Missionale Theologie

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2.4Ein Gott, der sendet





Die Missio Dei ist ein aus der Missionstheologie nicht mehr wegzudenkendes Konzept. Auch missional gesinnte Theologen aus dem evangelikalen Segment beginnen neuerdings, ihn für ihre Sichtweise zu reklamieren. Ein besonderes Problem in der Entstehungsgeschichte des Konzepts bestand in seiner Vieldeutigkeit. So konnte es geschehen, dass unterschiedliche und zum Teil gegensätzliche Ansichten in das Konzept hineingelesen wurden. Diese Unschärfe bedarf der Korrektur. Noch zu Beginn der 1980er-Jahre konnte David Bosch sagen, „dass die Trinitätslehre in Kirche, Mission und Theologie eine nur recht vage Funktion ausübt“. Es sei daher notwendig, „detaillierter auszuführen, was wir unter einer trinitarischen Grundlage der Mission verstehen“.

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 Deshalb halte ich es für angebracht, im Folgenden einige biblische Grundzüge der Missio Dei herauszuarbeiten.

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Gott sendet





Obwohl wir den Begriff „Mission“ zu Recht mit dem Neuen Testament – und dort insbesondere mit dem sogenannten Missionsbefehl in Mt 28 und Parallelen – in Verbindung bringen, ist Mission nicht auf das Neue Testament beschränkt. Das neutestamentliche Missionsverständnis hat tiefe alttestamentliche Wurzeln.



Das Alte Testament offenbart einen sendenden Gott, der sich aus Liebe offenbart und Menschen zu Werkzeugen seines Heils macht. Gott selbst ist der erste Missionar. Nach dem Sündenfall geht er zu den Menschen und kündigt ihnen Gericht und Rettung an: „Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse“ (1Mo 3,15). Mit diesem Versprechen kündigt Gott den Menschen die Überwindung des Bösen an. An diesem Punkt in der Geschichte beginnt inmitten der menschlichen Unheilsgeschichte die Heilsgeschichte Gottes. Hier werden die Grundzüge biblischen Heils sichtbar:

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 Gott geht aus sich heraus und sucht das Heil des Menschen. Das Heil ist Gottes Werk, die Selbsterlösung steht schon hier ganz am Anfang im Gegensatz zum Wirken Gottes. Das Heil wird Satan, den Feind der Menschen, zerstören. Damit ist angedeutet, dass die Geschichte nicht endlos weitergeht. Sie hat mit der Schöpfung einen Anfang und mit Gericht und Neuschöpfung ein Ende (Offb 21,1ff). Das Heil wird durch einen Menschen kommen, den „Nachwuchs“ Evas. Dies ist ein verhüllender Hinweis auf Jesus Christus. Durch sein Leiden („du triffst ihn an der Ferse“) verwirklicht er das Heil. Damit wird schon auf den ersten Seiten der Bibel klar: Gott gebraucht Menschen als seine Werkzeuge, um sein Heil zu verwirklichen. Die Initiative geht von Gott aus und das Heil, das er anbietet ist ein Geschenk. Doch dieses Geschenk muss vermittelt werden. Die Vermittlung des Heils, die sowohl im Alten als auch im Neuen Testament eine wichtige Rolle spielt, klingt hier bereits an. Denn wo es keiner menschlichen Vermittlung bedarf, ist auch keine Mission nötig. Und auch das Zusammengehen von Gericht und Gnade findet sich hier: „Gott selbst kommt und verkündigt ihnen das Gericht. Das gehört immer zur Mission dazu. Denn wenn das Gericht nicht wäre, brauchten wir nicht von Gnade und Vergebung zu sprechen.“

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Die Grundzüge der Missio Dei sind auf den ersten Seiten der Bibel also bereits vorgezeichnet. Entlang dieser Linien entfaltet sich im Alten Testament eine immer deutlicher werdende Theologie der Sendung, in welcher Gott der Handelnde ist. Einige Beispiele: Gott sendet einen Engel, um Abrahams Knecht zu helfen, eine Frau für Isaak zu finden (1Mo 24,7). Gott sendet Josef nach Ägypten, um seine Familie zu retten (1Mo 45,7). Gott sendet Mose zum Pharao, um die Freilassung seines Volkes zu fordern (2Mo 3,10). Gott sendet einen Engel, um sein Volk in das verheißene Land zu führen (2Mo 23,20).








