Das Weltkapital

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Seit 1979 gibt es Fax, seit 1981 E-Mail, seit 1992 das allgemein zugängliche Internet; und die Telefonkosten für jenes dreiminütige Gespräch New York-London sind weiter von rund 5 Dollar 1980 auf 3,32 Dollar 1990 und nur noch 0,30 Dollar im Jahr 2000 gefallen. Da es dieselben Leitungen sind, haben sich auch die Kosten für Fax, E-Mail und Internet entsprechend verringert. Schematisch stellt sich das Ausmaß im Fall der gesamten Kommunikationskosten folgendermaßen dar:

Kosten der Telekommunikation (1930=100)

1930 - 100,0

1940 - 77,1

1950 - 21,8

1960 - 18,8

1970 - 12,9

1980 - 2,0

1990 - 1,4

(Quelle:Straubhaar 1996, zit. nach Gottwald/Hemmer 1998)

Erst diese Potenz einer weltweiten informationellen Steuerung durch »Verwohlfeilerung« (Marx) der Telekommunikation hat eine nicht mehr ortsgebundene, transnationale Zerstreuung der Betriebswirtschaft ermöglicht. Schon daraus geht übrigens hervor, wie unsinnig der Versuch von Paul Krugman oder Daniel Cohen ist, die Wegrationalisierung von Arbeitskraft durch Mikroelektronik und die Globalisierung des Kapitals als separate Zusammenhänge gegenüberstellen zu wollen. Beide Prozesse gehen nicht nur aus derselben Wurzel hervor, sondern sie bedingen und verstärken sich auch wechselseitig.

Zum andern sind es die niedrigen Transportkosten, die nicht allein das Finanzkapital in Gestalt elektronischer Impulse unmittelbar global agieren lassen, sondern auch einen permanenten Verschub von materiellen Produktionskomponenten und die Zusetzung von Dienstleistungen quer über den Globus möglich machen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden transkontinentale Fluglinien eröffnet und Großraumflugzeuge für Massengüter entwickelt. Dasselbe gilt für MassengutTransportschiffe (»Supertanker« etc.) und die noch jüngere Containertechnologie. Diese Mittel ermöglichten im Gütertransport eine ähnliche, wenn auch nicht ganz so dramatische Senkung der Kosten wie in der Kommunikation und Datenverarbeitung. Schematisch ergibt sich im Langzeitvergleich folgendes Bild:

Kosten für Seefracht und Lufttransport (1930=100)


SeefrachtLufttransport
1930100,0100,0
1940105,067,7
195056,744,1
196045,035,3
197045,023,5
198040,014,5
199048,316,2

(Quelle:Straubhaar a.a.O.)

Wie hieraus ersichtlich, ist die Seefracht in diesem Zeitraum immerhin um mehr als 50 Prozent und die Luftfracht sogar um mehr als 80 Prozent billiger geworden. Wenn sich diese Entwicklung nicht in derselben Linearität zeigt wie im Kommunikationssektor, dann liegt das fast ausschließlich am Energiepreis, der beim Transport naturgemäß eine große Rolle spielt und nicht allein von der technischen Entwicklung abhängt. Das heißt natürlich, dass insbesondere der Rohölpreis möglichst nicht über ein bestimmtes Limit hinaus ansteigen darf, um die globale Verflüssigung der Betriebswirtschaft nicht zu gefährden; und dafür sorgt letzten Endes die demokratische Weltpolizei unter Führung der USA mit Bomben und Raketen.

