Kobe Bryant

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Ärger an jeder Straßenecke



Als Jelly in die neunte Klasse kam, war er bereits knapp über zwei Meter groß. Dementsprechend lange waren auch seine Schritte, wenn er lief. Musste er irgendwo hingehen, begann er einfach zu joggen, um schneller dort zu sein. Das war eine Eigenschaft, die ihn besonders bei den Laufathletiktrainern der Stadt beliebt machte, aber auch bei den Talentsuchern im Basketball.



Oberflächlich betrachtet mag es so erscheinen, als ob Basketball im Philadelphia der späten 60er und frühen 70er Jahre eine schöne, nostalgische Geschichte gewesen wäre, hätte es da nicht ein großes Problem gegeben. Die Stadt war damals in einem dunklen Loch gefangen, in dem Straßenbanden an jeder Ecke lauerten und jungen Burschen, die dort aufwuchsen, Schwierigkeiten bereiteten. Die Philadelphia Daily News würde später einmal berichten, dass sich die Stadt im Würgegriff von 106 verschiedenen Gangs befand, jede davon mit ihrem eigenen Territorium und Mitgliedern die oft mit selbstgebauten, improvisierten Schusswaffen herumliefen. Die Territorialkämpfe unter den Banden, die sich sogar bis auf die Schulhöfe der Stadt erstreckten, forderten das Leben vieler junger Männer. Wie fest die Gangs Philadelphias Jugendliche im Griff hatten, zeigte sich daran, dass man es oft nur bis zur Schule schaffte – beziehungsweise man den Schultag überlebte – wenn man Mitglied in einer der örtlichen Gangs war. Nur in der Masse war man stark, allein blieb man auf der Strecke.



Allein im Jahr 1969, Joe Bryants erstem Jahr an der Bartram High, wurden 45 Morde im Zusammenhang mit Bandenkriminalität gezählt. Die Spannungen waren an allen Highschools der Stadt zu bemerken. So begannen Gangs bereits Burschen im Volksschulalter für sich zu rekrutieren. Doch irgendwie hatte Jellybean Bryant Glück. „Wenn du kein Sportler warst, dann warst du in Schwierigkeiten“, sagt Julius Thompson. „Diejenigen, die es schafften, hatten großen Rückhalt zu Hause.“



„Wenn ich so zurückblicke“, erinnert sich Gilbert Saunders, „ging es um Orientierung. Wie viele andere Kinder irrte auch Joe orientierungslos herum. Da brauchte es dann schon das sprichwörtliche Dorf, um Joe Bryant großzuziehen.“ Basketball war dieses „Dorf“ oder, besser gesagt, die Kraft, die alles zusammenhielt. Zusätzlich zu Big Joe, der immer ein Auge auf seinen Sohn hatte, dem Wohlwollen von Saunders’ Eltern und den Trainern and der Schule, war die Philadelphia Legende Sonny Hill und dessen BasketballLigen wohl der größte Faktor in Bryants Leben. Hill war so gut wie immer da, wenn es kritisch wurde und half Dinge, die schief gelaufen waren, wieder geradezubiegen.



Eine ähnliche Rolle spielte er im Leben vieler junger Spieler aus Philadelphia. Wie Gilbert Saunders schon sagte: „Sonny Hill hat mir buchstäblich das Leben gerettet. Und das Leben vieler anderer.“



Ein kleiner, drahtiger Guard, der in der alten Eastern League gespielt hatte, als die NBA aus nur zehn Teams und einer Handvoll Farbiger bestand, machte Sonny Hill Karriere als populärer Sportreporter sowie als Gewerkschaftsboss und Gemeinschaftsaktivist. Hill war selbst auf den Straßen Philadelphias aufgewachsen und wusste genau, welche Herausforderungen auf junge Spieler zukamen, sowohl in ihrem Leben als auch im Sport. Anfang der 1960er Jahre gründete Hill die Baker League, eine Sommerliga für Profis. Bald schon erreichte dieses Turnier einen hohen Bekanntheitsgrad, nachdem es Bill Bradley, der bei den New York Knicks unter Vertrag stand und sich ein Jahr Auszeit genommen hatte, geholfen hatte, sein Spiel wieder zu verbessern. Die Baker League Spiele im Sommer waren oft viel besser als die regulären Saisonspiele in der NBA damals, erklärt Dick Weiss, der lange Zeit als Basketballjournalist in Philadelphia tätig war. Es dauerte nicht lange, bis andere Spitzenspieler wie Wilt Chamberlain und Walt Frazier auf Hills Liga aufmerksam wurden und diesen Bewerb zum wichtigsten Sommerturnier machten, bevor die NBA ihre eigenen offiziellen Sommerligen einführte. Der Erfolg der Baker League spornte Hill an, 1968 ein weiteres Programm zu starten, dem Jahr in dem Joe Bryant die achte Klasse abgeschlossen hatte. Die Sonny Hill League bot einen strukturierten Spielplan für die besten Highschoolspieler der Region. Sie sollte das Markenzeichen von Hills Einfluss werden.



