Reisen im Kongogebiet

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Es ist hier das letzte Mal gewesen, daß ich Dr. Nachtigal gesehen habe. Als ich Anfang Juni 1885 mich an der Küste befand, erhielt ich die Nachricht seines Todes, in Landana aber – wiederum an Bord des »Professor Woermann« – die Bestätigung desselben.

Während der Anwesenheit unseres Dampfers vor Cloby siedelte ich in das Woermannsche Haus über, wo mir Gastfreundschaft in ausgedehntestem Maße zu teil wurde.

Am 12. lichtete der »Professor« die Anker, um am folgenden Tage vormittags die Reede von Gabun zu erreichen, womit für mich der Moment der vorläufigen Trennung von den übrigen Herren der Expedition gekommen war, denn ich beabsichtigte für einige Wochen meinen Aufenthalt auf der bei Gabun gelegenen Sibangefarm zu nehmen, um mich dann später wieder mit den anderen Herren zu vereinigen. Angekommen am Ausgangspunkte des Inlandmarsches, als welcher damals Ambrizette in Aussicht genommen war, mußte es natürlicherweise wochenlanger Vorbereitung bedürfen, um die Expedition mit Trägern zu versehen und marschfähig zu machen. Ich glaube – worin mir Premierleutnant Schulze völlig zustimmte – einen Teil dieser Zeit in einer für die Expedition sehr vorteilhaften Weise zu verwenden, wenn ich mich auf der Sibangefarm, die Herrn Soyaux, einem früheren Mitgliede der Loangoexpedition, unterstellt war, und auf dessen Erfahrung und freundliche Unterstützung ich hierbei hoffte, naturwissenschaftlichen und speziell botanischen Studien ergeben würde. Die Anwesenheit des Herrn Soyaux, das Renommée der Anlagen der Gabuner Mission und die seit Jahren in Kultur genommene Kaffeeplantage hatten uns schon in Europa die Sibangefarm für diesen Zweck als den allergeeignetsten Ort erscheinen lassen, und Herr Woermann in Hamburg, der Eigentümer der Plantage und Chef des großen Handelshauses, hatte zu diesem Plan in liebenswürdigster Weise die erbetene Erlaubnis erteilt.

Somit verließen Premierleutnant Kund, Dr. Wolff und ich selbst bald nach unserer Landung die Gabunfaktorei, um, von einem Führer begleitet, den Weg zu der Farm anzutreten und den dortigen Herren einen Besuch abzustatten. In kurzer Entfernung vom Strande, an dem die Faktoreien unmittelbar errichtet sind, erhebt sich das Land zu einer mäßig gewellten Fläche, auf der ein etwa dreistündiger Marsch uns zum Ziele brachte. Während der ersten Weghälfte führte der Pfad über eine von Gras und Adlerfarnkraut bestandene Steppe, auf der zerstreut Gebüsch und einzelne Bäume, darunter Palmen und Mangopflaumen, hervorragten. Bei einem sehr hübschen Busch von indischem Bambus traten wir in prächtig üppigen Urwald ein, in dem ein bequemer Weg uns über eine ganze Anzahl Brücken und an zwei Eingeborenenniederlassungen vorüber zum Farmterrain führte, welches, durch Abholzen gewonnen, rings von hochstämmigem Wald umgeben ist. Ich entsinne mich noch genau des großartigen Eindruckes, unter dem ich inmitten dieser grandiosen Vegetation stand, und den ich späterhin nicht wieder in demselben Maße empfunden habe, wobei ich gleich bemerken will, daß ich während meiner ganzen Reise überhaupt nicht oft Gelegenheit gefunden habe, berechtigte Vergleiche mit diesem Gabuner Waldland anzustellen.

Inmitten der weitgedehnten Kaffeefelder erhoben sich die beiden zierlichen Wohnhäuser, in denen wir mit großer Freundlichkeit aufgenommen wurden. Das eine wurde bewohnt von Herrn Soyaux und seiner zur damaligen Zeit etwas leidenden Gattin – einer deutschen Dame, wenn ich nicht irre, aus Stade gebürtig – und dem dreimonatlichen kräftigen Sprößling, das andere hatten die beiden anderen Angestellten der Farm, die Herren Ingenieur Schran und Mahnke, inne.

