Medizingeschichte

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2.6.2 Bibliographien der Bibliographien

Hierbei handelt es sich um bibliographische Zusammenstellungen, die keine Original- oder Sekundärliteratur verzeichnen, sondern die Suche nach einschlägigen Bibliographien erleichtern. Einen ersten Überblick bietet die Bibliographie der Bibliographien der Medizin und der in der Medizin angewandten Naturwissenschaften (Inke, 1958). Diese erfasst neben Spezialbibliographien auch unselbständig erschienene Bibliographien. Ein internationales Standardwerk stammt aus dem Jahre 1967: Medical Reference Works, 1679–1966 (Chicago/Ill. 1967). Dazu existieren noch zwei Nachtragsbände. Allein der Hauptteil führt 2703 Werke auf, darunter nicht nur Bibliographien.

2.6.3 Periodische Bibliographien

Die erste periodische Bibliographie zur Geschichte der Medizin erschien 1902. Sie wurde von Karl Sudhoff begründet und trägt den Titel Mitteilungen zur Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften (ab Bd. 31 kam noch „Technik“ im Titel hinzu). Dieses Periodikum, das bis heute ein unentbehrliches Rechercheinstrument ist, musste 1943 mit Band 40 kriegsbedingt sein Erscheinen einstellen. Der medizinische Teil gliedert sich in Gesamtdarstellungen, einzelne Epochen und Sachthemen (Therapie, Krankenpflege, Tiermedizin etc.). Die medizinhistorisch relevante Literatur wird allerdings nicht vollständig erfasst. Insbesondere fehlen Aufsätze, die in ausländischen oder in [<<93] lokal- und allgemeinhistorischen Zeitschriften erschienen sind. Dafür bekommt man aber meist einen ausführlichen und kritischen Kommentar, für den in den ersten beiden Jahrzehnten vor allem Karl Sudhoff zuständig war. Später übernahm diese Aufgabe Wilhelm Haberling (1871–1940), der sich allerdings in seinem Urteil eher zurückhielt. Die einzelnen Bände haben ein Register, das die Suche nach bestimmten Autoren oder Themen erleichtert. Ein umfassendes Gesamtregister in Karteikartenform besitzt das Leipziger Karl-Sudhoff-Institut für Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften.

Die Lücken, die in den Mitteilungen zweifellos vorhanden sind – insbesondere in Hinblick auf die Zeitschriftenliteratur –, schließt die laufende Bibliographie in der wissenschaftshistorischen Zeitschrift ISIS, die 1912 von George Sarton (1884–1956) gegründet worden ist. Zu den Jahrgängen 1913 bis 1965 gibt es mittlerweile ein Gesamtregister, das nach Personen, Institutionen und Sachgebieten unterteilt ist. Allein der Index zu den medizin- und wissenschaftshistorisch bedeutenden Persönlichkeiten enthält über 40.000 bibliographische Einträge zu mehr als 10.000 Personen.

Ab dem Berichtsjahr 1954 informiert ein von der Wellcome Library in London herausgegebenes Periodikum über medizinhistorisch relevante Neuerscheinungen: Current Work in the History of Medicine. Der gedruckte Sachindex zu den einzelnen Heften ist zwar etwas umständlich zu nutzen, aber dennoch ist dieses Nachschlagewerk für eine medizinhistorische Recherche immer noch unentbehrlich. Sämtliche Einträge in dieser Bibliographie sind mittlerweile im Online-Katalog der Wellcome Library (http://catalogue.wellcome.ac.uk/) erfasst und damit leichter zugänglich.

Basierend auf dem Index Medicus hat die National Library of Medicine in Bethesda/Maryland eine jährlich erscheinende Bibliographie der neueren Literatur zur Geschichte der Medizin und benachbarter Disziplinen veröffentlicht (Bibliography of the History of Medicine). Die kumulativen Register, die in gebundener Form für die Jahre 1965–1993 vorliegen, erfassen die wichtigste medizinhistorische Literatur in einem Zeitraum, in dem die Medizingeschichte expandierte und auch traditionelle Fächergrenzen sprengte. Nachdem die elektronische Datenbank HISTLINE nicht mehr fortgeführt wird, kann man Zeitschriftenaufsätze zur Geschichte der Medizin ab 1964 inzwischen über die Online-Datenbank MEDLINE/Pubmed (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed) recherchieren.

