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Die Schatzinsel

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Die Schatzinsel
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Die Schatzinsel
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Czyta Thomas Dehler
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Die Schatzinsel
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Czyta Andreas Berg, Hans Meissner, Heinz Rabe, Karl Brugsch Heinrich, Klaus Jepsen, Paul Richter, Santiago Ziesmer
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Fünfzehntes Kapitel

Der Mann der Insel

Von der Seite des Berges, der hier steil und steinig war, hatte sich ein Stück Kies gelöst und stürzte nun polternd zwischen den Bäumen herunter. Instinktiv wandte ich meine Augen nach jener Richtung und sah eine Gestalt mit großer Geschwindigkeit hinter dem Stamm einer Fichte verschwinden. Was es war, ob Bär, Mensch oder Affe, konnte ich nicht sehen, es schien dunkel und zottig, mehr sah ich nicht, doch der Schrecken über diese neue Erscheinung ließ mich im Lauf innehalten.

Ich war nun, wie es schien, auf beiden Seiten abgeschnitten; hinter mir die Mörder, vor mir jenes lauernde Etwas. Und sofort begann ich die Gefahren, die ich kannte, den unbekannten vorzuziehen. Silver selbst schien, mit diesem Waldgeschöpf verglichen, weniger gefährlich, und ich drehte mich auf dem Absatz um und begann meine Schritte in die Richtung der Boote zu wenden.

Sofort erschien die Gestalt wieder und fing, einen weiten Kreis ziehend an, mir den Weg abzuschneiden. Ich war gewiß müde, aber selbst wenn ich noch so frisch gewesen wäre wie beim Erwachen, wäre es ganz vergeblich gewesen es an Schnelligkeit mit einem solchen Gegner aufzunehmen. Von einem Baumstrunk zum anderen flog das Wesen wie ein Wild menschenähnlich auf zwei Beinen laufend und doch allen Menschen unähnlich, die ich jemals gesehen hatte. Es bückte sich beim Laufen tief, so daß es wie zusammengeklappt aussah, dennoch war es ein Mensch, darüber konnte ich nicht länger im Zweifel sein.

Ich erinnerte mich an alles, was ich von Menschenfressern gehört hatte. Um ein Haar war ich daran, um Hilfe zu rufen, doch die bloße Tatsache, daß es ein Mensch war, wenn auch ein wilder, beruhigte mich etwas und in gleichem Ausmaße wuchs wieder meine Furcht vor Silver. Ich blieb daher stehen und sah mich nach einem Ausweg um; plötzlich erinnerte ich mich meiner Pistole. Sowie mir einfiel, daß ich nicht wehrlos war wuchs mein Mut, ich wandte mich entschlossen diesem Inselmenschen zu und ging gerade auf ihn los.

Er war jetzt wieder hinter einem Baumstrunk verborgen, doch schien er mich genau beobachtet zu haben, denn als ich mich in seine Richtung wandte erschien er wieder und machte einen Schritt auf mich zu. Dann zögerte er, zog sich wieder zurück, kam mir wieder entgegen und schließlich, zu meinem Erstaunen und zu meiner Verwirrung, warf er sich vor mir auf die Knie und hielt mir seine aufgehobenen Hände bittend entgegen.

Bei diesem Anblick stand ich still.

„Wer seid Ihr?“ fragte ich.

„Ben Gunn“, antwortete er, und seine Stimme klang heiser und sonderbar wie ein verrostetes Schloß. „Ja, ich bin der arme Ben Gunn, der bin ich und seit drei Jahren habe ich mit keinem Christenmenschen gesprochen.“

Ich konnte nun sehen, daß ich einen Weißen vor mir hatte und daß seine Gesichtszüge sogar angenehm waren. Seine Haut schien von der Sonne verbrannt und selbst seine Lippen waren schwarz, so daß seine hellen Augen ganz überraschend aus dem dunklen Gesicht herausleuchteten. Von allen Bettlern, die ich jemals gesehen hatte, leistete er sich das ärgste an Zerlumptheit. Er war in Fetzen von alter Schiffsleinwand und Segeltuch gehüllt und dieses merkwürdige Flickwerk wurde durch ein System der verschiedenartigsten, komischsten Befestigungen: Metallknöpfen, Teilen von Bootshaken und Schlingen aus geteertem Tau zusammengehalten. Um den Leib trug er einen alten Ledergürtel mit Metallschließe, der das einzige ordentliche Stück dieser sonderbaren Ausstaffierung darstellte.