Nachdem meine Übersiedelung festgesetzt war, kehrten wir, da der Kapitän noch an demselben Tage die Fahrt nach Süden fortzusetzen beabsichtigte, in Begleitung der beiden letztgenannten Herren nach Gabun zurück. Indessen wurde der Dampfer noch bis zum 15. zurückgehalten, da die Ladung am Tage der Ankunft nicht gelöscht werden konnte, am folgenden aber, einem Sonntage, nicht gearbeitet werden durfte. An diesem Sonntage fand die Einweihung der neuen Missionskirche durch den Erzbischof statt, welcher Feierlichkeit der Gouverneur nebst Gemahlin, die Offiziere der auf Reede liegenden französischen Kriegsschiffe, sowie fast die sämtlichen weißen Herren der Kolonie beiwohnten.

Am Montag Nachmittag verließ der »Professor Woermann« Gabun, und wir, die Herren Schran und Mahnke und ich selbst, machten uns auf den Rückweg zur Farm, wohin meine Sachen bereits durch einige Kru- oder Whyleute gesendet worden waren, und wo man mir in dem Nebenhause ein freundliches Heim eingerichtet hatte.

Mein Aufenthalt auf der Farm – durch verspätetes Eintreffen des nächsten Woermanndampfers wurde die ursprünglich in Aussicht genommene Zeit überschritten – hat vom 15. September bis zu Anfang November gewährt, aus welchen Wochen meiner Erinnerung nur freundliche Bilder geblieben sind, so daß ich noch heute Herrn Woermann sowohl als den Farmbewohnern mich dankbar verpflichtet fühle.

Was nun den eigentlichen Zweck meines Aufenthaltes anbetrifft, so wurde derselbe erreicht, soweit er sich im fernen Afrika ohne wissenschaftliches Material erreichen ließ. Die Zeit war nicht gerade die günstigste, denn erst während meines Aufenthaltes stellten sich die Regen häufiger ein und mit ihnen Üppigkeit und Mannigfaltigkeit der Formen. Auf zahlreichen Exkursionen, die mich zumeist in Gesellschaft des Herrn Schran in den Wald führten, wo dieser Herr einen breiten und bequemen Weg nach Gabun anzulegen hatte, sind einige hundert phanerogamische Spezimina gesammelt worden, die den Grundstock der Ausbeute meiner Reise bilden. Hierzu kommt eine Sammlung von Gefäß- und Zellenkryptogamen, sowie eine solche interessanter Früchte. Für die zoologische Kollektion fand ich reichliche Unterstützung: Herr Schran überraschte mich mit einer Anzahl auf dem Farmterrain gefangener Amphibien und Reptilien, während er seine Leute anwies, beim Holzschlagen auf die zahlreich zu Tage kommenden Insekten zu achten. Der Headman der Whyleute, Monrovia, hat mich auch in dieser Beziehung nicht in Stich gelassen, und einige neue Tiere sind eigentlich durch ihn der Wissenschaft bekannt geworden. Den mir von Herrn Soyaux zur Bedienung freundlichst übersandten Whyboy William endlich hatte ich zum Schmetterlingfangen angestellt; er leistete freilich nichts Bedeutendes darin, dagegen – wie ich erst später herausfand – machte er sich selbst etwas reichlich für seine Bemühungen aus meiner Tasche bezahlt.

Außer in rein wissenschaftlicher Beziehung war mir die Farm in praktischer Hinsicht ein wichtiger Gegenstand der Belehrung, leider – besonders für die Unternehmer – in negativer Weise, denn schon damals war nicht zu verkennen, daß die zur Anlage der Kaffeeplantage verwendete jahrelange Arbeit und die sehr bedeutenden Kosten einen Erfolg nicht geben würden. Einige Zeit nach meinem dortigen Aufenthalt – es sind im ganzen nur einige hundert Pfund Kaffee geerntet worden – ließ dann auch Herr Woermann die Farm eingehen. Es ist nicht der Zweck des Buches, diese Verhältnisse näher zu berühren, doch will ich – vielleicht zu Nutz und Frommen irgend eines Plantagenbauschwärmers – erwähnen, was mir als Ursache des massenhaften Absterbens der jungen Kaffeebäume, nachdem sie einige Zeit recht gut gediehen waren, erschien.

