Letzte Fahrt

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Sonnabend, 7. Januar. Mit der Zeit werden die Ponys wohl Leben in die Bude bringen, besonders wenn sie erst wieder kräftiger werden. Schon jetzt gefallen sie sich in allerhand Kapriolen; die Glätte des Eises und der Schlitten hinter ihnen, den sie nicht loswerden können, macht sie nervös, störrisch und unlenksam. Ich hatte heute sieben Ponyfuhren und kam mit einer Beule und etlichen Schrammen davon. Das Pony Debenhams riss mit seinem Schlitten aus, aber gerade in die Station hinein – sehr unklug von dem Tier, denn Oates nahm es gleich wieder zu einer neuen Fuhre mit. Mehrere andere rannten den Hügel hinauf, als sie angeschirrt werden sollten, und so passierte allerlei, was Tiere und Menschen gefährden konnte; doch ging noch alles ohne ernsten Unfall ab. Auch ein Hundegespann brannte durch, und ein Hund, der sich überschlug, wurde einen Kilometer weit im Galopp mitgeschleift; es scheint ihm aber nicht weiter geschadet zu haben. Wenn ich nur wüsste, wo wir die Ponys im Winter unterbringen!

Auch sonst haben sich allerhand kleine Plagen eingefunden. Die Sonne strahlte heute heller als je mit blendendem Glanz, infolgedessen haben die Fälle von Schneeblindheit sehr zugenommen und an aufgesprungenen Gesichtern und Lippen, Blasen an den Füßen, Schnittwunden und Abschürfungen ist kein Mangel; fast jeder hat etwas abgekommen. Aber derlei gehört schließlich zum »Geschäft«.

Gleichwohl bekommt die Station schon das Aussehen eines geordneten Lagers und wir finden immer neue Vorteile ihrer Lage heraus. Der lange flache Strand ermöglicht es Bowers, unserem Proviantmeister, seine Vorratskisten übersichtlich aufzustellen, sodass alles gleich zur Hand ist. An der Hütte wird schon die Bretterverschalung aufgenagelt. Es soll hübsch warm und gemütlich bei uns werden; abgesehen davon, dass der Zwischenraum der Isolierung mit trockenem Seegras in abgesteppter Sackleinwand gefüllt ist, will ich auch noch alles Futter für die Ponys ringsum aufschichten lassen.

Nur eine Schattenseite hat unsere augenblickliche Lage. Das Eis in den Spalten und auch hier und dort auf den Feldern selbst wird schon dünn und schlammig; die Ponys treten oft mit den Füßen durch. Sie machen sich zwar nichts daraus und waren offenbar schon daran gewöhnt, aber Eile scheint mir doch dringend geboten und der morgige Sonntag kann kein Ruhetag sein. Ponting hatte schon ein sehr bedenkliches Erlebnis. Immer darauf erpicht, von eigenartigen Eisbildungen und überraschenden Wasserspiegelungen künstlerische Bilder zu bekommen, war er, seine Apparate auf seinem kleinen Schlitten hinter sich herziehend, wieder dem gestrandeten Eisberg zugewandert. Gerade war seine Schneebrille angelaufen, als er plötzlich das Eis unter sich nachgeben fühlt. Niemand ist in der Nähe, der ihm hätte beispringen können. Instinktiv eilt er vorwärts, bei jedem Schritt glaubt er durchzubrechen, der Schlitten schleift schon durch Wasser! Ein paar Minuten dauerte diese lebensgefährliche Situation – dann trat sein Fuß wieder auf eine feste Oberfläche. Es sei ein niederträchtiges Gefühl, dieses nachgebende Eis unter jedem Tritt, versicherte er, und als er endlich aufatmen konnte, war er in Schweiß gebadet. Wir haben uns diesem morsch werdenden Eis vielleicht doch etwas unvorsichtig mit unserer ganzen Habe anvertraut. Also Eile!