2.6.4 Spezialbibliographien

Kaum noch überschaubar ist die Zahl der Spezialbibliographien. Inzwischen gibt es fast für jede medizinische Disziplin oder Richtung eine spezielle Bibliographie. Eine brauchbare Übersicht, in der allerdings neuere Verzeichnisse nicht erfasst sind, bieten [<<94] beispielsweise die bereits genannten bibliographischen Zusammenstellungen (Inke, 1958; Morton, 1991). Zur Geschichte der Medizin im Nationalsozialismus – einem dynamischen Forschungsfeld – liegt mittlerweile eine kommentierte Auswahlbibliographie vor (Jütte et al., 2. Aufl. 2012).

Inzwischen findet man auch einige Spezialbibliographien bereits im Internet, wie z. B. den Katalog der einen Zeitraum von mehr als 500 Jahren umfassenden veterinärmedizinischen Sammlung der Washington State University (http://libguides.wsulibs.wsu.edu/veterinarymedicine), den International Bibliographic Guide to the History of Pathology oder eine Bibliographie englischsprachiger Titel zur Geschichte der Chinesischen Medizin (http://ccat.sas.upenn.edu/~nsivin/nakbib.html).

2.6.5 Medizinische und medizinhistorische Dissertationen

Für medizinische Disputationsschriften bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts existiert eine ältere Zusammenstellung von Johannes Carl Heffter aus den Jahren 1756 bis 1764. Darüber hinaus ist das Bio-Bibliographische Verzeichnis von Universitäts- und Hochschuldrucken (Dissertationen) vom Ausgang des 16. bis Ende des 19. Jahrhunderts (2 Bde., Leipzig 1936–1942) heranzuziehen. Dieses erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für einzelne medizinische Fakultäten liegen Spezialverzeichnisse vor, die dieses Kriterium meist erfüllen, so z. B. für Basel im Zeitraum 1575–1829.

Außerdem gibt es Verzeichnisse, die medizinhistorische Dissertationen über einen größeren Zeitraum erfassen. Meist sind diese jedoch auf einzelne Universitäten (z. B. Breslau: Kahle, 1986) oder Länder (DDR: Diez, 1992) beschränkt. Über laufende und abgeschlossene Dissertationen im deutschsprachigen Raum auf dem Gebiet der Geschichte der Medizin, der Pharmazie und Naturwissenschaft und der Technik gibt der von Gerhard Fichtner (1932–2012) – in gebundener Form und als CD – herausgegebene und in seiner Vollständigkeit überaus hilfreiche Index wissenschaftshistorischer Dissertationen 1970–2003 Auskunft (inzwischen auch online: http://www.iegm.uni-tuebingen.de/cgi-bin/iwd/recherche). Es handelt sich hierbei um ein Verzeichnis abgeschlossener (IWD) und in Bearbeitung befindlicher (LWD) Dissertationen in den genannten Gebieten. Medizin- und wissenschaftshistorische Institutionen können sich so nach bereits vergebenen Dissertationsthemen erkundigen, um so Doppelbearbeitungen zu vermeiden.

Eine Liste neuerer medizinhistorischer Dissertationen an amerikanischen Universitäten ist im Internet zugänglich: http://www.hsls.pitt.edu/histmed/dissertations. [<<95]

2.6.6 Bibliographie

Artelt, Walter: Einführung in die Medizinhistorik. Ihr Wesen, ihre Arbeitsweise und ihre Hilfsmittel. Stuttgart 1949.

Benzenhöfer, Udo: Verzeichnis der medizinhistorischen Dissertationen aus den westlichen Besatzungszonen bzw. aus der BRD zwischen 1945 und 1959. Aachen 1993.

Choulant, Johann Ludwig: Handbuch der Bücherkunde für die ältere Medicin zur Kenntnis der griechischen, lateinischen und arabischen Schriften im ärztlichen Fache und zur Unterscheidung ihrer verschiedenen Ausgaben, Übersetzungen und Erläuterungen. Leipzig 1828.

Diez, Bettina: Medizingeschichtliche Dissertationen auf dem Gebiet der früheren DDR und der Sowjetischen Besatzungszone 1945–1970. Leipzig 1992.

Erlen, Jonathon: The History of the Health Care Sciences and Health Care, 1700–1980. A selective Annotated Bibliography. New York, London 1984.

