Christian von Anhalt hörte solchen Gesprächen, wo die Fürsten wie Würfel hin und her gespielt wurden, verwundert und mit heimlicher Missbilligung zu, ließ sich aber nichts merken, auch weil er dachte, dass es damit noch gute Weile habe. Das üppige Wesen mit den Weibern, das in Prag im Schwange war, missfiel ihm gleicherweise, und er hielt sich einigermaßen davon zurück. Er pflegte sich stets einen Raum in seinem Geiste wie eine Kapelle vorzubehalten, wohin Lärm, Schmutz und Ungeziefer der Weltgeschäfte nicht drang, wo der klare Hauch des reinen Gottesglaubens und hoher Menschlichkeit wehte und wo das Bildnis einer Frau thronte, die er inbrünstig liebte und die ihm angehörte, seiner Gemahlin, einer Gräfin Bentheim, mit der er nun seit etwa zehn Jahren verheiratet war. Was ihn umgab und was er tat, mochte hie und da einmal übel schmecken, das Bewusstsein, dass seine Seele, wann er wollte, sich in einem Paradiese läutern konnte, verlieh seinem Wesen einen anmutigen und stolzen Schwung.
Hoffnung beschwingte seinen Schritt, als er den Weg zum Kaiser antrat, und blies wie ein frischer Flügelschlag mit ihm in das Gemach des Monarchen; er erwiderte Anhalts ehrfurchtsvollen Gruß freundlich, erinnerte ihn an ihre frühere Begegnung und ermunterte ihn, sich zutraulich zu äußern. Zunächst, sagte Anhalt, könne er nur Dank äußern, dass der Kaiser ihm das Glück seiner Gegenwart gewähre, Dank, dass er in diesem Augenblick nicht nur als der Untertan zu seinem Herrscher, sondern dass er als ein Fürst und ein Mann zu dem sprechen dürfe, von dem die Geschicke der Welt abhingen.
»Sollte es Euer Liebden allein unbekannt sein«, sagte Rudolf wehmütig, »dass kaum ein Herr auf seinem Gute so verlassen und ohnmächtig ist wie der Kaiser?«
»Der Kaiser winke nur«, sagte Christian lebhaft, »und das Reich ist gerüstet, seinem Befehl zu gehorchen.« Der Kaiser kenne ja nur einen kleinen Teil des Reiches, er solle doch einmal nordwärts reisen, da werde ihm alles zu Füßen liegen. Er solle doch denen nicht Glauben schenken, die aus Unkenntnis oder Gehässigkeit ihm die Protestanten wie Heiden und Reichsfeinde abschilderten; sie selbst nennten sich Katholiken, denn sie hätten ja den alten Glauben nicht abgeschafft, sondern in seiner ursprünglichen Reinheit wiederhergestellt. Könnte er nur die Herzen der evangelischen Untertanen aus ihrer Brust nehmen und aufmachen wie einen Schrein, so würde er das Bild des Kaisers als ein Heiligtum darin verschlossen finden. Möchte er nur zwischen den Parteien ein gerechter Schiedsrichter sein und den Beschwerden der Evangelischen abhelfen, so würde der Frieden im Reiche wieder aufblühen. Könnten sie nur zu der Quelle gelangen, wo das Recht unverfälscht und unverstopft fließe, so würden die evangelischen Fürsten des Kaisers treue Ritter und Erzengel sein. Warum sollte die alte Eintracht zwischen den Parteien sich nicht wieder begründen lassen? Hätten sie doch den gleichen Feind, den Türken, der über ihrem Streiten ausgelassen und mächtig geworden sei.
Der Kaiser hatte Anhalt von Zeit zu Zeit durch einen Blick oder eine Handbewegung ermuntert, fortzufahren. Sein Auge ruhte mit Wohlwollen auf der ebenmäßig kräftigen Gestalt des Fürsten, aus dessen hübschem Gesicht Offenheit und Scharfsinn strahlten und von dessen Wesen eine Wärme ausging, die es ihm leicht machte, seinen Worten zu folgen. Nicht nur währte die Audienz außergewöhnlich lange, sondern der Kaiser beendete sie auch mit der Aussicht auf eine zweite und mit Andeutung, dass eine engere Abmachung die Folge sein könne.
