Kobudo 1

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Einführung in das Studium des Kobudô





A) Ryûkyû – Kobu – Jutsu



Als Ryûkyû kobu jutsu hat man einst die auf der Insel Okinawa entstandene Gruppe von Kampfkünsten bezeichnet, die wir heute unter dem Begriff Kobudô kennen.

6

 Sie bildeten sich gemeinsam mit dem Okinawa te, dem Vorläufer des Karate, heraus. Es handelt sich hierbei um Kampfkünste mit Waffen, die im allgemeinen nichts anderes waren als gewöhnliche Geräte, wie sie bei der Ernte, beim Reisdreschen, bei der Fischerei usw. verwendet wurden. Um diese Waffen zu beherrschen, nutzte man die Kenntnis lokaler waffenloser Kampftechniken, wie das Naha te, das Shuri te oder das Tôde.

7

 Diese Synthese führte zu originellen und relativ komplexen Selbstverteidigungstechniken. Für den Gegner, die Samurai, welche einst die kleine Insel in ihren Besitz bringen wollten, waren diese Techniken oft außerordentlich überraschend und stets erschreckend wirkungsvoll, und sie fügten ihm verheerende Verluste zu.



Tatsächlich sahen sich die an sich friedfertigen Okinawaner, die zumeist Fischer und Landwirte waren, mehrfach in ihrer Geschichte mit Invasionen ausländischer Kräfte konfrontiert. Doch der Widerstandsgeist wurde zu einer Art zweiter Natur dieses Volkes, das unaufhörlich bedroht wurde, da es sich geographisch an einer „Wegkreuzung“ befand. Chinesen, Japaner, Malaien, Philippinos, sowie Piraten verschiedenster Herkunft suchten jahrhundertelang die Insel heim oder versuchten, sie zu besetzen. Solch ein Geschick über Generationen kann die Seele eines ganzen Volkes schmieden. Obwohl die Insel seit 1972 wieder unter japanischer Verwaltung steht (nach 1945 war sie von den Amerikanern unter General MacArthur okkupiert worden), fühlen sich ihre Bewohner noch heute sehr verschieden von denen des japanischen Mutterlandes, und sie werden nicht müde, dies zum Ausdruck zu bringen. Tatsächlich ist dieser Unterschied begründet, sowohl ethnisch als auch kulturell; er stellt einen unbestreitbaren zivilisatorischen Sachverhalt dar. Die Okinawaner ließen sich während ihrer bewegten Vergangenheit zu keiner Zeit von anderen assimilieren, im Geheimen nährten sie alles, was ihre Originalität ausmachte, und sie führten gegen die seit 1609 herrschenden Samurai des Satsuma-Klans einen Guerillakrieg, der die Okkupanten zermürbte.








Es ist bekannt, daß erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Ältesten auf Okinawa den Entschluß faßten, ihrem jahrhundertealten Widerstand ein Ende zu setzen und dem verhaßten Feind, welchen die Japaner so lange dargestellt hatten, das Okinawa te zu offenbaren. Noch länger dauerte es jedoch, bis die Japaner davon erfuhren, daß die schöpferische Kraft der Insulaner noch andere geheime Kampfkünste geschaffen hatte, das Kobu jutsu. Erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde man sich dieser Tatsache zunächst in Japan und in der Folge in Europa bewußt. Seitdem herrscht Begeisterung über diese Entdeckung, was jedoch nicht ohne Gefahr ist. Der Zauber des Neuen und seine scheinbare Einfachheit könnten letztendlich dazu führen, daß die Kunst verfälscht wird. Die okinawanischen Waffenkünste zeichnen sich dadurch aus, daß sie grundsätzlich und ihrem Wesen nach bis heute für den sportlichen Wettkampf nicht geeignet sind. Dies stellte die beste Garantie dafür dar, daß sie – im Gegensatz zu so vielen anderen Kampfkünsten – unverändert erhalten bleiben konnten, sowohl, was ihre Techniken angeht, als auch hinsichtlich ihres geistig-philosophischen Hintergrunds. Damit bewahrten sie auch den Geist der „Unentgeltlichkeit“ und der Reinheit. Dies ist vor allem für diejenigen wichtig, für die Kampfkünste ein authentisches Mittel darstellen, sich selbst beherrschen zu lernen. Nicht zuletzt ist hier auch der Grund dafür zu finden, warum diese okinawanischen Künste auf gleichen Rang wie die anderen japanischen Budô-Künste erhoben wurden und dort unter dem Begriff Kobudô fortbestehen.