Sonntag, 8. Januar. Das Unglück ist schon geschehen: Wir sind vom Schiff abgeschnitten und, was weit schlimmer ist, ein Motorschlitten liegt auf dem Grund des Meeres! Ich gab dummerweise heute früh die Erlaubnis, den dritten Motor auszupacken, und obgleich einer der Leute beim Überschreiten einer etwa 200 Meter vom Schiff entfernten Schlammstelle mit einem Bein eingebrochen war, hielt ich das doch nicht für bedenklich, da ich annahm, der Mann habe nur die Oberflächenkruste durchgetreten. Campbell sollte den Schlitten an Land bugsieren, stattdessen aber kam die Meldung, der Motorschlitten sei eingebrochen! Campbell hatte zur Vorsicht ein Tau an dem Schlitten befestigt, das von den Matrosen gezogen wurde. Plötzlich brach einer von diesen bis an die Schulter ein und während er herausgezogen wurde, gab das Eis unter dem Schlitten nach, versank plötzlich und mit ihm der Motor! Die Leute hielten das Tau fest, aber vom Gewicht des schweren Schlittens gestrafft, schnitt es immer schneller durch die Eisdecke bis an sie heran und zwang einen nach dem anderen loszulassen. Eine halbe Minute später war nichts mehr zu sehen als ein großes Loch! Wir können noch von Glück sagen, dass den Leuten nichts zugestoßen ist, aber der Verlust eines der beiden besten Schlitten, auf die so viel Zeit und Mühe verwendet wurde, ist ein harter Schlag für mich! Noch gestern ist der andere Motorschlitten mit schwerer Last und sind zahlreiche Ponyfuhren dort hinübergegangen.

Kaum hatte uns diese Unglücksbotschaft erreicht, als auch schon die Nachricht folgte, das Eis in der Nähe der Unfallstelle werde mit jeder Stunde unsicherer; seitdem sind wir vom Schiff so gut wie abgeschnitten und ich verlebe meine erste Nacht im Zelt am Land. Die Uferabteilung hat gearbeitet, aber die Leute an Bord haben einen unfreiwilligen halben Feiertag gehabt.

Um 6 Uhr ging ich zu dem Eisrand weiter nördlich und fand eine Stelle, wo Schlittenfahren noch möglich ist und das Schiff anlegen soll, auch wenn es unter Dampf dorthin fahren muss. Wir haben den neuen Weg mit Petroleumkannen bezeichnet und müssen uns nun in Geduld fügen.

Geduld erfordert auch der Bau der Hütte; es dauert schon noch einige Zeit, ehe sie fertig ist. Aber wir müssen vor dem Ende des Sommers unbedingt noch mit der Errichtung der Depots beginnen! Heute war der heißeste Tag bisher; als ich beim zweiten Frühstück in der Sonne saß, fühlte man sich ganz wie an einem warmen Tag in England.

Montag, 9. Januar. Ich stecke die Nase erst um ¾7 aus dem Zelt, und das Erste, was ich sah, war das Schiff, das sich mit einiger Schwierigkeit längs des Eisrandes vorwärts bewegte und 8 Uhr 15 an der gestern bezeichneten Stelle anlegte. Der neue Weg erwies sich als ausgezeichnet und den ganzen Tag sind die Schlitten hin- und hergefahren. Die Ponys haben bis zu 18 Zentner Gewicht gezogen und die Hunde, je fünf in einem Gespann, schaffen 5 bis 6 Zentner fort, während die Leute fast 3 Zentner auf jeden Mann rechnen. Heute kamen Schornstein, Ventilatoren und die vielen Vorräte für die Hütte an, dann 2 ½ Tonnen Karbid, die Ausrüstung der Biologen – ein hoher Stapel! – und der Naturforscher, die Arzneivorräte, Futter, und was weiß ich sonst noch! Auch von den Kohlen sind schon zehn Tonnen an Land. Kurz, es war ein lustiges Ausräumen.