„Drei Jahre!“ rief ich, „seid Ihr schiffbrüchig?“

„Nein, Kamerad,“ sagte er, „ausgesetzt.“

Ich hatte das Wort schon gehört und wußte, daß es eine furchtbare Strafe bedeutete, welche bei den Freibeutern gang und gäbe ist und die darin besteht, daß der Missetäter mit etwas Pulver und Blei versehen, auf irgendeiner einsamen, fernen Insel zurückgelassen wird.

„Vor drei Jahren ausgesetzt,“ fuhr er fort, „und seitdem von Wild, Beeren und Austern gelebt. Wo ein Mensch hinkommt, sage ich, kann er schon für sich sorgen. Aber Kamerad, wie sehne ich mich nach ehrlicher Christenkost! Habt Ihr nicht zufällig ein Stück Käse bei Euch? Nein? Ach, so manche lange Nacht hab’ ich von Käse geträumt – meist von geröstetem – und als ich aufgewacht bin, saß ich hier.“

„Wenn ich je wieder an Bord komme sollt Ihr einen ganzen Laib bekommen“, versprach ich ihm.

Inzwischen befühlte er fortwährend den Stoff meiner Jacke, streichelte meine Hände, bewunderte meine Schuhe und zeigte überhaupt in den Pausen seiner Rede kindliches Entzücken über die Gesellschaft eines Mitmenschen. Doch bei meinen letzten Worten spähte er mit einer Art erschreckter Verschlagenheit zu mir herüber.

„Wenn Ihr je wieder an Bord kommt, sagt Ihr?“ fragte er. „Ja, wer sollte Euch daran hindern?“

„Ihr nicht, ich weiß“, war meine Antwort.

„Natürlich nicht,“ rief er, „nun und – wie heißt Ihr, Kamerad?“

„Jim“, sagte ich.

„Jim, Jim“, wiederholte er sichtlich erfreut. „Nun Jim, ich habe ein so schlechtes Leben geführt, daß Ihr Euch schämen werdet es anzuhören. Also zum Beispiel, würdet Ihr glauben, daß ich eine fromme Mutter hatte, wenn Ihr mich anschaut?“ fragte er.

„Nein, nicht unbedingt“, antwortete ich.

„Ah, und sie war besonders fromm. Und auch ich war ein braver, frommer Junge, der seinen Katechismus so schnell herplappern konnte, daß man kein Wort verstand. Und das ist dabei herausgekommen! Angefangen hat es mit dem Kopf und Adlerspiel auf diesen verflixten Grabsteinen! Aber es ging weiter als das und meine Mutter hatte es gewußt und mir oft alles vorhergesagt, die fromme Frau! Aber die Vorsehung hat mich hergebracht. Das habe ich mir alles auf dieser einsamen Insel ausgedacht und hab mich doch wieder zu den Frommen geschlagen. Nicht das bißchen Rum werdet Ihr mich kosten sehen. Gerade nur einen Fingerhut voll, zum Gesundheit trinken natürlich, sowie ich einen zu sehen kriege. Ich schwöre ich will mich gut halten. Und Jim“ – dabei dämpfte er seine Stimme zum Flüstern – „ich bin reich.“

Ich war nun überzeugt, daß der arme Bursche in seiner Einsamkeit verrückt geworden war und er mag diesen Gedanken in meinen Mienen gelesen haben, denn er wiederholte hitzig:

„Reich! Reich! sage ich. Und ich werde Euch was sagen Jim, ich werde einen reichen Mann aus Euch machen. Oh Jim, Ihr werdet den lieben Gott auf den Knien danken, sicher, daß Ihr der erste wart, der mich gefunden hat.“ Doch da senkte sich plötzlich ein Schatten über sein Gesicht, er ergriff meine Hand fester und er hob drohend den Zeigefinger.

