Kobe Bryant

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Der Prozess

Drei Wochen nach Ende der Saison wurde Jellybeans Leben aufgrund seiner Fahrerflucht und Verhaftung auf den Kopf gestellt. Das war etwas, womit niemand gerechnet hatte, weder Big Joe noch Sonny Hill oder Bryants Freundeskreis und seine Fans – und schon gar nicht er selbst.

„Er war am Boden zerstört“, erinnert sich der ehemalige Sixers General Manager Pat Williams. „Er rechnete mit dem Schlimmsten. Dass seine Karriere nun vorbei sei und er in seiner Heimatstadt in Ungnade fallen würde. Es war der reinste Albtraum für ihn.“

Damals kam es nicht selten vor, dass man für ein einfaches Drogendelikt sofort für längere Zeit ins Gefängnis wanderte. Dann war da natürlich noch die Sache mit der Gefährdung der Öffentlichkeit. Joe Bryant war mit seinem Wagen ohne Licht durch die Stadt gerast und hatte sich eine Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert, wobei erheblicher Sachschaden entstanden war. Rechnete man das zum Besitz von Kokain dazu, so konnte ein Richter ohne weiteres ein Exempel an ihm statuieren und er hätte sich nicht einmal beklagen können. Sofort nach dem Vorfall gab seine Frau Pam einem Tribune Reporter ein Interview, in dem sie schwor „bis zum bitteren Ende“ an Joes Seite zu stehen.

Einige dachten wohl, dass John Cox jetzt endgültig der Schlag treffen würde, doch die Cox Familie war im August 1974 bereits einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten, als Chubby wegen Handtaschenraubes angeklagt worden war. Glücklicherweise konnte sein damaliger Anwalt – ein gewisser Richie Phillips, der im Jahr darauf Joes Agent werden sollte – einen Freispruch für Chubby in allen Anklagepunkten erwirken.

Nach Joes Anklage fand sich Phillips in einer Doppelrolle als Agent und Anwalt wieder, in der er sich recht wohlfühlte. Reportern erklärte er voller Selbstvertrauen, dass er davon ausging, dass alle Anklagepunkte gegen seinen Klienten fallengelassen werden würden – was recht erstaunlich war, wenn man an die erdrückende Beweislast dachte.

Die erste Anhörung vor Gericht war für Anfang Juni anberaumt. Trotz der drakonischen Strafen, die routinemäßig für Drogenvergehen ausgesprochen wurden, hielt man Kokain zur damaligen Zeit für keine besonders gefährliche Droge. Obwohl diese Droge schon lange im Umlauf war, hatten es die südamerikanischen Drogenkartells in den 1970ern geschafft, sich am amerikanischen Markt zu etablieren und überschwemmten das Land mit dem weißen Pulver, das unter den Wohlhabenden des Disco Zeitalters so hip und beliebt war. Die American Psychological Association hatte die Droge noch nicht offiziell als süchtig machend eingestuft und sie war fast an jeder Ecke erhältlich, ganz besonders in der NBA, wo die neue Gehaltsstruktur den Spielern viel Geld beschert hatte.

Im Jahr 1976 „verschnupften“ bereits einige Spieler einen Teil ihres Geldes, wenn man so sagen will. Es dauerte nicht lange, bis der NBA der Ruf von Drogenmissbrauch anhaftete. „Jeder nahm es“, erinnert sich Sonny Vaccaro. „Und ich meine wirklich jeder. Die ganze NBA-Kultur basierte damals auf Drogen.“

Philadelphia war eines der vielen Teams, die sich nun im Sog einer sich immer schneller verändernden Populärkultur wiederfanden. Der Fall Jellybean war einer der ersten, der das Problem an die Öffentlichkeit brachte. „Eine Menge Leute in Philly machten sich Sorgen um ihn; sie mochten ihn und wollten ihn nicht untergehen sehen“, erklärt Dick Weiss, der damals viel über die 76ers berichtete. „Keiner sprach damals darüber. Würde so etwas heute passieren, ginge es durch alle Medien. Doch damals war es Teil der Kultur.“

