Reisen im Kongogebiet

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3. KAPITEL:
ZUR HAUPTSTADT DES
KÖNIGREICHS KONGO

Pansu, der Kapita9 der fünfzig Träger aus San Salvador, mochte den letzten Zwanzigern angehören, er war von mittlerer, untersetzter Gestalt, das bartlose pockennarbige Gesicht des runden Kopfes von gutmütigem Ausdruck. Er wußte die weiten Tücher in gewisser Grandezza, eine Schulter frei lassend, um seinen Körper zu hüllen und verstand mit dem messingbeschlagenen Gewehr und dem Messer an der Seite sich das Ansehen eines der großen Leute des Landes zu geben. Ich will gleich hier bemerken, daß Pansu unter allen Söhnen des Totila – es sind deren acht oder zehn – die größte Ähnlichkeit mit dem Vater besitzt, wie auch die Beschreibung dieses letztern durch Bastian aus dem Jahre 1858 fast genau auf den Sohn zu meiner Zeit paßte.

Seine Begleiter erschienen zuerst wenig vertrauenerweckend: zumeist jugendlich kräftige Gestalten von sehr verschiedener brauner Färbung, noch mit dem Staub und Schmutz der Wanderung bedeckt und mit kurzen, oft gefransten, eingeölten und rotgefärbten Hüftentüchern von vorwiegend einheimischer Herkunft bekleidet. Einige hatten den Schädel ganz kahl geschoren, andere erschienen mit zum Teil äußerst phantastischen Haartouren, wie z.B. mit sehr vielen kleinen fettgetränkten abstehenden Zöpfchen, deren jedes an seiner Spitze eine blaue Glasperle trug. Mit den Lastkörben auf Kopf und Schulter, Messer und Pfeifen in den Hüftentüchern, Kalebassen oder Flaschen über der Schulter, auch wohl mit Beuteln und Missionsstrümpfen, Tabak, Feuerstein, Perlen und andere Dinge enthaltend, waren sie in den Hof der Missionsstation eingerückt, um dort niederzuhocken und mit neugierigen Blicken und Grinsen ihre Umgebung und die mundele, die weißen Leute zu mustern. Nachdem auch wir unsere Begleiter genugsam beschaut, gezählt und ihnen den folgenden Tag als Ruhetag bezeichnet hatten, zerstreuten sie sich, um teils unter den vorspringenden Grasdächern der Warenschuppen einen vor den Sonnenstrahlen geschützten Ruheplatz zu suchen, dort ihre Mundvorräte an Maniokbrot, Erdnüssen und Planten zu verzehren, oder aber um mit den Ginflaschen und Kalebassen zum nsadi, zum Strom, hinabzusteigen, dort den Durst zu löschen und unter Geschrei und Furcht vor den ngandu, den Krokodilen, ein Bad zu nehmen.

Als nach einiger Zeit Pansu, der im Hause der älteren Missionszöglinge sich einquartiert hatte, um Verpflegungsrationen für die Träger bat, deren Vorräte zu Ende gingen, wurden Reisportionen ausgeteilt, pro Kopf und Tag ein Pfund.

Am Nachmittage des Tages der Ankunft begleitete uns Pansu zu dem bereits erwähnten Palawer nach Ango-Ango, wo er energisch gegen die Dorfbewohner, die zuerst das Feuer auf die Fremden eröffnet hatten, sprach und zur Mäßigung in den Forderungen mahnte.

Abends, als wir selbst im Parlour10 des Mr. Hughes über unsern Aufbruch bei einigen Flaschen des Pschorrbräus verhandelten, baten unser neuer Kapita und sein Bruder um malawu – zur Stärkung für die Reise, wie sie sich ausdrückten. Das Bier mundete ihnen gar nicht, vergnügt aber zogen sie mit einer Flasche portugiesischen roten Landweins, der in den Häusern der Weißen am Kongo fast ausschließlich getrunken wird, von dannen.