Fichtner, Gerhard: IWD 1970–2003: Index wissenschaftshistorischer Dissertationen; eine Datenbank laufender und abgeschlossener wissenschaftshistorischer Dissertationen im Zeitraum 1970 bis 2003. Tübingen 2003 [CD-ROM].

Heffter, Johannes Carl: Museum disputatorium physico-medicum tripartitum. 2 Bde. Zittau 1756–1764.

Inke, Gábor: Bibliographie der Bibliographien der Medizin und der in der Medizin angewandten Naturwissenschaften. Halle-Wittenberg 1958.

Jütte, Robert [in Verbindung mit Wolfgang U. Eckart, Hans-Walter Schmuhl und Winfried Süß]: Medizin und Nationalsozialismus. Bilanz und Perspektiven der Forschung. 2. Aufl. Göttingen 2012.

Kahle, Erhart: Bibliographie der Hochschulschriften zur Geschichte der Medizin, Pharmazie und Naturwissenschaften der Universität Breslau 1811–1945. Erlangen 1986.

Morton, Leslie Thomas: Morton’s Medical bibliography: an annotated check-list of texts illustrating the history of medicine (Garrison and Morton), hg. von Jeremy M. Norman. 5. Aufl. Aldershot 1991.

Ploucquet, Wilhelm Gottfried: Initia bibliotheca medico-practicae et chirurgicae realis sive repertorii medicinae practicae et chirurgiae. 8 Bde. Tübingen 1793–1797.

Smiet, Pieter: History of the Life Sciences. An annotated bibliography. With a foreword by Frans Verdoorn. Amsterdam 1974.

Thornton, John L.: Medical books, libraries and collectors: a study of bibliography and the book trade in relation to the medical sciences. 2. Aufl. London 1966.

 

Trautmann, Joanne: Literature and Medicine: An Annotated Bibliography. Zusammengetragen von Joanne Trautmann und Carol Pollard. Überarb. Aufl. Pittsburgh 1982.

West, Ruth: Alternative Medicine. A Bibliography of Books in English. Bd. 1, zus.gestellt von Ruth West und Joanna Trevelyan. London 1985. [<<96]

2.7 Nachschlagewerke und Enzyklopädien

Medizinische Nachschlagewerke, vor allem Lexika und Enzyklopädien, sind wichtige erste historische Hilfsmittel des medizinhistorischen Arbeitens allgemeiner Art. Sie gestatten meist einen ersten Zugriff auf ein bestimmtes Sachthema oder eine Persönlichkeit und sind damit Ausgangspunkte der weiteren Recherche und hervorragende Instrumente einer diachron vergleichenden Begriffsgeschichte und Biographik. Darüber hinaus können sie selbst zu Objekten der Forschung werden, indem ihren Intentionen, ihren Verfassern, dem ausgewählten Kanon und der Präsentation ihrer Lemmata nachgegangen wird. In den folgenden Abschnitten sollen, einer weitgehend chronologischen Gliederung folgend, die wichtigsten medizinischen und einige der herausragenden allgemeinen Wörterbücher, Lexika und Enzyklopädien exemplarisch vorgestellt werden.

2.7.1 Antike und Mittelalter

Obwohl der Lexikographie weder in der griechisch-römischen Antike noch im Mittelalter eine große Rolle in der Wissensvermittlung zukam, sind durchaus allgemeine Nachschlagewerke und Lexika in dieser Zeit verfasst worden. Sie enthielten immer auch medizinische Lemmata, so etwa in der lexigraphischen Sammlung (Synagogè pasôn léxeon) des Hesychios von Alexandria (5./6. Jh. n. Chr.) oder in der Suda, einem um 1000 n. Chr. in Konstantinopel entstandenen Konversationslexikon. Nicht selten sind in diesen Lexika Fragmente älterer, verschollener lexikalischer und grammatischer Werke – in Exzerptensammlungen des Verfassers – enthalten. Häufig handelt es sich auch um Glossare mit lexigraphisch-enzyklopädischen Ansprüchen. Eine solche Tradition bestand seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. hinsichtlich des Corpus Hippocraticum. Zu nennen sind etwa die Glossare des Bakcheios von Tanagra (2. Jh. v. Chr.), des Dioskurides Phakas (1. Jh. v. Chr.), des Erotian (1. Jh. n. Chr.) oder des Dioskurides Glossographos (1./2. Jh. n. Chr.). Rufus von Ephesus (1. Jh. n. Chr.) verfasste eine Schrift über die Benennung der menschlichen Körperteile mit dem Versuch einer vollständigen Nomenklatur. Von Galen sind nur noch die Titel seiner medizinisch-lexikographischen Werke erhalten.

