Ricarda Huch: Deutsche Geschichte 2 Zeitalter der Glauben-Spaltung - Band 2 - bei Jürgen Ruszkowski

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Z serii: gelbe Buchreihe #179
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Allerdings gelangte auch die bessere Hälfte des Fehdeverbots, das Kammergericht, noch nicht gleich zu regelmäßiger und durchgreifender Tätigkeit. Dennoch war es etwas Großes und Bedeutendes, dass ein Gesetz in Übereinstimmung von Kaiser und Ständen geschaffen war, auf das immer wieder zurückgegriffen werden konnte. Nach fast hundertjährigem Projektieren und Experimentieren schien die vielberedete Reformation endlich zustande gekommen. Auf einem Reichstag zu Nürnberg hatte der Abt Trithemius gesagt, es sei viel vorgeschlagen, besprochen und erwogen, aber außer Worten sei nichts ausgerichtet, weil alle nur den eigenen Vorteil gesucht hätten. Das war nun anders geworden: auf kaiserlicher und auf ständischer Seite stand je ein Mann, der bei allem natürlichen Eigennutz doch den ehrlichen Willen hatte, die Reformation im Interesse des Reiches durchzuführen, allerdings in ganz verschiedenem Sinne, der eine wesentlich monarchisch, der andere wesentlich aristokratisch; die beiden Männer waren Maximilian und der Erzbischof von Mainz, Berthold von Henneberg. Das Ringen der beiden hat den großen Reichstagen zu Beginn des 16. Jahrhunderts den dramatischen Charakter gegeben.

Berthold aus dem Geschlecht der Grafen von Henneberg wurde 1484 mit 43 Jahren Erzbischof von Mainz.


Berthold von Henneberg (* 1441/1442; † 21. Dezember 1504 in Aschaffenburg) war Erzbischof von Kurmainz, damit Reichserzkanzler und Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches und maßgeblich verantwortlich für die Reichsreform.

Nach allem, was wir von ihm wissen, war er ein untadeliger Mann von konservativer Gesinnung, fest in seinen Überzeugungen, stolz und ernst. Von ihm stammt das erste deutsche Zensurgesetz. Es ist vom 4. Januar 1486 und beklagt den Missbrauch, der mit der göttlichen Kunst des Bücherdrucks getrieben werde, namentlich durch Übersetzungen ins Deutsche, wodurch ins Volk getragen werde, was nur den Gelehrten zuständig sei. Ähnlich wie Geiler von Kaisersberg und Wimpheling sprach er sich frei gegen die übermäßigen Geldforderungen der Kirche, überhaupt gegen kirchliche Übergriffe aus, ohne den päpstlichen Primat anzugreifen. Er war durchaus ein Mann der Ordnung, der an Hand der Tradition die fließenden, unklaren Verhältnisse des Mittelalters in feste, geregelte verwandeln wollte.


Albrecht von Brandenburg, genannt Albrecht Achilles (* 9. November 1414 in Tangermünde; † 11. März 1486 in Frankfurt am Main), aus dem Haus Hohenzollern, war als Albrecht I. ab 1440 Markgraf zu Ansbach und ab 1464 Kulmbach sowie später als Albrecht III.

Es scheint, dass Kurfürst Albrecht Achilles von Brandenburg, der sich zeitlebens mit Reformplänen abgegeben hatte und stolz auf seine Kenntnis der Reichsgesetze war, ihn für die Idee der Reichsreform gewonnen hatte. Es war die letzte Tat des todkranken Mannes, dass er die Wahl Maximilians zum römischen König beförderte; auch seine kaiserliche Gesinnung wird er versucht haben, auf Berthold zu übertragen. Aber wie ganz anders war Maximilian als der Erzbischof! Auch er war für die Reichsreform und nicht nur, weil er es seinen Wählern hatte versprechen müssen, sich dafür einzusetzen. Er fühlte sich so eins mit dem Reich, dass der Wunsch, es zu schirmen und zu stärken, ihm selbstverständlich war. Reich begabt und vielseitig, wie er war, fühlte er sich doch in erster Linie als Feldherr, der an der Spitze eines Heeres den Bestand des Reiches zu sichern hat.