In den letzten Jahren ist allerdings der Ölpreis (wie die Rohstoffpreise überhaupt) trotzdem in gefährliche Höhen gestiegen. Ursachen sind vor allem die selber globalisierungsbedingte Explosion der Nachfrage etwa durch die einseitige Exportindustrialisierung in China, die gleichzeitige Erschöpfung der Exploration neuer Felder (es werden keine neuen großen Vorräte mehr entdeckt), der technisch marode Zustand der meisten Förderanlagen (die mit immensem Kapitalaufwand erneuert werden müssten) und nicht zuletzt die Lage der wichtigsten Ölfelder in zentralen Krisengebieten (Naher Osten, kaspischer Raum, Afrika), die potentielle Investoren zurückschrecken lässt. Der explodierende Ölpreis kann allerdings die Globalisierung nicht rückgängig machen, sondern erscheint nur als zusätzliche Krisenpotenz, die dennoch zu weiterem Outsourcing treibt – die Kostensenkungs- und Rationalisierungseffekte müssen dann eben umso härter forciert werden, damit die aufgrund desselben Prozesses steigenden Energie- und Rohstoffpreise kompensiert werden. Letztlich handelt es sich um einen weiteren Selbstwiderspruch des Weltsystems, der zu irrationalen Gewaltlösungen treibt, die natürlich nichts lösen (etwa neue Weltordnungskriege und Abschreckungsterror durch taktischen Atomwaffeneinsatz der USA, wie bereits allen Ernstes angedroht).

Erst unter den Bedingungen globaler informationeller Vernetzung fast zum Nulltarif mit unmittelbarer Zugriffsmöglichkeit einerseits und immer noch im historischen Vergleich billiger Transportwege andererseits konnte sich die neue Qualität des Kapitalexports entfalten, die seit der zweiten Hälfte der 80er Jahre eindeutig bestimmend geworden ist. Inzwischen wird zunehmend versucht, die Transportkosten trotz der in mehreren Schüben gestiegenen Ölkosten durch Dumpingpreise bei den Transportmitteln weiter extrem niedrig zu halten; sei es durch Lohndumping mittels Einsatz von Billigkräften aus der Peripherie, sei es durch Missachtung aller Sicherheitsvorschriften und Einsatz längst abzuschreibender Fahrzeuge, Flugzeuge und Schiffe: Das Spektrum reicht hier von abenteuerlichen osteuropäischen Speditionslastkraftwagen, die von völlig übermüdeten und ausgepowerten Fahrern gesteuert werden und im Extremfall nur noch mit Motorbremse unterwegs sind, über mangelhaft gewartete Flugzeuge von Billiglinien bis zu maroden und gemeingefährlichen Tankern, Frachtschiffen und Fähren, die auf die Weltmeere geschickt werden. Die Häufung von Unfällen und Katastrophen auf den weltweiten Transport-wegen, wie sie schon länger zu beobachten war, dürfte sich im Zuge einschlägiger Versuche zur Kompensation der gestiegenen Energiepreise weiter verschärfen.

Durch all diese Friktionen hindurch setzt sich das Outsourcing immer hemmungsloser fort. Kapitalexport ist jetzt wesentlich die Funktion einer transnationalen Verflüssigung und Zerstreuung der Betriebswirtschaft, und genau darin besteht die so genannte Globalisierung im Unterschied zur früheren bloßen Inter-Nationalisierung durch Warenexport und Kapitalexport nach dem mechanischen Baukastensystem. Die transnationale räumliche Aufspaltung der Wertschöpfungskette ist zum entscheidenden Konkurrenzfaktor im Kostensenkungswettlauf geworden, wie z.B. der Siemens-Vorstand Werner Maly schon Mitte der 90er Jahre erklärte:

»Bei der Fertigung verteilt Siemens nach den Worten Malys die Wertschöpfung für ein Produkt seit längerem über die Kontinente und bleibe durch diese ›Mischkalkulation‹ wettbewerbsfähig. Diese Art der Arbeitsteilung greife zunehmend auch im Engineering und in der Software Platz« (Handelsblatt, 22.1.1996).