Wie auch immer, Bryants Verhaftung machte Schlagzeilen. Der Vorfall ließ ihn beinahe verzweifeln, doch neben Richie Phillips als seinem Anwalt gab es da noch einen weiteren wichtigen Faktor, der ihm half: seine Freundschaft mit Sonny Hill, in dessen Liga, wie erwähnt, viele Bewährungshelfer und andere Gerichtsmitarbeiter tätig waren. Und Hill würde es nicht zulassen, einen Spieler zu verlieren, den er selbst von den Straßen Philadelphias gerettet hatte.

Phillips hatte bereits zwanzig Leumundszeugen organisiert, die als Fürsprecher für Bryant auftreten sollten, eine Taktik, die bei einer ersten Anhörung noch nie eingesetzt worden war. Auf der Liste standen auch Bryants Coach und der General Manager des Teams. Zwar war das Team gerade verkauft worden, doch der damalige Eigner Irv Kosloff hatte viel für Jellybean übrig und erschien als Leumundszeuge vor Gericht, genauso wie Joeys früherer Leichtathletiktrainer Reverend Eugene Festus, ein ehemaliges Mitglied der berühmten Harlem Hellfighters – einem US Infanterieregiment im ersten und zweiten Weltkrieg, das nur aus Afroamerikanern bestand – und der selbst eine Legende in Philadelphia war.

Die Staatsanwaltschaft brachte eine Flut an Beweismittel ein, doch in der Verhandlung Commonwealth gegen Joseph Washington Bryant III kam Richter J. Earl Simmons schnell zu dem Schluss, dass kein ausreichender Verdacht für die Polizei bestanden hätte, Bryants Wagen zu durchsuchen. Das war eine erstaunliche Entscheidung, vor allem wenn man an Bryants Verhalten in der besagten Nacht denkt.

Am Ende wandte sich der Richter mit folgenden Worten an Bryant: „Ich erwarte mir, dass Sie von nun an ein unbescholtenes Leben führen. Sie sind ein hochrangiges Mitglied unserer Gemeinde und ich erwarte, dass Sie sich auch so verhalten. Sie sind ein Vorbild für die Jugend in Philadelphia. Ich hoffe, dass Sie sich diese Rolle als Vorbild weiterhin verdienen.“

„Der Verein stand zu ihm“, erinnert sich Pat Williams. „Joe war geknickt, aber unglaublich erleichtert und dankbar. Ich vermute, die ganze Sache hat ihm den Schock seines Lebens versetzt.“

Am nächsten Tag titelte die Delaware County Times „Bryant kommt ungeschoren davon“, eine Meinung, die auch von anderen lokalen Medien geteilt wurde. Zumindest eine leichte Strafe hätte ihm gebührt, meinten sie.

Zwar gab es keine offizielle Strafe, doch das Gespenst der Ereignisse jener Nacht sollte Bryant während seiner ganzen Karriere verfolgen. Für ihn war dies die schlimmste Strafe, die er bekommen konnte, eine Strafe, für die es keine Bewährung gab.

Mit der Zeit wurde aber deutlich, dass die Entscheidung des Gerichts auch die Familie gerettet hatte. Wäre der Richter nicht so nachsichtig gewesen, hätte Joe Bryant leicht eine Gefängnisstrafe absitzen müssen und es hätte wohl nie einen Kobe Bryant gegeben. Fans der Los Angeles Lakers wären nie in den Genuss der außergewöhnlichen Persönlichkeit des Mannes gekommen, der sich selbst die schwarze Mamba nennen würde.