Dienstag, 10. Januar. Heute Abend kann ich sagen: Wir sind gelandet! Wenn wir auch nichts mehr vom Schiff herschaffen könnten, jetzt kann es kommen, wie es will. Nie ist solch eine Arbeit so schnell und tüchtig geleistet worden! Futter und Feuerung, kurz alles Notwendige ist am Ufer und auch der Bau der Hütte schreitet rüstig fort. Die Seitenwände haben doppelte Verschalung und sind mit Seegras isoliert. Das Dach ist innen mit Brettern verschalt; auf der Außenseite liegt ebenfalls zuerst eine Schicht solcher Bretter, dann eine Lage doppelt gefaltetes Ruberoid, Seegras, wieder eine Bretterverschalung und schließlich dreifaches Ruberoid. Der erste Fußboden ist schon gelegt; darüber kommt Seegras, dann eine Filzlage, eine zweite Verdielung und schließlich Linoleum. Der vulkanische Sand wird ringsum hoch aufgehäuft, sodass unmöglich Zugluft in die Hütte dringen und ebenso wenig Wärme entweichen kann, und an der West- und Südseite sind obendrein Ballen mit Pressfutter hoch aufgestapelt, während an der Nordseite, zwischen der Hüttenwand und einer Mauer aus Futterballen, ein Winterstall für die Ponys gebaut werden soll. Leider haben wir nicht mehr genug Bretter und müssen das Dach aus Sparren und geteerter Segelleinwand herstellen. Viel Schnee darf sich auf diesem Dach nicht ansammeln; aber sonst ist alles vortrefflich angeordnet.

Donnerstag, 12. Januar. In einer festen Schneewehe hinter unserem Lager stießen wir beim Graben auf Eis und haben hier unsere Speisekammer ausgehauen, einen drei Meter langen Tunnel, der noch Seitengänge erhalten soll.

Ich kutschiere heute meine Hunde zum ersten Mal in sibirischer Weise. Schwer war es nicht, aber ich vergaß in kritischen Momenten stets die russischen Ausdrücke; wir werden auf der Depotreise noch viel lernen müssen. Am Nachmittag kam vom Schiff die Meldung, dass nur noch das Hammelfleisch, Bücher, Bilder und das Pianola abzuholen seien; sonst ist alles an Land und auch die Hütte ist so weit fertig, dass wir einziehen könnten. Doch soll das erst in acht Tagen geschehen; unterdes kann der Zimmermann mit Ruhe arbeiten, die Dunkelkammer, Simpsons meteorologische Ecke und die anderen Nebenräume herrichten. Von morgen ab müssen wir Ballast aufs Schiff schaffen, Gesteinsschutt, den wir ja hier reichlich haben, und in zehn Tagen soll die Depotreise beginnen.

Sonnabend, 14. Januar. Ich schlief die letzte Nacht an Bord und fand es dort viel kälter als im Lager; die Temperatur in den Kabinen hielt sich die ganze Nacht über unter dem Gefrierpunkt und das Wasser gefror im Kessel, sodass heute Morgen Feuer gemacht werden musste.

Als ich wieder an Land kam, war die Speisekammer so stattlich erweitert, dass sie all unser Hammelfleisch und einen großen Vorrat Robben und Pinguine aufnehmen kann. In der Hütte werden jetzt Schornsteine eingebaut; Küchenraum und Herd sind fertig, die Veranda am Eingang ebenfalls. Der Zimmermann hat nur noch allerlei Wünsche der einzelnen Bewohner auszuführen.

Morgen wird unser erster Ruhetag sein und dann beginnen die Vorbereitungen für die Depotreise. Ich habe schon heute allerhand Anordnungen dafür getroffen, die zur Führung der Hunde und Ponys nötigen Leute bestimmt usw. Ich habe auch schon meine Wünsche niedergeschrieben wegen des Tierfutters, das uns die »Terra Nova« im nächsten Jahr mitbringen soll. Bis dahin wird es sich entschieden haben, ob ich mein Ziel erreiche oder nicht.

 

Einzug ins Winterquartier

Sonntag, 15. Januar 1911. Ein prächtiger Ruhetag mit glänzendem Sonnenschein und ohne Wind! Wir standen heute erst spät auf, da das Frühstück nicht vor 9 Uhr angesetzt war. Um 10 strömten Offiziere und Matrosen vom Schiff herüber und ich hielt am Strand unseren ersten Feldgottesdienst ab, der auf uns alle einen tiefen Eindruck machte.