Die Spiele dieser Amateurliga fanden im Vorprogramm zu den Spielen der Baker League statt. „Die Hallen waren zum Bersten voll“, erinnert sich Weiss. „Die Spiele wurden zum Treffpunkt der afroamerikanischen Gemeinde.“



„Wir reden hier davon, junge Menschen zu inspirieren, ihnen eine Chance zu geben vor einem Baker League Spiel aufzutreten“, erinnert sich Howard. „Da waren Massen an Zusehern anwesend, das wusste man ja. Das war immer so.“ Da die Highschoolspieler vor den Profis spielten, brauchte es auch nicht lange, bis sich freundschaftliche Beziehungen ergaben. „Dort kamen wir an sie ran, konnten direkt mit ihnen sprechen. Oft auch kamen sie von selbst zu uns rüber und gaben uns Tipps. Es war einfach unglaublich“, so Howard. Zur damaligen Zeit gab es mehrere Ligen für die Topspieler der Highschools der Gegend. Vor Gründung der Hill League war die Narberth League, eine Vorstadtliga, die draußen auf den Basketballplätzen der Vororte Philadelphias spielte, die beste. Doch was die Hill League von allen anderen Amateurligen unterschied, war, dass sie eine Stadtliga war und die Spiele in einer Halle ausgetragen wurden.



„Nach einiger Zeit wurde die Sonny Hill League die Eliteliga“, erzählt Julius Thompson. Die Hill League und die Baker League erfüllten den Basketballsport in Philadelphia mit Stolz und das in einer schwierigen Zeit, speziell in den Jahren, in denen Frank Rizzo Polizeipräsident war und dann später auch Bürgermeister von Philadelphia“, erklärt Weiss. „Damals gab es große Spannungen zwischen Schwarzen und Weißen. Doch Basketball schien der einzige Sport zu sein, der die beiden Seiten friedlich zusammenbrachte.“ Hill gründete die Sonny Hill League teilweise auch aus dem Grund, den Straßengangs, die das Leben in Philly bestimmten, entgegenzuwirken. Mit so vielen Gangs, die permanent auf die Verteidigung ihres Territoriums bedacht waren, war es schwierig für junge Burschen mit öffentlichen Verkehrsmitteln von einem Viertel ins nächste zu kommen. Wenn sie es versuchten, kamen sie oft schnell in Konflikt mit den Banden und wurden gewaltsam vertrieben. Wenn ein Spieler jedoch eine dieser auffälligen Sporttaschen der Sonny Hill League trug, ließen ihn die Bandenmitglieder meist unbehelligt passieren. Hill hatte klugerweise das Trainerteam und das erwachsene Personal seiner Liga mit mehreren Bewährungshelfern und Personen aus der öffentlichen Sicherheit besetzt und so mussten die Gangs schnell einsehen, dass es keine gute Idee war, sich mit Spielern aus der Hill League anzulegen.



Dazu kam, dass die Sonny Hill League viel Wert auf Disziplin legte. „Es gab keine Diskussionen mit den Schiedsrichtern, keine Wutausbrüche oder Ähnliches“, erinnert sich Gilbert Saunders, der selbst in der Hill League spielte. „Es war ihnen egal, wie talentiert du warst. Man wurde immer für sein Verhalten und seine schulische Leistung zur Verantwortung gezogen.“ Die lange Lebensdauer der Hill League und ihr Erfolg lagen nur an Hills Persönlichkeit und seinem Einfluss, meint Weiss. „Er konnte eine ganze Stadt mit seiner Liga mobilisieren. Er hatte einen enormen politischen Einfluss in der Gemeinde und nutzte diesen, um seine Liga zu gründen.“