In der Organisation der Landsknechte hat der kaiserliche Dilettant etwas Gründliches und Dauerndes geleistet, zur Kriegführung hatte er eine verhängnisvolle Leidenschaft. Ohne Zweifel hatte er recht, wenn er das Reich in Gefahr glaubte. Seit sie im Jahre 1453 Konstantinopel erobert hatten, waren die Türken rasch vorgedrungen. Schon verheerten ihre räuberischen Einfälle Kärnten, Krain und Steiermark. Ebenso bedrohlich war Frankreich im Westen, besonders seit es versuchte, sich in Italien festzusetzen. Waren auch die Rechte des Reichs in Italien zu bloßen Titeln herabgesunken, wollte Maximilian sie doch nicht preisgeben. Wenn Frankreich Mailand besaß, so konnte es zugleich von Westen und Süden her ins Reich vordringen. Die Aufgabe, Deutschland im Osten und Westen zugleich gegen krieggewöhnte, eroberungssüchtige Mächte zu verteidigen, hätte wohl von einem Herrscher erfüllt werden können, der über die kriegerische Kraft der ganzen Nation verfügte. Das war aber nicht der Fall. Zwang zur Heeresfolge bestand nach altem Herkommen nur für den Zug nach Rom zur Erlangung der Kaiserwürde; im Übrigen war der Kaiser auf das angewiesen, was die Stände an Geld und Truppen bewilligten. Auf jedem Reichstag kehrten die Geldgesuche zur Führung des Türkenkrieges wieder, und so tragisch verknüpft waren die Geschicke des Reichs, dass diese so sehr berechtigte Forderung, die zugleich vom Papst ausging, fast immer abgewiesen wurde, weil die Stände zweifelten, ob die eingehenden Gelder wirklich für den genannten Zweck verwendet würden. Ein so aufrichtiger Patriot wie Gregor von Heimburg bekämpfte die Türkensteuer, als Pius II. selbst, obwohl schwer krank, die Führung des Kreuzzuges übernehmen wollte. Auch hatte man sich schon so sehr daran gewöhnt, Österreich als eine gesonderte Ländermasse zu betrachten, dass man es ihm überließ, die sich heranwälzende Gefahr von seinen Grenzen abzuwenden. Die Folgen zu übersehen, die die Eroberung Ungarns durch die Türken für Deutschland haben würde, waren die Fürsten vollends nicht weitblickend genug. Was sie nicht unmittelbar betraf, das wollten sie sich nichts kosten lassen. Begreiflicherweise empörte es Maximilian, dass ihm ein Reichsregiment an die Seite gesetzt werden sollte, in dem die Fürsten das Übergewicht hätten. So kurzsichtig und selbstsüchtig zwar wie die meisten war Berthold von Henneberg nicht. Den berechtigten Besorgnissen und Forderungen Maximilians verschloss er sich nicht; aber wichtiger als die äußeren Angelegenheiten schien ihm die Ordnung der inneren zu sein. Ehe die Reformation nicht durchgeführt sei, wollte er von der Verflechtung in Kriege mit den Nachbarn nichts wissen.

Der halbhundertjährige Regierungsschlummer Friedrichs III. hatte das Zutrauen der Stände zum Kaiser sehr gemindert; die Unternehmungslust des Sohnes war nicht geeignet, sie zu beleben. Den weiten Horizont, der sich vor seinen Augen rundete, Ungarn, Böhmen, die Niederlande, Spanien, sahen sie nicht, oder er befremdete und erschreckte sie. Maximilian pflegte Geld und Truppen von heute auf morgen zu verlangen, während sie an unendliches Aufschieben und Feilschen gewöhnt waren, und die überraschenden Wendungen und Sprünge, mit denen er sich seinen Weg durch die trugvollen Schliche der Diplomatie bahnte, ließen ihn in ihren Augen unzuverlässig erscheinen. Andererseits, wie hätte er eine starke, geradlinige kriegerische Politik treiben können ohne Geld und Soldaten? Die Umstände und das Verhalten der Stände selbst ließen ihn sprunghafter, leichtsinniger erscheinen, als er war; aber er war es gewiss mehr als der ernste, bedächtige Berthold von Henneberg. Ist es ratsam, mochte dieser denken, die Geschicke des Reiches diesem Mann anzuvertrauen, der, wenn ihn die Geschäfte verärgern, sich in seine geliebten Tiroler Berge schlägt und bei einer Gemsjagd den Gemeinen Pfennig und die Matrikularbeiträge vergisst? Der während des Feldzugs dichtet, der bei den Reichstagsverhandlungen oft so heftig wird, dass man kaum versteht, was er sagt, und von dem man nie weiß, ob er mit dem benachbarten Monarchen im Kriege ist oder über Ehebündnisse verhandelt?