Die neuen betriebswirtschaftlichen Netzwerkstrukturen können auch die Feinheiten weltregionaler Kostengefälle ausnutzen. Scheint etwa Ostasien aus europäischer oder nordamerikanischer Sicht einen relativ einheitlichen Raum von Billiglohn darzustellen, so enthält dieser Raum aus der Binnenperspektive (die auch für dort agierende westliche Konzerne gilt) in diesem Punkt ebenso wie in anderen eine breit gefächerte Differenzierung, die innerhalb Ostasiens transnationale Wertschöpfungsketten zwecks Export in die westlichen Länder für das Kostenkalkül interessant und notwendig machen:

»Ein typisches Beispiel dafür sind Textilien: Das Handelshaus lässt Stoffe in Südkorea weben, besorgt Knöpfe und Reißverschlüsse in Taiwan, lässt alles in Birma zusammennähen, in Hongkong auf Qualität kontrollieren und verpacken, bevor es zum Kunden nach Europa oder in die USA geht« (Wirtschaftswoche 8/1997).

Die großen westlichen Konzerne, inzwischen aber sogar auch schon mittelständische Betriebe aus den Industrieländern, nutzen nicht nur derartige weltregionale Kostengefälle, sondern wenden dieses Prinzip unmittelbar auf den globalen Raum an, wobei die Kostendifferenzen immer feiner erforscht und realisiert werden. Beispielsweise, zur Überraschung deutscher Zeitungsleser, ebenfalls schon Mitte der 90er Jahre bei der Digitalisierung der Telefonbücher in der BRD:

»Vier Monate lang haben 500 Chinesinnen und Chinesen sämtliche Daten aller deutschen Telephonbücher in Computer eingetippt: 34 Millionen Einträge mit Teilnehmernummern, Namen und Adressen. Am 1. Februar soll das Ergebnis auf einer zehn Gramm schweren Glitzerscheibe auf den Markt kommen. Die Mannheimer Firma TopWare hat für ihre CD-Rom ... nach eigenen Angaben bereits 300.000 Vorbestellungen gesammelt« (Süddeutsche Zeitung, 24.1.1996).

Es gibt kein Element von Firmentätigkeiten mehr, das an einen Ort oder ein bestimmtes Land gebunden wäre. Grenzen für die Ausnutzung von Billiglohn in der kapitalistischen Peripherie zeigen sich allerdings bei der eigentlichen materiellen Produktionstätigkeit insofern, als die meistens äußerst mangelhafte und marode Infrastruktur (fehlende oder miserable Straßen, Flughäfen, Telefonnetze, Energieversorger usw.) sowie die schlechte Ausbildung (Analphabetismus etc.) den Vorteil bei den Arbeitskosten schnell aufzehren können, zumal die Lohnkosten gerade durch die mikroelektronische Revolution und die damit einhergehende extreme Zunahme der Kapitalintensität bei vielen Produktionen nicht mehr entscheidend ins Gewicht fallen. Das ändert trotzdem nichts daran, dass auch auf dieser Ebene der Globalisierungsprozess weiter fortschreitet; das Kostengefälle bei der Arbeitskraft wie bei anderen Produktionsbedingungen kann ja auch innerhalb der westlichen Länder selbst ausgenutzt werden.

 

Außerdem sind es eben keineswegs nur die Elemente der materiellen Produktion, die immer weiter global zerlegt werden und zu regelrechten »Odysseen« der Produkte führen, deren Herstellungsprozess über Länder und Kontinente zerstreut ist. Das schon erwähnte Beispiel der Betriebsabrechnung zeigt, dass im Prinzip fast alle betriebswirtschaftlichen Abteilungen und Teilprozesse, von wenigen ortsgebundenen Ausnahmen abgesehen (und auch diese können durch ein dann eben lokales Outsourcing bewältigt werden), je nach Kostenlage in ganz verschiedenen Orten der Welt zu plazieren sind. Das gilt für die Forschung ebenso wie für die gesamte Verwaltung, die Entwicklungsabteilungen, das Marketing usw. Schon Mitte der 90er Jahre konnte eine erste Auflistung der verschiedenen Formen transnationaler Neuzusammensetzung der Betriebswirtschaft vorgenommen werden:

