Medizingeschichte

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2.1.1 Bibliographie

Freitag, Reinhild/Pelkmann, Thomas: Weltweites Wissen aus dem Internet: aktuelle Suchdienste; Suchdienste zu speziellen Themen Musik, Kunst, E-Mail-Adressen; Nachschlagewerke im Internet […]. Feldkirchen 1997.

Nils, Piereth, Wolfang: Kursbuch Geschichte: Tipps und Regeln für wissenschaftliches Arbeiten. 2., aktual. Aufl. Paderborn 2006.

Jeßing, Benedikt: Bibliographieren für Literaturwissenschaftler. Stuttgart 2003.

Krause, Joachim: Bibliographieren in Praxis und Unterricht. 4. Auflage. Düsseldorf 1991.

Ludwig, Martin H.: Das Referat: kurze Anleitung zu seiner Erarbeitung und Abfassung für Schüler und Studenten; Planen und Sammeln, Bibliographieren, Lesen und Notieren, Auswerten und Gliedern; Schreiben und Zitieren, der Text, der Vortrag. 3. Auflage. Hollfeld 1992.

Morant, Marc O.: Das Zitat aus urheberrechtlicher Sicht: eine rechtsvergleichende Studie unter Berücksichtigung der schweizerischen, deutschen und amerikanischen Rechtsordnung. Basel, Genf, München 2006.

Runkehl, Jens/Siever, Torsten: Das Zitat im Internet: ein electronic style guide zum Publizieren, Bibliografieren und Zitieren. 3., korr. Aufl. Hannover 2001.

Schulz, Wolfgang: Das Zitat in Film- und Multimediawerken: Grundsätze für die Praxis des Zitierens gemäß § 51 UrhG in audiovisuellen Medien. In: Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht 42 (1998), 3, S. 221–233.

2.2 Artefakte und andere „Überreste“

Unter ‚Artefakt‘ versteht man in der Medizingeschichte Werkzeuge und Hilfsmittel jeder Art, aber auch andere dreidimensionale Objekte (z. B. Krankenhausbauten), in denen sich die therapeutische und diagnostische Praxis einer bestimmten Epoche spiegeln. Neben schriftlichen Zeugnissen (Gedruckte und ungedruckte Quellen und deren Zitierweisen, S. 41) bilden die Artefakte bis heute die wichtigste Quellengruppe für die Medizingeschichtsschreibung.

Trotz der reichen, zeitlich und geographisch breit gestreuten Überlieferung von (Bau-)denkmälern und Gebrauchsgegenständen, die Zeugnis vom jeweiligen Stand der Medizin ablegen, hat sich die Medizingeschichte dieser „Überreste“ nicht in dem Maße angenommen, wie man es angesichts der Bedeutung und Aussagekraft dieser Quellen eigentlich erwarten müsste. Das hängt damit zusammen, dass die Medizingeschichte lange Zeit überwiegend von philologisch interessierten Ärzten betrieben wurde. Dagegen erfreuten sich nicht-schriftliche Quellen vor allem bei Sammlern einer besonderen Wertschätzung. So fehlen – von einigen Ausnahmen abgesehen – Arbeiten zur Geschichte der medizinischen Instrumente, die über eine reine [<<42] Überlieferungsgeschichte und eine Funktionsbeschreibung hinausgehen. Das Gleiche gilt für die Krankenhausgeschichte, die lange Jahre – insbesondere in Deutschland – eher eine Geschichte von Bauvorhaben und Fassaden war, aber kaum Bezüge zwischen der Architektur und der vorherrschenden Krankheitslehre bzw. Therapie herzustellen vermochte. Auf diese Weise wurde auch die soziale Funktion (im Unterschied zur wirtschaftlichen!) weitgehend ausgeklammert.

2.2.1 Medizinische Instrumente

Um die Geschichte der Medizintechnologie von den Anfängen bis heute zu erforschen, kommen neben den in privaten und öffentlichen Sammlungen oder am ursprünglichen Ort überlieferten Objekten (z. B. Baudenkmäler, Gräberfunde) auch schriftliche und bildliche Darstellungen in Frage.