Campbell wollte mit Gran und Nelson über den Gletscher nach Kap Royds gehen und ich begleitete sie ein Stück, um mich zu vergewissern, ob der Weg stark mit Spalten durchzogen sei. Als wir dann aber oberhalb der schneefreien Hügel unseres Vorgebirges die Schneedecke erreichten, bot sich ein so guter und spaltenfreier Weg, dass ich einen tüchtigen Marsch mit ihnen machte und sie erst verließ, als ich überzeugt war, dass der Ausflug nach Kap Royds keine Gefahr habe, und die drei Gefährten sich angeseilt hatten und auf Schneeschuhen weiterliefen. Taylor und Wright gingen ihnen auf einem anderen Weg nach und hatten das gleiche Ziel.

Ich kehrte zum Lager zurück, um nach dem zweiten Frühstück mit einem Schlitten, neun Hunden und Meares als Lenker über das Meereis nach der Hüttenspitze zu wandern. Einen Weg über das Vorgebirge, der bis auf etwa 100 Meter mit dickem Schnee bedeckt war, hatte Meares ausgekundschaftet, und da die Hunde gut zogen, erreichten wir in schnellem Tempo die Gletscherzunge, wo einige vom Wind zerwühlte Schneewehen lagen, während sonst das Eis ziemlich schneefrei war. Als wir den Gletscher erstiegen hatten, sahen wir ein wenig rechts das alte, vom »Nimrod« auf Shackletons Expedition im Jahre 1908 angelegte Depot und gingen drauflos. Wir hatten vergebens gehofft, eine Schrotmühle zu finden; dagegen entdeckten wir viel Pressheu und mehrere Büchsen Mais. Das offene Wasser reichte tatsächlich schon bis an die Gletscherzunge.

Nun fuhren wir einen bequemen Abhang hinunter, sahen uns aber durch eine 5 Meter breite Spalte abgeschnitten, mussten also den Gletscher wieder hinauf und ein paar Hundert Meter nach links gehen. Auch hier trafen wir auf eine Spalte, konnten aber an ihrem Rand entlangziehen und hatten von da ab eine glatte Fahrt ohne Hindernisse bis zur Hüttenspitze. Erst vor ihr zeigten sich Tümpel offenen Wassers und eine lang gezogene Spalte, bei deren Überschreitung ich mir sehr nasse Füße holte. Allenthalben an den Spalten lagen Hunderte von Robben.

Meine alte, im Februar 1902 erbaute Hütte fanden wir zu unserem Verdruss mit Schnee gefüllt. Shackleton erzählt, die Tür sei vom Wind gesprengt gewesen und er habe sich durch das Fenster einen Eingang verschafft; außer ihm haben andere Mitglieder seiner Gesellschaft sie als Obdach benutzt. Aber sie haben, als sie fortgingen, das erbrochene Fenster offen gelassen und infolgedessen war fast die ganze Hütte mit eishartem Schnee gefüllt. An einen Unterschlupf war nicht zu denken! Meares und ich konnten nur eben ein paar Schritt weit über den Schnee klettern und den Kistenstapel in der Mitte untersuchen, wobei wir etwas von der Asbestverkleidung der alten magnetischen Hütte an uns nahmen; dann mussten wir sehen, wie wir uns einen geschützten Winkel zum Kochen unseres Kakaos zurechtmachen konnten.