„Jim, sagt mir die Wahrheit: Das ist doch nicht Flints Schiff?“ fragte er.

Darauf hatte ich einen glücklichen Einfall. Ich fing an zu hoffen, daß ich einen Verbündeten gefunden hatte, und antwortete ihm sofort:

„Es ist nicht Flints Schiff und Flint ist tot, doch will ich Euch die Wahrheit sagen, da Ihr mich befragt – wir haben ein paar von Flints Matrosen an Bord und das ist schlimm genug für uns andere.“

„Doch nicht ein Mann – mit einem – Bein?“ keuchte er.

„Silver?“ fragte ich.

„Ja, Silver,“ sagte er, „so hieß er.“

„Er ist der Koch und der Rädelsführer obendrein.“

Er hielt mich noch immer am Handgelenk und dabei preßte er es fest zusammen.

„Wenn Ihr vom langen John geschickt seid,“ sagte er, „dann bin ich so gut wie geliefert, das weiß ich. Aber wie steht’s denn mit Euch?“

Ich entschloß mich im Augenblick ihm die ganze Geschichte unserer Reise und die schlimme Lage zu erzählen, in welcher wir uns jetzt befanden und er hörte mit leidenschaftlicher Teilnahme zu, und als ich zu Ende war streichelte er mich.

„Ihr seid ein guter Junge, Jim,“ sagte er, „und Ihr seid alle in einer bösen Patsche, was? Nun vertraut nur dem Ben Gunn – Ben Gunn wirds schon machen. Aber hört einmal, glaubt Ihr, daß Euer Squire, wenn ich ihm helfen würde – da er doch, wie Ihr sagt, in der Patsche steckt – , glaubt Ihr, daß er sich freigebig zeigen würde?“

Ich sagte ihm, daß der Squire der freigebigste Mensch der Welt sei.

„Ja, aber die Sache ist so,“ erwiderte Ben Gunn, „ich will nicht vielleicht, daß er mich als Torhüter anstellt und mir eine Livree schenkt oder etwas dergleichen. Das ist nicht mein Fall, Jim. Ich meine: ist es wahrscheinlich, daß er sich entschließen würde, jemanden, der ihm so hilft, sagen wir tausend Pfund von dem Geld zu geben, das eigentlich schon so gut wie mein Eigen ist?“

„Das würde er sicherlich,“ sagte ich, „ohnehin hätte alles geteilt werden sollen.“

„Und eine freie Heimreise dazu?“ fügte er mit einem ungeheuer schlauen Blick hinzu.

„Aber,“ rief ich aus, „der Squire ist ein Gentleman und außerdem brauchen wir Euch ja, wenn wir die anderen los werden, als Hilfe auf dem Schiffe auf der Heimreise.“

„Ja,“ sagte er, „natürlich braucht Ihr mich“, und schien sehr beruhigt.

„Jetzt werde ich Euch etwas sagen“, fuhr er fort. „Soviel sag’ ich Euch und nicht mehr: Ich war auf Flints Schiff, als er den Schatz vergrub, er und sechs andere – sechs starke Seeleute. Sie blieben fast eine Woche am Lande und wir warteten im Hafen auf dem alten ‚Walroß‘. Eines schönen Tages bekamen wir das Zeichen und sahen Flint in einem kleinen Boot daherkommen, den Kopf in ein blaues Tuch eingebunden. Die Sonne ging gerade auf und totenblaß sah er aus, wie er da beim Schiff anlangte. Doch da war er nun, versteht Ihr, und die sechs anderen alle tot – tot und begraben. Wie er das gemacht hat konnte keiner von uns erfahren. Es war eine Schlacht, ein Mord und gewaltsamer Tod zumindest – er gegen sechs! Billy Bones war Maat, der lange John Quartiermeister und die beiden fragten ihn, wo der Schatz sei. Nun, sagte er, ihr könnt ans Ufer gehen, wenn ihr wollt und dort bleiben, sagte er, das Schiff wird schon noch andere auftreiben, zum Donner! Das war alles, was er sagte.

