Kobe Bryant

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Kapitel 7
DER HOFNARR

Die Clippers gehörten damals dem Filmproduzenten Irv Levin und dem New Yorker Anwalt Harold Lipton. Gene Shue war mit dem Versprechen nach San Diego gekommen, schnellen und aufregenden Basketball spielen zu lassen. In seinem ersten Jahr bei den Clippers erreichte Shue den fünften Platz in der Western Conference mit 43 Siegen. Die Erwartungen stiegen noch weiter als das Team im September 1979 Center Bill Walton verpflichtete und ein Monat später Jellybean.

Mit der Wiedervereinigung mit Shue bekam Joe Bryant nun auch regelmäßige Einsätze und damit auch eine wichtige neue Identität – die des Rollenspielers. Nun, da er nicht mehr unter diesem Druck stand ein Starspieler zu sein, wie es in Philadelphia der Fall gewesen war, lebte er sich schnell in San Diego ein und punktete zweistellig.

Zum ersten Mal begriff Bryant auch den Erwartungsdruck, dem er in seiner Heimatstadt permanent ausgesetzt gewesen war. Nun konnte er klarer denken, meinte er. „Den Superstar zu geben, ist einfach nicht mein Ding.“

Obwohl er nicht mehr im Rampenlicht stand, hatte er weiterhin große Momente, in denen er selbst Superstars wie Kareem Abdul-Jabbar und Bostons Larry Bird einfach an die Wand spielte.

Walton spielte aufgrund seiner Fußverletzung, die er sich am Anfang der Saison zugezogen hatte, nur 17 Spiele und so kamen die Clippers auf mickrige 35 Siege, was auch die Zahl der Stadionbesucher in der Diego Sports Arena unter 6. pro Spiel sinken ließ. Die Besitzer entließen Shue nach der Saison und bestellten Paul Silas als neuen Trainer, der bei den Clippers seinen ersten Job als Headcoach antrat. Silas hatte sich als Spieler einen Ruf als harter, smarter Profi erarbeitet, nachdem er mit den Boston Celtics zwei Meistertitel als Forward an der Seite von Dave Cowens gewonnen hatte.

Im Frühling 1980 sah Joe Bryant wie ein 2,10 m großer Point Guard namens Magic Johnson die Lakers in sechs Spielen zu einem Sieg über Philadelphia im NBA-Finale führte. Johnson spielte während dieses Showdowns sowohl als Guard, als auch als Center und Forward. Er verkörperte genau den Typ Spieler, der Jellybean immer sein wollte. Damit kehrte auch seine Frustration zurück und die hypothetische Frage, wie alles hätte anders sein können.

„Ich vermute, Joe war seiner Zeit ein wenig voraus“, sagte Sonny Hill in einem Interview im Jahr 2015. „Das war alles noch bevor man Spieler seiner Größe in der Liga hatte. Das ist, warum er sich immer als der erste in der Art von Spielern wie Magic Johnson sah.“

„Redet man von Magic Johnson, dann spricht man von einem der besten Basketballspieler aller Zeiten. Joe war nicht einmal annähernd so gut“, sagt Gene Shue. „Ja, da gab es ein paar Ähnlichkeiten im Spiel, doch Joe war mehr ein Perimeter-Spieler: er konnte mit dem Ball umgehen, er konnte passen. Doch in der NBA war er nie der Mann, zu dem man sagte: ‚Ok Joe, wir wollen, dass du das jetzt die ganze Zeit machst.‘“

„Niemals der Star.“ Das war eine Phrase, die Joe Bryant seine gesamte Karriere verfolgen würde und ein Gedanke, der seinen Sohn dazu antreiben sollte, das genaue Gegenteil zu tun. „Ich will einfach nur der Star sein“, würde Kobe Bryant immer wieder und wieder zu Beginn seiner Karriere sagen.