Laterit, jene den Tropen eigentümliche durch die Einwirkung der Atmosphärilien entstandene Bodenformation, bildet in der Farm überall die Grundlage einer zuweilen nur minimalen Lehm- und Humusschicht. Dieses Laterit genannte Gestein, dessen Haupteigenschaft völlige Durchlässigkeit ist, ist in feuchtem Zustande eine zähe, schneidbare Masse, im trocknen dagegen spröde und steinhart. Die Wurzeln vermögen, zu dieser Schicht gelangt, nicht in dieselbe einzudringen und noch weniger aus derselben – ihrer Durchlässigkeit wegen – Nährstoffe aufzunehmen. Die Pflanzen sind somit für die Ernährung auf die obersten Humus- und Lehmschichten angewiesen. Diese, zur Zeit der Anlage jungfräulicher Böden, sind aber nach Verlauf einiger Jahre völlig verändert worden. Heftige Regengüsse haben den Humus in die Rawinen abgeschwemmt – die Farm ist auf welligem Terrain gelegen – und der von der Sonne gebleichte Sand folgt allmählich nach, womit den Wurzeln Bedeckung und Ernährung genommen ist und die jungen Kaffeesträucher saisonweise in Menge dem Absterben geweiht sind.

Mit anderen Gewächsen hat die Missionsstation in Gabun bessere Erfahrungen gemacht, wovon ich mich durch mehrfachen Besuch dortselbst unter Führung liebenswürdiger Pères überzeugen konnte. Man pflanzt in Menge Kokos- und besonders Ölpalmen, deren Kultur sehr lohnende Erfolge liefert. Diese Mission verdient übrigens den Namen einer Musteranlage, wie ein jeder, der einen Gang durch die Kulturen tropischer Fruchtbäume und europäischer Gemüse macht, bestätigen wird.

Als ich am 2. November, um mich in Gabun an Bord des »Karl Woermann«, Kapitän Hupfer, einzuschiffen, die Sibangefarm verließ, wurde mir der Abschied von derselben, wo ich die liebenswürdigste Gastfreundschaft gefunden hatte, schwer genug, und noch jetzt gedenke ich in dankbarer Erinnerung der damaligen Farmbewohner, der Ausflüge mit Handpresse und Jagdflinte in den prächtigen Urwald, der Besuche in Gabun zu Fuß und zu Pferde, der Entdeckungs- und Vermessungsfahrt auf dem Abandu, der Picknicks am Bambus, wo wir halbwegs nach Gabun die deutschen Herren dieser Kolonie trafen, der Besuche in den Dörfern der Pongwe, Pangwe und Schekiani, endlich all der häuslichen Fröhlichkeit und Gemütlichkeit, die den Gedanken an die ferne Heimat kaum aufkommen ließen.

An Bord des »Karl Woermann«, der Gabun am 3. November verließ, fand ich Herrn Veth vor, einen Holländer, der eine Spedition in das Hinterland von Mossamedes unternehmen wollte, dessen Reise auch unter günstigen Auspizien begann, durch den Tod des Leiters in den ersten Monaten des folgenden Jahres aber einen traurigen Abschluß fand. Herr Veth, dem reiche Reiseerfahrungen aus Holländisch-Indien zur Seite standen, führte Pferde und Berghunde von Java mit sich, denen allen übrigens ein nur kurzes Leben in Afrika vergönnt sein sollte. Ein aus Bayern gebürtiger Pater der französischen Mission und einige Angestellte der »Association internationale africaine«, darunter Kapitän Grant Elliot, vervollständigten unsere Reisegesellschaft, letzterer indessen nur bis zur Station Grantville an der Loangoküste.

 

Am 6. November erreichten wir Kap Lopez, den damaligen Stapelplatz der Brazzaschen Unternehmung, und Majumba, wo wir mit frischen Mangroveaustern versehen wurden, deren vielleicht zu reichlicher Genuß einige der Herren auf vierundzwanzig Stunden recht krank machte. Am 7. passierten wir Loango mit der steilen, in interessanter Weise erodierten roten Küste, um – ehe wir Banana erreichten – noch in Landana und Cabinda vor Anker zu gehen.

In Landana betrat ich zum ersten Male eine Faktorei der »Nieuwe Afrikaansche Handels-Vennootschap« von Rotterdam, eines Hauses, dessen unvergleichliche Gastfreundschaft mir zu wiederholten Malen während meines Aufenthaltes am Kongo zuteil werden sollte. Herr de la Fontaine, der damalige stellvertretende Hauptagent dieser Gesellschaft, teilte mir bereits hier mit, daß die übrigen vier Herren der deutschen Expedition in Banana anwesend seien, um einem veränderten Reiseplan zufolge den Kongo zur Operationsbasis zu nehmen. In Landana befindet sich unter der Leitung des energischen P. Carrie eine ebenfalls mustergültige Station der französischen Mission, deren Anlagen meine ungeteilte Bewunderung hervorriefen. In Cabinda, dem Hauptstapelplatz englischer Firmen, hatten wir einen Jagdausflug auf Papageien und Turakos. Doch das Interesse an der langen Küstenfahrt war geschwunden und mit Sehnsucht schaute ich nach Süden aus, wo die Mündung des Kongo das Ende derselben bringen sollte. Am 13. November wurde glücklich Banana erreicht, wo ich die Mitteilung des Herrn de la Fontaine bestätigt fand. Die Herren der Expedition hatten nach einem vergeblichen Versuch des Premierleutnants Schulze, dieselbe in Ambrizette oder Ambriz zu organisieren, diesen Plan aufgegeben, um nun vom unteren Kongo aus den Aufbruch in die östlichen Länder zu betreiben.