Hinweise auf den Gebrauch von Skalpellen finden sich beispielsweise bereits in schriftlichen Zeugnissen aus den antiken Hochkulturen. So erfährt man aus dem Codex Hammurapi, einem babylonischen Gesetzestext aus der Zeit um 1700 v. Chr., dass ein Arzt, der einem Patienten eine schwere Wunde mit einem Operationsmesser aus Bronze zufügte, dann nicht bestraft wurde, wenn eine Heilung eintrat. Der römische Schriftsteller Aulus Cornelius Celsus (1. Jh. n. Chr.), von dem wir nicht wissen, ob er ein Arzt war, überliefert uns in seinen acht Büchern über die Medizin (De medicina) eine kurze Beschreibung von 35 chirurgischen Instrumenten. Ausführlicher behandelt der arabische Arzt Abulkasis († ca. 1010) in seiner Abhandlung über die Chirurgie das dazu notwendige Instrumentarium. Darin werden Dutzende unterschiedlicher Zangen, Sonden, Messer, Schnapper und Brenneisen nicht nur beschrieben, sondern auch bildlich dargestellt. Zeugnis vom wundärztlichen Handwerkszeug zu Beginn der Neuzeit legt unter anderem Hans von Gersdorffs Feldtbuch der Wundartzney (1517) ab, in dem beispielsweise „Instrument[e] zu dem krummen Arm, Knii, oder Schenkel streckung“ – also orthopädische Streckwerkzeuge – aufgeführt und abgebildet sind. Zu den umfangreichsten Beschreibungen chirurgischer Instrumente aus der Feder eines frühneuzeitlichen Wundarztes zählt Johannes Scultetus’ (1595–1645) Armamentarium Chirurgicum (1655) sowie das in mehrere Sprachen übersetzte Werk Institutiones chirurgicae (1719) des Helmstedter Chirurgie-Professors Lorenz Heister (1683–1758). Im 19. Jahrhundert werden solche Einführungen in die Chirurgie, in denen auch dem Instrumentarium besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird, eher selten. Eine Ausnahme bildet beispielsweise der Folioband von Joseph Pancoast mit dem Titel A Treatise on Operative Surgery Comprising a Description of the Various Processes of the Art including all the New Operations […] (1844). Beschreibungen neuer [<<43] chirurgischer Eingriffe und der dazu notwendigen Instrumente findet man seit dem 19. Jahrhundert vor allem in medizinischen Fachzeitschriften – eine wahre Fundgrube der Technikgeschichte der Medizin. Im 20. Jahrhundert kamen spezielle Lehrbücher für Operationsschwestern auf den Markt, die eine ausführliche Instrumentenkunde beinhalten, wie z. B. das Standardwerk von Berta Kaboth (Lehrbuch der Instrumentenkunde für die Operationspraxis, 1. Aufl. 1937), dessen verschiedene Auflagen nicht nur die durch den medizinischen Fortschritt bedingte Erweiterung, sondern auch die erstaunliche Tradition des Operationsbestecks erkennen lassen.

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden Kataloge von Herstellern medizinischer Instrumente als bildliche und schriftliche Quelle immer wichtiger (Davis/Dreyfuss, 1986). Zu den umfangreichsten und frühesten Beispielen für diese Quellengattung zählt der Warenkatalog des französischen Instrumentenmachers Joseph Frédéric Charrière (1803–1873), der erstmals 1843 erschien und eine Fülle von chirurgischen Instrumenten, aber auch orthopädischen und sonstigen medizinischen Hilfsmitteln (Bandagen, Spritzen, Hörhilfen etc.) dem potentiellen Käufer nicht nur nach Größe, Typ, Preis und Qualität auflistet, sondern teilweise auch deren Gebrauch erläutert. Allerdings sind diese Warenkataloge nicht besonders gut überliefert. Eine Ausnahme bildet die Sammlung des National Museum of American History, in dessen Sammlung sich über 2000 solcher Warenkataloge und Preislisten, überwiegend amerikanischer Provenienz, befinden. In Europa verfügt die Wellcome Library in London (Fachbibliotheken und Medizinhistorische Institute, S. 116) ebenfalls über eine beachtliche Kollektion. Einige dieser Kataloge und Firmenunterlagen enthalten detaillierte Gebrauchsanleitungen, die wiederum als Quelle für die Auswirkungen, die neue Techniken auf das Arzt-Patient-Verhältnis haben, herangezogen werden können. In der Regel handelt es sich jedoch um reine Warenkataloge bzw. Preislisten, die gleichwohl eine wichtige Quelle für die Entwicklung der Medizintechnik (Technikgeschichte, S. 286) darstellen. Gelegentlich gibt es davon sogar Nachdrucke aus neuerer Zeit, wie im Falle des Hauptkatalogs (Original um 1910, ND 1987) der Firma Medicinisches Waarenhaus, die sich auf Chirurgie-Instrumente und Arzt-Ausrüstungen spezialisiert hatte. Solche Kataloge sind unter dem Aspekt der Werbung für medizinische Produkte für sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Untersuchungen in der Medizingeschichte als Quelle von Interesse. In Katalogen zu internationalen Industrie-Ausstellungen (die erste fand 1851 in London statt) und später zu den Hygiene-Ausstellungen (zuerst Dresden 1911) finden sich ebenfalls nicht nur Abbildungen, sondern auch Gebrauchsanleitungen und Beschreibungen von medizinischen Geräten aller Art.