Es war aber durchaus nicht nur die Persönlichkeit Maximilians, die Bertholds Auffassung der Reichsreform bestimmte. Wenn er die Regierungsgewalt in die Hände der Fürsten bringen wollte, so verfolgte er damit das Ziel, das fürstlicher Eigennutz und Machttrieb von jeher im Auge gehabt hatte, das aber auch anders und rechtmäßig zu begründen war. Die Goldene Bulle hatte das Übergewicht der Kurfürsten bereits zum Gesetz gemacht, Berthold von Henneberg befestigte eine vorbereitete Entwicklung, handelte dem Gang der Geschichte gemäß. Er glaubte das Reich stabiler zu machen, wenn er es auf die Stände gründete, als wenn es von den Einfällen und Interessen eines weltpolitisch eingestellten Kaisers abhängig wurde. Dem universalen Kaiser gegenüber vertrat er die nationalen Tendenzen der Zeit, wenn er auch durchaus nicht gleichgültig gegen Verluste des Reichs war. Mit leidenschaftlicher Heftigkeit von Seiten des Kaisers wurde auf den Reichstagen von Freiburg, Lindau, Köln um das ständische oder kaiserliche Übergewicht gerungen. Denn Maximilian, wenn er sich auch darüber stellen konnte, war doch mit Leib und Seele bei allem, was er gerade unternahm. Es kam zu offener Entzweiung, wobei Berthold den herausgesprudelten Zornesausbrüchen des Kaisers die missbilligende Gemessenheit des Kirchenfürsten entgegensetzte. Man sagte vom Kaiser, die Rede fließe ihm wie geschmolzenes Gold von den Lippen; diesmal siegte seine Überredungskunst nicht. Unter dem Misserfolg würde er unsäglich gelitten haben, wenn sein elastischer Geist nicht rasch zu anderer Tätigkeit übergegangen wäre, an der er sich erfrischte. Berthold war nicht so leicht zu erschüttern, aber auch nicht so leicht abzulenken und zu beruhigen. Wie bitter enttäuschten ihn seine Mitstände, die Fürsten, deren Sache er vertrat, und die mit ihrem Eigennutz, ihrer Kleinlichkeit und Gleichgültigkeit sich der Stellung, die er ihnen zudachte, und seines Eifers so wenig wert zeigten. „O liebe Herren“, sagte er, „es ist wenig Ernst und Fleiß bei den Ständen des Reiches vom ersten bis zum unteren.“ Maximilians Verdacht, er sei durch Frankreich bestochen, traf ihn tief; er erkrankte und starb im Jahr 1504, nachdem er noch den Zusammenbruch der von ihm geschaffenen aristokratisch-republikanischen Reichseinrichtungen erlebt hatte. Es war ein tragisches Ende für einen so redlichen, gewissenhaften Mann; aber tragisch war es auch, dass die rheinischen Fürsten im Allgemeinen nicht mit Unrecht verräterischer Beziehungen zu Frankreich verdächtigt werden konnten.

 

Befreit von seinem Gegner, gelang es Maximilian, einen Umschwung zugunsten der kaiserlichen Suprematie herbeizuführen. Aber so oder so hielt sich zunächst weder der Gemeine Pfennig noch das Reichsregiment, und was von der Reichsreform übrigblieb, führte zunächst nicht zu einer Stärkung, sondern zu einer beklagenswerten Verminderung des Reiches. Im Zusammenhang mit der allgemeinen Zentralisierung sollten die Reichsteile, die sich dem Reich entfremdet hatten, ihm wieder enger angeschlossen werden, indem sie dem neugegründeten Kammergericht unterworfen wurden; das galt hauptsächlich für die schweizerische Eidgenossenschaft. Einst hatte sie sich im Anschluss an den Kaiser die Selbständigkeit erworben, als reichsunmittelbar sich aller Grundherren erwehrt. Noch mit Siegmund hatte sie in besonders freundschaftlichen Beziehungen gestanden und ihm als Kaiser gehuldigt. Das änderte sich, als Friedrich III. zur Regierung kam und heimtückischerweise die französischen Armagnaken gegen sie hetzte. Durch die Erhebung der Dynastie Habsburg zu einer Art Erbkaisertum nahmen von nun an die Kaiser an der Erbfeindschaft teil, die zwischen der Eidgenossenschaft und Habsburg bestand. Allerdings, wäre das auch nicht gewesen, hätte sich die längst ihrer Unabhängigkeit und Stärke frohe Eidgenossenschaft, die gerade damals unter die Großmächte als ihresgleichen getreten war, der Jurisdiktion des Kammergerichts nicht unterstellt. Eine kriegerische Auseinandersetzung folgte, in der Maximilian wie fast immer seine persönliche Tapferkeit und Energie vergeblich einsetzte, da das Reich ihn ungenügend unterstützte. In dem Frieden, der den Schwabenkrieg beendete, wurde die Unabhängigkeit der Eidgenossen vom Kammergericht anerkannt, wenn sie sich auch noch Verwandte des Reichs nannten.