1Hier eine die gesamte Insel und alle Personen umfassende Quarantäne (Red.).

2Ausstiegsgenehmigung (Red.)

3Eine Art Curling (Red.).

4Schiffsjungen (Red.)

5D. h. ein Wohnschiff (Red.)

2. KAPITEL:
AM UNTEREN KONGO

Nachdem ich den »Professor Woermann« in Gabun verlassen hatte, war Dr. Wolff in Cabinda zurückgeblieben, um bei günstiger Gelegenheit dort Träger für die Expedition zu engagieren. Premierleutnant Kund aber ging in Banana an Land, um die Verhältnisse am unteren Kongo zu studieren für den Fall, daß dem Vordringen von der südlichen Küste aus sich Schwierigkeiten entgegenstellen sollten. So landeten denn in Ambrizette nur Premierleutnant Schulze und Leutnant Tappenbeck mit dem Gepäck, um freilich sofort diesen Platz für die Ausrüstung der Expedition und die Beschaffung von Trägermaterial ungeeignet zu finden. Die Herren siedelten infolgedessen sehr bald nach Ambriz über, um dort dieselbe Erfahrung zu machen. Das Mißtrauen der portugiesischen Behörden sah in der deutschen Expedition eine Gefahr für den eigenen von den Nationen nur zum Teil anerkannten Besitz der südlich des Kongo gelegenen Küste – ein Mißtrauen, welches durch die jüngst vorausgegangenen Besitzergreifungen Deutschlands an verschiedenen Stellen der afrikanischen Westküste nicht unberechtigt zu nennen war. Die Kaufleute verschiedener Nationalität aber fürchteten in uns verkappte Konkurrenten oder durch das Vorgehen der Expedition eine Störung und Schädigung ihrer Handelsverbindungen. Premierleutnant Schulze begab sich zu erneutem Versuch über Loanda nach Benguela und Novo-Redondo, an welch letzterem Platze ein portugiesisches Haus sich bereit erklärte, innerhalb zweier Monate 200 Träger zu beschaffen und dieselben nach Ambriz zu senden, sobald der Gouverneur der Provinz Angola dazu seine Erlaubnis gegeben haben würde. Um diese Erlaubnis einzuholen, reiste Premierleutnant Schulze nach Loanda zurück, wurde aber dort auf die Gesetzesparagraphen verwiesen, denen zufolge Eingeborene, die aus den portugiesischen Besitzungen stammen, nur innerhalb der Grenzen derselben in ein Lohnverhältnis genommen werden dürfen. Der Gouverneur wollte endlich die Erlaubnis der Anwerbung erteilen, wenn die Expedition von Benguela oder Bihé vorzugehen sich entschlösse. Der Leutnant glaubte diesen Vorschlag ablehnen zu müssen und kehrte – an einem Erfolg weiterer Verhandlungen mit den portugiesischen Behörden verzweifelnd – nach Ambriz zurück, um von dort aus mit Leutnant Tappenbeck, dem inzwischen dort eingetroffenen David Kornelius und dem gesamten Gepäckmaterial nach Banana überzusiedeln, wohin unterdessen auch Dr. Wolff von Cabinda, ebenfalls ohne Erreichung des Zweckes seines Aufenthaltes, gekommen war.