Zugang zur Geschichte der Medizintechnik liefern zudem Abbildungen, zunächst Zeichnungen und Holzschnitte, später Fotografien. Zu den ersten überlieferten [<<44] Beschreibungen chirurgischer Instrumente, denen auch Illustrationen beigegeben waren, gehört die erwähnte Abhandlung Abulkasis’, die uns in einer lateinischen Bilderhandschrift aus dem frühen 15. Jahrhundert überliefert ist. Häufiger findet man dagegen solche Abbildungen in frühneuzeitlichen Chirurgie-Lehrbüchern, wie z. B. in Hieronymus Brunschwigs Buch der Cirurgia (1497). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind die meisten chirurgischen und medizinischen Instrumente, die in Warenkatalogen angepriesen werden, bereits als Gravüre oder sogar als Schwarzweißfoto wiedergegeben. Die bildlichen Darstellungen dienen nicht zuletzt als Hilfsmittel bei der Identifizierung von Objekten, deren Funktion nicht eindeutig zu erkennen oder deren zeitliche Einordnung schwierig ist.

Eine Geschichte der Technikgeschichte (S. 286) erfordert nicht zuletzt, die Objekte selbst in Augenschein zu nehmen. Die vielfältigsten Sammlungen (Museen, S. 138) haben im deutschsprachigen Raum die medizinhistorischen Museen in Zürich, Wien und Ingolstadt. International von Bedeutung ist die Sammlung, die Henry Wellcome (1853–1936) zu Beginn des 20. Jahrhunderts in England zusammengetragen hat und die heute im Science Museum in London untergebracht ist. In den USA befinden sich bedeutende Sammlungen medizinischer Instrumente in der Division of Medical Science of the National Museum of American History of the Smithsonian Institution sowie im Army Medical Museum, beide in Washington/D. C. Daneben sind noch zahlreiche Spezialsammlungen in aller Welt zu nennen: zur Geschichte der Endoskopie die Nitze-Leiter-Sammlung (http://www.univie.ac.at/medizingeschichte/nileimus_lang.htm) im Josephinum in Wien oder zur Geschichte der Elektrotherapie die Sammlung von Earl Bakken in Minneapolis (http://www.thebakken.org). Viele dieser Sammlungen sind mittlerweile durch Kataloge erschlossen, wie zum Beispiel die Sammlung chirurgischer Instrumente im Royal College of Surgeons in London, die bereits 1929 dokumentiert wurde.

