Der Dreißigjährige Krieg

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Die­ser Un­fall wur­de zwar nach Mög­lich­keit ver­schwie­gen, er­reg­te aber bei de­nen, die da­von hör­ten, großes Be­den­ken, wie auch meh­re­re an­de­re Un­zu­träg­lich­kei­ten, die an­läss­lich der Kai­ser­wahl vor­fie­len, als üble Vor­zei­chen ge­deu­tet wur­den. So ver­fuh­ren die Quar­tier­meis­ter, wel­che den Kur­fürs­ten und ih­rem Ge­fol­ge Her­ber­ge an­zu­wei­sen hat­ten, so grob und un­be­dacht, dass sie eine Wöch­ne­rin, die erst vor we­ni­gen Stun­den ge­bo­ren hat­te, aus ih­rem Zim­mer schaff­ten, wor­auf sie un­auf­halt­sam von ih­rer weh­kla­gen­den Fa­mi­lie hin­wegstarb. Da­durch wur­de der Frank­fur­ter Pö­bel noch mehr auf­ge­reizt, der so­wie­so kein Herz für die Kai­ser­sa­che hat­te, weil bei der letz­ten Re­bel­li­on des Vol­kes ge­gen das Pa­tri­zi­at der Kai­ser für die­ses Par­tei ge­nom­men und die Em­pö­rer grau­sam be­straft hat­te. Fer­ner soll­te Mo­ritz von Hes­sen, der sich vor­ge­nom­men hat­te, die Wahl des Erz­her­zogs Fer­di­nand auf ir­gend­ei­ne Art zu hin­ter­trei­ben, als er zur Stadt hin­aus muss­te (denn es war Ge­setz, dass alle Frem­den, mit Aus­nah­me der Kur­fürs­ten und ih­res Ge­fol­ges, an den Ta­gen der Kai­ser­wahl das Ge­biet der Stadt Frank­furt ver­las­sen muss­ten), bit­ter­bö­se Droh­wor­te aus­ge­sto­ßen ha­ben; die­ses Fürs­ten not­ge­drun­ge­ner Ab­zug er­reg­te aber nicht Teil­nah­me, son­dern Scha­den­freu­de des Vol­kes, weil er sich da­mals gleich­falls der Re­bel­li­on nicht an­ge­nom­men hat­te.

Das größ­te Auf­se­hen gab es, als am Tage nach er­folg­ter Wahl der Erz­bi­schof von Tri­er, Lo­thar von Met­ter­nich, in­dem er aus sei­ner Kut­sche aus­stei­gen woll­te, von ei­nem Hun­de ins Bein ge­bis­sen wur­de und als ein Schwer­ver­letz­ter in sein Bett ge­tra­gen wer­den muss­te. Er nahm es sich umso mehr zu Her­zen, als er haupt­säch­lich die Wahl Fer­di­n­ands be­trie­ben und zum Ef­fekt ge­bracht hat­te und ihm nun die­ser un­ver­hoff­te Hun­de­biss wie ein stra­fen­des Got­tes­zei­chen vor­kom­men woll­te, weil er etwa um per­sön­li­chen Vor­teils wil­len das Wohl des ge­lieb­ten Va­ter­lan­des zu­rück­ge­stellt hät­te. Dass es mit dem Hun­de eine be­son­de­re Be­wandt­nis hat­te, dar­auf deu­te­te die Na­tur der Wun­de, die nicht zu­hei­len woll­te, wie auch, dass man den Hund mit ein­ge­zo­ge­nem Schwan­ze da­von­lau­fen und nach­her gar nicht mehr ge­se­hen hat­te. Ei­ni­ge Ärz­te äu­ßer­ten die Be­fürch­tung, der Hund möch­te toll ge­we­sen sein, was die Angst und Rat­lo­sig­keit noch ver­mehr­te. Nach all­ge­mei­ner Aus­sa­ge be­fand sich ein ge­lehr­ter Jude in Frank­furt, der ge­gen den Biss tol­ler Hun­de ein ge­hei­mes Mit­tel ken­ne, aber der Kur­fürst zwei­fel­te, ob er sich von ei­nem sol­chen dür­fe be­han­deln las­sen, und bot ihm viel Geld, falls er vor­her zum Chris­ten­tum über­tre­ten woll­te. Der Jude ant­wor­te­te höh­nisch, er sei dazu be­reit, wenn der Kur­fürst her­nach aus Dank­bar­keit den jü­di­schen Glau­ben an­neh­men woll­te, so sei auf bei­den Sei­ten nichts ge­won­nen und nichts ver­lo­ren; Geld habe er ge­nug, ver­lan­ge auch kei­ne Be­zah­lung für die Kur, die er nur vor­neh­men wür­de we­gen des Ver­gnü­gens, einen so treu­en Va­sal­len des Kai­sers ge­sund zu ma­chen. Hin­ge­gen ge­lang es, die Frau des Ju­den zu be­ste­chen, dass sie ih­rem Man­ne an dem be­tref­fen­den Tage ein ge­weih­tes, mit al­ler­lei Sprü­chen und Amu­let­ten her­ge­rich­te­tes Hemd an­prak­ti­zier­te, in wel­chem er den Erz­bi­schof ohne Scha­den un­ter­such­te, ein­salb­te, mit heil­sa­men Trop­fen ver­sah und so weit wie­der her­stell­te, dass er nach Hau­se rei­sen konn­te. Doch wur­de der einst so schö­ne, ma­je­stä­ti­sche und hei­te­re Fürst die schwer­mü­ti­gen Ge­dan­ken nicht wie­der los, be­fürch­te­te auch im­mer den Aus­bruch der Hunds­wut und straf­te sich selbst, dass er aus Sor­ge um sein ge­mei­nes ir­di­sches Le­ben sich von ei­nem Ju­den hat­te ku­rie­ren las­sen, der den Hei­land ge­kreu­zigt hat­te.