Teil 2

Kapitel 6
KOBE BEAN

Im November 1977 legten die 76ers eine Siegesserie von 41 Spielen hin. Am Freitag vor Thanksgiving besiegten sie die Boston Celtics klar mit 121112. Sofort nach dem Spiel flogen sie zurück nach Philadelphia, wo sie innerhalb von drei Tagen ihre nächsten beiden Spiele, nämlich gegen Milwaukee und Houston, gewannen. Danach ging es nach Detroit, um gleich am nächsten Tag, Thanksgiving Day, wieder im Flugzeug zu sitzen. Irgendwann dazwischen fanden Joe und Pam Bryant Zeit, mit ihrem dritten Kind schwanger zu werden. Sharia hatte bereits 1976 das Licht der Welt erblickt und ihre zweite Tochter Shaya 1977. Genau neun Monate nach den Heimspielen vor Thanksgiving, kam ihr erster und einziger Sohn auf die Welt, am 23. August 1978, gerade nachdem Joe wieder einen erfolgreichen Sommer in der Baker League gehabt hatte.

Der Stammbaum der Bryants hatte schon drei Generationen an Josephs hervorgebracht. Auch die Coxes hatten bereits drei Johns in Folge. Doch anstatt die Familientraditionen fortzusetzen, entschieden Pam und John ihren Sohn Kobe taufen zu lassen, angeblich, da sie während Pams Schwangerschaft ein köstliches Dinner in einem japanischen Steakhaus genossen hatten. Wie sie beide einmal später sagten, gefiel ihnen der Klang des Namens, vor allem da sie es Ko-bie und nicht wie im Japanischen Ko-be aussprachen. Und da sie nicht ganz auf eine namentliche Verbindung zwischen Vater und Sohn verzichten wollten, gaben sie ihrem Sohn einen Mittelnamen, der an den Spitznamen seines Vaters erinnern sollte: Bean. Wie in Kobe Bean Bryant. Als ob man weitere Beweise dafür benötigt hätte, wie verrückt das Paar war, würden einige Beobachter später einmal anmerken.

Doch es waren die Siebziger, ein Jahrzehnt in dem eine neue Generation sich über die Grenzen vergangener Traditionen hinwegsetzte. Indem sie ihren Sohn Kobe Bean nannten, trafen Joe und Pam Bryant genau den Zeitgeist dieser Ära. Und sie waren ja schließlich auch ganz begeistert von dem Steak gewesen. Abgesehen davon würde sich dieser Name natürlich als die perfekte Wahl für ein Alleinstellungsmerkmal und bei der Vermarktung erweisen und ihren Sohn zu einem dieser Stars machen, die nur unter ihrem Rufnamen bekannt sind. Anfangs verwendeten die Zeitungen in Philadelphia noch beide Vornamen, wenn sie über den Sohn der Bryants berichteten, so wie in „der junge Kobe Bean ist ein vielversprechendes Talent“. Bei genauerer Betrachtung macht der Name Sinn, denn Fleisch vom Kobe-Rind ist äußerst kostbar, wird nach einer ganz besonderen Methode gezüchtet und verarbeitet und ist eine der am meist geschätzten und außergewöhnlichsten Marken, so wie Kobe Bean Bryant selbst.

Was jedoch viel wichtiger war als der Name, war seine Abstammung, wie Paul Westhead anmerkt. „Pam kam aus einer Sportlerfamilie. Chubby konnte schon was, er war sehr sportlich und hatte wirklich Talent. Zugegeben, er war kleiner als Joe, doch er war ein sehr guter Basketballspieler. Wenn man dann an Kinder denkt, die aus so einer Verbindung hervorgehen, so könnte man sagen, dass Kobe eine Menge Talent bei seiner Geburt mitbekommen hat.“

 