 

Für die ältere Zeit kann man nur in Ausnahmefällen etwas über den Besitzer medizinischer Instrumente in Erfahrung bringen, insbesondere wenn es sich nicht um besonders wertvolle oder singuläre Stücke handelt. Einen Glücksfall stellt somit der Fund eines Gerätegriffes in einem kleinasiatischen Arztgrab dar. Nicht nur erfahren wir durch die Inschrift den Namen des Arztes (Hygeinos Kanpylios), wir haben auch noch die zusätzliche Angabe, dass der Bestattete Angehöriger der Tempelverwaltung eines Asklepios-Heiligtums war. Besser sind wir über das 19. Jahrhundert informiert, wo durch Schenkungen das Instrumentarium berühmter Chirurgen oder Ärzte in öffentliche Sammlungen gelangte, wie z. B. das Chirurgiebesteck, mit dem Joseph Lister (1827–1912), der Pionier auf dem Gebiet der Anästhesie, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts operierte. [<<45]

Mehr als über die Besitzer erfährt man in den meisten Darstellungen zur Geschichte der Medizintechnologie über die Hersteller. Bereits in der Antike sind in einigen wenigen Fällen Stempel von Instrumentenherstellern nachweisbar, so z. B. die Werkstatt eines gewissen Agathangelus, dessen Pinzetten und Operationsmesser offenbar im Römischen Reich verbreitet waren, wie Funde aus Italien und den nördlichen Provinzen belegen. Besonders schwierig lassen sich medizinische Instrumente aus der Zeit des 17. und frühen 18. Jahrhunderts zuordnen, weil sie im Unterschied zu späteren Zeiten keine Herstellerzeichen tragen. Da es vor allem Messerschmiede waren, die sich auf die Produktion von Skalpellen, Haken und Pinzetten für den medizinischen Gebrauch spezialisierten, kann man über Zunftakten sowie anhand von Markenzeichen, die auf den Metallteil der Instrumente eingestanzt wurden, die Hersteller gleichwohl ermitteln. Im 19. Jahrhundert hatten einzelne Universitäten sogar ihre eigenen Instrumentenmacher, wie zum Beispiel Leiden, wo die Firma J. Th. Hoefftcke diese Funktion ab 1828 innehatte. In Würzburg durfte der gelernte Messerschmied und Orthopädiemechaniker Johann Georg Heine (1771–1838) seit 1802 den Titel „Universitätsinstrumentenmacher“ tragen. Ein alphabetisches Verzeichnis bedeutender Hersteller chirurgischer Instrumente seit dem 18. Jahrhundert findet sich beispielsweise bei Michael Sachs (Sachs, 2001, S. 267ff.). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden aus Einmann-Unternehmungen häufig Firmen, die zeitweise marktbeherrschend waren, wie beispielsweise die Firma Jetter & Scheerer, die 1899 das Warenzeichen Aesculap schützen ließ. Gründer war der Messerschmied Gottfried Jetter, der 1867 in Tuttlingen mit der Herstellung chirurgischer Instrumente begann.

Nur wenige medizinhistorische Studien haben sich bislang mit der Entwicklung eines internationalen Absatzmarktes für medizinische Instrumente befasst. Zu den wenigen einschlägigen Arbeiten gehört die von James M. Edmonson über die Rolle, die europäische Hersteller auf dem Markt für chirurgische Instrumente in den USA in der Zeit zwischen 1880 und 1916 spielten. Ansonsten überwiegen in der Sekundärliteratur Firmengeschichten (z. B. 125 Jahre AESCULAP, 1992).

Das größte Desiderat in der Geschichte der Medizintechnologie sind jedoch Untersuchungen, die nach den Auswirkungen neuer Techniken auf das Gesundheitssystem fragen und dabei auch rezeptions- und patientengeschichtliche Aspekte berücksichtigen (Reiser, 2009; Timmermann/Anderson, 2009). So gibt es beispielsweise eine kaum noch überschaubare Zahl von Darstellungen zur Geschichte der Röntgenstrahlen, doch nur wenige Studien, die sich mit der Frage befassen, was es heißt, wenn durch die neue Durchleuchtungstechnik „Patientenkörper zum epistemischen Objekt“ (Dommann, 2003) werden. Ähnliches gilt für die Geschichte eines noch älteren Diagnoseverfahrens, das sich bis heute im medizinischen Alltag erhalten hat: die Stethoskopie. Es ist [<<46] bezeichnend, dass die bahnbrechende Arbeit auf diesem Gebiet von einem Medizinsoziologen mit historischem Interesse stammt (Lachmund, 1997). Darin wird am Beispiel des Stethoskops mustergültig gezeigt, welche Aushandlungsprozesse zwischen Ärzten und Patienten bei der Einführung neuer medizinischer Techniken ablaufen. Auch bei anderen Diagnosetechniken, insbesondere bei messenden (Hess, 1990, 1997) sowie bildgebenden Verfahren (Burri, 2008), aber auch hinsichtlich der Elektroenzephalographie (Borck, 2005) oder der Laboruntersuchung (z. B. Howell, 1995), gerät die Patientensicht in den letzten Jahren immer mehr in den Blick der Medizinhistoriker/innen.