Zwar mag Hills Liga den Basketballsport in der Innenstadt wieder mehr ins Rampenlicht gerückt haben, doch nicht alle fanden Gefallen daran. Man unterstellte ihm, seinen Einfluss dazu zu nutzen, die besten Spieler zu bestimmten Highschools zu lotsen und dann zu bestimmten Colleges. Hill stritt diese Anschuldigungen immer ab und musste wertvolle Zeit dafür aufbringen, das Gegenteil zu beweisen. „Viele sahen in ihm einen Schwindler, der die Kinder einfach einer anderen Liga wegnahm“, erklärt Weiss. Sonny Hill erinnerte sich wie Jellybean als 14 oder 15-Jähriger in seine Liga kam, aber bald wieder ausschied. Denn obwohl er groß und athletisch war, fehlte es ihm an der Reife, die man als Sportler braucht, sagte Hill. „Ungefähr ein Jahr später kam er wieder und er war deutlich reifer geworden. Ich denke, das hatte vor allem mit seinem Vater zu tun.“ Big Joe liebte die Disziplin und Struktur der Liga so sehr, dass er noch immer als Freiwilliger mithalf, lange nachdem seine beiden Söhne die Hill Liga verlassen hatten. Diese Sommerligen waren es auch, in denen Jellybean das erste Mal auf Mo Howard traf und schnell mit ihm Freundschaft schloss.



Als Juniors in der Highschool gewannen Jellybean und Mo Howard die Sonny Hill League mit einem Team, in dem auch Andre McCarter spielte, der kurz darauf schon für die UCLA auflaufen sollte. Bald sollten sich auch Mo Howards Vater, Edward, und Big Joe Bryant kennenlernen und herausfinden, dass sie beide aus Georgia stammten. Etwas, das die beiden schnell in Freundschaft verband. Egal ob Jellybean und Howard miteinander oder gegeneinander spielten, Mr. B und Howards Vater saßen nebeneinander und quatschten unaufhörlich. „Irgendwie waren die beiden füreinander gemacht. Die Generation von Afroamerikanern davor hatte niemals die Möglichkeiten, Sport zu betreiben so wie ihre Söhne“, erklärt Howard. „Für sie war es etwa so: Was immer ihr macht, wie berühmt und bekannt ihr seid, ihr müsst es mit uns teilen. Das war eine Art Bestätigung dafür, wer sie waren. Sie waren unsere Väter und es erfüllte sie mit Stolz, ein Gefühl, das sie bis dahin wahrscheinlich nicht in dieser Form gekannt hatten. Da saßen sie nun und hatten zwei Söhne, die großartige Basketballer waren. Wenn man über Kinder spricht, die es zu einem gewissen sportlichen Erfolg bringen, vor allem farbige Jungs, muss man auch sagen, dass der Vater oft erst auftaucht, nachdem die Kinder ordentlich Geld verdienen. Unsere Väter waren aber von Anfang an mit dabei. Sie besorgten uns die Schuhe und die Socken und sie gaben uns Geld, dass wir uns Hot Dogs nach dem Spiel kaufen konnten. Sie waren immer ein Teil unseres Lebens. Sie waren überall mit dabei. Die beiden waren der Meinung, dass man sie als Rabenväter bezeichnen würde, wenn sie nicht zu unseren Spielen kämen.“

 



1

Ein sozialwissenschaftlicher Begriff der eine Region im Süden der USA beschreibt, die sich über 11 Bundesstaaten erstreckt und deren Einwohner mehrheitlich Afroamerikaner sind.







Kapitel 3

SPASS AM SPIEL



Trotz der Probleme, die in der Stadt herrschten und den Versuchungen, die überall auf ihn lauerten, schaffte es Jellybean auf dem rechten Weg zu bleiben – vor allem dank seines Talents im Basketball und der Menschen, die ihn unterstützten. Er hatte schon immer einen gewissen persönlichen Charme, doch was für seine Mentoren noch wichtiger war, war die Art und Weise, wie er spielte. Big Joe machte sich dann auch auf den Weg zum Platz, um die nächste Darbietung seines Sohnes zu sehen. Und damit war er nicht allein. „Wenn Joe spielte, war der Platz voll mit Zusehern“, erklärt Vontez Simpson. „Manchmal kam man nicht einmal mehr auf den Spielplatz selbst. Alle wollten Joe spielen sehen.“



„Mit seiner Art zu spielen bereitete Joe vielen Menschen eine große Freude“, stimmt Dick Weiss zu. Jellybeans Begabung war einzigartig, er hatte seine Technik durch das Spiel auf der Straße und in der Baker League entwickelt. Seine Mischung aus Größe, Athletik und Ballführung war es, die ihn sogar unter den Elitespielern der Stadt herausragen ließ.