Obwohl Jellybean für die Clippers spielte, trug sein kleiner Sohn eine winzige Lakers-Jacke. Der frische Wind, welcher da Einzug in den Sport gehalten hatte, war bereits zu spüren und Joe Bryant hatte mit den Lakers und Magic Johnson bald ein neues Ideal gefunden, so wie sein Sohn in den Jahren danach.

Jellybean blieb jedoch nichts anderes übrig als aus der Ferne zusehen und so weiterzumachen wie bisher. „Jeden Tag, den ich bei Auswärtsspielen verbrachte, rief ich zu Hause an und sprach mit Pam und den Kindern“, sagte er damals. „Und ich rief auch immer meinen Vater an, egal ob wir gewonnen oder verloren hatten.“

Währenddessen kümmerte sich seine Frau weiter um den jungen Haushalt und die Erziehung der Kinder. Es brauchte schon eine Frau mit besonderem Willen, die Finanzen zu verwalten und einen NBA-Ehemann auf dem Pfad der Tugend zu halten, erinnert sich Pat Williams. „Pam hielt die Familie am Laufen. Joe war ein unglaublich liebenswerter Kerl. Er konnte aber auch unberechenbar sein.“

Die Filmmontage über die Bryant-Familie in den 1980ern umfasste Erinnerungen an den kleinen Kobe, wie er einen Ball in einen winzigen Plastikkorb wirft, während er seinen Vater im Fernsehen für die Clippers spielen sieht. Am Anfang von Joes dritter Saison in San Diego war Kobe schon größer und so auch der Korb. Das brachte ihm auch die erste Schlagzeile seiner Karriere in der Philadelphia Tribune ein: ‚Bryants Sohn – Dunking als Dreijähriger?‘, fragte die Zeitung damals.

Allem Anschein nach hatte er sich das Trampolin seiner Schwestern ausgeborgt. Jahre später behaupteten seine beiden Schwestern, dass ihr Bruder bereits damals auch schon begann seine linke Hand zu trainieren.

„Er lief im Haus herum und dribbelte den Ball durch die Gegend. Ich wollte, dass er einmal Arzt wird“, erinnert sich Big Joe. „Er sagte zu mir: ‚Opa, ich will Basketballer werden.‘ Darauf sagte ich dann immer: ‚Aber als Basketballer schwitzt man dauernd und wird ganz müde.‘ Und er antwortete: ‚Opa, das sollen ja Basketballer auch, schwitzen und müde werden‘.“

Besser ging’s nicht

Das erste Mal in seiner Karriere war Jellybean kein Ersatzspieler mehr, der darauf hoffen musste, die eine oder andere Spielminute zu bekommen, sondern bekam volle Spielzeit jedes Spiel. Wie Cunningham in Philadelphia, so war auch Silas ein Trainer, der keine extra Showeinlagen duldete und trotzdem hatte der nun 26-jährige Jellybean seine beste Saison unter dem Rookiecoach mit einem Schnitt von 11,6 Punkten, 2,3 Assists und 5,4 Rebounds bei 28,8 Minuten Spielzeit pro Spiel. Allerdings war es nicht einfach für Silas, Bryant im Zaum zu halten.

Die Clippers brachten es auf 36 Siege und Bryant gab dem Team ein gewisses Flair, das dem Publikum gefiel, zumindest behauptete er dies immer in seinen Telefonaten mit Big Joe.

Doch die guten Zeiten waren nach der Off-Season vorbei, als Immobilienmagnat Donald Sterling das Team kaufte. Obwohl dieser mit seinem Vermögen prahlte, als er das Team erwarb, machte sich Sterling schnell einen Namen für seine Sparpolitik und kaum nachvollziehbaren Entscheidungen, die einen langwierigen und schmerzhaften Prozess in Gang setzten und das Franchise an den Rand des Abgrunds brachten.