 

Nun, ich war vor drei Jahren auf einem anderen Schiff und wir sichteten diese Insel. ‚Jungens,‘ sagte ich, ‚hier liegt Flints Schatz, gehen wir ans Land und suchen wir ihn.‘

Dem Kapitän war es unangenehm, doch meine Kameraden waren alle einverstanden und wir landeten. Zwölf Tage lang suchten sie und jeden Tag wurden sie gröber mit mir, bis sie eines schönen Morgens alle wieder an Bord gingen.

‚Was Euch anlangt, Benjamin Gunn,‘ sagten sie, ‚hier ist ein Gewehr, ein Spaten und eine Spitzhacke. Ihr könnt hier bleiben und Flints Geld allein suchen!‘ sagten sie.

Nun Jim, drei Jahre bin ich nun hier und von dem Tag bis heute nicht ein Bissen Christenkost! Und nun schaut einmal her, schaut mich an, schaue ich aus wie ein Matrose? Nein, sagt Ihr, nun ich bin auch keiner, sage ich.“ Und dabei blinzelte er mich an und kniff mich fest in den Arm.

„Also, so werdet Ihr es Eurem Squire sagen, Jim“ – fuhr er fort – : „Er war auch keiner – so hat ers gesagt, drei Jahre war er der Mann dieser Insel, ob hell, ob finster, ob schön, ob Regen und manchmal hat er schon ans Beten gedacht (müßt Ihr sagen), und manchmal dachte er wohl an seine alte Mutter, ob sie wohl noch leben mag (werdet Ihr sagen), aber den größten Teil seiner Zeit (so werdet Ihr sagen) – den größten Teil seiner Zeit verwendete er zu anderen Dingen, und dann werdet Ihr ihn ein wenig kneifen, so wie ich Euch jetzt.“ Und wieder zwickte er mich in der vertraulichsten Weise.

„Dann,“ fuhr er fort – , „dann steht Ihr auf und sagt folgendes: Gunn ist ein guter Mann (werdet Ihr sagen) und er hat verteufelt mehr Vertrauen zu einem wirklichen, wohlgeborenen Gentleman, als zu diesen Glücksrittern, von denen er selber einer gewesen.“

„Nun,“ sagte ich, „ich verstehe kein Wort von Euren Reden, aber das ist nicht so wichtig, denn wie soll ich an Bord gelangen?“

„Ja,“ sagte er, „natürlich, das ist die Schwierigkeit. Nun, dort ist mein Boot, das ich mit meinen beiden Händen gezimmert habe, ich habe es dort unter dem weißen Felsen versteckt. Wenn es keinen anderen Ausweg gibt, können wir es probieren, bis es dunkel wird. Hei!“ fuhr er auf, „was ist denn das?“

Denn eben jetzt erscholl, trotzdem noch ein oder zwei Stunden bis zum Sonnenuntergang fehlten, Kanonendonner, der auf der ganzen Insel widerhallte.

„Der Kampf hat begonnen!“ rief ich, „folgt mir!“ Und ich rannte gegen den Ankerplatz zu und hatte meine ganze Angst vergessen. An meiner Seite lief leicht und behende der ausgesetzte Mann in seinen Ziegenhäuten.

„Links, links!“ sagte er. „Haltet Euch links, Kamerad Jim, in den Schatten mit Euch! Hier habe ich meine erste Ziege getötet, hierher kommen sie nicht, da fürchten sie sich zu sehr vor Benjamin Gunn. Da, hier ist der Gräbegnisort“ – er meinte natürlich Begräbnisort – „seht Ihr die Gräber, ich komme manchmal her, hie und da, wenn ich glaube, heut könnte es Sonntag sein. Es ist ja eigentlich keine Kapelle, aber es schaut hier doch feierlicher aus, und dann sagt Ihr ihm Ben Gunn war recht schlecht dran – keinen Pfarrer, nicht einmal eine Bibel und keine Fahne, müßt Ihr sagen.“

So schwätzte er beim Laufen weiter und erwartete weder noch erhielt er eine Antwort.