Noch im Laufe desselben Tages wurde der Kaiser an dem günstigen Eindruck, den er empfangen hatte, wieder irre. Er hatte sich, so schien es ihm nun, einem lustigen Feuer genähert, um sich daran zu wärmen, und würde sich schließlich daran verbrennen. Durch seine Keckheit, seinen Witz und seinen Schein von Offenheit hatte dieser Mensch ihn zu umgarnen gesucht, dem es doch zuletzt nur auf den Vorteil und Nutzen seiner Partei ankam. War Anhalt nicht ein berüchtigter Aufwiegler, der im Dienste Heinrichs IV. von Frankreich gestanden hatte und der es ohne Zweifel auch mit den holländischen Staaten, den Türken des Nordens, hielt? Ja, wenn er in den lästigen und leidigen Streitfragen, mit denen man ihn seit Jahren belästigte, zugunsten der Evangelischen entschiede, so würden sie ihn hilflos seinen Feinden ausliefern. Aufmerksam rief er sich alles zurück, was Anhalt gesagt hatte, ob ein Versprechen darin versteckt gewesen wäre, die Union würde ihm gegen Matthias zu Hilfe kommen. Gegen diesen listigen Fürsten galt es die Waffe umzukehren und ihn so zu bearbeiten, dass er ihm, dem Kaiser, die Dienste der Union zur Verfügung stellte und eine nach Belieben zu zahlende Rechnung dafür ausschriebe.
Bei der zweiten Audienz spürte Anhalt sofort, dass mit dem Kaiser eine Veränderung vorgegangen war; er schien eine fremde Maske vorgebunden zu haben, der gegenüber der verwirrte Gast das herzliche Gespräch vom vorigen Male nicht wieder anzuknüpfen wusste. Er wisse wohl, sagte Rudolf, dass sein Bruder Matthias sich Hoffnung auf den Beistand der Evangelischen mache, auch sein Bruder Maximilian hätte mit diesen zu tun gehabt, er durchschaue alles, man solle im Reich nicht denken, dass ein Blinder oder ein Kranker auf dem Hradschin sitze. Dann plötzlich beklagte er sich, dass die Stände nachlässig im Zahlen der Türkensteuer gewesen wären und ihn dadurch zu einem schmählichen Frieden mit den Türken gezwungen hätten. Von der Türkensteuer mache er alles abhängig, vorher lasse er sich auf nichts ein. Er wolle gehorsame Untertanen sehen, dann werde er auch ein gnädiger Kaiser sein.
Anhalt war vor Ärger und Enttäuschung rot geworden; wie ein Sumpf kam ihm der Kaiser vor, in den es ihn reizte mit Steinen zu werfen. Man hätte die Türkensteuer entrichtet, sagte er, obwohl es manche seltsam gedünkt hätte, die niemals einen Türken gesehen hätten noch je sehen würden. Aber man bewillige selbst den Bauern, wenn sie ihre Abgaben und Fronden ordentlich leisteten, das, was sie, um ihr Leben zu fristen, nötig hätten. Für die Evangelischen jedoch sei im Reiche kein Recht und kein Richter. Wehe dem Reich, wenn die Verkürzten in ihrer Not zum Schwerte griffen und die Fehden zwischen Brüdern sich erneuerten.
Das lasse sich wie eine Drohung hören, sagte der Kaiser vorsichtig, und Anhalt bemerkte, dass seine Hand, die um den Rand des Tisches griff, zu zittern begann. Von Ungeduld und Widerwillen hingerissen, antwortete er, indem er sich stolz aufrichtete, er stehe als ein Untertan vor seinem Kaiser, aber Gott sei über ihnen beiden, der nach Belieben umwenden könne, was er erschaffen habe. Rudolf solle nur das Ende Cäsars bedenken, welches Gott habe geschehen lassen, nachdem er ihn so hoch gerückt habe, dass noch heute die Weltbeherrscher nach ihm genannt würden.
Diese Audienz hatte einen nachteiligen Einfluss auf den Zustand des Kaisers. Die Anspielung auf die Ermordung Cäsars gab ihm beständig Anlass zu Befürchtungen, die Lang eher verstärkte als entkräftete. An diesem Anhalt, sagte er, sehe der Kaiser nun, was die Evangelischen im Schilde führten und wozu sie fähig wären, er hätte sich nie so weit mit ihm einlassen sollen.