Nachdem er einige Spieler abgestoßen hatte, um Gehalt einzusparen, rutschten die Clippers am Ende der Saison 1981/82 auf 17 Siege ab, denen 65 Niederlagen gegenüberstanden. Während der Saison hatte sich Jellybean darüber beschwert, dass das Team nicht in der ersten Klasse flog, so wie es in der Vereinbarung zwischen der Spielergewerkschaft und der Liga festgelegt war. Als das Management keine Reaktion zeigte, drohte er zusammen mit dem Team eines der nächsten Spiele zu boykottieren. Zwar konnte ihn Silas von der Idee mit dem Boykott abbringen, doch der Schaden war angerichtet und das Frontoffice der Clippers würde dies nicht vergessen. Es sah fast so aus, als wäre Joe auf einer persönlichen Mission gewesen seine Karriere absichtlich in den Sand zu setzen.

Nun stand auch noch „Clubhouse Lawyer“ – also ein Spieler, der ohne gefragt zu werden immer gleich die Regeln zitiert – als weitere negative Eigenschaft in seinem Lebenslauf.

Der einzige Lichtblick für ihn in diesem miserablen Jahr war wohl der kleine Kobe und seine Ballbehandlung beim Clippers Training. „Ich sah ihn in der Arena spielen“, erzählte Silas dem Sportjournalisten Jonathan Abrams einmal. „Er war noch ein kleines Kind damals.“

Jellybean erholte sich von den Niederlagen, indem er an seinen freien Tagen mit Kobe zu den Spielen der Lakers ging. „Kobe ist beinahe vier und schon ein großer Junge“, sagte Jelly damals. „Ich habe ihn zu ein paar Lakers Spielen mitgenommen und ihn den Spielern vorgestellt. Er ist ein großer Fan von Magic Johnson.“

Übersetzt hieß das natürlich, dass Joe Bryant selbst ein Fan von Magic war. Der hünenhafte Guard der Lakers verkörperte alles, was Bryant selbst sein wollte, doch nie sein konnte.

Nach Ende der Saison wurde Joe zusammen mit einem Zweitrundenpick der Clippers gegen einen Zweitrundenpick an die Houston Rockets abgegeben. Dies bedeutete auch, dass er von einem Team, mit dem es bergab ging, zum nächsten Verein, der sich am absteigenden Ast befand, wechselte – auch wenn Bryant dies anfangs noch nicht wusste. Er dachte, er würde dort einfach von Moses Malone, der zu den Sixers gegangen war, übernehmen und absahnen. Die Rockets wurden von Del Harris trainiert und hatten es 1981 ins Finale der NBA-Meisterschaften geschafft. Doch für die Saison 1982/83 hatten sie sich vorgenommen mehr Spiele zu verlieren, damit sie eine bessere Chance im darauffolgenden Draft hätten, um den Star der University of Virginia, Ralph Sampson, zu picken. Somit fielen die Rockets auf eine 14-68 Saison und Joe fiel mit ihnen.

Nach dieser Saison, seiner achten als Profi, wurde deutlich, dass niemand in der NBA an Jellybean interessiert war, obwohl er erst 28 Jahre alt war und am Zenit seiner Karriere. Zurückblickend meint Jerry West: „Er hat seine Karriere einfach weggeworfen.“ Paul Westhead wunderte sich, warum sein Collegestar nie ein wirklich respektierter NBA-Spieler wurde. Er hatte den Verdacht, dass die Ursache dafür, dass man ihn nie wirklich ernst nahm, in seinem Spitznamen lag und seine Verhaftung wegen Drogenbesitzes das Übrige dazu getan hatte.

Bob Ryan, der damals für den Boston Globe über die NBA berichtete, beschrieb Joe Bryant als den „Klassenclown“. Eine Ansicht, die viele teilten.

 

Nachdem die Saison 1983 vorüber war, zog er sich vom Sport zurück und begann Autos für den Besitzer der Rockets, Charlie Thomas, zu verkaufen. Zuerst gefiel es ihm, einen ordentlichen Beruf auszuüben, hatte sein ganzes Leben bis jetzt doch nur aus Basketball bestanden. Er mochte es, mit den Leuten zu reden und Autos, Pick-Up-Trucks und Lieferwägen zu verkaufen. Allerdings befand sich das Land zu dieser Zeit in einer Rezession, was hieß, dass die Zinsraten hoch waren und der Verkauf von Autos nur schleppend lief. Joe Bryant hatte keinen Collegeabschluss und kannte nichts anderes als Basketball.