Ob dieser Zustand bestehen bleiben kann, ist schwer zu beurteilen. Der Druck seitens der Vertreter einer sportlichen Ausrichtung der Kampfkünste auf die letzten authentischen Hüter dieser Künste ist groß geworden. Hier und da lassen sich mittlerweile Verbiegungen des traditionellen Geistes ausmachen, und tatsächlich werden inzwischen bereits „Kobudô-Meisterschaften“ ausgetragen.



Die Zukunft wird offenbaren, ob der Wille jener, die als die letzten „Großen“ des Kobudô bezeichnet werden können, sich gegen die Versuche übertriebener Modernisierung durchsetzen kann, die bedauerlicherweise sehr effektiv sind, da sie einen kommerziellen Hintergrund haben.





B) Landwirtschaftliche Geräte, Kriegswaffen, kodifizierte Künste: die Herausbildung einer Kultur



Die langgestreckte Insel Okinawa befand sich in ihrer Geschichte unter dem Einfluß ihrer ungleich mächtigeren Nachbarn China und Japan. Rund tausend Kilometer von der chinesischen Küste entfernt, war Okinawa lange Zeit tributpflichtig gegenüber dem Reich der Mitte. Darüber hinaus diente es als Zwischenstation für alles, was im Umfeld von Soldaten oder Händlern aus dem zu jener Zeit mächtigsten Reich der Welt nach Japan gelangte. Bevor Okinawa durch japanische Samurai okkupiert wurde, war die Insel zudem Schauplatz unaufhörlicher Kämpfe zwischen rivalisierenden Piraten aus aller Herren Länder, was natürlich auch nicht ohne Auswirkungen auf die Insulaner blieb. All diese mannigfaltigen Einflüsse verwandelten Okinawa in einen einzigartigen und außerordentlich fruchtbaren Nährboden für Kampfkünste. Die Okinawaner setzten sich gegen die Fremdlinge zur Wehr; ihr Haß mündete in mehr oder weniger konfusen Racheaktionen, die letztendlich allesamt ergebnislos blieben. Trotzdem führte die niemals erlöschende Hoffnung auf Unabhängigkeit, die dem jahrhundertelangen Widerstand zugrunde lag, dazu, daß sich die Kampfkünste des Kobudô herausbilden konnten.



Um dies zu verdeutlichen, sollen im folgenden die wichtigsten Etappen der Geschichte des tapferen Inselvolkes, das um keinen Preis bereit war, seine Identität aufzugeben, einer kurzen Betrachtung unterzogen werden.



Über die Geschichte Okinawas vor dem 10. Jahrhundert ist sehr wenig bekannt. Die kleine Insel wurde von rivalisierenden Klanen beherrscht, die einander ohne Unterlaß befehdeten. Aber schon sehr früh – zur Zeit der Sui-Dynastie (581 - 618) – kamen die Ryûkyû-Inseln mit dem chinesischen Festland in Kontakt. Jahrhunderte später, in der Folge des verheerenden Gempai-Krieges in Japan zwischen den Klanen der Taira und der Minamoto (1180 - 1185), brachten sich zahlreiche Japaner auf Okinawa in Sicherheit. Zweifelsohne gelangten durch beide Ereignisse kriegerische Techniken auf die Insel, die die lokal vorhandenen, noch wenig entwickelten Kampftechniken der Einheimischen bereicherten.



Im 13. Jahrhundert ließ Shunten (auch Sonton genannt), der Fürst von Urasoe, der wahrscheinlich der erste König Okinawas wurde, ein Befestigungssystem bauen, das den Aufstieg einer Kriegerkaste demonstrierte. Seine Nachfolger setzten sein Werk fort.



Im 14. Jahrhundert endete das gegenüber der Außenwelt abgeschottete Dasein der Insel endgültig. Es entstanden Handelsbeziehungen mit China, Korea, Japan, aber auch mit den weiter entfernt liegenden Inseln Java und Sumatra. Im Jahre 1372 leistete König Sato den Treueeid gegenüber Kaiser Ming

8

 von China, und Okinawa wurde China gegenüber tributpflichtig.