Gott liebt





Die zentrale Motivation der Sendung Gottes ist seine Liebe, die sich in seiner Barmherzigkeit zeigt. Nirgends im Alten Testament wird das deutlicher als im Exodus, der paradigmatischen Erfahrung Israels. Das rettende Eingreifen Gottes wird zweifach begründet:



Zum einen gründet Gottes heilbringendes Handeln in seiner Bundestreue, die auf das Versprechen an Abraham zurückgeht, aus ihm ein Volk zu schaffen

. „Gott hörte ihr Stöhnen und Gott gedachte seines Bundes mit Abraham, Isaak und Jakob. Gott blickte auf die Söhne Israels und gab sich ihnen zu erkennen“ (2Mo 2,24f), steht wie eine Überschrift über dem Exodus. Gott hatte Abraham versprochen, dass seine Nachkommen Gottes Volk sein sollten und dass er ihnen das Land Kanaan zum Pachtbesitz geben würde (1Mo 12,1–3). In der Befreiung aus Ägypten begann Gott dieses Versprechen einzulösen.



Zum andern ist es die in Gottes Wesen begründete Barmherzigkeit, die ihn zur rettenden Tat drängt

. „Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid. Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen“ (2Mo 3,7f). In diese Situation des Elends sendet Gott Mose, um die Israeliten zu befreien: „Jetzt ist die laute Klage der Israeliten zu mir gedrungen und ich habe auch gesehen, wie die Ägypter sie unterdrücken. Und jetzt geh! Ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten heraus!“ (2Mo 3,9f). Sowohl hier als auch in den mosaischen Gesetzen offenbart sich Gott als ein aus Barmherzigkeit handelnder Gott.

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 Am Ursprung jeglicher Sendung steht Gott, seine Liebe, seine Barmherzigkeit und seine Treue zu seinen Verheißungen.



Im Exodus zeigt sich exemplarisch Gottes Handeln mit der Welt.

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 Gottes Plan ist es, Heil zu schaffen, und dieses Heil betrifft den Menschen ganzheitlich. Israel wurde durch das Passa von seinen eigenen Sünden erlöst, aber im Exodus ebenso von der an ihnen begangenen Sünde der Unterdrückung befreit. Aus dem Exodus lassen sich Grundzüge missionalen Handelns mit Gültigkeit für die christliche Mission ableiten: In der Mission wendet sich Gott den Menschen ganzheitlich zu und begegnet der ganzen Bandbreite menschlicher Bedürfnisse. Christliche Sendung muss, wenn sie sich Gottes Sendung anschließen will, immer den ganzen Menschen im Blick haben.








Gott beruft





Durch das gesamte Alte Testament hindurch wird deutlich, dass Gott sich Menschen sucht und sie zu Mittlern des Heils macht. Die Sprache der Berufung und Sendung durchzieht das ganze Alte Testament: Gott gibt seinem Volk Richter, um sie zu befreien (Ri 3,9). Gott sendet seine Propheten, um sein Volk zu warnen und zu leiten (Ri 6,8). Gott sendet Samuel, um mit der Salbung von Saul (1Sam 15,1) und David (1Sam 16,1) eine neue Ära einzuleiten. Das Sendungsmuster des Alten Testaments ist durchgängig dasselbe: Gott ist der Sendende, der Menschen zu seinen Gesandten macht, damit diese in seinem Namen reden und handeln.



Grundsätzlich für das Alte Testament ist, dass Israel ein gesendetes Volk ist, um zeichenhaft unter den Völkern zu leben. Israel existierte als priesterliches Volk um der Völker Willen (2Mo 19,5f).

