Kobe Bryant

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Kapitel 10
LOWER MERION

Knapp vor den US-Präsidentschaftswahlen im November 1991 kehrten die Bryants nach Philadelphia zurück und ein relativ unbekannter Politiker aus Arkansas namens Bill Clinton hatte sich gerade die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten gesichert.

Die Bryants zogen wieder in ihr altes Vorstadthaus in Wynnewood und schon lieferten sich Joe und sein Sohn legendäre Duelle in der Auffahrt. Da Kobe nun schon größer und auch als Spieler besser war, musste Joe viel körperlicher spielen, um sich gegen seinen Sohn zu behaupten. Die daraus folgenden blutigen Lippen und Schreiduelle trieben eine verärgerte Pam immer wieder aus dem Haus, um die beiden Streithähne voneinander zu trennen. Dabei warf sie Joe böse Blicke zu.

Ein paar Tage vor Thanksgiving – nur wenige Wochen nachdem Magic Johnson seine Erklärung zu seiner HIV-Infektion abgegeben hatte – starb Freddie Mercury, der Frontman der britischen Rockband Queen, an AIDS, was die Emotionen bei den Lakers und ihren Fans, die ein ähnliches Schicksal für Johnson befürchteten, noch weiter hochgehen ließ. Das Franchise befand sich in einem allgemeinen Trauerzustand und ohne Johnsons Führungsqualitäten wurde das Spiel der Lakers zusehends schlechter.

Inzwischen bereitete Kobe Bean sich auf seine Zeit an einer amerikanischen Highschool vor. Als Achtklässler hatte er Probleme, sich in der urbanen afroamerikanischen Welt zurechtzufinden. In den acht Jahren in Übersee hatte er eine komplett andere Identität aufgebaut. Seine Schulkollegen aus den Vororten Philadelphias wunderten sich über ihren neuen Klassenkameraden mit dem eigenartigen Akzent. Wie immer stürzte er sich sofort in den Basketballsport. Er fand einen anderen Jungen in der Nachbarschaft, Robby Schwartz, der zwar kleiner und noch dünner war als er, doch in vielerlei Hinsicht genauso getrieben wie Kobe. Robby diente ihm als Trainingspartner beim Werfen und Üben seiner Moves. In den Eins-gegen-eins-Spielen über den ganzen Platz gewann Schwartz vielleicht zehn aus hundert Spielen.

Bryant war nun gut über 1,80 groß und sehr dünn. Dazu kamen die langen Arme, die wie Schlangen aus seinen knochigen Schultern krochen. Seine Trainer erlebten ihn als barschen und ungeduldigen Jungen, der sich nicht damit abfinden konnte, wenn er in einem Spiel ausgewechselt wurde. Das ging so weit, dass Joe sogar damit begann, auf Italienisch auf ihn einzureden, um ihn zu beruhigen. Doch mit seinem Egoismus stieß er die anderen immer wieder vor den Kopf. Offensichtlich musste sich Bryant immer und immer wieder aufs Neue beweisen.

Die erste Gelegenheit dazu ließ nicht lange auf sich warten. An seinem ersten Tag an der Bala Cynwyd Junior High saß er gerade beim Mittagessen in der Schulkantine als ein anderer Junge zu ihm hinüberging und sich neben ihn stellte. „Ich habe gehört, du sollst ein ziemlich guter Basketballer sein“, sagte er zu Kobe. „Wenn du also der Chef hier am Platz sein willst, dann musst du erst einmal den richtigen Chef hier besiegen.“

„Also spielte ich gegen ihn nach der Schule“, erzählt Bryant. „Ich habe ihn zu null besiegt und mir den Respekt der anderen verdient. Dieses Sich-mit-jemandem-Messen war genau das, was ich die ganze Zeit über in Italien gesucht hatte. Ich konnte das Adrenalin in meinen Adern spüren. Der Typ hatte keine Ahnung, was da mit ihm geschah.“