* * *

Die Kirchenreform

Die Kirchenreform

Dass die Reformation der Kirche die Deutschen von oben bis unten mehr als die des Reiches und mehr im gleichen Sinne beschäftigte, hat verschiedene Gründe, deren wesentlicher der ist, dass dem Reich Mangel an Wirksamkeit, der Kirche ihr Übermaß vorzuwerfen war. Man konnte zweifeln, was und wie viel vom Reich verlangt werden sollte, man war sich einig über das, was man von der Kirche nicht länger ertragen wollte. Der Umstand, dass der Staat zwischen Kaiser und Ständen geteilt war, hatte zur Folge, dass sich in Hinsicht auf die Reform verschiedene Interessen kreuzten, während alle vom Kaiser bis zum armen Mann sich irgendwie von der Kirche geschädigt fühlten. Da Italien tatsächlich vom Reich getrennt war, fingen die Deutschen an, den Papst als eine ausländische Macht zu betrachten, und die Anklagen gegen ihn wurden gesteigert durch das Feuer des nationalen Bewusstseins, das jedem Kampf besonders in den unteren Schichten des Volkes einen Schein von unbestreitbarer Berechtigung, ja von Heiligkeit zu geben pflegt.

Die Sittenlosigkeit und Unwissenheit des Klerus war, wie erheblich auch immer, doch nicht so groß, wie sie ausgeschrien wurden; es sollte sich bald zeigen, wieviel tüchtige, ja hervorragende Elemente sowohl unter den Bischöfen wie unter Pfarrern und Mönchen sich noch befanden. Unbestreitbar aber hatte die Kirche einen anderen, einen massiven, aufdringlich unverschämten Fehler: sie war zu reich. Sie brütete wie ein Lindwurm auf sagenhaft unermesslichen Schätzen unbeweglich, wartend, dass die goldenen Eier anschwollen und sich mehrten. Hier war der Hort, den Reineke dem König vorspiegelte. Voll grimmigen Neides umschlichen ihn die Braun und Isegrim sowohl wie die Hinz und Henning und sogen sich mit blanken Augen an dem feisten Wanst des Wurmes fest. Er sah mit stillem Lächeln die Gier entbrennen, denn er war durch kanonisches Recht und Reichsgesetze gesichert. Das Kirchengut durfte nicht angetastet und seiner Bestimmung nicht entfremdet werden: man nannte das Inalienabilität; wer wagen sollte, sich kirchlichen Besitz anzueignen oder ihn für andere als kirchliche Zwecke zu verwenden, würde nicht nur von der Hölle verschlungen, sondern von Acht und Bann getroffen werden. Es scheint ein Widerspruch zu sein, dass trotz wachsender Raublust die Schenkungen an die Kirche eher zunahmen als sich verminderten; aber das hing zusammen mit der Lehre von den guten Werken, in deren Ausübung die Religiosität der meisten Menschen sich auswirkte. Indessen das Geld hat magnetische Kraft, die unwiderstehlich wird, wenn eine große Menge in verhältnismäßig wenigen Händen angesammelt ist, und es übt sie aus, indem es immer mehr Geld und zugleich mehr Habgier an sich bannt. Die böse Lust wurde in Schranken gehalten, solange die Kirche die einzige Kulturträgerin war und solange das, was ihr vom Volk zugewendet war, in unzähligen Kanälen zu ihm zurückströmte, sei es durch die Armenpflege, durch Schulen oder dadurch, dass die Kirche die Stelle der Banken vertrat. Seitdem aber die Städte einen großen Teil dieser Leistungen übernommen hatten und der Klerus nicht mehr durch vorbildliches Verhalten den Schutz der Gesetze zu verdienen schien, wurde es zum Schlagwort, dass das Kirchengut dem gemeinen Nutzen nicht mehr diene und dass es notwendig sei, es dem gemeinen Nutzen auf irgendeine Art wieder zuzuführen. Gerade das, dass der Reichtum der Kirche nur der Kirche dienen sollte, Besitz in toter Hand war, erschien als unerträgliche Ungerechtigkeit und volkswirtschaftlicher Unsinn, nun sich unter dem Deckmantel des Gottesdienstes die Wollust von Heuchlern und Nichtstuern verbarg. Am meisten Vorteil von der Kirche hatte der niedere Adel. Die ritterlichen Familien pflegten von ihren Kindern die besonders kräftigen zur Heirat auszulesen, die schwächeren wurden in Stiften und Klöstern untergebracht, die man deshalb die Spitäler des Adels nannte. Die Bistümer, auch vielfach in der Hand von Rittern, begannen im 15. Jahrhundert von den Fürsten in Anspruch genommen zu werden; andererseits suchten die Fürsten sich nach Möglichkeit in das Kirchenregiment einzumischen, wozu das Vogteirecht eine Handhabe bot, und die in ihrem Gebiet liegenden Kirchengüter demselben einzuverleiben. Nicht weniger fühlten sich die Städte durch Klöster und Stifte gehemmt und ärgerten sich noch mehr als die Fürsten über die Steuerfreiheit des Klerus; denn die Fürsten konnten sich dadurch entschädigen, dass sie sich von ihren Ständen, zu denen der Klerus gehörte, freiwillige Beiträge zahlen ließen.