Neben den antiken Glossaren ist jedoch besonders in der römischen Antike eine Reihe bedeutender enzyklopädischer Werke zur Naturgeschichte und Medizin entstanden. Zu nennen sind hier besonders die Naturgeschichte (Naturalis historia) des Gaius Plinius Secundus (23/24–79), das Werk De Medicina libri VIII von Cornelius Celsus (1. Jahrhundert n. Chr.) sowie das Werk De materia medica libri V des Pedanius Dioskurides von Anazarba (1. Jh. n. Chr.). Weitere Werke finden sich im Lexikon zur Antiken Medizin (Leven, 2005). [<<97]

2.7.2 Frühe Neuzeit (ca. 1500–1700)

Enzyklopädien und Lexika der Frühen Neuzeit repräsentieren spezielle Typen der Buchproduktion mit einer alphabetisch geordneten und damit leserfreundlichen inneren Strukturierung, die das wissbegierige Publikum der gelehrten und gebildeten Stände nach allgemeinen oder je spezifischen Bedürfnissen bediente. Im Grunde funktionierten und funktionieren die Werke durchaus modernen Suchmaschinen des Internet entsprechend, wenngleich ihre Benutzbarkeit nicht zufällig-additiven und hochkooperativen, aber schwer zu überprüfenden Entstehungsprozeduren geschuldet, sondern von komplexen literaturhistorischen Verfahren bestimmt war, die die individuelle Recherchefähigkeit in der Regel bei weitem überstiegen. Häufig lagen ihnen lange Literaturlisten zugrunde. Für eine Definition der Enzyklopädie (gr. εγκυκλïπαιδεßα, gebildet aus altgr. enkýklios kreisförmig und paideía Lehre) oder des Lexikons (altgr. lexikón [biblíon], „das Wort betreffendes [Buch]“) greift die reine Übersetzung der etwa gleichbedeutenden Begriffe zu kurz. Kennzeichnendes Merkmal von Lexika und Enzyklopädien im Sinne von (nicht zwingend!) alphabetisch geordneten Nachschlagewerken für Sachen, Begriffe, Personen und Ereignisse ist ihr umfassender oder auf einen besonderen Wissensbereich gerichteter Universalitätsanspruch, der sich durch spezifische Funktionen weiter präzisieren lässt: Lexika und Enzyklopädien wollen ein Wissensgebiet orientierend ordnen, selbst Wissen speichern und Wissen disponieren.

Diese Beschreibung gilt uneingeschränkt auch für medizinisch-lexikographische und enzyklopädische Werke seit der Frühen Neuzeit. Zu den frühesten ihrer Gattung gehören die Pflanzen- und Tierbücher des 16. Jahrhunderts, allen voran die 1530 erschienenen Herbarum vivae eicones des Otho Brunfels (1488–1534), das New Kreütterbuch (1539) von Hieronymus Bock (1498–1554) und die De historia stirpium commentarii (1542) des Leonhard Fuchs (1501–1566), David Kybers Lexicon rei herbariae trilingue (1553) sowie im englischen Sprachraum Nicholas Culpepers (1616–1654) The English Physitian[!] (1652) und sein Complete Herbal (1653). Unter den frühen Tierenzyklopädien sind zu nennen: Guillaume Rondelets (1507–1566) libri de piscibus marinis (1554–55), Conrad Gesners (1516–1565) fünfbändige, an der Tierkunde des Aristoteles in der Übersetzung Theodor Gazas orientierte Historia animalium (Zürich 1551–1587), Edward Wottons (1492–1558) De differentiis animalium libi decem (Paris 1552), unter Verzicht auf das leitende alphabetische Prinzip, sowie das 13-bändige naturkundliche Werk (von mehr als 7000 Druckseiten) des Ulysses Aldrovandus (1522–1605), das mit unterschiedlichen Bandtiteln zwischen 1599 und 1648 in Bologna erschien. Im Grunde sind auch Vesals berühmte De humani corporis [<<98] fabrica libri septem (1543) und die ihnen folgenden autoptischen Anatomien anderer Autoren des 16. und 17. Jahrhunderts nichts anderes als umfassende Anatomien des menschlichen „Kunstbaus“ (fabrica) mit enzyklopädischem Charakter. Grundlegende und ebenfalls enzyklopädischen bzw. handbuchartigen Ansprüchen folgende medizinische Werke des 16. und 17. Jahrhunderts führen häufig den Begriff Institutio oder Encheiridion (bzw. Manuale) im Titel.