Neben den entsprechenden genetischen Voraussetzungen beginnt die Entwicklung großer Athleten meist mit einer sehr ehrgeizigen und perfektionistischen Mutter. In dieser Hinsicht ist Pam Cox Bryant allerdings ein wenig ein Rätsel, da sie anders als Deloris Jordan, Michael Jordans Mutter, niemals ein Buch schrieb, nie auf dem Cover einer Zeitschrift zu sehen war oder überallhin mitkam. Stattdessen hielt Pam sich meist hinter der Bühne auf. In den für ihren Sohn prägenden Jahren zeigte sie ein besonderes Talent dafür, aus dem Hintergrund die Fäden zu ziehen, was ihr sowohl die Bewunderung als auch den Zorn von Freunden und Familie einbrachte. Obwohl sie sehr attraktiv und intelligent war, Charme hatte und einen Sinn für die feinen und schönen Dinge im Leben, bevorzugte sie es, genauso wie schon ihr Vater zuvor, das Rampenlicht, in dem ihr Sohn stand, zu meiden.

Das vielleicht beste Beispiel für ihren Perfektionismus war ihre Familie. Ihre drei Kinder waren immer gepflegt, gut angezogen und sehr gut erzogen. Beide Töchter sowie auch der Sohn hatten schon vom Kindergartenalter an exzellente Manieren, sprachen ordentlich und benahmen sich vorbildlich. „Würden alle ihre Kinder so erziehen wie die Bryants, gäbe es viel mehr produktive Menschen auf der Welt“, meint Leon Douglas, Joes Teamkamerad in der italienischen Liga, der hautnah miterlebte, wie Pam ihre Kinder erzog.

Trotzdem sagten Familienangehörige und Freunde, dass Pam ihrem Sohn Kobe die meiste Aufmerksamkeit und Liebe zukommen ließ und eine enge Verbindung zwischen Mutter und Sohn bestand. „Als Pam endlich einen Sohn hatte, war sie überglücklich“, meint ein Freund der Familie. „Verstehen sie mich nicht falsch, sie liebte ihre beiden Töchter, doch Kobe war der Mittelpunkt der Familie, um den sich alles drehte. Vielleicht war es auch, was Joe wollte und sie wollte Joe nicht verlieren. Er war der Sohn, dem sie alles mitgeben konnten.“

Die Art, wie Pam als Teenager ihren Bruder Chubby verhätschelte, war also nur die Generalprobe für das Hauptevent, nämlich die Erziehung ihres Sohnes. „Als Kobe auf die Welt kam, erstrahlte Pam vor Glück“, erinnert sich Mo Howard. „Sie liebte ihren Sohn abgöttisch und gleich danach kam Chubby. Wie sie Chubby verhätschelt hatte, war schon heftig. Doch nun hatte sie ihren eigenen Sohn.“

Wenn es darum ging, das perfekte Familienbild zu wahren, war Pam gnadenlos. „Egal wie es innerhalb der Familie aussah, für uns erschien alles perfekt“, erklärt ein Freund der Familie. „Wenn sie über jemanden sprach, dann war immer alles vorbildlich. Sie versuchte alles so darzustellen, als wäre es perfekt. Kobe. Ihre Töchter. Einfach alles.“ Und diese Perfektion schloss Pams eigenes Verhalten mit ein. „Sie sah immer sehr attraktiv aus, war extrem nett und umgänglich, und so verhielt es sich auch mit ihren beiden Töchtern.“

Dieser Perfektionismus erstreckte sich auch auf die Leistungen, die sie von ihren Kindern erwartete. Die individuellen körperlichen und sportlichen Begabungen ihrer Kinder durften keine Entschuldigung sein. Sie erwartete von ihnen, dass sie ihre Hausaufgaben machten und sich pflichtbewusst und verantwortungsbewusst verhielten. Von Geburt an wuchs Kobe in einer Familie auf, die von anderen bewundert wurde und nicht nur in den Zeitungen von Philadelphia, sondern überall, wo sie hingingen.