Der Kampf um das Bistum Brixen zeigt, wie weit die fürstlichen Ansprüche sich hervorwagten, und welche Anstrengungen die Kirche machen musste, um ihre alte Macht zu behaupten. Bereits war dem Staat mancher Vorstoß in die Festung der kirchlichen Rechte gelungen, und zwar gerade von Seiten besonders kirchlicher Fürsten. So hatten Ferdinand und Isabella, die sich die katholischen Könige nannten, als wären sie es in einer bestimmteren Art als andere, die spanische Kirche in hohem Grad von sich abhängig gemacht, und von dem sehr kirchlichen Herzog Georg von Sachsen wird die Äußerung berichtet, er sei in seinem Land Papst, Kaiser und Deutschmeister. Ähnlich soll sich der Herzog von Cleve ausgesprochen haben, und sicher war dies das geheime Ziel aller Staatsmänner. Während sie es zu erreichen suchten, indem sie irgendeine Gelegenheit benützten, in eine zufällige Lücke zu schlüpfen, kämpfte Gregor von Heimburg grundsätzlich. Er fuhr fort, den Primat des Papstes zu bestreiten, und riss einige Fürsten, sogar geistliche, mit sich fort. Erzbischof Jakob von Trier verlangte ein Konzil, um einen Druck auf den Papst auszuüben; nach seinem Tod setzte Dietrich von Erbach, Erzbischof von Mainz, seine Politik fort, unterstützt und angespornt durch den Heidelberger Martin Mayr, seinen Kanzler. Die Ausschreibung eines Ablasses durch den Papst verstärkte die Opposition; denn die Beschwerden, die man gegen den Papst hatte, betrafen zumeist die finanzielle Ausbeutung, und deren ertragreichstes Mittel waren neben den Annaten die Ablässe, die von Zeit zu Zeit verkündet wurden.


Jakob von Eltz, eigentlich Jakob von und zu Eltz, auch Jakob zu Eltz (* 1510 auf Burg Eltz bei Münstermaifeld; † 4. Juni 1581 in Trier), war von 1567 bis zu seinem Tode 1581 als Jakob III.


Dietrich von Erbach (1434-1459) Mainzer Erzbischof

Getragen von der allgemeinen Entrüstung, schrieb Martin Mayr im Jahr 1457 einen Brief an Enea Silvio Piccolomini, in welchem er das Wesentliche, was die deutsche Nation dem Papst vorwarf, in 10 Punkte zusammenfasste.


Enea Silvio Piccolomini (1405–1464), einer der bedeutendsten Humanisten und Diplomaten der Frührenaissance, wurde 1458 zum Papst gewählt.

Sie betrafen die Eingriffe des Papstes in die Wahl der Prälaten, deren Freiheit durch Dekrete des Konstanzer und Baseler Konzils gesichert war, übertriebene Geldforderungen wie die durch Ablässe, Türkensteuer und über das festgesetzte Maß hinausgehende Annaten, schließlich Eingriffe in die Gerichtsbarkeit, indem der Papst alle Prozesse vor sein Tribunal zu ziehen suchte. Wenn diese Missbräuche nicht abgestellt würden, werde es zum Abfall von Rom kommen.