Montag, 16. Januar. Die Nacht war unter diesen Umständen wenig erfreulich und wir standen ziemlich spät auf. Als wir dann aber in scharfem Südostwind, doch bei hellem Sonnenschein den Hügel hinaufgingen, war mein Ärger verraucht, wenn auch die Instandsetzung der Hütte eine böse Arbeit für uns werden wird. Auf dem alten Observationshügel, in der Schlucht: Überall lag viel weniger Schnee, als ich erwartet hatte, und auf den Kraterhöhen zeigte sich ein ungeheures schneeloses Tafelland, das mich in früheren Tagen, als ich 1903 zum ersten Mal hier war, entzückt hätte. Der Teich war aufgetaut, und Fadenalgen grünten im Süßwasser. Ein Loch, das wir damals in den Wall des Teiches gegraben hatten, war noch dort, eine Entdeckung, die Meares machte, indem er bis an den Gürtel hineinfiel und sehr nass wurde. Auf der Südseite sahen wir jenseits der Prahmspitze, wie ehemals, die Presseisrücken; ein neuer Rücken erstreckte sich etwa 3 Kilometer entfernt um Kap Armitage herum. Die alten Thermometerröhren guckten noch aus dem Schneehang heraus, als ob sie gestern erst hineingesteckt worden seien, und ein Kreuz, das wir zum Gedächtnis unseres damals verunglückten Gefährten Vince errichtet hatten, hätte auch erst gestern aufgestellt sein können – so frisch war die Farbe und so deutlich die Inschrift. Wir luden die Asbestbekleidung auf unseren Schlitten, um sie Simpson mitzubringen, und erreichten auf demselben Weg um die Teestunde unser Lager, wo die Ausstattung der Hütte und der Nebenräume unterdes erfreulich fortgeschritten war. Auch Campbell und seine Gefährten waren von ihrem Sonntagsausflug nach Kap Royds ohne Unfall heimgekehrt.

Die heutige Wanderung hat mir aber doch zu denken gegeben. Wenn auch das Eis dieser beiden Buchten schon zeitig im März zufrieren mag – um diese Zeit schon Ponys hinüberzuführen, dürfte denn doch recht schwer werden. Wir müssen uns deshalb darauf gefasst machen, auf unserer Depotreise länger vom Winterquartier abgeschnitten zu werden, als ich mir gedacht hatte.

Dienstag, 17. Januar. Heute war feierlicher Einzug in die Hütte. Wir sind alle geradezu überwältigt von ihrer praktischen Anlage und ihrer Bequemlichkeit. Es ist wirklich eine Freude, zu sehen, wie jeder eifrig dabei ist, seinen Winkel in Ordnung zu bringen; noch ein paar Tage und unsere Hütte wird das gemütlichste Haus von der Welt sein. Vierzehn Tage erst sind wir im McMurdo-Sund und schon so weit, dass ich ruhig die Depotreise antreten kann; so über Erwarten schnell sind wir mit allem fertig geworden!

Gestern schneite es die ganze Nacht hindurch und heute ist alles weiß; draußen beim Schiff soll der Schnee 15 Zentimeter hoch liegen und Südwind und Schneegestöber währen den ganzen Tag.

Mittwoch, 18. Januar. Wie ich voraussah: Der »Terra Nova« war eine unruhige Nacht beschieden. Um 1 Uhr begann das Eisfeld schnell zu bersten und das Hantieren mit den Eisankern war eine endlose Arbeit. Gerade als ich die Nachricht erhielt, dass angeheizt sei, sahen wir, wie das Schiff ins Treiben geriet. Doch konnte es sich am Morgen wieder am Eisrand festmachen, und zwar einige hundert Meter näher dem Lager. Ich ging nun hinüber, und auf meinen Rat fuhr Pennell langsam um die Ecke herum in die Bucht hinein. Jetzt liegt unser Schiff in nächster Nähe, 180 Meter vom Eisfuß und 350 Meter von der Hütte entfernt. Südsturm kann ihm über das Vorgebirge weg nicht gefährlich werden; Nordwind könnte es höchstens etwas zu nahe ans Ufer treiben, wo nur 5 ½ Meter Tiefe gelotet wurde. Allerdings ist in diesem Schlupfwinkel, bei dem ausgedehnten Eisfeld, ohne vorherige Anzeichen kaum starker Seegang zu erwarten. Aber allzu sicher dürfen wir doch nicht sein. Überraschungen sind erfahrungsgemäß nie ausgeschlossen. Kommandant Penneil eignet sich übrigens zu seiner Aufgabe ganz vortrefflich; er ist jederzeit heiter und unermüdlich wachsam und jeder, auch der kompliziertesten Situation gewachsen, sodass ich blindes Vertrauen auf ihn setzen kann.