Der „Chef“ von der Bala Cynwyd Junior High blieb nicht der einzige, der von einem 13-jährigen Kobe gedemütigt wurde. Nun doch schon um vieles älter hielt sich Mo Howard immer noch für einen soliden Basketballspieler und spielte mit einer Gruppe alter Freunde, zu der auch Joe gehörte, in einem Fitnessstudio in Philadelphia. „Wenn wir einen oder zwei Spieler zu wenig hatten, fragten wir einen unserer Söhne, ob sie mitspielen wollten“, erzählt Howard. „Junge, Junge, ich sage dir, das erste Mal als Kobe mitspielte, war es meine Aufgabe ihn zu decken. Der Kleine hat mir den Arsch versohlt. Der war damals erst dreizehn. Du kennst sicher noch den Blick, den er draufhatte, als er später für die Lakers scorte? So sah er mich damals schon an. Dieses Kid hat mein Ego komplett zerstört.“

Die Nachricht von dem Neuen im Team der Bala Cynwyd, dem Sohn eines Basketballspielers, machte schnell die Runde. Gregg Downer, der 33-jährige Trainer an der nahegelegenen Lower Merion High, kam vorbei, um sich diesen Achtklässler anzusehen. „Als ich zu dem Spiel ging, war das nicht gerade die Kobe Bryant-Show, die ich mir erwartet hatte“, sagte Downer 2015 in einem Interview. „Er wurde die ganze Zeit ein- und ausgewechselt. Es war schwer zu sagen, wie gut er wirklich war. Er war dünn, etwas über 1,80 m groß und hatte vielleicht knapp über 60 Kilo. Es sah so aus, als wollte er auf der Position des Point Guards spielen. Das soll heißen, dass er immer den Ball haben wollte.“

Downer war in seiner zweiten Saison Coach an der Lower Merion, einer Highschool, die im vorstädtischen Montgomery County ihre letzte Meisterschaft im Jahr 1943 gewonnen hatte. Er suchte nach einem Weg, das Basketballprogramm der Schule wieder auf Erfolgskurs zu führen und dieser magere Junge auf dem Parkett mochte ein Teil der Lösung für dieses Problem sein.

Also lud Downer den neuen Achtklässler zu einem Training der Schulauswahl an der Lower Merion High ein. „Dort konnte ich ihn mir genauer ansehen.“ Das zukünftige Talent tauchte mit seinem 2,10 m großen Vater auf. „Als ich mit Kobe mit dem Training begann, stand Joe in einer Ecke. Ich begann eins und eins zusammenzuzählen und langsam dämmerte es mir, wer da stand.“

Downer hatte in den 1980ern als Point Guard für das Lynchburg College gespielt, einem Team aus Virginia in der dritten College-Division. Doch in den 70ern war er ein Hardcore Sixers-Fan gewesen, mit Saisonkarten für das Spectrum. Sein großes Vorbild war Doug Collins, doch nun kamen auch seine Erinnerungen an Jellybean wieder zurück. Er erinnerte sich sogar daran, dass Jellybeans Vater nicht weit von ihm im Spectrum saß.

Schon nach kurzer Zeit erkannte Downer, dass er hier jemanden mit der Begabung eines Profibasketballers vor sich hatte, der – obwohl noch fast ein Kind – die Spieler von Downers Schulauswahl nach Belieben an die Wand spielte.

Die älteren Spieler der Lower Merion sahen dies genauso und es wurde ihnen zum ersten Mal bewusst, dass ihr sportliches Leben hier an der Highschool schon bald von einem Freshman bestimmt werden könnte.

„Wenn du einmal sein Grundtalent, das er mitbrachte, gesehen hast“, erinnert sich Downer, „und wusstest, woher er kam und seine Arbeitsmoral und Führungsqualitäten sahst, dann wusstest du, dass du hier jemanden ganz Speziellen, ja sogar Einzigartigen, vor dir hattest.“

Im Verlauf des Trainings flüsterte er seinem Assistenzcoach zu, dass Kobe der Typ Spieler war, der ihnen ihre Jobs in Zukunft sichern würde.