1429 gelang es König Sho Hashi (1421 - 1439), die Herrschaft über die drei alten Provinzen Chuzan, Hokuzan und Nanzan zu erlangen und somit das erste vereinigte Königreich auf Okinawa zu schaffen. In jener Epoche entwickelten sich Naha und Shuri zu florierenden Handelsstädten, in denen man alle Produkte Südostasiens finden konnte und in denen Japaner, Chinesen, Malayen, Thailänder und Araber verkehrten. Es ist unschwer zu erkennen, daß die Okinawaner hier gute Möglichkeiten fanden, ihre eigenen Kampftechniken zu bereichern.



Ab 1421 scheint Okinawa auch gegenüber Japan tributpflichtig geworden zu sein.



Zu Beginn des 16. Jahrhunderts geschah etwas, das die originelle Ausrichtung der Kampfkünste der Insel entscheidend beeinflußte. König Sho Shin (1477 - 1526) ließ das erste Waffenverbot verkünden. Aus Furcht vor Revolten untersagten die Machthaber den Besitz aller Waffen. Diese wurden konfisziert und in einem Lager streng bewacht. Es gibt jedoch nichts, was das Interesse stärker beflügelt, als ein Verbot, und so waren die Okinawaner sehr danach bestrebt, sich trotz allem Waffen für den Kampf zu verschaffen. Zum einen führte dies dazu, daß man lernte, die bloßen Hände und andere Körperteile als Waffen einzusetzen, woraus sich in der Folge die Urformen des Karate entwickelten, und zum anderen lernte man, Geräte des häuslichen Gebrauchs im Kampf zu verwenden, die mit etwas Einfallsreichtum leicht in wirkungsvolle Waffen verwandelt werden konnten.



Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde die zweite Etappe dieser Entwicklung eingeläutet. Japan war von neuem Schauplatz eines Bürgerkrieges geworden. Der Klan der Tokugawa ging als Sieger daraus hervor, Verlierer war der Satsuma-Klan, der durch die Familie Shimazu angeführt wurde. Der neue Shogun gestattete den zwar besiegten, aber keinesfalls vernichteten Satsuma, die Ryûkyû-Inseln für sich in Beschlag zu nehmen. Das war ein geschickter Schachzug, denn so gelang es ihm, sich gleichzeitig seiner stärksten Gegner zu entledigen und japanische Kontrolle über bis dahin durch China dominiertes Territorium zu gewinnen. Am 5. April 1609 landete der Satsuma-Klan mit 3000 Kriegern auf Okinawa und eroberte die Insel. Die Nachfolger der Satsuma blieben dort bis 1879 an der Macht. Sehr bald nach der Invasion erließ Klanführer Iehisa Shimazu seine ersten Verordnungen für die Insulaner, zu deren wichtigsten die Erneuerung des Verbots jeglichen Waffenbesitzes zählte. Hinzu kam, daß die Praxis jeglicher kriegerischer Übung untersagt wurde. Doch damit nicht genug. Um auch fern von ihrem Mutterland in den Besitz von ausreichend Metall zu gelangen, konfiszierten die japanischen Eindringlinge alle Metallgegenstände und metallenen Werkzeuge, und sie zerstörten schließlich alle Schmieden. Es ist gewiß, daß die Okinawaner auch diesmal dem Verbot trotzten. Das Edikt Shimazus beflügelte den Widerstandsgeist der Ureinwohner. Es begann eine Blütezeit der Kampftechniken. Bereits um 1630 bildeten sich Techniken mit der bloßen Hand, die als Te (Hand) bezeichnet wurden, heraus. Sie stellten eine Kombination aus lokalen Elementen und chinesischem Quanfa (Kungfu) dar.

9

 Doch die wirkliche Neuheit stellte die eindrucksvolle Perfektion im Umgang mit improvisierten Waffen dar. Dies war die Geburtsstunde der Systeme des Kobudô, wie wir sie heute kennen. Man bezeichnete diese Techniken zu jener Zeit als Tigua, ein Oberbegriff, der auf das Training mit Acker- oder Fischereigeräten, wie sie im täglichen Leben verwendet wurden, angewendet wurde.

 



All diese gewöhnlichen und harmlos erscheinenden Gerätschaften verwandelten sich in den Händen von Experten in furchtbare Waffen. Von nun an vollzog sich die Entwicklung des Tigua parallel zu der des Okinawa te, der Urform des Karate. Manche dieser Waffen wurden auf äußerst simple Weise eingesetzt, während andere ihre Wirksamkeit einer ausgefeilten Handhabung verdankten.