Es waren schwere Zeiten für die Bryants, die wieder zurück nach Philadelphia zogen. Das einzige, das Joe noch neben seiner Familie hatte, war seine Freundschaft mit Sonny Hill. Er spielte weiterhin in der Baker League, wo er sein ganzes Showtalent ausleben konnte und ihn die Leute noch immer liebten. Zusätzlich begann er sogar als Trainer in der Sonny Hill Liga zu arbeiten, was ihm sehr viel Spaß machte. Hill wusste, dass noch eine Menge Basketball in Bryant steckte und begann Joe langsam dazu zu ermutigen, über eine Fortsetzung seiner Karriere in Europa nachzudenken. Dort war gutes Geld zu verdienen, erklärte er Joe.

In vielerlei Hinsicht war dies das Letzte, was Pam Bryant sich erhofft hatte. Immerhin war sie es, die sich die ganzen Jahre um die Familie kümmern musste und die Umzüge von Philly nach San Diego und dann weiter nach Houston organisiert hatte, und dabei eine Ehe mit einem selten anwesenden NBA-Ehemann am Leben erhielt. Und nun kam ihr Mann einfach so daher und erzählte ihr davon, dass sie wieder alles zusammenpacken und über den großen Teich nach Europa ziehen sollten?

Es dauerte einige Monate, bis sie sich mit der Idee abgefunden hatte. In der Zwischenzeit lebten sie immer noch in Houston, wo Joe weiter versuchte Autos zu verkaufen. Als sie später einmal danach gefragt wurde, was ihr an Houston gefallen hätte, sagte Pam gequält: „Die Pferde“. Gerade sie, bei der immer alles perfekt war, tat sich schwer etwas Interessantes zu finden, das sie über ihre Zeit in Texas sagen konnte.

Joe hatte sich nun endgültig dazu entschlossen, nach Italien zu gehen. Doch auch seine Kinder erzählten ihm, wie schwierig es für sie war, nach jedem Umzug wieder neue Freunde zu finden.

Schlussendlich verkaufte Joe seiner Familie den Plan, indem er ihnen sagte, dass es nur ein kurzes Jahr wäre und sie es als Gelegenheit betrachten sollten, ein anderes Land kennenzulernen. Dazu kam, dass sie das Geld brauchten. Pam hatte einen teuren Geschmack und sie wollte unbedingt ihr schönes Vorstadthaus behalten. „Sie hasste den Gedanken, Philadelphia wieder zu verlassen“, erinnert sich Joe. Doch am Ende gab sie widerwillig nach.

In diesem Sommer im Jahr 1984, kurz vor ihrer Abreise nach Italien, sah sich Kobe die Vorbereitung des US-Olympia-Teams für die Sommerspiele in Los Angeles im TV an. Das Olympiateam bestritt seine Vorbereitungsspiele gegen Spieler aus der Profiliga. Das war das erste Mal, dass ihm ein Spieler namens Michael Jordan auffiel. „Das Olympiateam bestand nur aus Collegespielern“, erinnert er sich. „Sie waren mitten in der Vorbereitung zu den Olympischen Sommerspielen und spielten gegen ein Profiteam. Da war dieser eine Spieler, der den Ball nahm und begann einen Konter zu laufen. Dann sprang er ab, segelte an Magic vorbei und stopfte den Ball in den Korb. Das war unmöglich, das konnte nicht wahr sein. Wer war dieser Typ? Den mag ich nicht, denn ich hielt zu Magic. Das war, glaube ich, das erste Mal, dass ich ihn sah.“