»Heute findet transnationale Produktion in verschiedenen Formen statt. Einige Unternehmen verteilen die Produktion von Komponenten ihrer Produkte weltweit und konzentrieren die Endproduktion auf einen Fertigungsort. Andere streuen ihre Produktionsstätten weltweit. IBM produziert z.B. die Computer sowohl in den USA als auch in Europa und Japan. Dabei werden die Komponenten mehrheitlich konzernintern und lokal hergestellt und zum Endprodukt zusammengefügt. Der japanische Honda-Konzern besitzt Fertigungsstätten in Kanada. Dort werden Autos zusammengebaut, deren Komponenten aus den USA (und aus anderen Ländern) importiert werden. Sie sind für den US-amerikanischen Markt bestimmt ... Transnationale Produktion findet auch dort statt, wo sich zwei oder mehrere Unternehmen aus unterschiedlichen Ländern vereinigen. Hier gibt es verschiedene Varianten. Volkswagen und Ford besitzen Autolatina in Brasilien und Argentinien, um gemeinsam ihre Autos auf dem südamerikanischen Markt abzusetzen ... Oder es werden Produktions-abkommen geschlossen, mit unterschiedlichen Verantwortungen für Forschung, Entwicklung, Herstellung und Vermarktung auf unterschiedlichen Märkten. Chrysler zum Beispiel stellt einige Modelle in den Fertigungsstätten von Mitsubishi in Japan her (an dem es einen Kapitalanteil von etwa 5 % besitzt), wobei viele Teile aus den USA nach Japan verschifft werden. Die Autos werden alle in den USA abgesetzt. Schließlich lässt sich auf die Form der transnationalen Produktion hinweisen, die durch Zulieferer-Abnehmerbeziehungen zwischen Unternehmen hergestellt werden ... In allen Industriezweigen gibt es inzwischen ›strategische Allianzen‹ zwischen transnationalen Konzernen. In der Luft- und Raumfahrtindustrie kooperieren die großen europäischen Konzerne direkt im Rahmen der Airbusindustrie ... In der Automobilindustrie gibt es kein großes Unternehmen, das nicht eine ›strategische Allianz‹ mit einem anderen Großunternehmen aus einem anderen Land abgeschlossen hätte. General Motors besitzt gemeinsam mit Toyota eine Fabrik in Kalifornien. Beide haben ihre australischen Aktivitäten in einem ›joint venture‹ zusammengeschlossen ... Die Allianzen schaffen einen Markt für qualifizierte Arbeitskräfte, Zulieferer und Anbieter der unterschiedlichsten Produkte. So werden sowohl die vorgelagerten (›upstream‹) als auch die nachgelagerten (›downstream‹) Aktivitäten in das transnationale Organisationssystem eingebettet. Außerdem werden die zu solchen Marktallianzen nicht fähigen Unternehmen unterschiedlichster Nationalität vom Markt verdrängt, von anderen Unternehmen übernommen oder geschluckt (friendly bzw. unfriendly take-over) ... Viele neue Produkte, etwa der Mikroelektronik, der Chemie usw. lassen sich überhaupt nur noch durch transnationale Produktionsbeziehungen verwerten bzw. kommerziell nutzen« (Narr/Schubert 1994, 48 ff.).