Am nächsten Tage waren noch die letzten Reisevorbereitungen und Abmachungen mit den anderen Herren der Expedition zu treffen, denn da wir nur über fünfzig Träger verfügten, so konnten wir nur den kleinsten Teil der Ausrüstung mit uns nehmen, während der Rest der Lasten durch andere Trägerkarawanen, die wir in San Salvador engagieren wollten, später überführt werden sollte. Herr Premierleutnant Kund hatte zuerst beabsichtigt, mit uns, das heißt mit Premierleutnant Schulze und mir, zu reisen und das am Strome vorläufig zurückbleibende Gepäck der Obhut des Herrn Tappenbeck und Dr. Wolff – welcher an diesem Tage von Boma aus sich eingestellt hatte – zu überlassen. Doch war der Leutnant zur Zeit so leidend, daß er auf seine Absicht verzichten mußte, weshalb beschlossen wurde, daß die drei Herren – sobald neue Trägerkolonnen von San Salvador kommen würden – mit denselben reisen sollten, während Premierleutnant Schulze und ich die erste Karawane führen würden.

Es war einigermaßen schwierig, aus der großen Menge der Waren und des sonstigen Ausrüstungsgepäckes fünfzig Lasten auszuwählen, da wir in der Tat nicht wissen konnten, wie lange die vorläufig in Aussicht genommene Trennung der Expedition währen würde. Sämtliche Meß- und Aufnahmeinstrumente behielt Herr Premierleutnant Kund – dem sie unterstellt waren und der sie selbst nach San Salvador überzuführen gedachte – in Ango-Ango zurück, so daß uns für die Route, die freilich schon von Mr. Comber aufgenommen war, nur ein Aneroidbarometer, zwei Taschenkompasse und ein Pedometer zur Verfügung standen. Ferner führten wir, damit nicht gleich die erste Kolonne vieler Waffen das Mißtrauen der Eingeborenen erwecken sollte, nur eine ganz beschränkte Anzahl Gewehre mit uns, nämlich zwei Mauserrepetierkarabiner, ein Mausergewehr und eine Mauserjägerbüchse, ein paar Revolver und Jagdflinten, sowie endlich ein Dutzend Zündnadelgewehre, die das Kriegsministerium in der Heimat uns überlassen hatte.

Am Morgen des 13. Dezember lagen die ausgewählten fünfzig Lasten im Missionshofe von Tondoa bereit, auf die sich sofort die Träger, als sie von Malewo gerufen wurden, im wildesten Ungestüm stürzten, indem ein jeder eine möglichst leichte und in der Form ihm zusagende zu erringen suchte. Es entstand eine solche Unordnung, es erhob sich ein so wüster Lärm und ein so heftiges Streiten, daß uns Neulingen, denen die Kenntnis der Sprache und der Gewohnheiten der Eingeborenen noch völlig mangelten, nicht wußten, wo und wie zu beginnen, um Ordnung in dies Chaos zu bringen. Mit Hilfe von Mr. Hughes gelang es indessen sehr bald, dem einzelnen Mann die passende Last zuzuweisen, dem stärkeren die schwerere, dem schwächeren die leichtere, und zumeist begnügten sich die Leute unter Lachen und Gejohle mit der neuen Anordnung der Dinge. Nur bei wenigen war ein bestimmt gegebener Befehl oder eine Warnung oder auch einige zanga, das heißt Perlenschnüre erforderlich, um sie mit der ihnen zugefallenen Last zu versöhnen, die sie dann sofort in ihre Muteten schnürten. Die Muteten sind lange, auf Kopf und Schultern getragene Körbe, die aus je zwei Blättern der Ölpalme gefertigt werden, indem die Federn der nebeneinander gelegten Blätter nach oben gerichtet verflochten werden, während die Blattstiele weit nach vorn hervorragen, vermittelst deren der Lastkorb durch die Hand des Trägers unterstützt und bei einem Halt, an einen Baum gelehnt, aufgestellt wird.