Im Winterquartier (Cherry-Garrard, Bowers, Oates, Meares, Atkinsons)

Bowers ist unerschöpflich in Vorschlägen zur Ausstattung der Hütte; jetzt hat er an der Südseite einen Raum für die Vorräte zu unseren Schlittenreisen eingerichtet und Simpson und Wright sind schon so weit, dass sie in Kurzem mit ihrer regelmäßigen Tagesarbeit beginnen können. Der Robbenbraten, das Pinguin- und Möwenfleisch unseres Kochs Clissold haben mir noch nie so gut geschmeckt, und erst seine Seehundsfrikadellen sind genau, als wenn sie aus Rindfleisch zubereitet seien, ohne jeden tranigen Beigeschmack, und selbst den weiß er noch erträglich zu machen.

Freitag, 20. Januar. Unsere Hütte, der wir übrigens noch keinen Namen gegeben haben, nimmt große Dimensionen an und streckt schon nach allen Seiten ihre Glieder aus. Bowers Anbau an der Südseite, ein Aufbewahrungsraum für schnell herbeizuschaffende Vorräte, Pelzsachen, überflüssige Kleidungsstücke usw. springt so weit vor, dass die Eingangsveranda der Hütte dadurch vollkommenen Schutz erhält. Auch die Ställe an der Nordseite sind so gut wie fertig; einer hat ein festes Dach erhalten und ist durchaus widerstandsfähig. Nelson hat einen kleinen Ausbau an der Ostseite und Simpson einen Vorsprung an der Südostecke. Ponting hat sich eine Dunkelkammer eingerichtet und alle Zimmermannsarbeit dazu mit staunenswerter Gewandtheit selbst ausgeführt; gestern brachte er noch ein Fenster darin an. Meares hat sich in das Grammofon verliebt, für das wir eine sehr schöne Auswahl Platten haben, und Rennick hat heute das Pianola aufgestellt, das, in einzelne Teile zerlegt, aus dem Schiff herübergebracht wurde, obgleich es sich eigentlich nicht die Mühe lohnt.

Ich habe gestern und heute viel über unsere Depotreise nachgedacht und nun meine Anordnungen getroffen. Deckoffizier Evans setzt schon die Schlitten zusammen und zeigt sich dabei überaus geschickt; Bowers hat den Proviant zu verteilen. Schlittenanzüge, Filzstiefel und -schuhe, Sommerwindanzüge, Fausthandschuhe aus Pelz, für jeden Reisenden ein paar Finnenschuhe, Pelzstiefel, die beim Schneeschuhlaufen gebraucht werden, die Pelzschlafsäcke – alles Fabrikate ersten Ranges – sind schon ausgegeben, und wir denken an nichts als an Einrichtungen und Erfindungen zur Erleichterung unserer Fahrt. Mir macht die Möglichkeit, auf unserer bevorstehenden Herbstreise vom Winterquartier abgeschnitten zu werden, am meisten Kopfzerbrechen; wir werden ziemlich viel Lebensmittel für Tiere und Menschen mitnehmen müssen. Day ist noch immer voller Hoffnung wegen der Motorschlitten; ich bin etwas zweifelnder. Hunde und Ponys vertragen die Kälte gut; nur der Wind macht Letzteren zu schaffen. Doch können wir sie nicht verzärteln und sie werden sich wohl daran gewöhnen, hat doch die Natur selbst schon für sie gesorgt, indem sie ihnen mit wunderbarer Schnelligkeit dicke Pelze wachsen lässt; schon jetzt scheinen sich ihre zottigen Röcke zu glätten. Die Westabteilung, Griffith Taylor und Genossen, hat sich heute bei Wilson über ihre Aufgabe, die Erforschung der Gletscher an der Küste des Viktorialandes, Rat geholt, und der gute Bill hat sein Bestes getan, um ihnen alles Nötige einzupauken.

Wenn wir nur die Ponys und unsere Vorräte glücklich über die Gletscherzunge hinausbringen, dann habe ich die schönsten Hoffnungen. Der Beginn unserer Schlittenreise ist nunmehr auf den 25. d. M. angesetzt.