Im gleichen Sommer traf Donnie Carr, ein Spieler, der in etwa gleich alt wie Bryant war, in der Sonny Hill League auf Kobe. Beide hatten sie zwar gerade erst die achte Klasse abgeschlossen, doch sie spielten in der höchsten Klasse bei den Siebzehn- und Achtzehnjährigen mit.

Carr hatte schon einiges über diesen Sohn eines NBA-Spielers mit endlosem Potenzial gehört. „Aber das erste Mal als ich ihn sah“, erinnert sich Carr, „war da nur ein magerer, großgewachsener Junge mit zwei Knieschonern. Gar nicht so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Er befand sich noch im Wachstum und hatte Probleme mit seinen Knien. Deshalb hatte er auch Probleme mit dem In-die-Knie-Gehen. Er war wirklich groß. Lange Arme, langer Körper. Er war fast 1,90 m.“

Die Knieprobleme stellten sich als Morbus Osgood Schlatter heraus, eine schmerzhafte Reizung der Patellasehne vor allem bei Jugendlichen, die viel Sport betreiben. Dieses Problem machte ihn langsam und schwerfällig. Um in diesem Zustand einen Wurf anzubringen, musste er seine Gegenspieler an eine bestimmte Stelle locken und ihr Timing beim Blocken mittels einer Serie von Pump Fakes, also angedeuteten Würfen, durcheinanderbringen, um zu werfen. Einmal in der Luft hatte er genügend Höhe, um über die Verteidiger hinwegzuwerfen, erinnert sich Carr. „Ehrlich gesagt, es war schon ein gewisses Potenzial zu sehen, aber es war jetzt nicht so außergewöhnlich. Er war eben noch nicht so schnell und explosiv wie er es einige Jahre später sein sollte. Damals war er dieser schlaksige Junge, der sich in Zeitlupe bewegte und wir dachten uns eben: Er ist schon gut, aber ist er wirklich so gut, wie alle sagen? Natürlich hat ihm das niemand ins Gesicht gesagt, aber wenn wir untereinander waren, war die einhellige Meinung, dass er echt nicht so speziell war, wie alle taten.“

Die große Highschoolrivalität zwischen Carr und Bryant begann in jenem Sommer in der Sonny Hill League. „Unsere Rivalität nahm ihren Anfang, weil wir uns gegenseitig mit Trashtalk zulaberten. Kobe kam zwar aus der Vorstadt, doch er benahm sich nicht wie jemand, der aus der Vorstadt war, das habe ich immer gesagt. Er benahm sich wie ein Kid aus der Stadt. Das war echt, nicht imitiert. Er hatte immer diese typische Abgebrühtheit von jemandem aus Philadelphia und diese Mentalität, nie aufzugeben. Er liebte Herausforderungen.“

Carr sah, dass Kobe viel Zeit damit verbrachte, immer neue Herausforderungen und Motivationen für sich zu suchen. „Er hatte damals schon diese Einstellung, die man ihm später nachsagen würde. Er suchte immer nach etwas, das das Feuer in ihm weiter anfachte und ihm half, immer am Limit zu spielen.“

Eddie Jones, damals ein knapp 2 m großer Forward an der Temple University, war einer von vielen, die Kobe in der Hill League spielen sahen. „Schon mit dreizehn konnte er die anderen in Grund und Boden spielen“, erinnert Jones sich.

 

„Es war ein großartiger Bewerb, der echt Spaß machte“, sagt Bryant über die Sonny Hill Liga. „Eddie Jones kam immer wieder vorbei und Aaron McKie und Rick Brunson. Das waren die Jungs von der Temple University, die nach uns spielten. Da blieb ich immer länger und sah ihnen zu. Eddie hat mich immer in sein Team geholt, wenn sie zum Spaß gegeneinander spielten.“

Frühe Aces

In jenem Herbst an der Lower Merion erkannte Downer, dass Bryant eine erstaunliche Arbeitsmoral hatte. Er puschte sich durch ein mörderisches Programm aus Konditions- und Gewichtstraining sowie nonstop Basketballtraining. Bei allen Mannschaftstrainings versuchte er immer der Beste zu sein. Vier Jahre lang hatte er in dieser Hinsicht eine makellose Bilanz. „Als ich sah, wie gut Kobe Bryant war, holte ich Leute aufgrund ihres spielerischen Könnens in den Trainerstab“, sagt Downer.