Die Bemühungen des Premierleutnants Kund am unteren Kongo, die ihn mit den drei machthabenden Faktoren dortselbst, der »Association internationale africaine«, dem holländischen Handelshaus und der englischen Baptistenmission in nähere Berührung geführt hatten, gaben indessen Anlaß zur Entstehung eines neuen Planes, dessen Ausführbarkeit von dem Vorsteher der englischen Mission, Revd. Comber (bekannt durch die Besteigung des Kamerunberges und die Explorationen im Gebiet von San Salvador) anerkannt wurde und zu dessen Realisierung er die weitestgehendste Unterstützung versprach. Nach diesem Plan sollte die Expedition zunächst den Kongo aufwärts gehen bis zur Grenze der Schiffbarkeit desselben, das heißt bis unterhalb der Yellalafälle, wo am linken Ufer die Mission in Tondoa (Underhill) eine Station und das holländische Haus in Ango-Ango eine Faktorei haben. Von hier aus würde die Expedition mit Trägern von San Salvador, die den Verkehr dieses Platzes (wo sich zur damaligen Zeit zwei Missions- und zwei Handelsstationen befanden) über den Strom vermitteln, sich zu dieser Residenz des alten Königreichs Kongo begeben, dessen Herrscher – nach den Erfahrungen des Mr. Comber – durch Überweisung und Überlassung von eingeborenen Leuten als Träger für das weitere Fortkommen, zum mindesten aber bis zur Stadt des großen Kiamwo am Quango, Sorge tragen würde. Mit diesem König müßten sodann, wenn die Kongoleute der Expedition nicht weiter zu folgen willens sein sollten, Verhandlungen wegen neuer Träger angeknüpft werden.

Allerdings erkannten wir schon damals die Gefahr, die durch Verzichtleistung auf ein für die Dauer der Expedition zu engagierendes festes Trägermaterial entstehen mußte, doch wurden wir von allen Seiten der Unmöglichkeit eines solchen Engagements von Küstenleuten versichert – was allerdings durch die Erfahrungen der Loango-Expedition, des Premierleutnants Schulze und des Dr. Wolff bestätigt schien – so daß schließlich die von Revd. Comber vorgeführte Möglichkeit ernstlich in Betracht genommen wurde.

Dieses war der Stand der Verhältnisse am Tage meiner Ankunft in Banana, an welchem selben Tage noch an den König von Kongo in San Salvador, durch Vermittlung der Baptistenstationen in Tondoa und in jener Residenz, Geschenke abgesandt wurden mit einem Schreiben, in dem wir um Überlassung einer Trägerkarawane baten, die die Expedition, oder einen Teil derselben, von Tondoa nach des Königs Stadt führen sollte. Derselben Sendung wurden Geschenke für den großen Kiamwo am Quango beigegeben und um deren Übermittelung an jenen Herrscher ersucht.

Herr Comber war ferner so liebenswürdig, einige Bemühungen zu machen, um uns dennoch in den Besitz einer ständigen, wenn auch wenig zahlreichen, Begleitung zu setzen. Er sendete zu dem Zwecke einen der eigenen Loangoleute nach dessen Heimat, um dort für die Expedition zwanzig Boys zu werben, die für die persönliche Bedienung der Mitglieder in Aussicht genommen waren, d.i. als Wäscher, Köche, table-boys u.s.w.

Endlich hatte Herr Comber, der zu unser aller Bedauern kurze Zeit nachher Afrika verließ, um durch einen zeitweiligen Aufenthalt in England seine sehr geschwächte Gesundheit wiederherzustellen,6 Herrn Premierleutnant Kund mit Rat für die Ausrüstung an Tauschwaren für das Inland sehr unterstützt und in höchster Liebenswürdigkeit der Expedition unbeschränkte Gastfreundschaft und Unterstützung in allen Stationen der Mission zugesichert.

Da Premierleutnant Schulze sich auch die Unterstützung der »Association internationale africaine« sichern wollte, deren Chef, zur damaligen Zeit der Colonel Sir Francis de Winton in Vivi residierte, da es ferner für uns wichtig war, den von uns in Aussicht genommenen Ausgangspunkt der Inlandreise im voraus kennen zu lernen, da endlich Premierleutnant Kund die Expeditionsinteressen in Banana eifrig wahrnahm, zudem das holländische Haus, in dem wir ein gastfreies Unterkommen gefunden hatten, mehr wie überfüllt war, so beschlossen Premierleutnant Schulze und ich selbst mit erster Gelegenheit kongoaufwärts zu gehen und in Tondoa oder Ango-Ango Nachrichten und Träger von San Salvador zu erwarten.