Nach der Verteilung der Lasten erhielt ein jeder der Träger, gemäß der von der Mission befolgten Gewohnheit, hundert Ganhetaperlen für den Einkauf von Proviant auf dem Marsch. Diese Ganhetas sind mit bunten Strichen verzierte weiße Porzellanperlen, von denen zwei Schnüre, das heißt zwanzig Perlen, völlig genügen, um die täglichen Bedürfnisse eines Mannes an Nahrung zu decken. Diese Nahrung besteht dann allerdings nur aus Vegetabilien, aus Maniokwurzeln oder Maniokbrot, Planten oder Erdnüssen, seltener aus Bohnen oder Mais. Aber diese Nahrung ist für die Eingeborenen, selbst für die schwere Arbeit verrichtenden Träger, genügend. Fleischnahrung – dann zumeist mit Palmöl zubereitet – ist dem Kongomann gewiß äußerst selten ein täglicher Genuß, oft kommt sie nur bei größeren Festlichkeiten wie z.B. Begräbnissen zur Anwendung. In der Tat ist der Viehbestand der Bewohner des Kongolandes ein äußerst geringer, in einem Dorfe findet man stets nur wenige Schweine und Ziegen, nur selten langhaarige Schafe, fast nie Rindvieh, dagegen immer und ziemlich zahlreich Hühner. – Die sich für den Dienst in den Faktoreien verdingenden Küstenleute, wie Kruboys, Cabindas und Loangos sind nicht mehr ganz so bedürfnislos, sie fordern in der Woche ein- oder zweimal Fleisch, das dort gewöhnlich in Form von stinkendem Mossamedesfisch11 gegeben wird. Auch unseren Loangoleuten war allwöchentlich Fleisch zugesichert, dessen Beschaffung im Innern nicht immer gelingt und recht kostspielig ist.

Der gewöhnlich von den Missionaren und den Kaufleuten für den Transport vom Strom nach San Salvador pro Last (60 bis 70 Pfund) gezahlte Lohn beträgt zwei Gewehre, wo das Gewehr eine Werteinheit, die fast immer auf Stoffe bezogen wird, darstellt. Diese Stoffe kommen (zumeist aus England) in Stücken von verschiedener Länge und Qualität, oft in Taschentuchmustern, in Handel. Da aber die bessere Qualität bei den gebräuchlichen Zeugen nur in kürzeren Stücken geliefert wird, so stellt im allgemeinen ein halbes Stück die Werteinheit des Gewehres vor, das am Strom selbst für den Reisenden, der die Zeuge fast immer von den Handelshäusern beziehen muß, etwa drei oder vier Mark, in San Salvador fünf Mark bedeutet.

Natürlich hatten unsere Träger die Neulinge in uns erkannt und so traten sie – als wir sie für den Abmarsch bereit hielten – auf einmal mit der Forderung einer Vorauszahlung des Lohnes und zwar in Gestalt von drei Gewehren pro Mann hervor. Wir lehnten diese Forderung ab, da sie den Gebräuchen nicht entspreche, worauf die Leute nach kurzer Beratung die Lasten niederlegten und erklärten, unter diesen Verhältnissen überhaupt nicht willens zu sein, die Lasten nach San Salvador zu tragen, sondern lieber leer dorthin zurückkehren würden. Als sie sämtlich den Missionshof verließen und hinter dem nächsten Berge verschwanden, glaubten wir die Abreise auf unabsehbare Zeit verschoben, doch beruhigte uns Mr. Hughes mit der Versicherung, daß die Träger, deren Manipulationen er nur zu gut kenne, bald wieder zur Stelle und dann bereit sein würden, unter den alten Bedingungen die Lasten aufzunehmen. In der Tat stellten sie sich nach etwa zwei Stunden wieder ein, und, nachdem ein jeder seine Last genommen, setzte sich die Karawane mit verhältnismäßig geringer Lärmentfaltung in Bewegung.

 

Da die Träger gewöhnt sind allein zu gehen und wir unsere persönlichen Gepäckstücke und diejenigen Sachen, die wir auf dem Marsche nötig hatten, auf unsere Loangos verteilen konnten, so brachen wir selbst erst einige Stunden nach dem Abgang der Kongoleute auf. Nach dankbarem Abschied von Mr. Hughes bestiegen wir nachmittags zwei Uhr das Boot, welches uns nach Ango-Ango führte, wo wir die Loangos wiedertrafen, die den Weg auf den Uferbergen genommen hatten. Noch ein letztes Händeschütteln mit den drei zurückbleibenden Herren der Expedition und den Angestellten des holländischen Hauses, und gegen drei Uhr begannen wir den Aufstieg zu den hohen Bergen, unmittelbar an deren Fuß die Faktorei gelegen ist: Premierleutnant Schulze, ich selbst, David Kornelius, Pansu, Malewo und sechzehn Loangoboys unter ihrem Headman Manuel.