„Meine einzige Intention war es, Leute zu finden, die den Jungen decken und mit ihm mithalten konnten und eine Herausforderung für ihn waren.“

So heuerte er einen ehemaligen Collegespieler, einen athletischen Guard namens Jimmy Kieserman an. Dann überredete er seinen eigenen Bruder, Drew, der groß und kräftig war, sein Büroleben aufzugeben und als Coach zu arbeiten. Der Witz war, dass alle dachten, sie hüpfen nur kurz einmal ins Flugzeug, kommen rüber und spielen ein wenig Guard gegen diesen 14-Jährigen. Das sollte doch kein Problem sein. Doch das Lustige daran war, dass dieser junge Freshman sie alle alt aussehen ließ auf dem Spielfeld. Downers nächster Schachzug war, den Vater des Jungstars ins Boot zu holen, vor allem da er besorgt war, dass so ein kleines Sportprogramm wie das der Lower Merion seinen neuen Star schnell an eines der großen, alteingesessenen Programme, wie etwa das der Roman Catholic – zu deren Mannschaft Carr zählte – verlieren könnte. Wenn Kobes Vater als Coach für ihn arbeitete, würde dies die Bindung zur Lower Merion stärken; plus, die beiden Töchter der Bryants gingen auch auf die Lower Merion, wo sie sich gut eingelebt hatten und Volleyball spielten. Diese Gefahr hing noch einige Saisonen wie ein Damoklesschwert über seinem Team. Doch mit der Zeit wurde immer deutlicher, dass Bryant ein Programm haben wollte, bei dem er den Ton angab, wo er die Spielzeit bekam, die er benötigte, um sich weiterzuentwickeln, ein Programm, das zu seiner Einstellung passte.

„Die ersten paar Male, als wir gegen Schulen aus der Innenstadt spielten, redeten alle über mich“, erklärte Kobe einmal. „Die Hälfte von ihnen sagte, ich wäre ein verweichlichter Vorstadtjunge.“

Diese negative Stimmung war zum Teil der Leistung der Lower Merion in Bryants Freshman-Jahr geschuldet. Unter Downer hatte das Team im Jahr davor stolze 20 Siege erreicht. Die Erwartungen lagen nun hoch, doch die Abgänge einiger Spieler nach ihrem Abitur und Verletzungen hatten den Roster ausgedünnt. Und so legten die Lower Merion Aces in der Saison 1992/93 mit Kobe Bryant als Starter eine enttäuschende 4-20 Saison hin.

„Das war nicht gerade schön“, sagt Downer. Es war auch der Punkt, an dem der Trainer und sein zukünftiger Star herausfanden, wie sehr sie es beide hassten zu verlieren. „So viele Niederlagen bedeuteten fast den Weltuntergang für ihn“, sagt Downer und zu verlieren machte es auch schwieriger ihn auszuwechseln. „Er machte alles im Team, er spielte auf jeder Position, doch es war so gut wie unmöglich, ihn auf die Bank zu setzen, das kann ich Ihnen sagen.“

Wie schon sein Vater hatte Kobe Bean auch die Angewohnheit immer wieder schlechte Würfe zu nehmen. Aus diesem Grund nahm Downer ihn immer wieder vom Feld, damit er sich dieses Verhalten abgewöhnte. „Zumindest haben wir es ein paar Spiele lang versucht, doch das war keine so gute Idee“, erinnert sich Downer. „Er hat uns immer bitterböse angesehen und dabei herumgeschrien. Er konnte es nicht leiden, ausgewechselt zu werden.“ Wenn es zu heftig wurde, redete Joe auf Italienisch auf Kobe ein, um ihn wieder zu beruhigen. Downer verstand zwar kein Wort, doch es schien zu funktionieren. „Ich glaube, Joe war ein guter Puffer“, erklärte Downer. „Kobe schrie mich nicht oft an, doch wenn er es tat, musste er seinem Vater Rede und Antwort stehen.“

Es war also nicht verwunderlich, dass Coach Downer seine Idee mit dem Auswechseln nochmals überdachte. Auch der Trainerstab passte sich der neuen Spielphilosophie an: Ein schlechter Wurf von Kobe ist besser als ein Fehlpass eines seiner Mitspieler.