Je mehr sich Lang des Kaisers sicher fühlte, desto gleichgültiger und rücksichtsloser wurde er gegen seine Person. Befriedigte er auch nach wie vor seine täglichen Bedürfnisse, so war doch der Ton seiner Stimme dabei oft hart und befehlend und lag in seinem Wesen eine wegwerfende Verachtung, was der Kaiser tief spürte, ohne es merken zu lassen. Seinerseits fiel es Lang nicht auf, dass der Kaiser ihn seltener zu sich rief, vielmehr oft absichtlich fernhielt; denn er war froh, des lästigen Dienstes einmal überhoben zu sein. Mehr und mehr lastete das Bewusstsein auf dem Kaiser, dass er sein Vertrauen diesem Manne, der ihn nicht liebe, geschenkt habe; es war ihm, als hätte er ein Stück von seiner Seele in Langs Hand gegeben und müsse sie um jeden Preis wiederhaben.
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Vor Jahren hatte Tycho de Brahe, der kaiserliche Astronom, in einer missvergnügten Stimmung den Kaiser vor seinem sechzigsten Lebensjahre gewarnt, während dessen sein Leben durch Mord oder sonstiges Verhängnis in Gefahr schwebe. Zu weiteren Erklärungen hatte sich Tycho nicht bewegen lassen, wie denn überhaupt der hoffärtige Däne seine Aussprüche wie Kostbarkeiten von sich gab, von denen er sich ungern trennte. Von Johannes Kepler, dem armen Schwaben, der um des Glaubens willen Amt und Brot verloren hatte und dankbar sein musste, in Prag eine Unterkunft zu finden, hatte der Kaiser erwartet, dass er ausgiebiger sein würde; anstatt dessen war von diesem eigensinnigen Manne noch weniger herauszubekommen. Je mehr sich der Kaiser seinem sechzigsten Jahre näherte, desto häufiger lag ihm die Prophezeiung des Tycho beängstigend im Sinne, und eines Abends ließ er seinen Astronomen zu sich bescheiden in der unbestimmten Hoffnung, derselbe könne sie entkräften oder eine tröstliche an ihre Stelle setzen. Kepler, der es nicht vertragen konnte, in der Arbeit gestört zu werden, war ungehalten; er sei nicht des Kaisers Narr, murrte er, indem er seine Mappe zurückstieß, dass die beschriebenen Blätter im Zimmer umherflogen. Da sich seine Frau unter Seufzen anschickte sie aufzulesen, rief er ihr zu, sie solle das lassen. »Wenn ich meinen Brei verbrannt habe, werde ich ihn auch selbst auslöffeln«, sagte er ärgerlich. Warum er sich beklage, sagte jetzt die Frau vorwurfsvoll, dass der Kaiser ihn wie einen Lakaien oder Laufburschen traktiere? Er hätte zeitig vorbauen und als ein Mann von Adel, und der auf seine Würde hielte, auftreten sollen. Auch der Tycho hätte ihn, Kepler, wie einen Diener behandelt, und er hätte sich’s gefallen lassen, nur zu Hause könne er den Part des Löwen brüllen.
Kepler entschuldigte sich, er dürfe es doch mit dem Kaiser nicht verderben, schließlich sei es ja das schlimmste nicht, dass er nachts noch einmal auf das Schloss müsse, so gehe es bei Hofe einmal zu. Der Kaiser habe ihm doch auch Huld und Vertrauen erwiesen, und er habe Ursache, ihm dankbar zu sein. Was nämlich in Prag für Kepler unschätzbaren Wert hatte, waren die Beobachtungen, die Tycho de Brahe in langen Jahren über die Bahn des Planeten Mars angestellt hatte und die er zum Ausbau seines Systems gebrauchte. Als nun nach dem Tode des Tycho seine Erben diese Papiere nebst dem ganzen Nachlass für sich beanspruchten und dem Kepler nicht zur Einsicht lassen wollten, entschied der Kaiser zu seinen Gunsten, damit er sein Werk vollenden könne.
Im Schlosse angelangt, erzählte Kepler, in der Meinung, der Kaiser wolle über den Fortschritt seiner Arbeit unterrichtet sein, es gehe rüstig vorwärts, und im Laufe eines Jahres könne er etwas Neues, der Aufmerksamkeit Würdiges im Druck erscheinen lassen. Durch die Berechnungen des Tycho sei er instand gesetzt, den erhabenen Traum des Kopernikus auf die festen Säulen der Wirklichkeit zu gründen, und er zweifle nicht, dass diese Entdeckung den Ruhm des Kaisers vermehren werde, dessen Großmut ihm zum Besitz der dazu notwendigen Hilfsmittel verholfen habe.