Zu jener Zeit ging es ausschließlich um den praktischen Nutzen der Kampftechniken. Man befand sich auf der Stufe des Bugei (kriegerische Techniken), jedoch noch nicht auf der des Budô (Kampfkunst, die die geistige Dimension mit einbezieht). Das Training fand unter äußerster Geheimhaltung statt, für gewöhnlich in der Nacht, und die Techniken wurden mündlich weitervermittelt. Mit der Zeit hoben sich allerdings aus der Vielzahl der Praktizierenden einige Experten heraus, die sich durch besondere Begabung auszeichneten. Es entstanden verschiedene Stilrichtungen, und deren Meister kodifizierten ihre Lehren und ließen der Improvisation immer weniger Raum. Doch dies war eine Entwicklung, die erst im Laufe des 19. Jahrhunderts zur Reife gelangte.



1868, im Jahr des Beginns der Meiji-Restauration, wurde alles, was auch nur im entferntesten einer kriegerischen Aktivität ähnelte, im gesamten japanischen Kaiserreich verboten. Dies stellte den Abschluß der Bakumatsu-Periode

10

 dar, das Ende des Shogunats, jener Militärregierung, die im Jahre 1603 durch Tokugawa Ieyasu installiert worden war. 1879 wurde Okinawa offiziell zur japanischen Provinz. Damals lebten 350 000 Einwohner auf der Insel, davon 23 000 in der Hauptstadt Naha. Es herrschte nun uneingeschränkt die japanische Ordnung, und die alten Kampfkünste schienen dazu verurteilt auszusterben. Doch noch gab es etliche alte Meister, Träger des bedrohten Erbes. Man zählte damals etwa 100 Kampfkunstschulen. Im Jahre 1903 kam es auf Okinawa zur ersten öffentlichen Vorführung der bis dahin eifersüchtig vor der Neugierde der Japaner gehüteten Kampfkünste; dies bedeutete nichts weniger als eine Offenbarung. Im darauffolgenden Jahr genehmigte die Regierung in Tokio die Ausübung dieser Künste, vor allem des Karate, in den Grundschulen, wo sie Bestandteil des Sportunterrichts wurden. Durch diese Entwicklung entging auch das Kobudô der Gefahr des Vergessenwerdens. Es sollte noch zehn Jahre dauern, bis die rasche Entwicklung des Karate durch Funakoshi Gichin und andere, die die Regeln der Geheimhaltung gebrochen hatten und ihre Kunst auch außerhalb Okinawas lehrten, zu einem Motor der Erneuerung auch für die okinawanischen Waffenkünste wurde. Zweifelsohne stand das Kobudô lange Zeit im Schatten des Karate, aber noch vor dem zweiten Weltkrieg begannen die ersten Japaner, jene sonderbaren Techniken zu studieren, die einst von den verachteten Bauern ihrer alten Kolonie entwickelt worden waren. Damit war das Weiterbestehen dieser Kampfkunst gesichert.



Während des zweiten Weltkriegs wurde die Insel Okinawa stark verwüstet und die Bevölkerung dezimiert. Zwischen dem 1. April und dem 10. Juni 1945 widersetzten sich dort Soldaten und Kamikazekämpfer verzweifelt den amerikanischen Truppen unter General MacArthur. 100 000 Menschen ließen in jenem blutigen Frühjahr an den Küsten Okinawas ihr Leben. Selbstverständlich gehörten auch viele Kampfkunstexperten zu den Kriegsopfern, und die Ausbildungssysteme auf dem Gebiet der Kampfkünste wurden durch den Krieg zerrüttet.



Zwischen 1945 und 1972 stand die Insel unter der Besatzungshoheit der siegreichen US-Amerikaner. Die Besatzungsmacht wurde ab 1950, mit Ausbruch des Korea-Krieges, noch verstärkt. Mehr als 100 000 GI waren damals permanent auf Okinawa stationiert. Viele von ihnen brachten bei ihrer Rückkehr in die USA erste Kenntnisse des Karate und auch des Kobudô in ihre Heimat. Schnell erwachte hierdurch das allgemeine Interesse an diesen neuartigen Kampfformen, zunächst in den USA, später im gesamten Westen. Wohl nie zuvor sind die okinawanischen Experten so umworben gewesen wie zu jener Zeit. Um dieser neuen Herausforderung zu begegnen, begannen sie sich in Verbänden, die mehr oder weniger miteinander rivalisierten, zu organisieren. Sie kodifizierten ihre Lehren auf neue Weise, nahmen fremde Kata in ihr Lehrsystem auf, modifizierten bestehende Kata und schufen neue. Parallel hierzu gründeten japanische Experten ihre eigenen Stilrichtungen, die sich durch wieder andere Veränderungen auszeichneten. Doch beide Gruppen von Experten, die okinawanischen wie die japanischen, betrachteten sich gleichermaßen als Erben der Kobudô-Meister des 19. Jahrhunderts. Das Ergebnis war, das die Einheit der Kampftechniken dieser alten Kunst endgültig zerstört wurde.