Zu den ersten gedruckten medizinischen Lexika allgemeiner Art gehören vermutlich die Synonima medicinae seu Clauis sanationis (Venedig 1486) des Simon Ianuensis (Ende 13. Jahrhundert), das einige Auflagen erlebte (1510, 1514), im Grunde aber auf knapp 100 Druckseiten nicht mehr als die giechischen und arabischen simplicia medicinalia in alphabetischer Ordnung brachte. Höhere Ansprüche verfolgten erst die umfassenderen humanistischen Lexika; so etwa das Dictionarium medicum (1545) des spanischen Humanisten und Grammatikers Elio Antonio de Nebrija (1444–1522) oder das Dictionarivm medicum (1564) des humanistischen Arztes Henri Estienne (1528/1531–1598). Estienne hatte seinem Werk den gesamten Kanon der antiken Klassiker und ihrer byzantinischen Kompilatoren zugrunde gelegt und mit lateinischen Erklärungen versehen. In die Tradition der humanistischen Diktionarien der Medizin ist auch noch das Lexicon medicum Graeco-Latinum (1628, 1657) des Messinenser Humanisten Bartholomeo Castelli (ca. 1550–1607) einzuordnen, das als Castellus renovatus noch 1682 in Nürnberg und zuletzt 1746 in Genf aufgelegt wurde. Die Neubearbeitung des Lexikons durch den Altdorfer Jakob Pankraz Bruno (1629–1709), die als Amaltheum Castello-Brunonianum sive lexicon medicum zuerst in Nürnberg (1688) erschien, erweitert das Lexikon Castellis um das pathologisch-anatomische, chemische und technische Vokabular „neuerer und neuester Authoren“ und verlässt damit den Bereich der humanistischen Lexika bzw. Diktionarien ebenso wie die ganz theologischen Interessen verpflichtete Triumphus bibliorum sacrorum seu encyclopaedia biblica (1625) des Theologen und Polyhistors Johann Heinrich Alsted (1588–1638), die auch der biblischen Medizin Rechnung trägt.

2.7.3 Das Jahrhundert der Enzyklopädien

Die medizinisch-enzyklopädische Literatur des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts ist – verglichen mit den humanistischen Diktionarien des 16. Jahrhunderts – überwältigend und zeugt von einem vollkommen neuen Bedürfnis, einerseits dem Wissenszuwachs einer sich nun an der experimentellen Methodik orientierenden Medizin, andererseits aber auch – ohne substantiellen Verzicht auf den Wissenskanon der antiken Medizin – der neuen Konzeptvielfalt (Chymiatrie, Mechanismus, [<<99] Animismus) einer Medizin im Niedergang des antiken qualitäten- und säftepathologischen Paradigmas Rechnung zu tragen. Die meisten dieser Werke erleben einige Neuauflagen, bleiben allerdings noch der lateinischen Sprache verpflichtet. Zu nennen sind hier unter den allgemeinen Lexika exemplarisch etwa die Encyclopaedia medicinae theoretico-practicae (1684, 1691 u. 1695 Encyclopaedia medica dogmatica) des Johann Dolaeus (1651–1707) oder Steven Blankaarts (1650–1702) überaus erfolgreiches Lexicon medicum Graeco-Latinum, in quo termini totius artis Medicae, secundum Neotericorum placita (1679ff., Faksimile der Ausg. 1748 erst 2005). Blankaarts Lexikon ist auch eines der ersten, das ins Englische übersetzt wurde (A physical dictionary in which all the terms relating either to anatomy, chirurgery, pharmacy, or chymistry, are very accurately explain’d, 1684). Unter den englischen Lexika ist besonders das Lexicon physico-medicum or, A new medicinal dictionary (1719) des Apothekers und Iatrophysikers John Quincy (gest. 1722) zu nennen, das sich zahlreicher Neuauflagen bis ins beginnende 19. Jahrhundert (seit 1811 auch als The American medical lexicon) erfreute. Quincys Lexikon wurde erst durch das bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ebenso erfolgreiche New medical dictionary (1817) Robert Hoopers (1773–1835) ersetzt. George Motherbys (1732–1793) New medical dictionary erlebte nur zwei Auflagen (1775, 1785). Unter den medizinischen Speziallexika sind besonders die der nachparacelsischen Iatrochemie verpflichteten zu nennen, also etwa William Johnsons Lexicon chymicum cum obscuriorum verborum et rerum hermeticarum, tum phrasium paracelsicarum (2 Bde., 1652/53), Christoph von Hellwigs Lexicon medico-chymicum (1711) oder Johann Christoph Sommerhoffs Lexicon pharmaceutico-physicum (1701).