Pat Williams erinnert sich, wie die Bryants ihren Sohn stolz ins Spectrum, die Basketballarena der Sixers, mitnahmen: „Die Leute fragten mich häufig: ‚Woran erinnerst du dich bei Kobe Bryant?‘ Und ich sagte dann immer, ich erinnere mich an seine Großeltern, wie sie ihn in den Armen hielten oder mit ihm im Kinderwagen zu den Spielen kamen. Man kann fast sagen, dass er im Spectrum aufwuchs. Sein erstes Lebensjahr verbrachte er bei den 76ers.“

Gilbert Saunders erinnert sich, wie er zufällig auf Joe und seinen kleinen Jungen traf, als er aus dem Fahrstuhl stieg. Der kleine Kobe Bean saß in einem Tretauto. „Es war ein kleiner Mercedes.“ Jellybean war ganz der stolze Papa – wenn er da war.

Später war Kobe Bryant für seine Vater-Sohn-Beziehung bekannt, die sich aus der Liebe beider zum Basketball ergab. Doch aufgrund Joes Bekanntheitsgrad und den Reiseverpflichtungen eines Profisportlers während Kobes Kindheit, verwundert es nicht, dass Kobe Beans erste und engste Bindungsperson Pam Bryant war. Selbst seine Schwestern bezeichneten Kobe als ewiges Muttersöhnchen.

Kobe nahm viel von Pams Persönlichkeit an, weit weg von der lebensfrohen Lebenseinstellung seines Vaters. „Von der Begeisterung her, der Liebe zum Basketball, bin ich mehr wie mein Vater“, sagte Bryant 1999. „Doch am Platz bin ich mehr wie meine Mutter. Sie hat das Temperament eines Pitbull Terriers“, erzählte er und klatschte dabei laut in die Hände, „gewinnen um jeden Preis. So vereine ich das Beste aus beiden Welten.“

Zum Großteil teilten Mutter und Sohn sehr nette Eigenschaften, doch eben auch ein Verhalten, das sie in Sekundenschnelle eiskalt erscheinen ließ. Diese Kälte konnte recht abschreckend auf andere wirken. In Kombination mit plötzlichen, heftigen Wutausbrüchen verwendeten sowohl Mutter als auch Sohn diesen Aspekt ihrer Persönlichkeiten, um andere wissen zu lassen, wie weit sie gehen durften.

Die stärkste Triebfeder war jedoch Perfektionismus. Tex Winter, der als Trainer eng mit Jordan und Bryant zusammenarbeitete, meinte oft, dass Perfektionismus wohl die wichtigste aller Eigenschaften war, welche diese beiden Athleten teilten. Blickt man auf Bryants Erfolge zurück, so kann man getrost sagen, dass seine Mutter es war, die ihn zu der Person machte, die er heute ist.

Championship Blues

Auch wenn der Familienzuwachs Joe Bryant sicherlich glücklich machte, rief der Verlauf seiner Basketballkarriere wohl eher gegenteilige Emotionen in ihm hervor. Während der Off-Season 1977 schloss das Team einen Multimillionen-Dollar-Vertrag mit Julius „Dr. J“ Erving ab, der von den New York Nets kam, gerade als sich die ABA auflöste. Damit rutschte Joe in Gene Shues Rotation noch weiter nach hinten. Seine schon bisher magere Spielzeit, über die sich Jellybean als Rookie beschwert hatte, wurde auf einen Schlag noch einmal fast um die Hälfte gekürzt.

„Er hatte seine Momente“, sagt Pat Williams. „Wir wussten, dass Joe Bryant außergewöhnliches Talent besaß und wir alle waren uns sicher, dass wir mit diesem Schwung an jungen Spielern in eine rosige Zukunft blickten. Doch wir hatten eben auch eine Veteranentruppe, die noch über ihnen stand. McGinnis, Julius Erving, Steve Mix, Harvey Catchings und wir wollten Darryl auch weiter aufbauen. Wir hatten einfach schon zu viele Talente im Kader.“

Wenn er spielte, war Jellybean ein Teil des berüchtigten Bomb Squad, des Bombenkommandos – was nicht gerade zu seiner Entwicklung beitrug. „Der zweiten Garnitur war alles egal, sie mussten sich ja hinter Erving und den anderen einreihen. Deswegen gingen sie immer aufs Ganze, wenn sie ins Spiel kamen. Daher rührt wahrscheinlich auch Joes schlechter Ruf“, meint Mo Howard.