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 Als gehorsames Volk war es dazu bestimmt, unter den Segen Jahwes zu kommen, damit die Völker voll Staunen auf Israel und seinen Gott blickten (5Mo 4,6–8; 28,10). Auf diese Weise sollte Israel ein missionarisches Volk sein und Zeuge bis an die Enden der Erde werden (Jes 49,6).

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Die prophetischen Bücher machen am ausführlichsten von der Sprache der Sendung Gebrauch: Gott sendet seine Propheten zu seinem Volk und zu den Völkern (Jer 1,7). Gott sendet Gericht unter sein Volk (Hes 5,16) und unter die Völker (Hes 39,6). Gott sendet sein Wort, damit es bewirkt, was ihm gefällt (Jes 55,11). Gott sendet Ägypten einen Retter (Jes 19,20). Seinem Volk sendet er aus seinem Erbarmen Korn, Wein und Öl (Joel 2,18f).



In der Berufung der Propheten zeigt sich, dass Gott Werkzeuge sucht, die sein Heil vermitteln. Diese Werkzeuge sind gewöhnliche Menschen, die von Gottes Ruf so in Beschlag genommen werden, dass sie sich Gott völlig zur Verfügung stellen (2Mo 3,1ff; Jer 1,4–10). Sie hören Gottes Worte, sehen in Visionen seinen Willen für das Volk und treten mit der prophetischen Formel „so spricht der Herr“ in seinem Namen auf. Sie sind Gottes Gesandte, die er aus Mitleid zu seinem Volk sendet (2Chr 36,15f).



Dass Gott beruft, um zu senden, zeigt sich exemplarisch bei Jesaja. Gott offenbarte sich ihm in einer Vision im Tempel: „Danach hörte ich die Stimme des Herrn, der sagte: Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen? Ich antwortete: Hier bin ich, sende mich!“ (Jes 6,8). Gott beauftragte Jesaja zu gehen und trug ihm auf, was er dem Volk sagen sollte. Er wurde zum Mund Jahwes für sein Volk. Später ist die Rede vom Gesalbten Jahwes, den er durch seinen Geist zu seiner Sendung befähigt: „Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (Jes 61,1f). Hier sind alle wesentlichen Elemente biblischer Sendung vorhanden: Gott sendet aus Liebe und Barmherzigkeit, um das Elend der Menschen zu wenden. Er bedient sich dabei eines menschlichen Werkzeugs und befähigt ihn zu einer ganzheitlichen Mission durch die Salbung mit dem Heiligen Geist.



Als Jesus seinen Dienst antrat, bezog er in der Synagoge von Nazaret Jes 61,1f auf sich (Lk 4,16ff) und definierte so sein messianisches Selbstverständnis. Jesus ist der Gesalbte Jahwes, dessen Mission darin besteht, den Menschen Gottes rettende Gnade anzubieten. Dieser Text ist in der evangelikalen Bewegung im ausgehenden 20. Jahrhundert zu einem bedeutenden Missionstext geworden.

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 Nimmt man Jes 61,1f als Missionstext ernst, dann gehören Verkündigung („ein Gnadenjahr ausrufen“) und Dienst („und alle heile, deren Herz zerbrochen ist“) zusammen.

 



Am Ende des Prophetenbuches weitet sich die Sendung zum weltweiten Geschehen: „Ich stelle bei ihnen ein Zeichen auf und schicke von ihnen einige, die entronnen sind, zu den übrigen Völkern: nach Tarschisch, Pul und Lud, Meschech und Rosch, Tubal und Jawan und zu den fernen Inseln, die noch nichts von mir gehört und meine Herrlichkeit noch nicht gesehen haben. Sie sollen meine Herrlichkeit unter den Völkern verkünden“ (Jes 66,19). In diesem Text haben wir in einzigartiger Weise Mission in neutestamentlichem Sinn vor uns: Gott sendet Entronnene aus seinem Volk, dass sie die Grenzen zur Heidenwelt überschreiten und Gottes Herrlichkeit unter den Völkern verkünden. Damit ist im Alten Testament eine Theologie der Sendung angelegt, die zur Konkretion drängt und so vorbereitend auf das Neue Testament wirkt.