Das Outsourcing besteht also nicht nur in der Auslagerung auf sekundäre Spezialunternehmen im Hinblick auf betriebswirtschaftliche Funktionen, sondern auch in der Auslagerung durch »strategische Allianzen« mit anderen transnationalen Konzernen, wobei diese Allianzen wiederum dennoch einbezogen sind in die allgemeine Vernichtungskonkurrenz durch Verdrängungswettbewerb und Übernahmeprojekte. In den zehn Jahren seit dieser Untersuchung von Narr/Schubert hat sich das Outsourcing immer weiter verfeinert und erstreckt sich auf immer größere Räume. Der logische Endpunkt wäre dann erreicht, wenn der »Kopf« des Unternehmens, die operative Führung, alle seine betriebswirtschaftlichen Glieder abgestoßen und auf globale Pilgerfahrt zu den heiligen Stätten der Niedrigkosten geschickt hätte; und das buchstäbliche »caput mortuum« der Betriebswirtschaft könnte schließlich sogar selber noch auf Wanderschaft gehen. Dieses Endstadium ist nicht in Sichtweite; der Prozess der Globalisierung hat noch einen weiten Weg vor sich, dessen Ziel er vermutlich nie erreichen wird, da sich diese destruktive Art von Universalisierung schon vorher desaströs als praktische Unmöglichkeit erweisen muss.

Die Auflösung der Betriebswirtschaft in ihre molekularen Bestandteile und deren globale Zerstreuung ziehen einen enormen Koordinationsbedarf nach sich. Das hybride System verflüssigter Kostenkalkulation in einem weltweiten Bezugsraum erfordert ein ständig fluktuierendes Zusammenwirken ganz heterogener Komponenten. Um ein beliebiges Projekt durchzuziehen, müssen die Planungsstäbe Fremdfirmen, »Töchter«, Sub- und Sub-Sub-Unternehmen, einzelne Freiberufler, gegebenenfalls auch Anwaltskanzleien, externe Forschungsinstitute usw. über Kontinente hinweg zusammenwirken lassen. Oft findet für bestimmte Aufgaben des Outsourcing nicht nur über »strategische Allianzen«, sondern auch weit unterhalb dieser Ebene im betriebswirtschaftlichen Mikrobereich eine Vernetzung mit eigentlich konkurrierenden Unternehmen statt, die aber gleichzeitig auch Vertragspartner auf irgendeiner Projektebene sein können. So heißt es über das »Global Working« von »mobilen, global agierenden Teams« in diesem Kontext am Beispiel von DaimlerChrysler:

»Die Aufgaben in global operierenden Unternehmen sind so komplex geworden, dass sie nicht mehr von einem Unternehmen isoliert zu bewältigen sind; sie können nur durch Zusammenlegung und durch Kooperation unterschiedlichster Kompetenzen gelöst werden. Dazu findet eine zunehmende Vernetzung von Konzernen, Unternehmen, Abteilungen bis hin zu Projektteams statt« (Martin 2000).

Technisch ist das immer weniger ein Problem: Die ständig weiterentwickelte Kommunikationstechnologie macht aufwendige Konsultationen mit einem Übermaß an persönlichen Flugreisen (so das alte Klischee vom international tätigen Manager) zunehmend überflüssig. Videokonferenzen, Internet und innovative Software ermöglichen eine neuartige Steuerung weltweit ineinandergreifender betriebswirtschaftlicher Prozesse:

»Wenn Jürgen Böhm seinen Auftraggeber in Sao Bernardo über die Projektfortschritte informieren wollte, war meist eine Reise in das Daimler-Chrysler-Werk in Brasilien fällig. Der Leiter der Taskforce Daimler-Chrysler Inhouse Consulting mit Sitz in Stuttgart war früher viel unterwegs. Eigens zu diesen Besuchen wurden umfangreiche Berichte angefertigt und per E-mail oder Post verschickt. Böhm koordiniert heute ein räumlich verteiltes Team von Unternehmensberatern, deren Aufgabe es ist, die Werke auf Kostensenkungspotenziale zu durchleuchten und die Werksleitungen zu beraten. In dem Berater-Team sind Kompetenzen aus unterschiedlichen Firmen und Standorten konzentriert, wie Daimler-Chrysler in Stuttgart, ABB in Baden (Schweiz), ABC Technologies in London/München, CTI in Regensburg und Technopart in Köln sowie das Transferzentrum Global Working (TGW) am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Saarbrücken (DFKI). Das Team, so Böhm, orientiere sich an dem Leitgedanken, Know-how zur Wertsteigerung des Unternehmens in Form eines Kompetenznetzes zu bündeln. Das Erfolgsrezept der Taskforce beruhe auf der Verbindung von internem und externem Knowhow. Damit sich ein Teamgefühl entwickeln konnte, musste bislang ein großer Aufwand betrieben werden: Es waren viele Abstimmungen zu den Wochenberichten notwendig, da wenig Transparenz für Berater und Auftraggeber bestand, wer was wann gemacht und mit wem abgesprochen hat. Diese Zeiten sind jetzt vorbei. Wenn ein Rechenschaftsbericht ansteht, kann Böhm sich auf seinem PC den Projektstand in einem virtuellen ›Projektteamraum‹ abrufen ... Der Projektraum basiert auf einem gesicherten Extranet, auf das alle Teammitglieder und auch der Kunde zugreifen können... (Dabei) lässt sich auch aus der Ferne spontan ein Telemeeting schalten, um etwaige kurzfristig aufgetretene Probleme zu klären...« (Martin 2000).