Dieser Brief Martin Mayrs hätte noch größere Wirkung ausgeübt, wenn der Druck damals schon erfunden gewesen wäre; aber unter den Gebildeten wurde er verbreitet und ist denkwürdig als das erste halböffentliche Dokument, das die Beschwerden der Deutschen gegen den Papst aufzählte. „Tausend Schliche werden ersonnen“, hieß es in dem Brief, „wie der Römische Stuhl uns Barbaren das Geld auf eine feine Art aus dem Beutel ziehen kann. Unsere ehemals so berühmte Nation, die mit ihrer Tapferkeit, ihrem Blut das Römische Reich zusammengebracht hat und die Herrscherin und Königin der Welt war, ist jetzt in Armut gestürzt, Sklavin und zinsbar geworden.“ Wenn sich Martin Mayr an Piccolomini wandte, geschah es wohl deshalb, weil man wusste, welchen Einfluss er im Interesse des Papstes auf den Kaiser ausgeübt hatte, und weil er unter allen Italienern der einzige war, der die deutschen Verhältnisse gut und aus eigener Anschauung kannte. Piccolomini gab zu, dass die Deutschen dem Heiligen Stuhl Geld darbrächten, sie aber hätten von Rom den christlichen Glauben empfangen. Wer habe dem andern mehr gegeben?

Zu so höhnischer Antwort berechtigte Piccolomini die Bestechlichkeit der Fürsten. Sowohl Trier wie Mainz ließen sich die Opposition abkaufen, wenn nur genug gezahlt wurde. Es gelang in diesem Fall dem Markgrafen Albrecht Achilles, den Mainzer für den Kaiser und damit für den Papst zu gewinnen, Martin Mayr ging zum Pfalzgrafen über, der in der Hoffnung, römischer König zu werden, die Opposition weiterführte.


Dietrich von Isenburg (* 1412, † 1382)

Ein Jahr schon, nachdem Martin Mayr seinen berühmten Brief erlassen hatte, wurde Piccolomini Papst; noch ein Jahr später starb Dietrich von Erbach, und Dietrich von Isenburg, der neugewählte Erzbischof, nahm den von seinem gealterten Vorgänger aufgegebenen Kampf gegen Papst und Kaiser wieder auf. Zum Zeichen seiner Gesinnung nahm er Gregor von Heimburg in seinen Dienst, der damals die Sache Siegmunds von Tirol gegen den Papst vertrat. Weite Kreise im Reich verfolgten die große Auseinandersetzung im kleinen entlegenen Tirol mit lebhafter Teilnahme, die Verfluchung Heimburgs, seinen Appell an ein künftiges Konzil und alle Freunde unschuldig durch eine gewalttätige Übermacht Verfolgter. Auf mehreren Tagungen ballte sich die Opposition so mächtig zusammen, dass ein entscheidender Schlag bevorzustehen schien; aber wieder gelang es Papst und Kaiser, die Front der Gegner aufzulösen, namentlich dadurch, dass sie den Gegensatz zwischen Pfalz und Böhmen benutzten, die beide nach der Königskrone strebten. Der Erzbischof von Mainz wurde zur Strafe entsetzt und zog die Stadt Mainz, die ihm treu blieb, mit in seinen Fall.

 

Eine gesonderte Opposition von Reichsfürsten kam seitdem nicht mehr zustande; anstatt dessen wurden, nachdem die Kirchenreform ganz von der Reichsreform getrennt worden war, die Beschwerden gegen den Papst, auf lateinisch Gravamina, ein Gegenstand der Beratung auf allen Reichstagen. Den Reichstag zu Nürnberg des Jahres 1501 beschäftigte der vom Papst ausgeschriebene Jubiläumsablass. Trotz der Anwesenheit des päpstlichen Legaten ging der Beschluss durch, dass der Ablass nur dann verkündet werden dürfte, wenn das erzielte Geld im Reich bliebe.

Maximilian war auch in seinem Verhältnis zur Kirche ganz von seinem Vater verschieden. Unterordnung unter den Papst lag ihm fern. Kirchlich war er insofern, als er ein Freund der Tradition war und das Verbindende alter, durch lange gemeinsame Übung geweihter Gebräuche fühlte; so hat er die Ausstellung des Heiligen Rockes von Trier erneuert. Im Papst sah er vor allen Dingen den italienischen Fürsten, der eine erhebliche Rolle in der abendländischen Politik spielte und ihm in seinen Kriegen mit Frankreich und in Italien böse Streiche anzetteln konnte. Das Gewicht, das dem Papst seine Ausnahmestellung immer noch gab, war ihm oft sehr im Weg. Als Fürst und Kaiser hatte er Sinn genug für die staatlichen Rechtsansprüche, um eine Beschränkung der kirchlichen Eingriffe zu wünschen, und als ständiger Reichstagsbettler sah er ungern den Strom des deutschen Geldes nach Rom fließen. Indessen war es eine heikle Sache, in der man behutsam vorgehen musste und über die er sich zunächst einmal mit seinen Vertrauten besprach. Des Wortes mächtig, wie er war, liebte er es, mit seinen Humanisten über die großen Fragen der Zeit zu reden.