2.5Mission in Christ‘s Way





Die im Alten Testament grundgelegte Theologie der Sendung wird im Neuen Testament expliziert und konstitutiv für die Kirche. In den synoptischen Evangelien spielt die Sendung Jesu eine zentrale Rolle: Jesus weiß sich von seinem Vater zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt (Mk 9,37). Jesus muss das Evangelium vom Reich Gottes verkündigen, denn dazu ist er gesandt (Lk 4,43). So wie Jesus gesandt war, sandte er die Zwölf (Lk 9,1–6) und später die Zweiundsiebzig (Lk 10,1ff) und wies sie an, den Vater zu bitten, weitere Arbeiter in die Ernte zu senden (Lk 10,2). Aus der Sendung Jesu ergibt sich so die Sendung der Kirche.








Der Vater sendet Jesus





Besonders die Schriften des Johannes enthalten eine ausgesprochene Sendungstheologie. Diese entfaltet sich in einem Dreierschritt: Der Vater sendet Jesus, Jesus sendet die Jünger, der Vater und der Sohn senden den Geist. Kein Evangelium ist so durchdrungen von der Sprache der Sendung wie das vierte Evangelium. Der grundlegende Text ist Joh 3,16f: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“ „Hingeben“ (3,16) und „senden“ (3,17) bilden eine sachliche Parallele. Zentrales Motiv der Sendung Jesu durch den Vater ist die Liebe zur Welt. Diese Liebe drängt Gott dazu, seinen Sohn hinzugeben. Er sendet ihn nicht nur in die Welt, sondern er gibt ihn hin in die Hände der Menschen.



Hintergrund dieses Liebeshandelns Gottes bildet die Erwartung eines zukünftigen Weltgerichts, das in Joh 3,17 angedeutet wird und den Sinn eines noch nicht vollzogenen Gerichts hat. Eines Tages wird Gott für Gerechtigkeit sorgen, indem er zum Gericht erscheint (2Thess 1,6–10; Offb 20,11–15). Mission ist nur möglich, weil dieses Gericht noch nicht vollzogen wird, und sie geschieht im Hinblick auf dieses Gericht.



Der entscheidende Unterschied zwischen der allgemeinen jüdischen Endzeiterwartung in neutestamentlicher Zeit und der Botschaft Jesu bestand im Gericht. Die Juden erwarteten aufgrund der alttestamentlichen Verheißungen, dass Gott durch seinen Messias zum Gericht über die Gottlosen erscheinen würde. Auf diese Weise würde das Reich Gottes anbrechen und Israel erlöst werden. Nun kam Jesus und verkündete dieses Reich als herbeigekommen (Mk 1,14f), aber er vollzog das Gericht über die Sünder nicht. Er verkündete Gott als den, der auf das Recht der Vergeltung verzichtet und seine Souveränität erst im Endgericht wiederherstellt. Jürgen Moltmann hat in diesem Zusammenhang von einer Revolution im Gottesbegriff gesprochen: „Alles was man bei Jesus unter dem Stichwort ‚Gewaltlosigkeit‘ aufzählen kann, ist zuletzt auf diese ‚Revolution im Gottesbegriff‘ zurückzuführen, die er demonstrierte: Gott kommt nicht zur gerechten Rache an den Bösen, sondern zur gnädigen Rechtfertigung der Sünder, ob Zeloten oder Zöllner, ob Pharisäer oder Sünder, ob Juden oder Samaritaner, und in Konsequenz: ob Juden oder Heiden.“

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Das Gericht ist mit Jesus nicht aufgehoben, es wird auf die Zukunft verlegt und Jesus selbst, der als Richter erscheint, wird es vollziehen (Joh 5,22). Mission macht nur Sinn, wenn es ein Gericht gibt. Das wird auch in einem zweiten johanneischen Text deutlich: „Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben; er kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen“ (Joh 5,24). Mission findet in der Zwischenzeit zwischen Kreuz und Wiederkunft statt. Diese Zwischenzeit ist Gnadenzeit, in welcher Gott alle Menschen zu Umkehr und Glaube ruft. Damit ist die Mission eschatologisch verankert, was ihr den rechten Sinn gibt. Ohne eine heilsgeschichtliche Betrachtung der Bibel wird die Mission letztlich in die Irre gehen. Denn die Heilsgeschichte läuft auf das Gericht zu. Aus diesem Grund ist die Mission „der zentrale heilsgeschichtliche Sinn der Zwischenzeit zwischen Himmelfahrt und Wiederkunft des Herrn“.