Inzwischen werden Video- und Web-Konferenzen teilweise über Kontinente hinweg bei den transnationalen Unternehmen immer beliebter. Siemens etwa will mit dem System »Move 25« seit 2004 ein Viertel des Reise-Etats einsparen. Was aber technisch lösbar ist, ist es nicht auch gesellschaftlich. Die kommunikationstechnologischen Möglichkeiten, die einer besseren Sache wert wären, geraten in wachsenden Gegensatz zum beschränkten und bornierten Zweck einer abstrakten »Wertsteigerung« der so genannten Unternehmen, die in gewisser Weise schon keine mehr sind. Denn eine weltweite Vernetzung auf technisch-kommunikativer Ebene, die in vieler Hinsicht quer zu den ökonomischen Konkurrenzverhältnissen verläuft, führt letzten Endes das Prinzip der Konkurrenz von isolierten betriebswirtschaftlichen »Subjekten« ad absurdum; und ein Aspekt dieser Absurdität besteht gerade darin, dass die Vernichtungskonkurrenz die Kehrseite dieser Vernetzung und Kooperation bis hinab auf die Mikroebene bildet. Die Auflösung der Betriebswirtschaft in ihre molekularen Bestandteile ist nur die Kehrseite einer von der mikroelektronischen Produktivkraftentwicklung erzwungenen höheren Dimension der Vergesellschaftung, die mit der Produktionslogik des Kapitalismus nicht mehr vereinbar ist.

Schmilzt die mikroelektronische Revolution blind und ohne Bewusstsein der Akteure die rentabel anzuwendende »Arbeit« und damit die »Substanz« des Kapitals ab, so ist die Auflösung und Zerstreuung der Betriebswirtschaft nur die Konsequenz dieses Prozesses auf der Ebene der kapitalistischen Organisationsform. Was sich vom Standpunkt der betriebswirtschaftlichen Rationalität als Auflösung darstellt, ist jedoch gleichzeitig ein höherer Grad kommunikativer und technologischer Vernetzung, also das Gegenteil von Auflösung. Nur wird diese Vernetzung gewaltsam dem kapitalistischen Selbstzweck der betriebswirtschaftlichen Verwertung des Werts unterworfen, obwohl sie darüber hinaustreibt.

Die allseitig vernetzte Weltgesellschaft, deren technologische Potenz dennoch in die Form des Kapitals gebannt bleibt, kann diese Potenz somit nicht positiv, sondern nur negativ darstellen: eben als sozialen und ökonomischen Auflösungsprozess der Gesellschaft. Was unter diesen neuen Bedingungen nach dem isolierten, ungesellschaftlichen Gesichtspunkt der abstrakten Kostensenkungspolitik auf den Weg gebracht wird, muss als gesamtgesellschaftliche Krise schließlich auf die in ihrer globalisierten Form gespenstisch gewordene Betriebswirtschaft selber zurückschlagen.