Noch hatten wir nicht die Höhe erreicht, als es zu regnen begann, doch gab es einen als Tropenregen nur mäßigen und kurzdauernden Niederschlag, so daß die bald wieder hervorkommende Sonne uns lange vor Ankunft in dem als Lagerdorf in Aussicht genommenen Wonda nicht nur getrocknet, sondern auch reichlich in Schweiß gesetzt hatte, denn unser Pfad führte bergauf und bergab. An einigen Stellen konnte man den Aufbau der großartigen Berglandschaft aus Tonschiefergestein erkennen, doch ist dasselbe oberflächlich überall in den gelben oder rötlichen Laterit umgewandelt und mit ungezählten Mengen von rundlichen und großlöcherigen Brauneisensteinknollen jeglicher Größe, sowie scharfkantigen Quarzbruchstücken verschiedener Farbe bedeckt. Die Vegetation war, wie am ganzen unteren Kongo, gebildet durch tristes Kampinengras12, stellenweise unterbrochen durch Krüppelgesträuch (vor allem Anona senegalensis, aber auch manche Arten von Parinarium, Vitex, Münteria etc.), einzelne Palmen, Baumwoll- und Affenbrotbäume. Mehrere kleine Wasserläufe passierend – über die Pansus und Manuels breite Rücken und Schultern als Beförderungsmittel dienten – eilten wir ohne Aufenthalt in südöstlicher Richtung vorwärts, doch war die Sonne schon einige Zeit untergegangen und die Dunkelheit hatte sich eingestellt, als wir unser Lagerdorf erreichten, wo uns Pansu zu der Hütte führte, in der durchreisende Weiße gewöhnlich zu übernachten pflegten.

In Anbetracht der Neuheit und Ungewohntheit der Verhältnisse wird man sich nicht allzusehr wundern, wenn ich gestehe, daß wir am Abend des ersten Marschtages herzlich schlecht gegessen und in der Nacht noch schlechter geschlafen haben, da wir in der unverantwortlichen Hoffnung, daß es hier keine Moskitos gebe, sogar versäumt hatten, die Vorhänge über unseren Reisebetten anzubringen.

Einige Eier und eine Tasse Tee bildeten am frühen Morgen des 14. Dezember unseren Imbiß, nach dessen Einnahme der Marsch fortgesetzt wurde und zwar über ein Terrain, das dem am vorigen Tage durchmessenen in allem glich: in den steinbedeckten Lateritbergen, den tiefen Wasserrinnen und der Einförmigkeit und Öde der Vegetation – und so ist es auch mit ganz wenigen Ausnahmen bis San Salvador und auch später immer geblieben. Indessen passierten wir einige armselige Dörfer, in deren einem, am Rande eines bescheidenen Wässerchens, wir zur Mittagszeit einige Stunden rasteten. Am Nachmittag durchschritten wir den Bumi und Pambu und waren erstaunt – während die Wasser bisher stets nach Norden ihren Weg genommen hatten – dieselben nach Süden abfließen zu sehen. Offenbar gehören sie nicht mehr zum Stromsystem des Kongo.

In Tomboku, einem aus mehreren ziemlich weit voneinander entfernt liegenden Teilen bestehenden größeren Dorfe, machten wir Halt. Der Teil des Dorfes, in dem wir übernachteten, war der höchstgelegene und man hatte am Eintritt in das Palmenwäldchen, unter dem die Eingeborenen ihre Hütten errichtet haben, eine weite Aussicht auf das Gewirr von ungezählten Bergkegeln, die man vergeblich in ein System zu bringen sucht. Durch Pansus oder Malewos Vermittlung erhielten wir für einen etwas hohen Preis eine junge Ziege, sowie mehrere Hühner zu Kauf, für deren Zubereitung ich vorzog mich selbst zu interessieren, so daß wir ein in der Tat recht angenehmes Abendessen hatten. Die Nacht freilich in dumpfiger, schwarzrußiger Negerhütte brachte nur wenig Schlaf.