Dem Kanonenschuß folgte nach einer beträchtlichen Pause eine Salve Kleingewehrfeuer, wieder eine Weile Stille, und dann sah ich plötzlich, keine Viertelmeile vor mir, über einem Wäldchen die britische Flagge in der Luft flattern.

Vierter Teil

Das Blockhaus

Sechzehntes Kapitel

(Fortsetzung der Erzählung durch den Doktor)
Wie das Schiff preisgegeben wurde

Es war etwa halb zwei – Glock drei in der Seemannssprache – , als die zwei Boote von der Hispaniola ans Land gingen. Der Kapitän, der Squire und ich besprachen uns in der Kabine. Hätten wir nur eine leichte Brise gehabt so hätten wir die sechs Meuterer, die mit uns an Bord geblieben waren, überwältigt, unser Ankertau durchschnitten und wären in See gegangen. Doch blieb es ganz windstill und wie um unsere Hilfslosigkeit zu vervollständigen, kam Hunter mit der Nachricht herunter, daß Jim Hawkins in eines der Boote geschlüpft sei und mit den anderen an Land gegangen war.

Es fiel uns nicht ein an Jim Hawkins zu zweifeln, doch fürchteten wir für seine Sicherheit. Wenn wir bedachten, in welcher Laune die Mannschaft war, schien es uns mehr als zweifelhaft, ob wir den Burschen je wiedersehen würden. Wir liefen auf Deck. Das Pech in den Fugen warf Blasen, der abscheuliche Geruch erzeugte mir Unbehagen, man roch förmlich Fieber und Dysenterie in diesem abscheulichen Ankerplatz. Die sechs Schurken saßen brummend im Schatten eines Segels auf dem Vorkastell; wir konnten sehen, wie am Ufer die Ruderboote festgemacht wurden und dort, wo der Fluß mündet, in jedem einen Mann sitzen. Einer von ihnen pfiff „Lillibullero“. Daß bloße Warten war unerträglich und so wurde beschlossen, daß Hunter und ich in der Jolle ans Land gehen sollten, um uns dort umzusehen. Die Ruderboote hatten sich nach rechts gewandt, Hunter und ich hingegen ruderten gerade vorwärts in der Richtung, wo sich nach der Karte die Umzäunung befand. Die beiden Männer, welche man zur Bewachung der Boote zurückgelassen hatte, gerieten bei unserem Erscheinen in Verwirrung; „Lillibullero“ brach ab, und ich konnte sehen, wie das Paar sich darüber beriet, was zu tun sei. Wenn sie sich aufgemacht hätten, um Silver zu berichten, hätte alles ganz anders ausfallen können. Doch hatten sie, vermute ich, ihre Befehle und beschlossen ruhig zu warten, wo sie waren und wieder „Lillibullero“ anzuhören.

Die Küste machte hier eine leichte Biegung und ich steuerte so, daß ich diese zwischen uns brachte, so zwar, daß wir schon vor der Landung die Boote aus den Augen verloren. Ich sprang heraus und ging, das heißt, ich lief beinahe vorwärts, mit einem großen Seidentuch, das ich zur Kühlung unter meinen Hut gebreitet hatte, und einem Paar Pistolen, schußbereit in den Händen. Ich hatte noch kaum einige hundert Schritte zurückgelegt, als ich an die Palisaden kam.