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 Mission in neutestamentlichem Sinn kann darum niemals nur Hilfeleistung sein, sie ist immer mit einer Botschaft verknüpft und mit einer Aufforderung: Gott bietet rettende Gnade an, die durch Buße und Glauben ergriffen werden kann (Mk 1,15f). Der Ruf zum Glauben und die Aufforderung zu einem Herrschaftswechsel unter das Joch Christi (Mt 11,28–30) gehören untrennbar zur christlichen Mission.








Jesus sendet seine Jünger





In der Sendung Jesu zeigt sich, dass der Gesandte stets den Willen des Sender sucht und in seinem Namen handelt: Jesus kennt den, der ihn gesandt hat (Joh 7,29) und lebt in engster Gemeinschaft mit ihm (Joh 8,12–29). Jesus tut den Willen und die Werke dessen, der ihn gesandt hat (Joh 5,30; 9,4). Seine Worte kommen nicht von ihm selbst, sondern vom Vater, der ihn gesandt hat (Joh 7,16–18). Die Sendung Jesu durch den Vater setzt sich in der Sendung der Jünger durch Jesus fort. Der zentrale Text ist Joh 17,18–23:



Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt. Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind. Aber ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast; denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich.



Dieser Text, der in Kurzform in Joh 20,21 wiederholt wird, verbindet die Sendung von Jesus durch den Vater mit der Sendung der Jünger durch Jesus. Die Missio Dei, aus der die Sendung Jesu hervorgeht, wird so zum Modell christlicher Sendung. Der Text enthält drei wesentliche Aussagen über die Missio Dei:



Erstens führt die Missio Dei durch die Tatsache, dass sich in der Sendung der Jünger die Sendung Jesu fortsetzt, zur Missio Ecclesiae

. Durch das Wort „wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt“ verbindet Jesus die Mission Gottes mit der Mission der Kirche. Die Sendung des Sohnes durch den Vater führt zur Sendung der Jünger durch den Sohn. Die Missio Dei ist ohne die Missio Ecclesiae also nicht zu denken. Die Kirche ist das von Jesus erwählte Werkzeug zur Sendung bis an die Enden der Erde. Man kann nur unter Missachtung dieser biblischen Zusammengehörigkeit von Mission und Kirche davon reden, die Missio Dei mache die Sendung der Kirche unnötig.



Zweitens führt das Leben Jesu als Modell christlichen Handelns in der Welt zu Mission mit dienendem Charakter

. Es geht in der Mission sowohl um die Verkündigung des Evangeliums als auch um die Nachahmung des Lebens Jesu. Das Kreuz und das Leben Jesu sind grundlegend für ein biblisches Sendungsverständnis: Das Kreuz ist

Grund und Inhalt

 der Mission. Ohne das Kreuz gäbe es keine objektive Heilsgrundlage und keine Botschaft der Rettung zu verkünden. Das Leben Jesu ist das

Modell

 der Mission. Es zeigt an, wie Mission zu geschehen hat: Sie ist Nachahmung des Lebens und des Dienstes Christi. Das wirkt sich sowohl auf den Inhalt als auch die Form der Mission aus. So wie Jesus sich mit den Menschen und ihren Nöten identifizierte, sind wir gerufen, zu den Menschen zu gehen und uns ihrer anzunehmen – mit ihren leiblichen, seelischen und geistlichen Bedürfnissen. Mission ist ihrem Wesen nach Dienst. In der jüngeren evangelikalen Missionsgeschichte ist diese Art von Mission mit dem Begriff „inkarnatorisch“ bedacht worden. Die Inkarnation zeigt, wie Mission zu geschehen hat, nämlich als liebevoll