kobe, wenn er auf seiner Bühne stand. Kein Nonsens, kein auf die leichte Schulter nehmen. Er machte kein freundliches Gesicht. Er zerstörte dich in jedem Viertel und zeigte keine Gnade. Es war ihm scheißegal.“

 

„Er war ein reines Alphatier“, so Rines weiter. „Jedes Mal, wenn er auf dem Platz stand, war er das absolute Alphatier. So war er schon mit dreizehn, vierzehn und fünfzehn.“

In seinem AAU-Team waren Bryants Proteste über seine Auswechslungen noch viel heftiger, wenn nicht sogar irrational, denn AAU-Teams waren eine Ansammlung der besten Spieler von verschiedenen Schulen, nicht nur von einer, wie der Lower Merion. Trotz aller Ärgernisse half die Verpflichtung eines Spielers wie Bryant, Rines’ Verein, der als Wochenendklinik begonnen hatte, weiter zu wachsen.

„Wir holten einen Spieler von hier und einen von da, um das Team stärker zu machen“, erklärt Rines. „Nachdem wir dann besser waren, kamen andere auch zu uns, vor allem auch, weil jemand wie Kobe bei uns spielte. Kobe war wertvoll. Davor waren wir vielleicht ein zweitklassiges AAU-Team mit gerade einmal zwei oder drei Spielern in der Mannschaft, die bei den schlechteren Teams der Division I mitspielen hätten können. Mit Kobe hatten wir plötzlich ganz andere Möglichkeiten.“

AAU-Turniere standen im Ruf, das Spiel in den Vordergrund zu stellen und weniger auf das Erlernen von Grundkompetenzen zu achten, doch der alte Rines wollte junge Talente entwickeln indem er sich auf die Grundlagen und regionale Bewerbe konzentrierte. Das Format erlaubte Rines Jr. sich seine ersten Sporen als Headcoach zu verdienen, während Rines Sr. ihm als älterer, erfahrener Assistent zur Seite stand.

Kobe respektierte den älteren Rines und krachte bald mit dem jüngeren Headcoach zusammen.

„Wir sind 25 Punkte vorne“, erinnert sich Rines an eines der ersten Spiele mit Kobe. „Er meinte, er hätte nicht gut genug gespielt, um sich eine Pause zu verdienen. Er wollte wieder aufs Feld. Wir stritten uns.“

„Wechsle mich wieder ein“, schrie Kobe ihn an.

„Nein“, antwortete Rines, „du spielst heute nicht mehr, nachdem du so mit mir geredet hast.“

Und Jellybean war immer da, um seinen Sohn zu unterstützen.

„Joe und ich gerieten auch schon einmal aneinander“, erzählt Rines. „Er hatte dieses typische Elternverhalten.“

Die Eltern von AAU-Spielern waren bekannt dafür, recht aggressiv gegenüber den Coaches zu werden, wenn es um Spielzeit für ihre Kinder ging. AAU-Basketball war damals dazu da, dass Collegetrainer sich Spitzentalente ansehen konnten. Um gesehen zu werden, musste man natürlich spielen. Außerdem kostete es Geld, bei einem Team spielen zu dürfen. Die Eltern wollten, dass ihre Söhne auch etwas für ihr Geld bekamen. „Wenn Kobe und ich wieder einmal stritten, begann Joe auf Italienisch mit ihm zu reden“, sagt Rines über seine Streitereien mit Kobe. „Niemand von uns verstand, was er sagte, aber Kobe beruhigte sich wieder. Es muss aber auch gesagt werden, dass Kobe ein echtes Problem hatte, seine Wut zu kontrollieren.“

Woher diese Wut stammte, blieb ein Geheimnis, doch ein Teil kam anscheinend von Bryants Unvermögen wie ein Elitespieler mit dem Ball umzugehen. Dennoch gab es so viel Gutes an seinem Spiel, das den Trainern gleich gefiel, wenn sie ihn zum ersten Mal im Einsatz sahen. Rines erinnert sich, als er Bryant das erste Mal bei einem Eliteturnier sah.

„Es war in Delaware“, erzählt er. „Ich beobachtete ihn aufmerksam, ich kannte ihn damals noch nicht. Ich stand dort und sah ihn mir an. Da war dieser schlaksige 1,96 oder 1,98 m große Junge, der Jumpshots warf. Er war phänomenal, speziell da er bei den Zwölftklässlern mitspielte. Natürlich fehlte ihm damals die Physis, um sich unterm Korb gegen die anderen durchzusetzen, doch er hatte die Athletik und einen tollen Wurf.“

An diesem Tag sah Rines nichts, das ihn glauben machte, dass er hier einen zukünftigen NBA-Spieler vor sich hatte. „Du konntest sehen, dass er einer der besseren Freshmen war, aufgrund seiner Größe und seiner Athletik“, sagt er.