„Er hatte Spielintelligenz, das war offensichtlich“, erklärt der Trainer. „Er gab exzellente Pässe, auch schon als Freshman. Er machte seine Mitspieler einfach besser. Ich glaube, in der Zeit als wir spielerisch in der Krise waren und niemanden hatten, um unsere Abgänge zu ersetzen, sagte er sich: Jetzt muss ich hier wohl das meiste alleine machen. “

Das war natürlich ein ausgezeichneter Nährboden für Spannungen zwischen dem jungen Bryant und seinen älteren Mitspielern – die gleichen Spannungen, die schon in Italien zum Vorschein gekommen waren und die es auch in der Zukunft in der NBA geben würde.

„Mit der Zeit kam das Alphatier in ihm immer mehr zum Vorschein“, sagt Downer über Bryants dominante Persönlichkeit. Doch der springende Punkt für jeden Trainer in dieser Lage war, dass Bryants Anwesenheit vieles leichter machte. „Was unsere Arbeit einfacher machte, waren seine Arbeitseinstellung und dass er alles, was ihn besser machen konnte, aufsaugte wie ein Schwamm“, erzählt Downer. „Man musste ihm nie etwas zweimal sagen, so wie es oft bei anderen der Fall ist. Mit Kobe hatten wir nun zwar das Mittelstück, aber wir hatten nichts darum herum.“

Er war der Schnellste und arbeitete am härtesten von allen im Team. Er konfrontierte seine Mitspieler und zog sie zur Verantwortung. Natürlich führte ein solches Verhalten unweigerlich zu Spannungen im Team, vor allem aufgrund der vielen Niederlagen im ersten Jahr. „Selbst seine Teamkameraden konnten ihm sein Engagement nicht absprechen und das machte es schwierig für sie, unsere Entscheidungen nicht doch bis zu einem gewissen Grad zu akzeptieren“, erklärt Downer.

Evan Monsky, einer der älteren Spieler des Teams damals, sagt, dass man, wenn man auf Bryants Verhalten zurückblickt, auch verstehen muss, dass sein Drang der Star zu sein, nicht die omnipräsente, alles bestimmende Eigenschaft seiner Persönlichkeit war, wenn er in der Kabine saß. „Er war ein normaler, fröhlicher Junge, der lachte und Witze riss, genauso wie alle anderen.“

Trotzdem war es nicht immer leicht für die Coaches Kobe Beans überschäumendes und anmaßendes Verhalten zu schlucken. „Ich habe ihn immer ein wenig stur empfunden“, gibt Downer zu. „Ich fand ihn auch immer ein wenig arrogant. Aber das sind eben die Eigenschaften, die dich groß machen.“

Downer spielte gerne eine Front the Post-Verteidigung, bei der sich die Verteidiger vor den gegnerischen Post-Spielern positionierten, um zu verhindern, dass diese angespielt werden. „Einmal fauchten wir Kobe an, er solle sich vor seinen Gegner stellen und er sagte darauf: ‚So werde ich aber nicht in der NBA spielen.‘ ‚Das ist hier auch nicht die NBA‘, schrien wir dann zurück.“

Manche meinen, dass Kobe Bryant das Programm an der Lower Merion diktierte und dass dies nicht zuletzt durch die Tätigkeit seines Vaters im Trainerstab gefördert wurde. Darin mag vielleicht sogar ein Körnchen Wahrheit stecken, doch Downer machte immer klar, dass Joe Bryant niemals etwas Unangemessenes tat und seine Aufgaben als Trainer pflichtbewusst erfüllte und ein solider Coach für die Junioren und exzellenter Assistenztrainer für die reguläre Schulauswahl war.