Der nächste Tag war anstrengender. Die Sonne schien bereits am frühen Morgen heiß auf uns hernieder, der gelbrote Boden – auf manchen marktplatzgroßen Stellen ohne eine Spur von Vegetation – reflektierte die Strahlen in einer für die Augen schmerzhaften Weise. Immer neue Bergkegel erhoben sich vor uns – am Bach Maunse im schattigen Ufergebüsch erst machten wir Halt, um die heißeste Tageszeit vorübergehen zu lassen. Am Nachmittag stiegen wir zum Plateau von Kainsa hinauf. Dasselbe fällt mit seinem östlichen Rande sehr scharf zum Tal des Lukangu ab, das auf beiden Seiten von 150 bis 200 Meter hohen mauerartigen Bergzügen begrenzt ist. Auf der Höhe desjenigen Plateaus erst wollte Pansu den Tagesmarsch beschließen. Halsbrecherische Gebirgswege im hier sichtbar werdenden Gneisgestein und über gewaltige Felsblöcke führten uns in kurzer Zeit zum Lukangu hinab, dessen tief eingeschnittenes Bett zur Zeit nur wenig Wasser führte, so daß dasselbe leicht durchwatet werden konnte, während die Uferböschungen den belasteten Leuten schwere Anstrengungen machten. Das Taldorf passierend hatten wir zu den östlichen Talwänden aufzusteigen und, auf dem Plateau angelangt, einem weiten und wasserlosen Pfade über ödeste Kampine zu folgen, bis wir völlig erschöpft nach Sonnenuntergang in Lukangesi ankamen, d.h. Premierleutnant Schulze, ich selbst, Malewo und Pansu. Geraume Zeit nachher, bei vollster Dunkelheit, stellten sich die Loangoleute und Kornelius ein, so daß wir erst zu später Abendstunde die Vorbereitungen zum Mahl und zur Ruhe treffen konnten.

Über das auf einer mit Palmen bestandenen Anhöhe gelegene Dorf Kinga – ein auf der Route vom Kongo nach San Salvador mehrfach vorkommender Dorfname – erreichten wir am folgenden Tage in Ntaila Bansa die Höhe der westlichen Talwände des Mposuflusses, auf dessen breite Niederung, sowie ferne östliche Bergzüge man eine weite Ausschau hat. Zum Tal herniedersteigend fanden wir vor dem Dorf der Bansa Mposu einen kleinen Marktplatz, eine kitanda, wo die Leute für blaue Glasperlen einige Vorräte erstehen konnten, wie Maniokbrot oder chiquanga (das ist ein Teig, hergestellt aus gewässerten und darauf in Mörsern gestampften Maniokwurzeln, der in geschlossenen Gefäßen im Wasserdampf aufgekocht worden ist und in Form von gepreßten Broten in Bananen- oder Phryniumblätter gewickelt zu Kauf gebracht wird), Erdnüsse oder ginguba, Planten und mit vielem roten Pfeffer, ndungu, gewürztes Schweinefleisch, mbisi ngulu.

Im Dorf hatten wir einen Zoll für die Benutzung der von den Eingeborenen aus einigen Baumstämmen und Lianen hergestellten Brücke über den Mposufluß zu bezahlen.

Die in San Salvador etablierten Handelshäuser und Missionen haben mit den Bewohnern des Mposudorfes, wie auch mit denen des Lundadorfes Kongo dia lemba, Verträge abgeschlossen, nach welchen ihre Trägerkarawanen gegen eine jährliche Abgabe unbehelligt passieren. Wir mußten uns in weitläufige Unterhandlungen mit den Dorfleuten einlassen, die zuerst einen unglaublich hohen Preis für die Erteilung der Erlaubnis, die Brücke zu benutzen, forderten, aber durch Pansus Vermittelung einigten wir uns schließlich auf vier Gewehre, also zwei Stücke von turkish red, einem bei den Eingeborenen damals sehr beliebten von der englischen Mission eingeführten roten Stoff. Ich war erstaunt, daß Pansu, Sohn des Königs von Kongo, in so demütiger Weise mit dem Chief des Dorfes verkehrte, denn ersterer kniete vor diesem nieder und begrüßte ihn mit mehrfachem Händeklatschen, bis er nach gnädigem Gegengruß die knieende in eine hockende Stellung veränderte und in die Verhandlungen eintrat. Allerdings gehen das Ansehen und die Würde der Männer nicht auf die Söhne, sondern auf die Schwestersöhne über. Dennoch war die Demütigung Pansus ein deutliches Anzeichen für die seinem Vater gebliebene geringe Macht.