Banana konnte mich um so weniger zu einem längeren Aufenthalt als notwendig veranlassen, da es ein sehr ungünstiger Ort für einen Botaniker oder Zoologen ist. Die den Platz bildenden Geschäftshäuser, deren man je ein holländisches, französisches, englisches und zwei portugiesische zählte, sind auf einer schmalen Landzunge errichtet, die auf der einen Seite vom Meer, auf der anderen vom Kongo bespült wird. Die Vegetation ist beschränkt auf einiges Küsten- und Brackwasserufergestrüpp, zu dem sich nur wenige Arten von Gräsern, Hartgräsern und anderen Strandpflanzen gesellen. Stellenweise ist die im übrigen sandige Landzunge von mit jungen Mangroven bestandenen Sümpfen unterbrochen, in denen ungezählte Moskitoschwärme ihren Geburtsort und tödliche Fieberdünste ihren Ursprung haben. Ein freundlicheres Bild bietet allein die Yard des holländischen Hauses, in der man Kokospalmen, die hier sehr gut gedeihen, Spondias, Akazien, Cassien und Caesalpinien, sowie auch einige Bananenbüsche angepflanzt hat. Dieser Vegetation entsprechend ist die Tierwelt der Landzunge eine sehr beschränkte, der übrigens in Herrn Hesse, einem deutschen Angestellten des holländischen Hauses, ein eifriger Verfolger und Sammler geworden war. Der Kontrast endlich zwischen der ruhigen und gemütlichen Häuslichkeit, die ich auf der Sibangefarm genossen hatte, und dem geschäftlichen und steifen Leben in dem großen Handelshause, das in Banana allein über sechzig weiße Angestellte zählte, ließ mir die Abreise von diesem Küstenplatz nicht allzu schwer werden. Mit herzlichem Wunsch für Gesundheit und Erfolg nahm ich von Herrn Veth Abschied, und in der Hoffnung, die anderen Herren uns in kurzer Zeit stromaufwärts folgen zu sehen, gingen Premierleutnant Schulze und ich selbst, sowie David Kornelius am 19. November morgens an Bord des »Heron«, eines kleinen Dampfers der »Association internationale africaine«, hier zum ersten Male die Gastfreundschaft des späteren Kongostaates genießend. Wir fanden an Bord verschiedene Herren der Assoziation, sowie einige portugiesische Kaufleute vor, die auf ihre Posten kongoaufwärts gingen. Die Ladung des Dampfers bestand in acht Mossamedesochsen, für Vivi als Schlachtvieh bestimmt, denn im ganzen Gebiet des Kongostaates gibt es nur an wenigen Orten vereinzelte Stücke von Rindvieh, die überdies sämtlich von Süden her eingeführt sein dürften.

Nach etwa zehnstündiger Fahrt langten wir in Boma an, dem jetzigen Hauptplatz des Staates. Die Fahrt von Banana bis Boma bietet des Interessanten nur herzlich wenig; zumeist kommt nicht einmal die Größe des gewaltigen Stromes zur Geltung, da zahlreiche Inseln, zwischen denen man wie in Kanälen dahinfährt, die Breite desselben durchsetzen und das Ufer nur zuweilen als ferne Bergkette sichtbar wird. Die Inseln sind niedrig und zum Teil hübsch bewaldet, auf einigen derselben finden sich Niederlassungen der in Banana etablierten Häuser. Ein anmutiges Bild gewährt Ponta da Lenha mit seinen Faktoreien, indem die einförmige Mangroven- und Buschvegetation durch Palmen, Orangen, Mangopflaumen, selbst Laubengänge der herrlichen Marakuja unterbrochen wird. Dann schwindet das Ufergebüsch und man blickt auf die mit hohem Gras bestandene Kampine, aus der sich vereinzelt Buschwerk und Ölpalmen erheben. Der Fetischfelsen und auf den Hügelrändern zerstreute Felsblöcke lassen groteskere Uferbildungen ahnen, doch die Fahrt findet für heute ihr Ende vor den in lange Reihe sich erstreckenden Faktoreien von Boma, deren weiße Dächer schon seit fast zwei Stunden dem bewaffneten Auge sichtbar waren.

 

Auch in Boma zeichnet sich die Faktorei der Afrikanischen Handelsgennootschap vor den Niederlassungen der anderen Firmen durch sehr bemerkbare Gediegenheit der Ausstattung aus, wie auch die Angestellten des holländischen Hauses diejenigen anderer Nationalität, besonders aber die Portugiesen, in jeder Beziehung weit überragen. Wir fanden für die Nacht bei dem liebenswürdigen holländischen Faktoreichef gastfreie Aufnahme, für die wir indessen an dieser Stelle das Vergnügen hatten, uns dankbar zu erweisen, hatte uns doch Herr Dr. Zintgraff (der sich zur damaligen Zeit im Hause der Assoziation aufhielt, Dr. Chavannes Rückkehr von Europa erwartend, um sodann die Aufnahmen am unteren Kongo fortzusetzen) bei unserer Ankunft durch Übersendung von fünfzig Flaschen Pschorrbier erfreut, die ein bayrischer Kapitän der Association internationale unserer Expedition zum Geschenk gemacht hatte.