Er kam zum Schluss, dass Bryant ein sehr guter Highschoolspieler werden könnte.

„Kobe war noch so jung und bereits so gut“, erklärt Rines. „Ballkünstler war er keiner. Doch in den Bereichen, wo er Aufholbedarf hatte, arbeitete er hart und entwickelte sich.“

Je mehr Zeit er mit Bryant verbrachte, desto mehr sah er einen Teenager, der beinahe jede freie Minute mit Basketball verbrachte. „Am Morgen begann er sein Training mit den Profis im Bellevue Hotel und am Nachmittag ging es dann an der St. Joseph’s University auf die Laufbahn, samt Sprintfallschirm und Balltraining. Am Abend ging er dann ins jüdische Gemeindezentrum und trainierte dort allein weiter.“

Die Spiele im Sommer waren eine Art Testlabor für ihn. Als mehr Geld in den Sport zu fließen begann, versuchten die Coaches in der AAU, Spitzenspieler für ihre Teams zu rekrutieren, was wiederum andere Topspieler anzog und das Interesse von Sportschuhherstellern und anderen Firmen weckte. Es stellte sich schnell heraus, dass Kobe die oberste Priorität in Rines’ Team war. „Wenn Kobe einen schlechten Wurf nahm, dann war es Teil seines Lernprozesses, um besser zu werden“, sagt Rines. „Wir mussten eben akzeptieren, wer er war und was er war.“

„Er machte eine Phase durch, in der er wirklich ganz egoistisch spielte“, fügt Rines an. „Dann durchlief er eine Phase, in der er lernte zu dribbeln und wie man Crossovers macht, auch wenn er dabei den Ball sieben- oder achtmal hintereinander ins Seitenaus kickte, nur weil er einen bestimmten Move trainieren wollte. Wie soll man das coachen? Wenn er irgendetwas einstudieren wollte, dann tat er es, egal, was um ihn herum geschah. Am Ende sagte ich dann: ‚Was zum Teufel soll das? Können wir das Spiel bitte gewinnen? Lass uns erst das Spiel gewinnen, dann kannst du jeden verdammten Move ausprobieren, den du willst.‘ Denn ehe wir es uns versahen, waren wir 12, 14 oder 16 Punkte hinten, nur weil er an einem bestimmten Crossover-Move in einem AAU-Spiel arbeiten wollte.“

Bryants Konzentration auf seine eigene Entwicklung schadete dem Team einige Male und entsprach ganz und gar nicht der Idee der AAU, denn die Spiele waren ja im Grunde eine Plattform für Spieler, sich den Spielerbeobachtern der Colleges zu präsentieren.

„Die Spieler waren darauf angewiesen, dass Collegescouts zu den Spielen kamen“, erklärt Rines. „Aber wenn du ein Mitspieler bist, der darauf wartet einen Sprungwurf zu machen und Kobe sieht dich nicht oder spielt den Ball ins Aus, dann kommst du nicht auf die Anzahl der Würfe, die du haben solltest, nur weil jemand den Ball nicht passen wollte oder schlechte Entscheidungen traf. Das hat natürlich Auswirkungen auf beide, den Ballträger und den Werfer, denn die Scouts denken sich dann: Er ist gut, aber irgendetwas fehlt.“

„Bryants Defizite in der Ballbehandlung mussten auf diesem Niveau ausgeglichen werden“, erklärt Rines. „Wir mussten ihm andere Guards hinstellen, damit er besser aussah.“

Ein Spieler wie der Elite Point Guard Shaheen Holloway konnte Bryants Schwächen schonungslos aufzeigen, was wiederum Kobe weiter darin bestärkte, diese Mankos zu eliminieren.

„Das Beste aber war, dass alle Teams gute Spieler hatten, da gab es keine einfachen Gegner. Das schlechteste Team hatte vielleicht sieben Division I Spieler“, so Rines.

Im Laufe der Saison identifizierten die Trainer ein Problem, welches immer wieder in Bryants Karriere auftauchen würde. „Viele seiner Probleme kamen daher, dass er zu viel nachdachte oder überanalysierte. Joe und ich hatten schon früher darüber gesprochen. Joe selbst war immer recht entspannt. Er sagte zu Kobe: ‚Denk nicht drüber nach, spiel einfach. Spiel einfach. Du bist hier, um dich zu verbessern. Wir sind nicht gekommen, damit du dich hysterisch aufführst.‘“

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