„Das was alle umhaute, war, dass da ein 2,10 m Riese war, der so wie die anderen Spieler von dieser Größe mit dem Rücken zum Korb spielen und blocken hätte sollen“, erklärt Mo Howard, „aber Joey war ein Spielmacher. Wenn man ihm den Ball gab, spielte er wie ein Point Guard. Einmal nahm er den Wurf und punktete von der Dreipunktelinie, dann wieder begann er zu dribbeln und bediente seine Mitspieler mit einem blind geworfenen Pass oder er scorte mit einem Jump Shot. Niemand spielte damals wie Joey in Philadelphia.“ Seine Spielweise war neu und unkonventionell. Der größte Unterschied zu den anderen war einfach, wie er mit dem Ball umgehen konnte. „Ich sah, wie er Gegner im wahrsten Sinne des Wortes schwindelig gespielt hat“, erinnert sich Gilbert Saunders lachend. Man könnte leicht annehmen, dass sich Jellybean mit diesem Stil bei einem Highschoolteam unter einem konservativen Trainerteam nicht hätte durchsetzen können. Speziell an einer Schule wie der Bartram High, wo er für Coach Jack Farrell spielte, einen Trainer, der großen Wert auf Disziplin legte und fest entschlossen war, den Einfluss der Gangs auf seine Schüler einzudämmen. Doch Farrell erkannte Talent, wenn er es sah und er hatte etwas für farbige Spieler übrig. Er war schon etwas Besonderes – begriff einfach wie die Leute tickten. Die meisten Coaches verstanden ihre Spieler nicht. Jack Farrell aber tat es, er wusste, dass er es hier nicht mit ein paar Chorknaben zu tun hatte, sondern mit ziemlich harten Kids.



„Er hörte bei vielen Dingen auf Joey“, erinnert sich Vontez Simpson, der damals als Teammanager bei Bartram tätig war. „Er hörte sich seine Ideen an. Farrell ließ Joe viele Freiheiten am Ball.“ Doch am wichtigsten war, dass er Jellybeans Talent bereitwillig akzeptierte und die ganze Bandbreite seines Könnens auszunutzen versuchte, nämlich auch als Center seine großartige Ballbehandlung einzusetzen, um die eigenen Aufbauspieler gegen die oft aggressive Verteidigung der anderen Teams im Angriff zu unterstützen.



Zudem gab Farrell Jellybean auch grünes Licht, selbst Würfe zu nehmen. „Er nahm niemals einen Wurf, den er nicht wollte“, lacht Simpson. „Er nahm immer den langen Wurf aus der Ecke. Wenn man ihn ließ, nahm er den Wurf.“



Bei den meisten anderen Teams wäre ein Center, der solche Würfe nimmt, sofort wieder auf der Bank gesessen. Heute, im 21. Jahrhundert, ist ein solcher Wurf ganz normal, doch 1972 wurde so etwas als Disziplinlosigkeit erachtet. „Joe hatte in Jack Farrell jemanden gefunden, der ihn weit genug im Griff hatte, um das Beste aus ihm herauszuholen, ihm aber auch genug Freiheiten ließ, um sich selbst zu verwirklichen“, meint Paul Westhead. Auch die anderen Schulen hatten Spieler seiner Größe, doch die waren nur zum Blocken da, während Joey selten am Block spielte. Dazu kam seine Spielintelligenz. Er hätte eigensinnig spielen und 40 Punkte machen können, doch das tat er nicht. Er war ein Teamspieler, er wollte gewinnen. Allerdings gab es auch immer wieder Spiele, bei denen er mehr für das Publikum spielte, anstatt sich für die einfachere Variante zu entscheiden. Dieser Ruf folgte ihm auch mit ans College und später in die NBA. „Da war schon etwas dran“, sagt Vontez Simpson. „Und Kobe hat das von ihm geerbt.“