Meister Sakagami Ryûsho war der erste, der Kobudô einer breiten Öffentlichkeit vorführte. Dies geschah im Oktober 1970 während der ersten Karateweltmeisterschaft in Tokio. Im April 1972 organisierte Meister Hayashi Teruô die zweiten Kobudô-Meisterschaften im Rahmen der zweiten Karateweltmeisterschaft in Paris.



Am 15. Mai 1972 wurde Okinawa offiziell wieder der japanischen Regierungshoheit unterstellt.





C) Ein eindrucksvolles Arsenal



Das Kobudô ist für sich ein vollständiges und mannigfaltiges System. Es war perfekt an die Bedürfnisse einer bäuerlichen Bevölkerung angepaßt, die im Gegensatz zu den japanischen Samurai (Rittern) weder ein besonderes Interesse daran noch die Mittel dazu besaß, sich alle Finessen des Zweikampfes zu eigen zu machen. Die Originalität des okinawanischen Kobudô beruht weniger auf den Techniken, die sich im einzelnen herausgebildet haben, als auf deren Synthese und der Geisteshaltung, die hinter ihrer Anwendung stand.



Auch andere Völker Südostasiens, Inselbewohner (Java, Sumatra) oder Festlandbewohner (China, Vietnam) haben identische oder zumindest vergleichbare Waffen entwickelt wie die Okinawaner, und dies aus ähnlichen Gründen wie diese. Sie wußten sich ebenfalls des Dreschflegels, des Stocks, der Sichel usw. im Kampf zu bedienen. Schon im alten China war der Gebrauch dieser Werkzeuge als Waffen bekannt, wie auch im mittelalterlichen Japan. Doch nirgendwo sonst als auf Okinawa wurden die Kampftechniken mit landwirtschaftlichen Geräten so intensiv und so ausgefeilt entwickelt, was zweifelsohne nicht zuletzt an der räumlichen Begrenztheit der Insel lag.



Entscheidend ist auch, daß sich die Techniken im Volk herausbildeten, wenn nicht sogar in der Masse der Bevölkerung, während sie anderswo, vor allem in Japan, einer Kriegerelite vorbehalten blieben, die die Exklusivität ihrer Macht eifersüchtig hütete. Somit blieb ihre Bedeutung in Japan auch eher marginal, sie wurden als Zusatztechniken zu den „edlen“ Kampftechniken geübt, deren Grundlage der Umgang mit dem Schwert war. Auf Okinawa hingegen wurde das Kobudô selbst als „edle“ Kunst angesehen.










Foto 3: Ein eindrucksvoller Waffenständer, der unterschiedliche Arten Sai (links) und Nunchaku (unten rechts) versammelt. Rechts oben sind Spieße und aus Schildkrötenpanzern gefertigte Chimbe (Timpe) zu sehen. Das Foto wurde im Dôjô von Meister Inoue in Shimizu, Japan, aufgenommen.



Kobudô war das Spiegelbild der körperlichen Möglichkeiten und der geistigen Haltung eines ganzen Volkes, das sich unaufhörlich mit Bedrohungen konfrontiert sah. Das ist der Grund, weshalb hier mehr als in jedem anderen Volk diese echte Einheit zwischen den Menschen und den Mitteln, die sie im Kampfe verwendeten, bestand. Es ist vollkommen gerechtfertigt, Kobudô als zivilisatorische Errungenschaft der Okinawaner zu betrachten, bäuerlich geprägt zweifelsohne, doch außerordentlich ausgefeilt. Diese Kampfkünste waren Ausdruck des Wesens einer Bevölkerung von Bauern und Fischern, die sich durch einen unbeugsamen Willen zu