Für die meisten in der Therapie eingesetzten Instrumente herrscht dagegen, auch international gesehen, noch ein großer Nachholbedarf in der Medizingeschichtsschreibung. Über die soziale Bedeutung des Klistiers im medizinischen Alltag des Mittelalters und der Frühen Neuzeit ist beispielsweise bereits geforscht worden (Jütte, 1992). Ebenfalls sozialgeschichtlich orientierte Studien finden sich in Sammelbänden zur Geschichte der Elektrotherapie (Bertucci/Pancaldi, 2001), der Prothesentechnik (Ott/Serlin/Mihm, 2002; Anderson et al., 2007) und der Physiotherapie (Terlouw, 2004). Anregungen für historische Forschungen mit dieser alltagsgeschichtlichen Fragestellung können außerdem gegenwartsbezogene medizinsoziologische Studien geben, wie z. B. über den Umgang von chronisch Nierenkranken mit den unterschiedlichen Dialyseverfahren (Gerhardt, 1986) oder über Erfahrungen von Patienten mit der Strahlentherapie (Verres/Klusmann, 1997).

2.2.2 Krankenhäuser

In Krankenhausbauten (ob nun aus Holz, Stein, Beton) spiegeln sich nicht nur längst überwundene oder teilweise noch heute gültige therapeutische Konzepte und Krankheitslehren wider. Diese Gebäude legen auch Zeugnis davon ab, wie eine Gesellschaft mit ihren Kranken umgeht.

Die antiken Hochkulturen kannten noch keine Krankenhäuser. Die Behandlung fand entweder zu Hause, in Heiligtümern oder in der Praxis bzw. Wohnung des Arztes oder Heilers statt. Die Frühgeschichte des Hospitals beginnt erst in der Römischen Kaiserzeit. Unter Kaiser Augustus (63 v. Chr.–14 n. Chr.) entstand in den großen Militärlagern ein neuer Gebäudetyp, das Valetudinarium (Lazarett). Darin gab es vom Operationssaal bis zum Krankenzimmer alles, was für die Behandlung eines Patienten damals benötigt wurde. Im Gegensatz zu den mittelalterlichen Spitälern, in denen Arme, Schwache und Kranke fürsorglich betreut wurden, waren die römischen Krankenhäuser ausschließlich für die heilungsorientierte stationäre Therapie eingerichtet und dienten gleichzeitig der Ausbildung von Ärzten und Pflegepersonal. Das derzeit [<<47] älteste bekannte Valetudinarium befand sich in der Zeit um Christi Geburt in Haltern in Westfalen. Schon in Augusteischer Zeit weisen die Valetudinarien eine besondere Bauform auf. Häufig lagen sie nicht in der Nähe der Lagermauer, sondern weiter im Inneren. An der Eingangsseite befand sich, wie eine Rekonstruktion des Lazaretts im Legionslager Neuss am Rhein zeigt, ein Säulengang. Durch einen Vorraum gelangte man zuerst in einen großen Saal, der vermutlich der ambulanten Behandlung gedient haben dürfte. Von diesem Saal aus betrat man die Behandlungsräume sowie einen langen Korridor, auf dessen beiden Seiten die Krankenzimmer regelmäßig zu Gruppen von drei Räumen angelegt waren. In den römischen Legionslagern konnte man bei optimaler Raumnutzung etwa mit 250 bis 300 Krankenbetten rechnen, was rund vier bis fünf Prozent der gesamten Mannschaft einer Legion die ärztliche und pflegerische Versorgung garantierte (Wilmanns, 2003).