Nachdem die Angelegenheit geordnet war, verließen wir das Dorf und kamen zur Brücke, deren Passage Klettertieren und Eingeborenen auch nicht allzu schwer wird, von einem Europäer aber ein schon nicht gewöhnliches Maß von Geschicklichkeit fordert. Die braunen Wasser des Mposu stürzen in beschleunigter Strömung in etwa zwanzig oder fünfundzwanzig Meter Breite zwischen mehrere Meter hohen Ufern in nördlicher Richtung dahin, um in Entfernung einiger Meilen die Lunda aufzunehmen und nordwestlich dem Kongo zuzufließen, wo der Mposu Vivi gegenüber einmündet. Den Weg eine kurze Strecke weiter verfolgend, hatten wir ein ausgedehntes morastiges Gebiet zu passieren, dessen Durchschreitung durch scharfkantige parallelziehende Kalksteinklippen – eine Bildung von geologischem Interesse – recht unbequem ist. Die Ränder dieses Sumpfes sind mit einem hübschen Bestand von Weinpalmen (Raphia vinifera), den Bambuspalmen der Kongesen, bedeckt, auf die aufmerksam zu machen Pansu und Malewo nicht unterließen, wie sie auch vom Pfade einen Abstecher machten, um uns zu der Hütte oder vielmehr dem Sonnendach einiger Eingeborenen zu führen, die dem Sammeln des Palmweins obliegen zu hatten. Unter dem Dach fanden sich die Bewohner nicht vor, auf unser lautes Rufen aber stellten sie sich bald mit mehreren wohlgefüllten Kalebassen frischen Palmsaftes ein, der uns nach dem Marsch und in der heißen Vormittagssonne köstlich mundete. Der Preis der von uns erstandenen beiden weitbauchigen Gefäße betrug zwei Taschentücher.

Nach Überschreitung eines niedrigen Bergzuges wurde in einem Gebüsch des Loos- oder Lusuflusses Halt gemacht, wo wir, nach einem erfrischenden Bad in dem selten klaren Wasser, unser Mittagsmahl hatten. Als wir am Nachmittage zum Nfosubach gelangten, einem sehr unbedeutenden Wasser, und darüber einen Baumstamm als Brücke gelegt fanden, benutzten Premierleutnant Schulze und ich denselben, wodurch sofort aus dem Gebüsch ein Dutzend habgierige Eingeborene hervorgelockt wurden, die mit einer hohen Brückengeldforderung an uns herantraten. Wir ließen nun unsere Leute das Wässerchen durchwaten, das ihnen kaum zu den Knöcheln reichte, hatten aber um des lieben Friedens willen für uns selbst ein Taschentuch zu hinterlegen.

Des Abends kamen wir zu unserem vierten Nachtlager in Kongo dia lemba (Kongo in der Mitte), einem mäßigen Dorfe auf palmbestandener Anhöhe, dessen Bewohner sofort mit uns in Verhandlung über die für die Passage der Lunda zu zahlende Abgabe treten wollten, trotzdem sie bisher gar keine Brücke gebaut hatten, und wir somit genötigt waren den Fluß, so gut es gehen würde, zu durchwaten. Sie glaubten indessen wohl selbst nicht mit ihren Forderungen durchzudringen und rechneten uns daher für das Nachtquartier in elender Hütte und einige Nahrungsmittel einen hohen Preis an, den zu zahlen wir uns auch nicht weigern konnten, um nicht den voraussichtlich bald nachkommenden Herren Unannehmlichkeiten zu bereiten. Nichtsdestoweniger überschüttete man uns am folgenden Morgen mit Drohungen, als wir zur Übergangsstelle aufbrachen, die nach einem halbstündigen Marsch und dem Abstieg auf dem steilen buschbewachsenen Abfall der Lundaschlucht erreicht wurde.

Zum Glück war bisher noch wenig Regen gefallen und der Fluß, dessen Breite etwa fünfzig bis siebzig Meter betragen mochte, an der Furt noch recht gut zu passieren. Das Wasser reichte uns allerdings bis zur halben Brusthöhe und die kleinen Boys mußten von den größeren über die tiefsten Stellen getragen werden.