Sebastian Brant oder Sebastian Brandt (latinisiert „Titio“; geboren 1457 oder 1458 in Straßburg; gestorben am 10. Mai 1521 ebenda) war ein deutscher Humanist, Jurist, Professor für Rechtswissenschaft an der Universität Basel (1489–1500) und von 1502 bis zu seinem Tod 1521 Stadtsyndikus und Kanzler der Freien Reichsstadt Straßburg.

Einmal berief er Sebastian Brant zu diesem Zweck, ein andermal Geiler von Kaisersberg.


Johann Geiler von Kaysersberg (auch Johannes oder französisch Jean; * 16. März 1445 in Schaffhausen; † 10. März 1510 in Straßburg) gilt als der bedeutendste deutsche Prediger des ausgehenden Mittelalters.

Es war bekannt, wie rückhaltlos sich dieser Geistliche über die Verderbnis der Kirche und des Glaubens zu äußern pflegte; man schrieb ihm den Ausspruch zu, er hoffe zu erleben, dass Gott einen Mann zur Erneuerung der Kirche erwecken werde, und wenn das geschehe, wolle er dessen Schüler werden. Als im Jahr 1509 eine Wendung in den politischen Verhältnissen eintrat, die Maximilian gegen Papst Julius II. aufbrachte, kam ihm der Gedanke, ob es tunlich sei, die pragmatische Sanktion, die die Beziehungen Frankreichs zum Heiligen Stuhl in einer für den Staat vorteilhaften Weise geregelt hatte, in Deutschland einzuführen. Von Wimpheling, dessen Neffe Jakob Spiegel sein Sekretär war, verlangte er ein Gutachten, ob und wie die pragmatische Sanktion auf die deutschen Verhältnisse anzuwenden sei. Wimpheling, der, wie die meisten älteren Humanisten, bei aller Begeisterung für den Kaiser und kaiserliches Ansehen an der Suprematie des Papstes festhielt, riet nicht zur Einführung der pragmatischen Sanktion, dagegen solle vom Papst die genaue Beobachtung der mit dem Reich geschlossenen Konkordate zu erlangen gesucht werden, und zwar auf dem Wege friedlicher Vereinbarung. Er fügte seinem Gutachten die zehn Klagepunkte bei, die Martin Mayr in seinem berühmten Brief vor nun etwa 50 Jahren aufgesetzt hatte.

Ob ein revolutionärer Rat Wimphelings wirkungsvoller gewesen wäre als der vorsichtige? Es ist nicht anzunehmen; denn wie schroff sich auch im Spiel der Gedanken Maximilian oft zu dem Problem stellte, er blieb auf der Ebene des Spiels, wo er sich umso verwegener, weil ganz folgenlos tummeln konnte.

Wie der große Künstler, der ihn gezeichnet hatte, war Maximilian voller Figur: Pläne zu Denkmälern, zu Dichtungen, zu Organisationen, zu heroischen Taten, zu folgenschweren Umwälzungen tauchten wechselnd in seinem tätigen Geist auf. Als er sich mit Wimpheling beriet, dachte er an eine Staatskirche, wie sie in Frankreich begründet worden war; aber schon vorher war ihm ein anderer, höchst merkwürdiger Einfall gekommen, nämlich, ob er nicht selbst Papst werden könne. Schließlich war es noch nicht lange her, dass ein weltlicher Fürst, Felix von Savoyen, Papst geworden war. Als im Jahre 1511 Julius II. erkrankte und dem Ende nahe schien, hielt er den Augenblick für gekommen, das Spiel seiner Gedanken zu verwirklichen. Er überlegte sich, welche Persönlichkeiten mit welchen Mitteln gewonnen werden müssten, und zog den und jenen ins Vertrauen. Dabei schien er bald nur die weltliche Gewalt des Papstes, die sogenannten Temporalien, an sich ziehen, bald selbst den Päpstlichen Stuhl besteigen und dennoch Kaiser bleiben zu wollen.


Amadeus VIII. von Savoyen als Gegenpapst Felix V. (Holzschnitt aus der Schedelschen Weltchronik, 1493) September 1383 in Chambéry ; † 7. Januar 1451 in Genf ), war von 1391 bis 1439 Herzog von Savoyen.