Dort sah es so aus: Ein Quell frischen Wassers entsprang fast an der Spitze eines Hügels. Auf diesem Hügel war ein starkes Blockhaus errichtet genug groß, um etwa vierzig Leute zur Not aufzunehmen, und mit Schießscharten auf jeder Seite. Rund um das Haus war ein weiter Platz ausgerodet und die Festung wurde vervollständigt durch einen sechs Fuß hohen Pfahlzaun ohne Tor oder Öffnung, der zu fest war, um so schnell und so leicht niedergelegt werden zu können und zu frei lag, um etwaige Angreifer zu schützen. Die Leute im Blockhaus waren in jeder Beziehung im Vorteil. Sie standen ruhig und geschützt und konnten die anderen wie Rebhühner abschießen. Sie mußten nur eine gute Wache und Proviant haben, dann konnten sie sich, wenn sie nicht vollständig überraschend angegriffen würden, gegen ein Regiment halten.

Mich entzückte vor allem die Quelle, denn obwohl wir es wahrhaftig in der Kabine der Hispaniola gut hatten, reichlich Waffen und Munition und Eßsachen und vorzügliche Weine, war doch eines übersehen worden – wir hatten kein Wasser, ich überdachte das eben, als plötzlich gellend der Todesschrei eines Menschen über die Insel hallte. Ich hatte Menschen schon eines gewaltsamen Todes sterben sehen – ich habe unter Seiner Königlichen Hoheit, dem Herzog von Cumberland, gedient und wurde bei Fontenoy verwundet – und doch stand mir jetzt das Herz still. – „Jim Hawkins ist tot“, war mein erster Gedanke. Es ist schon etwas, ein alter Soldat zu sein und noch mehr ein Arzt. Bei unserem Handwerk gibt es kein Zögern und so entschloß ich mich rasch, wandte mich eilig zum Ufer und sprang in die Jolle.

Glücklicherweise war Hunter ein guter Ruderer. Wir flogen nur so über das Wasser und bald war ich an Bord des Schooners.

Alle schienen ganz erschüttert, was natürlich war. Der Squire saß unten, weiß wie ein Leintuch und grämte sich über das Unheil, in das er uns geführt hatte, die gute Seele! Und auch einer von den sechs Matrosen auf dem Vorkastell sah aus wie eine Leiche.

„Dem Mann da“, sagte Kapitän Smollett, ihm zunickend, „ist die Sache neu, er fiel fast in Ohnmacht, als er den Schrei hörte. Noch ein Ruderschlag und der Mann käme zu uns.“

Ich erzählte meinen Plan dem Kapitän und wir setzten die Einzelheiten seiner Ausführung miteinander fest.

Den alten Redruth stellten wir mit drei oder vier geladenen Gewehren und einer Matratze als Deckung in den Gang zwischen der Kabine und dem Vorkastell. Hunter brachte das Boot zum Hinterdeck und Joyce und ich beluden es mit Pulverbüchsen, Gewehren, Zwiebacksäcken, Fässern mit gesalzenem Schweinefleisch, einem Faß Kognak und meinem unschätzbaren Arzneischrank.

Inzwischen blieben der Squire und der Kapitän auf Deck und letzterer rief den Bootsführer an, der der oberste Matrose an Bord war.

„Herr Hands,“ sagte er, „wir beide haben jeder ein paar Pistolen in der Hand. Wenn einer von euch sechs irgendein Signal gibt, ist der Mann tot.“

Sie fuhren zurück. Nach einer kleinen Beratung stolperten sie alle die vordere Lukenkappe hinunter und wollten uns ohne Zweifel in den Rücken fallen. Doch als sie sahen, daß Redruth in dem abgesperrten Gang auf sie wartete, gingen sie gleich wieder hinauf und ein Kopf zeigte sich plötzlich wieder auf Deck.

„Nieder, Hund!“ schrie der Kapitän und sofort huschte der Kopf zurück und wir hörten vorläufig nichts mehr von diesen sechs sehr kleinmütigen Seeleuten.

Inzwischen hatten wir die Jolle, so schwer wir konnten, beladen und stopften die Sachen hinein, so wie sie kamen. Joyce und ich begaben uns wieder vom Achterschiff aus ins Boot und ruderten, so schnell wir konnten, ans Land.