Später durchschritten wir eine enge Bergschlucht, die mit so üppiger Buschvegetation angefüllt war, wie ich sie in diesem öden Lande kaum noch anzutreffen glaubte und in der Tat auch erst wieder im Bergwald von Kisulu gefunden habe. Rubiaceen, Connaraceen, Myrtaceen, Combretaceen, Biolaceen, Euphorbiaceen und Palmen boten den Anblick eines echt tropischen Buschwaldes, Araceen, Zingiberaceen, Melastomaceen und die Vertreter vieler anderer tropischer Familien drängten sich dem Auge des Botanikers entgegen. Mit Überschreitung der Lukossa war das Ende der Schlucht erreicht und hier erweckte der Anblick der kahlen und eng zusammentretenden Bergmauern dem Reisenden ein beklommenes Gefühl.

Eine oder zwei Stunden weiteren Marsches führten durch ziemlich ebene Grassteppe zum Dorfe Elau, wo unsere Loangos aber erst zwei oder drei Stunden später ohne einen Grund der Verzögerung anlangten und zwar der Koch, welchen wir hungrigen Magens ersehnten, als der allerletzte, dem dann freilich ein wenig freundlicher Empfang zu Teil wurde. In Elau versieht eine Frau die Funktionen des Dorfchiefs; auf den uns gespendeten Palmwein überreichte ich ihr eine goldschimmernde Halskette als Gegengeschenk.

 

Der Abend fand uns in Bansa Ndembo, einem hübsch in Terrassen angelegten Dorf, wo die Bewohnerschaft uns willig Nahrungsmittel verkaufte – die Loangos hatten in Tondoa für die Reise ausreichende Reisrationen erhalten – und ein geräumiges Haus für uns leer gemacht wurde. In der Nacht ging ein gewaltiges Gewitter auf uns nieder, vor dem wir gerade noch das Gepäck hatten bergen können. Die Boys nahmen wir – da die Lagerfeuer ausgelöscht waren und nicht wieder angefacht werden konnten – für den übrigen Teil der Nacht in unsere Hütte auf.

Der nächste Tag, der 18. Dezember, war der interessanteste dieses Marsches. Der Weg führte durch eine leicht gewellte Ebene, auf de wir mehrfach ausgedehnte Maniok- und Erdnußfelder antrafen. Beim Dorfe Gulungu stießen wir auf schon aus weiter Ferne sichtbare barocke Felspartien, die sich bei näherer Besichtigung als unmittelbar aus der Ebene aufragende und durch Verwitterung und Erosion sonderbar ausgehöhlte und zerzackte Massen von Kalktuff erwiesen, deren dunkle Färbung in der Zersetzung der dünnen kryptogamischen Vegetationsdecke ihren Grund hatte.

Bei dem Aufstieg zum hochgelegenen Dorfe Mabusu hatten wir zwei kleinere in hübschen Kaskaden niederkommende Bäche zu passieren, Masa N’Gulungu und Luchange, und dann den Weg durch einen sehr reich mit Ananaspflanzen bestandenen Busch zu nehmen, von denen wir einige schöne Früchte sammeln konnten. Da wir jetzt nur noch wenige Marschstunden von San Salvador entfernt waren, so entsendeten wir unseren Kapita Pansu mit einem Brief an den Vorsteher der englischen Baptistenmission dortselbst, ihm unsere bevorstehende Ankunft meldend.

Nachdem dann das Frühstück eingenommen war, brachen wir in der Erwartung der Ankunft am vorläufigen Ziel wieder auf, um bald von der Höhe von Mabondo, dem höchsten Punkt der bisherigen Route, das vor uns liegende mit gewaltigen Baobabbäumen gekrönte Plateau von San Salvador zu erblicken. Ein schmaler und tief eingetretener Pfad führte im rotschüssigen Lateritboden zum Dorf Tambi abwärts und von hier – nach Überschreitung eines Lagunensumpfes – zu dem nach dieser Seite nicht allzu schroff abfallenden Plateau hinan. Schon auf dem Wege wurden wir von den uns entgegengeeilten Zöglingen der englischen Mission begrüßt, und um die dritte Nachmittagsstunde des 18. Dezember betraten wir die Kapitale der einst so mächtigen Könige von Kongo, um im Hause der Baptisten die gastfreundlichste Aufnahme zu finden.

9Der Anführer (Red.)

10Englische Form des sonst im Text verwendeten Wortes Palawer, frz. Parloir (Red.).

11In der Regel ein Stockfisch (Red.).

12Feldgras (Red.)

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