Gro­ßes Är­ger­nis gab ein Mann, der in Tracht und Ge­bär­den ei­nes Quack­sal­bers wäh­rend der Wahl­ta­ge al­ler­lei Ge­gen­stän­de an die Meist­bie­ten­den ver­kauf­te, wor­un­ter eine aus Blech ver­fer­tig­te und mit bun­tem Glas ver­zier­te Kro­ne war; die­sel­be war so nett und künst­lich ge­macht, auch würz­te der Mann den Han­del mit so ge­fäl­li­gen Spä­ßen, dass er eine große Sum­me Geld da­mit er­ziel­te. Der, wel­chem sie zu­ge­schla­gen wur­de, band die Kro­ne ei­nem schä­bi­gen Pu­del auf den Kopf, der da­mit durch die Stra­ßen lief, bis der Rat dem Un­fug ein Ende mach­te, ohne aber der Schul­di­gen hab­haft wer­den zu kön­nen. Der Ver­dacht fiel auf die in Frank­furt an­säs­si­gen Nie­der­län­der, die auch die letz­te Re­bel­li­on an­ge­zet­telt ha­ben soll­ten, weil die rei­chen Bür­ger und Han­dels­leu­te sie we­gen des Wett­be­werbs und an­de­rer Miss­stän­de nicht lei­den woll­ten.

Der nun­meh­ri­ge Kai­ser Fer­di­nand ließ sich al­les dies nicht an­fech­ten, son­dern nahm die un­ter so großen Schwie­rig­kei­ten er­folg­te Wahl als ein Zei­chen Got­tes, dass er we­gen an­e­rerb­ter und an­ge­bo­re­ner Tu­gen­den zum Welt­re­gi­ment und na­ment­lich zur Wie­der­her­stel­lung der ka­tho­li­schen Re­li­gi­on aus­er­le­sen sei und eben­so wun­der­bar zum Sie­ge über die Böh­men wer­de ge­führt wer­den. Zu­nächst reis­te er zu bes­se­rer Be­fes­ti­gung der Freund­schaft und Ab­ma­chung ge­gen­sei­ti­ger Ver­trags­leis­tung nach Mün­chen, wo der Her­zog den ho­hen Gast eh­ren­voll emp­fing, ihm sei­ne Re­si­denz und Kunst­schät­ze zeig­te, sich aber in Be­zug auf die Ge­schäf­te kalt­her­zig zu­rück­hielt. Als Fer­di­nand ihm ver­trau­lich sag­te, wenn er nur wol­le, so könn­ten sie mit­ein­an­der das Un­kraut der Ket­ze­rei aus­rot­ten, sie bei­de und sein Schwa­ger in Spa­ni­en wür­den gleich­sam eine ir­di­sche Drei­ei­nig­keit bil­den, der sich al­les un­ter­wer­fen müs­se, ant­wor­te­te Ma­xi­mi­li­an, die Tri­ni­tät sei ein himm­li­sches Mys­te­ri­um, auf Er­den habe je­der sei­nen ei­ge­nen Kopf und wol­le sei­nen ei­ge­nen Fut­ter­napf. Auch Fer­di­n­ands wei­te­re Erin­ne­run­gen, sie zwei hät­ten doch von je­her nur ein Herz und Haupt ge­habt, auch hät­ten sei­ne Mut­ter und Ma­xi­mi­lians Va­ter sie oft er­mahnt, wie Brü­der zu­sam­men­zu­hal­ten, ver­an­lass­ten ihn nur zu ei­ner ge­mes­se­nen Er­klä­rung, er wer­de sich al­le­zeit freund­vet­ter­lich und nach­bar­lich er­wei­sen. Die Ver­pfän­dung von Ober­ös­ter­reich be­tref­fend, ließ er sich end­lich nä­her her­aus, sei ihm we­nig mit ei­nem auf­stän­di­schen Lan­de ge­dient, das er erst mit vie­len Kos­ten zum Ge­hor­sam brin­gen und wie­der ab­tre­ten müs­se, wenn es ihm ge­ra­de einen Pro­fit ab­wer­fen wür­de. We­nigs­tens müs­se er für sei­nen Auf­wand einen ge­wis­sen Er­satz be­kom­men, und den kön­ne ihm Fer­di­nand ja in der Wei­se leis­ten, wenn Pfalz wirk­lich die böh­mi­sche Kro­ne an­näh­me und da­durch die Acht auf sich zöge, dass er ihm den Voll­zug der­sel­ben auf­trü­ge und au­ßer­dem die pfäl­zi­sche Kur­wür­de von der Hei­del­ber­ger Li­nie auf ihn und sei­ne Nach­kom­men über­trü­ge.