Dieser zweite Ausflug rüttelte die Wache am Ufer ziemlich auf. „Lillibullero“ wurde wieder abgebrochen und gerade bevor wir sie hinter der kleinen Landspitze aus den Augen verloren, sprang einer ans Ufer und verschwand. Ich hatte fast im Sinne meinen Plan zu ändern und ihre Boote zu zerstören, doch fürchtete ich, Silver und die anderen könnten ganz nahe sein und alles könnte dadurch verdorben werden, daß ich zu viel wagte.

Wir setzten bald an derselben Stelle wie früher ans Land und gingen daran das Blockhaus zu verproviantieren. Alle drei machten wir die erste Tour schwer beladen und warfen unsere Vorräte über die Umzäunung, dann ließen wir Joyce zu deren Bewachung zurück – freilich nur einen Mann, doch mit einem halben Dutzend Flinten – und Hunter und ich kehrten zur Jolle zurück und beluden uns nochmals. So machten wir es weiter ohne einzuhalten, bis die ganze Ladung drüben war, worauf die beiden Diener sich im Blockhaus festsetzten und ich mit aller Kraft zur Hispaniola zurückruderte.

Daß wir es wagten noch ein Boot zu beladen, sieht waghalsiger aus als es in Wirklichkeit war. Die anderen hatten die Übermacht der Zahl, natürlich, doch wir hatten den Vorteil der Bewaffnung. Nicht einer von den Seeleuten auf der Insel hatte ein Gewehr, und wir schmeichelten uns, daß wir über mindestens ein halbes Dutzend abrechnen könnten, noch ehe sie nahe genug kämen, um ihre Pistolen abzuschießen.

Der Squire erwartete mich am Achterfenster und seine ganze Schwäche war von ihm gewichen. Er fing die Leine auf, befestigte sie und wir fingen an in wilder Eile das Boot zu beladen. Gesalzenes Schweinefleisch, Pulver und Zwieback war die Ladung, und nur je eine Muskete und ein Entermesser für den Squire, mich, Redruth und den Kapitän. Die übrigen Waffen und das restliche Pulver warfen wir über Bord in das zweieinhalb Fuß hohe Wasser, so daß wir den blitzenden Stahl weit unter uns auf dem sauberen, sandigen Grunde in der Sonne glänzen sehen konnten. Indessen begann die Ebbe einzusetzen und das Schiff schaukelte um den Anker. Man hörte in der Richtung der beiden Ruderboote schwache Hallorufe. Trotzdem uns das betreffs Joyce und Hunter beruhigte, die sich weit östlich davon befanden, so war es nun doch höchste Zeit für unsere Gesellschaft, sich auf den Weg zu machen. Redruth zog sich von seinem Platz in der Galerie zurück und sprang in das Boot, welches wir dann an die Gillung des Schiffes ruderten, um es dem Kapitän leichter zu machen.

„Nun Leute,“ sagte er, „hört ihr mich?“ Vom Vorkastell kam keine Antwort.

„Mit dir Abraham Gray – mit dir rede ich.“

Wieder keine Antwort.

„Gray“, wiederholte etwas lauter Kapitän Smollett. „Ich verlasse dieses Schiff und befehle dir deinem Kapitän zu folgen. Ich weiß, du bist im Grunde ein ordentlicher Kerl und ich meine, nicht einer von euch ist so schlecht, wie er sich macht. Ich habe meine Uhr in der Hand und gebe dir dreißig Sekunden, mir zu folgen.“

Es blieb still.

„Komm, mein wackerer Junge,“ fuhr der Kapitän fort, „überleg es dir nicht so lange, ich riskiere mein Leben und das meiner beiden Herren mit jeder Sekunde.“

 

Plötzlich entstand eine Balgerei, man hörte Schläge und heraus stürzte Abraham Gray mit einem Messerstich in der Wange und lief auf den Kapitän zu wie ein Hund, dem man gepfiffen hat.

„Ich bin mit Euch, Herr“, sagte er.

Und im nächsten Augenblick sprangen er und der Kapitän an Bord unserer Jolle und wir ruderten darauf los. Aus dem Schiff waren wir draußen, doch noch nicht am Ufer und innerhalb unserer Umzäunung.