Die Architektur der mittelalterlichen Hospitäler gibt sowohl über die Multifunktionalität dieser Einrichtungen als auch über die Zweckbestimmung und das therapeutische Konzept Auskunft. Die zentrale Stellung der Kapelle macht deutlich, dass nicht die physische Heilung oder die materielle Versorgung Bedürftiger, sondern das (Seelen-)Heil des Menschen im Vordergrund stand. Die Randlage der meisten mittelalterlichen Leprosenhäuser weist auf die Außenseiterstellung der Aussätzigen hin, aber nicht unbedingt auf Furcht vor Ansteckung; denn die Kontagienlehre setzte sich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Siegeszug der Bakteriologie gegen die bis dahin vorherrschende Miasmentheorie durch. Auch die frühneuzeitlichen Pesthäuser befanden sich nicht unbedingt vor den Toren der Stadt, wenngleich sie bezwecken sollten, Menschen, die von der Seuche befallen waren, zu isolieren. Während man gelegentlich durch Gräben oder Kanäle eine künstliche Isolierung zu schaffen versuchte, nutzte man im Falle des Regensburger Pesthauses, das noch teilweise erhalten ist, die natürliche Lage auf einer stromabwärts gelegenen Donauinsel.

Es überrascht nicht, dass Ärzte und Krankenhausplaner im Banne der Miasma-Theorie, die erst an der Schwelle des 20. Jahrhunderts in der Versenkung verschwand, ihr Hauptaugenmerk auf die Lüftung der Gebäude und Krankenstuben richteten. Um die sogenannte „Lazareth- oder Gefängniskrankheit“ (John Pringle) einzudämmen, baute man seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vermehrt dezentralisierte Krankenhausanlagen, die eine bessere Luftzirkulation der Einzelgebäude und eine optimale Entlüftung der Krankensäle ermöglichen sollten. Ein Vorbild für viele europäische Spitalbauten war das Royal Naval Hospital in Plymouth, das 1754 fertiggestellt wurde. Zu den frühen deutschen Beispielen für Krankenhäuser mit großzügiger Bauweise und neuen sanitärtechnischen Anlagen, insbesondere Lüftungssystemen, gehören die Allgemeinen Krankenhäuser in Bamberg (1787–1789), München (1808–1813) und Hamburg [<<48] (1821–1823). Die letzten Reste dieser durch die Miasmentheorie beeinflussten Krankenhausarchitektur findet man im Berliner Urban-Krankenhaus, das 1890 feierlich eröffnet wurde. An den Fassaden einiger Pavillons sieht man noch heute die Hebel der „Miasmen-Klappen“, durch die die schädliche Luft nach außen entweichen sollte.

Die Einführung der Asepsis in die Krankenhäuser gegen Ende des 19. Jahrhunderts blieb nicht ohne Folgen für den Krankenhausbau. Die Pavillonbauweise, die im gewissen Sinne noch das alte Miasma-Konzept verkörperte, wurde aufgegeben. Eines der letzten großen Krankenhäuser, das in Deutschland in diesem Stil gebaut wurde, war das heute noch erhaltene Allgemeine Krankenhaus in Hamburg-Eppendorf (1884–1889). Das dezentralisierte Pavillonsystem wurde in den folgenden Jahrzehnten durch eine Mehrgeschossbauweise ersetzt, die sowohl den Prinzipien der Asepsis Rechnung trug als auch platzsparender und damit ökonomischer war. Nachdem gegen Ende der 1920er Jahre in den USA die ersten Kliniken als Hochhäuser mit mehreren tausend Betten gebaut wurden, z. B. das Country Spital in Los Angeles, fand wenig später diese Idee in Deutschland ebenfalls Nachahmer. Als man 1931 in Osnabrück mit solchen Plänen an die Öffentlichkeit trat, gab es allerdings zunächst heftige Proteste. Zu den ersten Bauten dieser Art in Deutschland zählt gleichfalls das Martin-Luther-Krankenhaus in Berlin, das baugleich auch in Ägypten errichtet wurde. In der Nachkriegszeit entstanden solche „Bettenburgen“ mit einem ausgeklügelten Belüftungssystem in Köln und Münster, wie überhaupt an Unikliniken dieser Baustil am häufigsten anzutreffen ist. Inzwischen (2013) wurde das Aachener Klinikum als bauliches Zeugnis einer megalomanen Apparatemedizin sogar unter Denkmalschutz gestellt.