Seiner Tochter Margarete, die an Stelle seines jungen Enkels Karl die Niederlande regierte und die ihn zu einer neuen Heirat ermunterte, schrieb er, er habe nicht im Sinn, eine Frau zu nehmen, wolle vielmehr vom Papst sich zu seinem Koadjutor ernennen lassen, um nach dem Tod desselben Papst zu werden. Er wolle, schrieb er in seinem mit souveräner Willkür behandelten Altfranzösisch, das die Naivität und den Humor seines Einfalls verdoppelt, Papst und dann ein Heiliger werden, damit sie nach seinem Tod gezwungen sei, ihn anzubeten, „dont je me trouveré bien gloryoes“. Ob er im Ernst für möglich hielt, die eifersüchtigen Großmächte würden einer so ungeheuren Vermehrung seiner Macht gleichgültig zusehen? Vielleicht interessierte ihn hauptsächlich, was für ein Gesicht seine kluge Tochter bei der Aussicht machen würde, ihren leichtbeschwingten Vater als Heiligen anbeten zu sollen. Die Genesung des Papstes machte diesen Phantasien um die Tiara ein Ende. Man begreift, dass die Florentiner sagten, über Maximilian reden sei ebenso wie über die Trinität disputieren.

Wie sehr für Maximilian das politische und kriegerische Interesse im Mittelpunkt stand, zeigte sich, als er anfangs das Konzil von Pisa unterstützte, das die Reformation der Kirche durchführen sollte, dann aber, nachdem er mit dem Papst versöhnt war, die Beschlüsse desselben für nichtig erklärte und das Lateran-Konzil beschickte, das Julius II. dem Pisaner entgegenstellte und das gehorsam für die Verstärkung seiner Macht sorgte. Es wurde im Jahr 1517 durch Leo X. geschlossen.

Wenn Maximilian in seiner Haltung schwankte, so hielten die Stände doch grundsätzlich fest an ihren Beschwerden. Seit dem großen Reichstage von 1495, wo die Reichsreform alles andere zurückgedrängt hatte, erschienen die Gravamina auf jeder Reichsversammlung wieder.


Julius II., ursprünglich Giuliano della Rovere (* 5. Dezember 1443 in Albisola Superiore bei Savona (Ligurien); † 21. Februar 1513 in Rom), war vom 1. November 1503 bis zum 21. Februar 1513 römisch-katholischer Papst.

Gesandtschaften an den Papst, um sie zu überbringen, wurden beschlossen, kamen aber nicht zur Ausführung. Es waren allmählich hundert Klagepunkte geworden, von denen ein Teil die römische Verwaltung, ein Teil das Finanzwesen, ein Teil die Prozesse betraf. Es wurde von dieser offiziellen Seite nur die causa reformationis in Betracht gezogen, die das Konstanzer Konzil von der causa fidei, der Glaubensfrage, abgesondert hatte. Diese beschäftigte das so vielfach von den hussitischen und waldensischen Sekten beeinflusste Volk. Man möchte glauben, dass solchen Kreisen jener ungenannte Elsässer nahestand, dessen Gedanken über die Reichs- und Kirchenreform auf uns gekommen sind. Wie er den rechten Kaiser in die Nähe Gottes rückt, so stellt er die rechten Priester Engeln gleich; aber er findet nicht, dass es rechte Priester gebe. Sie sind alle verweltlicht, ganz und gar verwerflich, man soll sie in den Türkenkrieg schicken und die Pfaffenkinder verhungern lassen. Die Kirchengüter und geistlichen Fürstentümer sollen eingezogen werden. Jeder fromme Mann kann Priester sein, die guten Werke nützen nichts, wenn das Gemüt nicht zu Gott gewendet ist, auch der Ablass hat keinen Wert, denn nur Gott verzeiht dem Reuigen seine Sünde. Die Messe soll in deutscher Sprache gefeiert werden, denn kein Gebet ist so herzlich andächtig wie in der Muttersprache. Der Papst und alle Geistlichen sind dem weltlichen Recht unterzuordnen, das kanonische Recht muss verschwinden. Gott hat niemandem Ehelosigkeit, im Gegenteil, er hat die Ehe geboten, deshalb wird der Zölibat und werden auch die Klöster aufgehoben. – Das war keine Reformation mehr, sondern eine gewaltige Revolution im ketzerischen Sinne; aber diese Gedanken wühlten nur in der Tiefe, züngelten zufällig einmal ans Licht und verschwanden wieder.