Der Kaiser hörte freundlich und ein wenig zerstreut zu; ob der neue Kalender noch nicht fertig sei? fragte er. Nein, antwortete Kepler, es stehe noch etwas aus, er sei allzu sehr in seine große Arbeit vertieft gewesen, hätte auch einen neuen Stern am Himmel beobachtet, was ihm viel Zeit und Gedanken genommen hätte.
Ein neuer Stern? fragte der Kaiser; was das zu bedeuten habe. Ob es ein Komet sei. Nein, sagte Kepler, ein Komet sei auch sichtbar, aber dieser Stern gebe ihm mehr zu denken. Ob er ihn sehen wolle? Er könne ihn von der Galerie des Belvedere aus beobachten. Die Dienerschaft und die übrigen Anwesenden waren erstaunt, als der Kaiser seine Geneigtheit erklärte, und vollends erschrocken, als er ihre Begleitung ausschlug. Der Kepler solle ihn führen, sagte er, indem er diesen fragend ansah, worauf der lachend antwortete, das getraue er sich wohl, und sehen müsse der Kaiser ohnehin mit seinen eigenen Augen. Es könne der Majestät doch etwas zustoßen, sagte der neue Ofenheizer Rhutsky ängstlich, wenigstens müsse mit Windlichtern geleuchtet werden, und unten vor der Galerie müsse jemand warten, für den Fall, dass der Kaiser etwas benötige. Nachdem alles angeordnet war, ergriff der Kaiser Keplers Arm und ließ sich von ihm durch den Schlossgarten am singenden Brunnen vorüber zum Belvedere führen. Vor dem jähen Anblick der himmlischen Unendlichkeit schloss der Kaiser die Augen und hieß Kepler durch einen Wink mit der Hand einen Sessel dicht an die Mauer rücken, denn er litt an Schwindel. Den Pelz, den man ihm umgehängt hatte, dicht um sich ziehend, obwohl es eine laue Frühlingsnacht war, setzte er sich und blieb eine Weile so, ohne sich zu rühren. Nachdem er sich erholt hatte, wies ihm Kepler erst den Kometen, der als ein schwacher, etwas verschwommener Schein aus dem blassblauen Himmel auftauchte, und dann den neuen Stern, der sich im Sternbild der Leier zeigte. Wenn er recht aufmerke, sagte er zum Kaiser, werde er sehen, dass dieser Stern anders als die anderen, wie eine stark brennende Fackel aussehe und dass zuweilen rubinrote Zungen darin aufflammten, als ob in einem Hochofen gewisse Stoffe zerschmolzen würden. Er halte dafür, dass es mit diesem Stern seine besondere Bewandtnis habe.
Was er damit andeuten wolle? fragte der Kaiser aufmerksam, er solle es ungescheut heraussagen.
»Wie«, sagte Kepler, »wenn es gar kein Stern wäre, sondern eine Welt, die jenseits der uns sichtbaren Sonnenwelten läge und die, durch inneres Gesetz oder unerforschliche Revolutionen erschüttert, untergehend durch unseren Raum stürzte? Dann freilich müsste sie, wie sie aus ihrer, unseren armen Werkzeugen unzugänglichen Entlegenheit herausbrach, auch wieder verschwinden.« Ein neuer Stern müsse einen neuen Kaiser bedeuten, sagte der Kaiser, so viel verstehe er auch von der Sternkunst.
Ach nein, sagte Kepler gutmütig, indem er sich über den Lehnstuhl des Kaisers beugte, das solle er sich doch aus dem Sinn schlagen. Der Weltensturz, der jetzt dort erscheine, sei vor unmessbarer Zeit geschehen, als die römischen Kaiser deutscher Nation noch gar nicht vorhanden gewesen.
Aber umsonst könne er doch nicht erscheinen, beharrte der Kaiser, und auch nichts Geringes zu bedeuten haben.