Zum zweifellos bedeutendsten Werk der medizinischen Lexikographie des 18. Jahrhunderts wurde Robert James’ (1703–1776) Medical dictionary, das er in drei engbedruckten großformatigen Bänden von 1743 bis 1745 veröffentlichte. James’ Werk steht am Beginn einer neuen Ära in der Medizinlexikographie und markiert klar den Übergang vom dictionnaire des mots zum dictionnaire des choses. Das Lexikon behandelt systematisch und in je nach Bedeutung des Begriffs abgestufter Ausführlichkeit den gesamten Bereich der Medizin. Bereits während seines Erscheinens entstand der Plan Diderots, das Werk schnellstmöglich ins Französische zu übersetzen. Es erschien – übersetzt von Denis Diderot, Marc Antoine Eidous und François-Vincent Toussaint – tatsächlich bereits zwischen 1746 und 1748, und zwar unter dem Titel Dictionnaire universel de médecine. Dieses sechsbändige Werk prägte die medizinische Lexikographie der europäischen Aufklärung.

Die Wiege der modernen allgemeinen wissenschaftlichen Enzyklopädie liegt zu Beginn des 18. Jahrhunderts in England. So veröffentlichte der Mathematiker John Harris 1704 in London das Lexicon technicum (Lexicon technicum: or, an universal english [<<100] dictionary of arts and sciences), das als erste allgemeine Enzyklopädie mit Schwerpunkt im Bereich der Technik und der Wissenschaften gilt. Es ist zugleich die erste alphabetisch geordnete Enzyklopädie in englischer Sprache. Harris’ Dictionary war Vorbild für Ephraim Chambers’ Cyclopaedia und wurde später von Diderot als eine seiner Quellen gewürdigt. Chambers veröffentlichte 1728 in London seine zweibändige Cyclopaedia: or, An universal dictionary of arts and sciences. Diese nutzte erstmals Querverweise und darf wohl als Beginn des neuzeitlichen Enzyklopädietypus bezeichnet werden (Collison, 1964). Chambers’ Werk diente den französischen Aufklärern um Diderot als Vorbild.

Unter den allgemeinen Enzyklopädien des 18. Jahrhunderts ist zweifellos an erster Stelle die französischsprachige Encyclopédie von Denis Diderot und Jean Baptiste le Rond d’Alembert zu nennen; sie erschien zwischen 1751 und 1772 in 17 Text- und elf Tafelbänden im Folioformat und ist die wohl berühmteste der frühen Enzyklopädien im heutigen Verständnis und zugleich das enzyklopädische Monument der Aufklärung. Die Encyclopédie, ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers war konzipiert als Sammlung des gesamten Wissens ihrer Zeit und verstand sich als „dictionnaire raisonné“. Konkret verfolgten die Autoren eine lexikalische „Zusammenfassung alles dessen, was in die Bereiche der Wissenschaften, der Kunst und des Handwerks gehört“, dies jedoch nicht im additiven Sinne der alten – lediglich wort- und sachorientierten – literarischen Wissensmaschinen der Voraufklärung, sondern in gewollt wissensstruktureller Hinsicht; ging es doch den Verfassern darum, die „gegenseitigen Verflechtungen des Wissens sichtbar zu machen und mithilfe dieser Querverbindungen die ihnen zugrunde liegenden Prinzipien genauer zu erfassen“, um so ein „ein allgemeines Bild der Anstrengungen des menschlichen Geistes auf allen Gebieten und in allen Jahrhunderten zu entwerfen“ (d’Alembert in der Vorrede). Die Encyclopédie ist unter den folgenden Adressen (http://portail.atilf.fr/encyclopedie/ und http://diderot.alembert.free.fr/) frei im Internet zugänglich.