Die Debatte



Viele Jahre später debattierten die älteren Hasen in Philadelphia oft darüber, ob Kobe oder Joe Bryant der bessere Highschoolspieler war und ergriffen dabei meist Joes Seite, aufgrund seiner Größe und seiner einzigartigen Fähigkeiten. Zurückblickend meint Julius Thompson, dass Joe wohl der erste Spieler des 21. Jahrhunderts war. „Ich liebe Kobe, keine Frage, doch ich sah Joe spielen, als er am Zenit war“, sagt Thompson. „Joe war 2,10 m und konnte alles, was Kobe mit 1,98 m konnte.“ Dazu kommt, dass Joe einen Erfolg hatte, den Kobe nie erreichte, nämlich ein Team zum Titel in der Philadelphia Public League zu führen. Genau das tat Jellybean im Jahr 1972 in seinem letzten Jahr an der Highschool mit der Rückennummer 23. Er wurde zum MVP des Public LeagueTurniers gewählt, nachdem er Bartram zu Siegen über die Gratz High (trainiert von John Chaney, knapp bevor er Collegecoach wurde) und Germantown, das vom späteren NBA-Spieler Mike Sojourner angeführt wurde, verholfen hatte. Nach diesem Erfolg war die ganze Stadt auf Jellybean aufmerksam geworden.



Die Auszeichnung als MVP der Public League war eine von vielen, die Bryant in diesem Jahr erhielt und die das Interesse vieler Collegetrainer im ganzen Land erregten. Big Joe musste sogar die Telefonnummer wechseln, da das Telefon nicht mehr aufhörte zu klingeln. In diesen Tagen war Sonny Vaccaro, der spätere Marketingmanager einer bekannten Sportschuhfirma, ein wuschelköpfiger Mittelschullehrer aus Pittsburgh, der das sportlich wertvollste und wichtigste Highschool All-Star-Game des Landes veranstaltete. Diese Veranstaltung, die sich das Dapper Dan Roundball Classic nannte, zog Trainer der besten Colleges in ganz Amerika an, die jeden Frühling nach Pennsylvania pilgerten, um sich die Crème de la Crème der Highschooltalente des Landes anzusehen. Und diesmal hatten auch Joe Bryant und Mo Howard eine Einladung bekommen, bei diesem Turnier mitzuspielen. Auch die Väter von Jellybean und Mo Howard konnten es kaum erwarten zu dem Turnier zu fahren.



Big Joe Bryants Brust wuchs an diesem Wochenende noch weiter, als sein Sohn zum wertvollsten Spieler des All-Star-Spiels gewählt wurde, was Jellybean noch mehr Aufmerksamkeit bei Collegecoaches bescherte. Das war aber auch ein zweischneidiges Schwert, schließlich wollte die Familie, dass Joey in Philadelphia Collegebasketball spielte, wo sie ihn alle hautnah bei seinem Aufstieg zu Ruhm und Reichtum begleiten könnten. Auch Jelly wollte so nahe wie möglich an seiner Heimatstadt spielen und so entschied er sich schließlich für die La Salle University, wo auch schon Kenny Durrett, eines seiner Idole, gespielt hatte.



„Das Jahr 1972 war ein ganz Besonderes für Highschoolbasketball in Philadelphia, mit Joe Bryant und Mike Sojourner – der schließlich für Utah spielen sollte – und Mo Howard, die alle in derselben Klasse spielten und die Großen Drei waren. Das waren die drei Spieler, hinter denen jeder her war“, erklärt Dick Weiss. Während Joe sich für La Salle entschied, ging Mo Howard nach Maryland, der „UCLA of the East“, wie Coach Lefty Driesell sein Programm nannte.





Explorers



Was Mo und Joe jedoch nicht mit ihrer spielerischen Brillanz umgehen konnten, war die National Collegiate Athletic Association. Der Dachverband für Collegesport hatte wieder einmal seine Regeln betreffend der Spielberechtigung geändert, dieses Mal um auch den akademischen Erfolg von neuen Spielern abzusichern. Die neue Regelung bedeutete, dass weder Bryant noch sein Freund Howard in ihrem ersten Collegejahr spielberechtigt waren.



Howard zog trotzdem gleich nach Maryland, während Joe Bryant in diesem verlorenen Jahr eine Menge Zeit mit Gilbert Saunders verbrachte. Auf der La Salle spielte er nur college-interne Spiele. Selbst in seinem zweiten Jahr am College war Joey noch immer sehr mager (er wog weniger als hundert Kilo). Sein erstes offizielles Spiel für die La Salle Explorers spielte er in der Saison 1973/74, wo er sofort eine deutliche Aufwertung für den Talentpool des Colleges darstellte. Coach Westhead, dem bereits der Ruf eines Experten für Shakespeare vorauseilte, wachte über die Spiele mit akademischem Gebaren.