In Boma besuchte ich wiederum die Station der Mission du Saint Esprit und fand dort denselben musterhaften Zustand wie in Landana und Gabun.

Es befindet sich ferner dortselbst eine Gesundheitsstation, Sanatorium genannt, für die kranken Angestellten der Assoziation, doch, trotzdem die Anlage mit vielen Mitteln hergestellt worden ist, wurden wir vor einem Besuch des Instituts ernstlich gewarnt, das nur schon zu viele Weiße betreten hatten, um es erst als Leichen wieder zu verlassen.

Daß der Ruhm Bomas, am unteren Strom die zahlreichsten und blutgierigsten Moskitos zu besitzen, wohlbegründet ist, kann ich sowohl von diesem, als meinen beiden späteren Besuchen bestätigen, habe ich doch dortselbst kaum die Augen zum Schlaf geschlossen.

Am folgenden Tage, nachdem noch ein Angestellter der englischen Mission mit seinen zwanzig neugeworbenen Loangoboys an Bord gekommen war, setzten wir die Fahrt stromaufwärts fort. Die schokoladenbraunen Wasser des Kongo sind oberhalb Boma bis zu den Yellalafällen zwischen hohen Ufern eingepreßt, die, wenn auch nicht ein schönes, so doch stellenweise ein recht interessantes Bild gewähren. Hügel reiht sich an Hügel, bedeckt von Unmengen von Blöcken und scharfkantigen Steinen, in tristester Weise bekleidet von gelbem Gras und wenigem verkümmerten Gesträuch, über dem sich ab und zu eine Ölpalme oder ein gewaltiger weißrindiger Baobab mit lang herabhängenden kürbisgroßen Früchten erheben. Ein schmaler Gürtel von hochstengligen Hartgräsern, gelbblühenden Mimosen und Acacia Farnesiana, sowie einigen anderen halb unter Wasser getauchten Ufergesträuchen zieht sich unmittelbar am Fuße der Hügel entlang; nur die Talrinnen zwischen denselben, in denen zur Regenzeit Gießbäche ihren Weg zum Kongo hinunter nehmen, sind von dichterer Buschvegetation als Galeriebildungen erfüllt und durchsetzen in dunkelgrünen Stücken die gelben und öden Hügelhänge. Einen malerischen und bisweilen selbst großartigen Eindruck aber erhält man durch ganz senkrechte, zu recht bedeutender Höhe ansteigende Felswände, die in ihrer charakteristischen roten Lateritfärbung gar seltsam mit dem braunen Wasser des Stroms kontrastieren. In kurzen Windungen hat sich hier der Kongo eine schmale Rinne von 1 000 bis 2 000 Meter Breite durch das Bergland gewühlt, so daß man sich auf allen Seiten von gewaltigen Uferwänden umgeben sieht und mehrfach meinen könnte, auf einem abgeschlossenen Gebirgssee zu sein, dessen Abfluß und Zufluß man vergeblich sucht.

Bei Noki und Ango-Ango vorüber, mit welchen Namen einige Faktoreien belegt sind, über denen die holländische, französische und portugiesische Flagge wehen, und die des Dampfers Gruß, der die belgische führt, erwidern, erreichten wir nach etwa sechsstündiger Fahrt die am rechten Ufer gelegene Station der Assoziation Nkungula, wo eine hervorspringende niedrige Landzunge einen günstigen Ort für die Niederlassung gebildet hat, und kurze Zeit darauf, indem die gewaltigen Wassermassen in heftigster Strömung und in wunderbaren Strudeln und Wirbeln entgegendrängen, am rechten Ufer in Kalla-Kalla, wo die englische Großfirma Hatton und Cookson neuerdings eine Faktorei gegründet hatte, das Ende unserer Fahrt, während der »Heron« noch bis Vivi zu dampfen hatte.