Kepler zuckte ein wenig ungeduldig die Schultern und sagte nach einer Weile: »Wenn es so wäre, dass wir, die irdische Luft verlassend, im Äther atmen und in den Weltraum hineinschiffen könnten, dann würden wir Jahrhunderte reisen, bis wir etwa in die Nähe jener Welt kämen. Wenn unser Herz dann von dem Donner der umrollenden Sonnen und dem Anblick der entblößten Allmacht Gottes noch nicht gebrochen wäre, würden wir vielleicht sehen, wie ein aus den Weltentrümmern verjüngter Ball durch den kochenden Ozean rollte. Scheiterte dann unser Schiff in der feurigen Brandung, wer früge danach? Was könnten wir den Erstlingen Gottes gelten?«
Der Kaiser wendete sich mit misstrauischem Blick nach Kepler um. Er sei ein Ketzer, sagte er; ob er etwa nicht glaube, dass Gott, der die Menschen erschaffen habe, ihren Lauf und die Stunde ihres Todes wisse? Ob er nicht glaube, dass Gott sie durch Zeichen warnen könne?
»Alles, was geschieht, geschieht in Gott«, sagte Kepler eifrig, »und also ist Gott allwissend.« Es möchte auch wohl sein, fuhr er fort, dass, da alle Teile der Welt in Gott zusammenhingen, der eine Teil sich im anderen spiegle. Aber so im einzelnen könne man dem nicht nachgehen. Es könnten auch Kaiser auf anderen Sternen regieren, um die sich Gott bekümmern müsste, man könnte da leicht etwas auf den unrechten Ort beziehen. Wolle der Kaiser aber durchaus eine Auslegung von ihm haben, so wolle er ihn mahnen, nach Ungarn zu blicken, weil der Stern dort hinüber aufgegangen sei.
So gehe es doch auf den Matthias, murmelte der Kaiser, in sich hinein schaudernd.
Das habe er nicht gemeint, sagte Kepler, mitleidig in das fahle, jammervolle Gesicht des Kaisers blickend. Die Ungarn seien rebellisch, das sei allbekannt, aber es fehle ihm ja nicht an treuen Untertanen. Er wolle den Kaiser nun aber wieder hinunterführen, die nächtliche Kühle könne ihm schaden, und der Komet sei ohnehin schon untergegangen.
Folgsam stand Rudolf auf, lehnte sich auf Keplers Arm und wandte sich der Treppe zu, ohne noch einen Blick in den Himmel zu werfen, der von unzählbaren aus seiner Unermesslichkeit quellenden Keimen zitterte.
Trotz seiner Müdigkeit konnte der Kaiser nicht schlafen. Von Matthias, stöhnte er, von Matthias drohe ihm Gefahr, er sei des Todes, niemand könne ihn retten. Philipp Lang suchte ihn zu beruhigen: hier in der Burg sei er sicher, alle Zugänge seien von zuverlässigen Leuten besetzt, zu ihm könne man nur über seine, Langs, Schwelle. »Du verstehst mich nicht«, sagte der Kaiser, der aufrecht im Bette saß; »ich fühle, als bohre sich ein glühender Nagel in meinen Kopf und als zerschmölze mein Gehirn zu Gallert und fließe aus.« Das freilich schmecke nach Zauberei, sagte Lang; er kenne aber einen alten Juden, der wisse einen Gegenzauber, bei Tage wolle er ihn auf die Burg kommen lassen. Einstweilen solle der Kaiser sich wieder niederlegen und zu schlafen versuchen. In der Tat legte sich der Kaiser, damit Lang ihn verließe; es war ihm plötzlich eingefallen, dass es auch Lang sein könnte, der ihn vermittelst Zauber zu Tode quälte, wenn er mit solchen Leuten Umgang hatte. Er konnte es im Auftrage des Matthias tun oder um böser Lust zu frönen; der Schweiß tropfte ihm von der Stirn, indem er bedachte, wie nah er seinen Henker bei sich hätte. Als Rhutsky am Morgen in seine Kammer trat, winkte er ihn zu sich und fragte ihn leise, ob er oder einer von den anderen Dienern den Lang jemals bei verbotenen Künsten ertappt hätte. Er solle es bei seinem Leben bekennen.
Rhutsky fiel auf die Knie und gestand endlich, er habe lange schon den Argwohn, dass Lang ihn, den Kaiser, behext habe. Er solle sich aber nicht merken lassen, dass er ihm auf der Spur sei, sonst könne es ein böses Ende nehmen; nur solle er Lang unter diesem und jenem Vorwande nicht so viel an sich heranlassen, und wenn er ihn berührt hätte, sich darüber bekreuzen.