Jellybean trug seinen Teil dazu bei, indem er so spielte, dass es der Basketballversion eines jambischen Pentameters gleichkam. Ein Studentenmagazin der La Salle University beschrieb ihn als „extravagantes Genie“. „Es lag nicht nur an seiner Größe“, erinnert sich Westhead. „Sein Spiel war geschmeidig. Er war immer in Bewegung, niemals statisch. Statisch gab es in seiner Welt nicht. Es ging immer nur links, rechts, vor, zurück. Da war immer eine Leichtfüßigkeit in seinem Spiel. Das galt auch in der Verteidigung. Er versuchte immer seinen Gegnern den Ball zu stehlen.“ Als junger Coach liebte Westhead das offene Spiel, was aber hieß, dass sein Team immer in Bewegung bleiben und Pressing betreiben musste.



„Bryant war der Typ, der einen defensiven Rebound fing und anstatt auf seinen Aufbauspieler zu passen, den Ball dank seiner Fähigkeiten selbst bis unter den gegnerischen Korb brachte“, erklärt Westhead. „Das war selten in den 70ern und auch in den Jahren danach.“ Fünf Jahre später erlangte ein 2,06 m großer Magic Johnson damit Berühmtheit, als er Michigan State zur nationalen Collegemeisterschaft führte und, einige Jahre später, die Lakers zu fünf NBA-Meisterschaftstiteln. Im Jahr 2015 war es Draymond Green, ein Power Forward mit ausgezeichneten Spielmacherqualitäten und sehr guter Konterspieler, der einen großen Anteil daran hatte, dass die Golden State Warriors den NBA-Titel gewinnen konnten. Doch 1974 war ein Center mit Spielermacherqualitäten ein absolutes Novum.



Bryants zweite Saison im College war von vielen großartigen Leistungen gekrönt, unter anderem Siege über die dominanten Teams des Ostens, wie etwa Clemson und das sechstgesetzte Alabama in der Sugar Bowl, welche La Salle dank eines späten Korbs von Bryant für sich entscheiden konnte. Zu dieser Zeit gab es noch keine Wild Cards im NCAA-Turnier und die einzige Möglichkeit ins große Finale zu kommen, war das eigene Conference-Turnier zu gewinnen.



Im Ligafinale traf La Salle dann auf das Lafayette College. Zwei Minuten vor dem Ende lag La Salle mit sieben Punkten voran, als Joe Bryant seinem Gegenspieler den Ball abnimmt und allein auf den gegnerischen Korb zieht. Bryant sprang so hoch er konnte und stopfte den Ball in den Korb. Als er sich umdrehte, hatte er ein breites Grinsen auf dem Gesicht. Doch zu dieser Zeit waren Slam Dunks im Collegebasketball nicht erlaubt. Anstatt zwei weiteren Punkten für La Salle gaben die Schiedsrichter ein technisches Foul und zwei Freiwürfe für Lafayette. Noch immer grinsend ging Bryant zur Bank und sagte zu seinem Trainer: „Coach, ich konnte einfach nicht anders.“ „Ich glaube, er wusste genau was er tat“, erzählt Westhead. „Es muss im klar gewesen sein, dass wir das Spiel auf jeden Fall gewinnen würden und er dachte sich wohl: Jetzt habe ich die ganze Saison darauf gewartet, jetzt tue ich es einfach. Das Spiel gewinnen wir ja sowieso, also was soll’s.“ Eine treffende Beschreibung von Jellybeans Karriere. La Salle gewann und traf nun auf das mächtige Syracuse College. Doch trotz Joe Bryants ansonsten exzellenter Vorstellung, vergab er den Matchball und die Explorers mussten sich in der Nachspielzeit geschlagen geben. Somit zog Syracuse in die Final Four, das Semifinale, ein. Nach der Saison meldete Bryant „finanzielle Notlage“

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 an und erklärte sich somit für die Profiliga als vorzeitig verfügbar. Auch Westhead war der Meinung, dass dies der richtige Zeitpunkt für Bryant war.

 



„Zurückblickend war Joe Bryant der erste 2,10 m große Point Guard in Amerika“, sagt Westhead. „Aber damals hätte niemand daran gedacht, Spieler von dieser Größe als Point Guard oder Spielmacher aufzustellen, oder vermutet, dass sie überhaupt solche Qualitäten besitzen könnten. Tatsächlich dachten auch viele, die Joe spielen sahen, dass er es übertrieb und seine Spielweise mehr an einen Forward hätte anpassen und nicht wie ein Point Guard hätte spielen sollen.“ Diese Kritik kam auch von Talentsuchern und anderen Trainern, doch Westhead stimmte dem nicht zu. Für ihn war es Zeit, Jelly endlich von der Leine zu lassen, denn