„Damals gab es etwas, das sie die ‚Gurt-Regel‘ nannten, das hieß, die Trainer durften beim Coachen die Bank nicht verlassen“, erinnert sich Downer. „Eine dämliche Regel, wirklich dämlich. Diese Regel verfolgte mich etwa zehn Jahre lang in meiner Trainerkarriere.“

In einem Spiel im ersten Jahr stand Joe einmal von der Trainerbank auf, um eine Schiedsrichterentscheidung zu diskutieren und wurde dafür prompt mit einem technischen Foul bestraft. Beim nächsten Spiel war er nirgends zu sehen. Einer der Trainer erblickte ihn dann während der ersten Hälfte irgendwo in den Zuschauerrängen sitzend. Downer sandte jemanden zu ihm, der ihn fragte, warum er nicht unten auf der Trainerbank war. Joe antwortete, dass er das Team nicht wieder in Schwierigkeiten bringen wollte und sich darum entschieden hatte, sich aus dem emotionalen Hexenkessel da unten etwas zurückzuziehen. Downer und die anderen Coaches mussten lachen, bestanden aber darauf, dass Joe wieder unten bei ihnen Platz nahm, da seine Anwesenheit zu wertvoll für das Team war. Abgesehen davon sprach keiner von ihnen Italienisch.

„Die Jahre mit Kobe Bryant prägten mich“, meint er. „Wissen Sie, wenn man alle Puzzleteile zusammensetzt und ihn sich jetzt ansieht, wie weit er es gebracht hat, seine Einzigartigkeit, dieser Fokus – das ist einfach unglaublich.“

Die Niederlagen in der ersten Saison machten es sicher nicht einfach für den jungen Trainer und seinen Freshman-Star, doch anstatt einen Keil zwischen die beiden zu treiben, schweißte es sie mehr zusammen.

„Im ersten Jahr war es wirklich schwer“, erinnert sich Bryant. „Ich glaube, am Ende stand es 4-20. Das war ein hartes Jahr. Doch es war eine neue Erfahrung für mich. Mein Coach an der Highschool war ein fantastischer Trainer. Oft blieb er noch nach dem regulären Training da oder kam noch vor dem Training, um mit mir zu üben. Er hatte großen Anteil daran, dass ich als Spieler gereift bin.“

Trotz der Enttäuschung über die klaren Niederlagen seiner Mannschaft in dieser Saison, demonstrierte Bryant immer wieder seine Athletik, was zu einigem Erstaunen in der Highschool-Basketballszene Philadelphias führte. Sein Talent und seine Motivation begeisterten viele Trainer in der Stadt. Sam Rines, Coach in der Amateur Athletic Union in Philadelphia und immer auf der Suche nach neuen Talenten, erinnert sich daran, als er Bryant zum ersten Mal sah. „Er war noch nicht so etabliert“, sagt Rines. „Ich meine, man konnte schon sehen, dass er gut war und er war der Typ, den man sich ansieht und dann sagt: ‚Verdammt noch mal, der ist erst in der neunten Klasse.‘“

Kurz danach erlitt der junge Bryant eine Knieverletzung und verpasste die letzten Spiele seiner Freshman-Saison. „Er war vierzehn und etwa 1,87 m“, erzählt Jeremy Treatman, ein lokaler Basketballjournalist und Kommentator. „Er war so dünn. Die Kniescheibe brach er sich, als er mit einem anderen Spieler leicht zusammenstieß. So dünn war er.“

Das gab Downer die Gelegenheit zu sehen, wie hoffnungslos das Team ohne Bryant gewesen wäre.

Auch nach der ersten Saison beobachtete Downer diesen immensen Druck, den Bryant ins Team gebracht hatte. Schnell begriff er, dass dieser Druck in den nächsten Jahren dramatisch ansteigen würde. Kobe Bryant hatte ein klares Ziel vor Augen und wenn du nicht mit an Bord warst, war er der Typ, der dich am Kragen packen und aus dem Zug werfen würde, das war klar und deutlich.