Kapitel 8
ITALIA

Das dunkelhäutige Gesicht scheint sich zu amüsieren, ein eingefrorenes Halbgrinsen vor einem Hintergrund aus weißen Spielern in einem Basketballcamp in Italien. Er steht allein in der rechten unteren Ecke des Fotos vor zwei Reihen strahlender italienischer Gesichter. Sie sind alle älter als er, doch der Ausdruck auf seinem Gesicht zeigt einen jungen Kobe Bryant, der bereits weiß, dass er schon jetzt ein weit besserer Spieler ist, als jeder einzelne der anderen jemals sein würde. Sie alle überragend steht ein lächelnder Joe Bryant, der besondere Gasttrainer des Camps. Während Jellybean immer lächelte, war Kobe das Gegenteil, vor allem wenn er am Platz stand, erinnern sich Freunde aus dieser Zeit.

„Seine Miene war immer ernst, wenn er spielte“, erinnert sich Michella Rotella, einer der älteren Jungen, der oft gegen den jungen Bryant auf einem Platz im toskanischen Dorf Ciriglio spielte. „Kein Lächeln. Immer hochkonzentriert.“

„Wenn es um Sport ging, war er immer todernst, immer angespannt“, meint Kobes Schwester Sharia.

„Kobes Mentalität war immer auf den Sieg fokussiert“, sagt Jacomo Vittori, ein anderer Freund aus Kindheitstagen in Italien.

„Als er acht war und ich elf, spielten wir in derselben Liga“, erzählte Sharia 1999. „Während wir alle Spaß beim Spiel hatten, wollte er nur gewinnen. Einmal, als wir 30 Sekunden vor Ende des Spiels mit zwei Punkten zurücklagen, rief er die ganze Zeit: ‚Gebt mir den Ball!‘. Es ging ihm nur ums Gewinnen. So war er eben schon immer.“

Das erste Mal als Kobe merkte, dass er Spiele allein entscheiden konnte, „war, als ich neun oder zehn war und bei den Junioren spielte. Wenn das Spiel auf der Kippe steht und du mit dem Rücken zur Wand, dann gebe ich nicht auf, sondern kämpfe. Entweder man kämpft oder man läuft davon und ich war schon immer ein Kämpfer.“

Jahre später meinte einer seiner Trainer bei Los Angeles, dass seine Zeit in Italien ihn gelehrt hatte, sich nicht auf seine unerfahreneren und weniger begabten Mitspieler zu verlassen, sondern nur auf seine eigenen Stärken. Als er bei den Lakers begann eigensinnig zu spielen, meinten einige seiner Coaches hinter vorgehaltener Hand, dass Bryant „wieder zurück in Italien wäre“.

„Er war wirklich egoistisch“, erinnert sich Jacomo Vittori und fügt hinzu, dass dieser Egoismus daher rührte, dass Kobe spielerisch einfach um so viel besser war als die anderen. „Das konnten alle sehen. Er war der einzige Farbige am Feld. Natürlich fiel es jedem auf. Er hatte richtig Talent.“

Das war auch die Zeit, in der sich gewisse Persönlichkeitsmerkmale, die er mit seiner Mutter teilte, erstmals bemerkbar machten. Er war ihr Nesthäkchen und sie liebte es, ihren Kobe herauszuputzen wie einen kleinen Gentleman, dass er fast wie ein Miniaturerwachsener aussah.

Pam Bryant hatte eine gewisse Umgangsform und selbst als kleiner Junge sah man starke Ähnlichkeiten in Kobes Verhalten. Italien und eine größtenteils europäische Kinderstube würden ihn immer leicht befremdlich erscheinen lassen, vor allem im amerikanischen Profibasketball.