 

Die größte deutschsprachige Enzyklopädie der unmittelbaren Voraufklärung und zugleich das mit Abstand größte Sachwörterbuch des 18. Jahrhunderts überhaupt war, herausgegeben durch den Leipziger Buchhändler Johann Heinrich Zedler (1706–1751), bereits zwischen 1732 und 1754 als Grosses vollstaendiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Kuenste erschienen; es umfasst ca. 68.000 Seiten in 68 Foliobänden. Folgt man dem Titelblatt, sind 33 verschiedene Disziplinen und Wissensarten repräsentiert. Obwohl an diesem monumentalen Werk der Voraufklärung zahlreiche Autoren mitgewirkt haben dürften, sind als Einzelautoren eines Teils der medizinischen und mathematischen Artikel lediglich der Leipziger Stadtarzt Heinrich Winckler (* 1704) und der Musikwissenschaftler Lorenz Christoph Mizler (1711–1778) bekannt. Zedlers Universal-Lexicon wurde in einem DFG-finanzierten Projekt der Bayerischen [<<101] Staatsbibliothek zwischen den Jahren 1999 und 2001 digitalisiert und inhaltlich erschlossen. Seitdem sind die ca. 288.000 Einträge des Zedler einzeln auffindbar, ebenso wie die ca. 270.000 Verweise des Lexikons. Der freie Internet-Zugang findet sich unter http://www.zedler-lexikon.de/.

Unmittelbar nach Abschluss der Encyclopédie erschien zwischen 1773 und 1858 die von Johann Georg Krünitz begründete Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft. Sie war ursprünglich vom Berliner Verleger Pauli als reine Übersetzung des Dictionnaire raisonné universel d’histoire naturelle (1764) und der Encyclopédie Oeconomique ou Systeme générale d’Oeconomie rustique, domestique et politique (1771/72) geplant. Dieses Konzept wurde allerdings bereits im ersten Band zugunsten einer Entwicklung zu größerer Eigenständigkeit verlassen. Auch die Ökonomische Enzyklopädie enthält zahlreiche grundlegende Begriffe zur Medizin- und Wissenschaftsgeschichte des 18. Jahrhunderts, allein 13 verschiedene Einträge zum Stichwort „Medicinal“ (u. a. Medicinal-Polizey). Die Encyklopädie umfasst 242 Bände mit je 600 bis 800 Seiten. Ergänzt wird das Werk durch Kupferstiche mit ca. 9000 Gesamt- und Detaildarstellungen zu den Artikeln und zum Teil ausklappbaren Tabellen. Die Encyklopädie ist im Internet unter der folgenden Adresse online benutzbar: http://www.kruenitz1.uni-trier.de/.

Schließlich ist hier auf die Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, in alphabetischer Folge (kurz: Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste) von Johann Samuel Ersch (1766–1828) und Johann Gottfried Gruber (1774–1851) hinzuweisen. Ersch und Gruber begründeten die zwischen 1818 und 1889 erschienene, unvollendete Allgemeine Encyclopädie in 167 Bänden. Es handelt sich dabei um eine wissenschaftliche Enzyklopädie, die von über 400 Mitarbeitern erarbeitet wurde und etwa 70.000 Seiten in drei Sektionen umfasst. Die Enzyklopädie ist im Internet unter der folgenden Adresse recherchierbar: http://kefk.org/wissen/ersch.gruber.allgemeine.encyclopaedie.der.wissenschaften.und.kuenste.1818.1889.

Auf die Fülle der in fast allen Verkehrssprachen erscheinenden Konversationslexika des 19. und 20. Jahrhunderts kann hier nicht eingegangen werden. Die meisten dieser Lexika sind in den großen wissenschaftlichen Bibliotheken leicht zugänglich, wenige auch im Internet, so etwa die Enyclopaedia Britannica (gegen Gebühr: http://www.britannica.com/) oder Meyers Konversationslexikon in der 6. Auflage (1892–1895) (http://www.zeno.org/Meyers-1905). [<<102]

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