„Ich fragte Joe einmal, was bei den Sixers los wäre“, erzählt Vontez Simpson, „denn sie hatten ja echt viele Talente. Er meinte dann zu mir, dass sie niemanden in der Mannschaft hätten, der als Vorbild diente und ihnen ihre Grenzen aufwies. Das Team hatte viele junge Spieler, die viel Geld verdienten und ordentlich Party machten nach den Spielen.“ Trotzdem schafften es die Sixers ins NBA-Finale, wo sie sich jedoch den Portland Trailblazers, nachdem sie bereits 2-0 in der Serie vorangelegen waren, noch 4-2 in Spielen geschlagen geben mussten.

Da die Probleme vom Ende der vorangegangenen Saison auch in der neuen Saison weiterbestanden, wurde der neue Besitzer der 76ers, F. Eugene Dixon, immer unzufriedener mit Gene Shue, der einer der ersten Coaches war, der einen Agenten engagierte – den immer präsenten Richie Phillips. Eines Tages befahl Dixon seinem General Manager, Shue zu entlassen und den früheren Sixers Coach Billy Cunningham anzuheuern.

Cunningham brachte eine bestimmte Pragmatik mit. Joe Bryants Leistung in den vergangenen Playoffs war gut genug, dass sein Vertrag für weitere zwei Jahre verlängert wurde. Zwei Saisonen, in denen Coach Cunningham und seine Assistenten Chuck Daly und Jack McMahon die „Bomb Squad“-Atmosphäre im Team eliminierten.

Nachdem das Bombenkommando weitgehend entschärft war, schaffte es Philadelphia 1979 wieder in die Playoffs. Während einer auf Messers Schneide stehenden Serie gegen San Antonio brachte Cunningham Joe Bryant ins Spiel und musste mitansehen, wie dieser sofort einen weiten Wurf nahm, der den Korb verfehlte und im Gegenzug zu einem Korb für die Spurs führte. Cunningham holte Jellybean sofort wieder vom Spielfeld, doch die Sixers verloren das Spiel.

Vier Jahre lang hatte Joe bei Interviews immer wieder geklagt, dass er getradet werden wollte. Und nun ergab sich die Gelegenheit dazu.

Während der Vorbereitung auf die nächste Saison versuchte das Management der Sixers Bryant an ein anderes Team zu verkaufen. Doch es fand sich kein Abnehmer. Im Oktober schließlich, als die Saison bereits in den Startlöchern stand, bot Gene Shue den Erstrundenpick seines Teams für das Jahr 1986 an, um dafür Joe Bryant von Philadelphia zu erwerben.

In seinen ersten vier Jahren in der NBA hatte Jellybean bei den Sixers Kurzeinsätze auf allen fünf Positionen gehabt und gute Leistungen als Guard, Forward und sogar als Center gezeigt.

Rückblickend meinte Pat Williams einmal, dass Bryant flexibel einsetzbar war, aber eben nicht gut genug, um auf einer Position wirklich hervorzustechen. Für einen top Guard war er nicht schnell genug, für einen herausragenden Forward fehlte ihm die Athletik und er war nicht kräftig genug regelmäßig Center zu spielen.

Dazu kam noch, dass seine Leistungen nicht konstant genug waren, was sehr frustrierend war. In einem Spiel war er genial und im nächsten kam dann wieder fast gar nichts von ihm. Außerdem war die Partyatmosphäre in Philadelphia nicht gerade ideal für eine junge Familie mit drei Kindern, von denen das älteste gerade einmal vier war. Der Umzug nach San Diego gefiel Pam schon aufgrund des besseren Wetters und auch das Klima auf dem Platz sollte besser werden.