Als man ihn am Beginn seiner NBA-Karriere einmal fragte, wie ihn die Zeit in Italien geprägt hätte, antwortete Bryant: „Ich springe hoch. Alles andere an mir ist italienisch.“

Das Leben in Italien tat den Bryants gut. Joes Tricks und Pässe, die in Philadelphia immer so bejubelt worden waren, kamen in Italien gut an. Gleich nach dem ersten Spiel begriff Joe, dass er hier seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte und wieder die Zuneigung der Fans, die ihm so fehlte, bekam. Die Italiener waren ganz begeistert von seinem Können am Ball und beschrieben Joes Spielweise immer mit dem gleichen Wort – „Schönheit“.

Italien war wirklich ein ganz spezieller Ort für Joe Bryants junge Familie und brachte sie einander wieder näher. Gleichzeitig wurde hier aber auch die Basis für Dinge gelegt, von denen die Familie noch nichts wissen konnte, Dinge, die inmitten des Glücks, das sie in Italien gefunden hatten, schwer zu verstehen gewesen wären, Dinge, die eine gewisse Kälte in ihr Leben bringen würden, Dinge, die der junge Kobe übernehmen und sich zu eigen machen würde.

So wie in den Vereinigten Staaten mussten die Bryants auch in Italien mehrmals umziehen, was eine gewisse Entfremdung förderte, ein Thema, das sich durch Kobes gesamtes Leben ziehen sollte. Als Kind hatte er es schwer, Freunde zu finden. Kaum hatte er endlich welche, war es auch schon wieder Zeit ‚Ciao!‘ zu sagen. Ihr erstes Heim in Italien hatten die Bryants in Rieti, wo Kobe kurz nach seinem sechsten Geburtstag auch mit der Schule begann. Sharia war damals gerade acht, Shaya sieben.

Rieti war eine kleine Gemeinde etwas nordöstlich von Rom gelegen und bekannt für den Stamm der Sabiner, deren Frauen der Legende nach von den Römern geraubt worden waren. Der malerische Ort liegt am Fluss Velino sowie an einem idyllischen See und grenzt im Süden an die Sabiner Berge. Mehrere Päpste hatten ihren Wohnsitz in diese Region verlegt.

Die Bryants lebten sich schnell ein. Der Verein stellte ihnen ein Haus und einen Wagen zur Verfügung. Zwar konnten sie kein Italienisch, doch die Kinder verbrachten ihre Nachmittage damit, sich gegenseitig mittels Wortspielen die Sprache beizubringen. Innerhalb von wenigen Monaten führten sie bereits ein angenehmes Leben in einer Welt, die so anders war als die, die sie zurückgelassen hatten. Für die Bryants war es aber auch eine wichtige Erfahrung in puncto zwischenmenschlicher Beziehungen.

„Wir hatten es sehr gemütlich dort“, sagte Kobe einmal. „Wir haben uns gleich eingelebt. Das Rückgrat ist die Familie. Wenn das einmal passt, ist alles andere auch gut. Das ist die Einstellung, die wir in Italien entwickelt haben. Egal, ob du 50 Punkte machst oder null, deine Familie steht hinter dir. Die Italiener machen das genauso. Es sind sehr warmherzige Menschen.“

Und so wurde Kobes Familie zum Fundament des Selbstvertrauens, das ihm sein Vater immer wieder versuchte mit auf den Weg zu geben. Joe Bryant erzählte später einmal, dass er es immer bereut hätte, zu wenig Vertrauen in sich selbst gehabt zu haben und nannte dies auch als einen der Gründe für sein Versagen. Für ihn war es wichtig, dass sein Sohn nicht die gleiche Schwäche haben würde. Ein weiterer Faktor für Kobes Selbstvertrauen war, dass er schon in frühester Kindheit dem Sport ausgesetzt war, was auch Fahrten zu den Spielen im Teambus mit seinem Vater einschloss. Jedes Profiteam hatte sein eigenes Jugendteam. Für das Jugendteam zu spielen und seinen Vater beim Training zu beobachten, half Kobe sein Spielverständnis zu entwickeln.