Unser zahlreiches Gepäck wurde auf die zwanzig Boys der Mission verteilt und um die zweite Nachmittagsstunde des 20. November stiegen wir die Uferberge hinan, um uns über Tondoa nach Ango-Ango zu begeben, wo Premierleutnant Schulze im holländischen Handelshause Aufenthalt zu nehmen beabsichtigte. Schon nach einer halben Stunde erreichten wir bei glühender Sonne das hoch auf einem der Hügel gelegene zierliche Wohnhaus der englischen Baptistenmissionare, wo wir in ausgezeichneter Liebenswürdigkeit seitens des Vorstehers der Station, Herrn Hughes, empfangen und bald dahin bestimmt wurden, in Tondoa zu bleiben und die Gastfreundschaft der Mission anzunehmen. Wir haben unseren Entschluß gewiß nicht zu bereuen gehabt und nicht nur die in uneigennützigster und stets hilfsbereiter Gastfreundschaft genossen, sondern auch in dem Missionar von Tondoa einen Mann schätzen gelernt, der die Aufgaben seines Berufes in selten hohem Maße verstanden hatte und zu erfüllen wußte.

Die Pflichten des Chefs der Missionsanstalt von Tondoa sind übrigens recht mannigfaltiger Art. Neben der engeren Missionstätigkeit, als dem Unterricht der Kinder, der Belehrung und Schlichtung der Streitigkeiten der Erwachsenen, der Erziehung der Hauszöglinge und einer weit ausgedehnten Krankenpflege, hatte unser Gastfreund auf die Erhaltung und Verbesserung eines großen geschäftlichen Verkehres zu achten, denn die Ausbreitung der Tätigkeit seiner Berufsgenossen im Inland äußerte sich sofort in vergrößerten Anforderungen an die Station Tondoa.

Dieselbe ist Endstation für den Wasserverkehr, und hier muß die Umladung der von Europa kommenden für die Inlandstationen bestimmten Güter geschehen – eine Aufgabe, deren Sorgen und Verantwortlichkeit nur derjenige zu schätzen weiß, der selbst in der Lage gewesen ist, in Westafrika seine Güter für den Landtransport an eingeborene Träger abzugeben. Die Beschaffung der Trägerkolonnen, die Verteilung der Lasten, die Sicherstellung von Träger und Gut, die Lohnzahlungen – alles dieses sind Verhältnisse, zu deren Beherrschung außerordentliches Geschick und Erfahrung erforderlich sind. Wie für die Güter, so ist Tondoa auch Durchgangs- und Vorbereitungsstation für die an den mittleren Kongo und nach San Salvador reisenden Berufsgenossen und Gastfreunde, wodurch an den Chef eine Reihe von Anforderungen herantreten, die in der Unerfahrenheit der Reisenden und Mannigfaltigkeit ihrer Bedürfnisse ihren Ursprung nehmen. Rechnen wir endlich zu diesen Pflichten noch die gesellschaftlichen den Kaufleuten und den Vertretern der Assoziation gegenüber – denn der eine ist hier nur zu oft auf des andern Hilfe angewiesen – und die Sorgen für die nicht immer leichte Bestellung des eigenen Hauswesens, die Beschaffung der Arbeitskräfte und die Pflege der Wege, Baulichkeiten und Gartenanlagen, so gewinnt man ein ungefähres Bild von der vielseitigen Beschäftigung in diesem Missionshause am unteren Strom.

In den Tagen nach unserer Ankunft war Premierleutnant Schulze mit photographischen Aufnahmen der Umgebung beschäftigt, ich selbst aber widmete mich dem Sammeln von Pflanzen und Insekten. Die Uferberge des unteren Kongo sind aber nicht nur ein beschwerliches Terrain für den Naturforscher, sondern sie erweisen sich auch für seinen Sammeleifer als nichts weniger als ergiebig. So weit das Auge reicht, reihen sich Hügel an Hügel, getrennt durch steile und tiefe Rawinen, bedeckt mit unzähligen Mengen von scharfkantigen Steinen. Der Anblick wirkte damals um so trostloser, als wir uns kaum im Anfang der Regenzeit befanden, die Grassteppe überall verdorrt und zum Teil abgebrannt war und soeben erst neue Halme aus den toten Grasbüschelstumpfen hervorzusprießen begannen. Diese konnten freilich den gelben und steinigen Boden noch nicht mitleidig dem Blick entziehen, auf dem es fast wunder nahm, tierisches Leben nicht völlig erstorben, sondern dasselbe durch dickleibige Pillendreher und flinke Sprenksel vertreten zu sehen. Der unmittelbare Uferrand, sowie die zur Regenzeit wasserführenden Rawinen, lieferten eine bessere Ausbeute an einjährigen Pflanzen, sowie Gesträuch und Gestrüpp, auch Käfer, Schmetterlinge und andere Insekten brachte ich von hier aus heim.