Im Nachhinein betrachtet war seine Zeit in Italien die wohl beste Basketballschule, die man sich vorstellen konnte. „Ich begann drüben auch Baseball zu spielen“, sagte er in einem Interview. „Das war großartig, da ich zum ersten Mal die grundlegenden Dinge von Anfang an lernte. Ich glaube, die Kids, die hier in den Staaten aufwachsen, lernen zuerst einmal diese ganzen Tricks, die so toll aussehen. In Italien bringen sie dir die Grundlagen bei und lassen diesen ganzen anderen Nonsens weg.“ Auch das zeigt, dass er über ein geschärftes Bewusstsein für den „Nonsens“ verfügte, der die Karriere seines Vaters ruiniert hatte.

Einige Coaches würden dem später einmal widersprechen und sagen, dass er sich gerade dadurch seine eigene Welt schuf, die ihn zu einem unbeliebten Mitspieler machen sollte. Doch auch seine Kritiker mussten zugeben, dass ihm diese Zeit auch in spielerischer Hinsicht half sich zu verbessern. „Ich denke, dass in Italien der Grundstein zu seiner Spielweise gelegt wurde“, meint Leon Douglas, Joes Teamkollege aus der italienischen Liga. „Dort konnte er alles ausprobieren und jeden einzelnen Aspekt des Spiels erlernen.“

Etwas anderes, das Bryant aus Italien mitgenommen hatte, war, dass er mit unglaublichem Willen und beinahe manischer Akribie daranging, sein Repertoire zu erweitern, wenn er meinte, dass ihm gewisse spielerische Skills fehlten. Eigentlich hörte er nie auf an sich zu arbeiten, wenn es um Basketball ging, das war schon als Kind so. Wenn er nicht gerade selbst spielte, sah er sich Videos von NBA-Stars an, erinnert sich Vittorio, der viele Stunden mit Kobe in seiner Kindheit verbrachte. „Kobe wollte immer nur Basketball spielen. Immer.“

Während der nächsten Jahre zeigte sich, dass er verstanden hatte, wie wichtig es war, immer fokussiert zu bleiben und er hatte bereits das entwickelt, was er später als „den Code“ bezeichnen würde. Kobe wusste schon früh, dass er Basketballprofi werden wollte, was wiederum bedeutete, dass er dieses Ziel nie aus den Augen verlieren durfte. Italien erwies sich dabei als ein wesentlicher Bestandteil, der ihn zu dem Spieler machen sollte, der er sein wollte. Neben den netten Menschen und der entspannten Atmosphäre spürte man auch viel Leidenschaft, egal wo man hinblickte. Von den zahllosen Renaissance Kathedralen und Kirchen bis hin zu den Basketballstadien vollgepackt mit singenden und tanzenden Fans. Sowohl diese Erfahrung als auch Joes Hartnäckigkeit waren es, die Kobes unverwüstlichen Glauben an sich selbst befeuerten.

 

Je größer sein Selbstvertrauen wurde, desto weniger beachtete er seine Mitspieler. Einige seiner damaligen Teamkameraden erinnerten sich über die Jahre immer wieder daran, wie geringschätzig sie sich von ihm behandelt fühlten. Sie beschwerten sich so lange, bis die italienischen Trainer begannen Bryant auf die Bank zu setzen, um den anderen Spielern auch Gelegenheit zu geben sich zu profilieren. „Ich war oft in Schwierigkeiten damals, andauernd den Mund offen und dumm gequatscht, was die älteren Burschen noch mehr verärgerte“, erinnert er sich.

Während dieser ersten Jahre in Italien, erkannten die Bryants bereits die Zukunft ihres Sohnes und begannen ihn auf seinem Weg zu unterstützten. „Sie haben dort Minikörbe für die Siebenjährigen“, erzählte Joe damals. „In einem Spiel erzielte Kobes Team 22 Punkte, von denen er selbst 16 warf. Danach holten sie ihn in die Altersgruppe der Zehnjährigen hinauf und auch dort war er besser als die anderen. Er hat einen gelben Gürtel in Karate und Baseball trainiert er auch.“