So hoch hat­te sich Fer­di­nand den Preis, den Ma­xi­mi­li­an for­dern wür­de, doch nicht vor­ge­stellt und hielt sei­nen Schre­cken nicht zu­rück; nicht nur sämt­li­che evan­ge­li­sche Reichs­fürs­ten wür­den sich da­wi­der­set­zen, mein­te er, son­dern auch alle Kur­fürs­ten und viel­leicht so­gar der Papst und Spa­ni­en, denn ein sol­cher Be­sitz­wech­sel wür­de ge­mein­hin von nie­man­dem ger­ne ge­se­hen.

Da­ge­gen sag­te Ma­xi­mi­li­an, wenn der Kai­ser es dar­auf an­kom­men las­sen woll­te, Böh­men zu ver­lie­ren, so sei das sei­ne Sa­che, er kön­ne sei­nem Lan­de die Las­ten ei­nes Feld­zu­ges nicht auf­bür­den, wenn er nicht ei­ner reich­li­chen Ent­schä­di­gung si­cher sei. Woll­ten die Reichs­fürs­ten sich sei­nes Vet­ters von der Pfalz wirk­lich an­neh­men, so sei ja er da, um sie zur Rä­son zu brin­gen, er be­fürch­te es aber nicht, Wor­te wä­ren heut­zu­ta­ge bil­lig wie Sand, Ta­ten aber sel­ten und kost­bar wie har­te Edel­stei­ne.

Von ei­ner Jagd zu­rück­keh­rend, sa­ßen die bei­den Vet­tern in ei­ner Ni­sche des Schlos­ses zu Grün­wald über der Isar, die ihre mil­chi­gen Wel­len stür­misch zwi­schen den die stei­len Ufer lo­ckig krö­nen­den, sanft hin­ein­rau­schen­den Ei­chen­wäl­dern hin­führ­te. Fer­di­nand lob­te die aus­ge­dehn­ten Fors­te, die rei­che Jagd­ge­le­gen­heit und, zu ei­nem ge­gen­über­lie­gen­den Fens­ter tre­tend, die wei­ßen Ge­höf­te ei­nes Kirch­dorfs, die wie In­seln aus ei­nem Meer gol­den wo­gen­der Äcker rag­ten; das Him­mels­ge­wöl­be stand rund wie eine tö­nen­de, kris­tal­le­ne Glo­cke über dem ebe­nen Hoch­land. »Der Bo­den ist stei­nig«, sag­te Ma­xi­mi­li­an, »Obst und Wein trägt er nicht, aber Brot ge­nug in Frie­dens­zei­ten.« Das könn­te ihn die Pfalz leicht kos­ten, be­merk­te Fer­di­nand, ohne Krieg wür­de es da­bei nicht ab­ge­hen. »Der Krieg soll vie­le Län­der der an­de­ren fres­sen, ehe er an mei­nes kommt«, sag­te Ma­xi­mi­li­an stolz; »dar­auf­hin wag ich es.« Recht habe er, sag­te Fer­di­nand la­chend, wäh­rend sie sich zu ei­nem Trunk Bier wie­der in die Ni­sche setz­ten; den All­zu­be­denk­li­chen ge­ra­te nichts. Es möge im­mer­hin rings­um ein we­nig kra­chen, in die­sen Flu­ren wür­den Reb­hüh­ner und Ha­sen nicht aus­ge­hen noch ih­nen die Lust, sie zu ja­gen. Sie hät­ten ein gu­tes Ge­wis­sen und woll­ten sich den fro­hen Tag nicht durch Sor­gen um die Zu­kunft ver­gäl­len.

Nach­dem die bei­den Fürs­ten in der Haupt­sa­che ei­nig ge­wor­den wa­ren, setz­ten die Räte einen Ver­trag auf, in wel­chem der Han­del mit Ober­ös­ter­reich, der Pfalz und der Kur­wür­de ein­zeln fest­ge­setzt wur­de, nicht ohne ge­gen­sei­ti­ge Ver­pflich­tung, die äu­ßers­te Heim­lich­keit dar­über zu be­wah­ren.

34.

Als der Kur­fürst von der Pfalz zum Kö­nig von Böh­men er­wählt war und trotz des Abra­tens sei­ner Mut­ter, sei­ner Räte und der Ver­wandt­schaft die Kro­ne an­ge­nom­men hat­te, trat er mit sei­ner Ge­mah­lin die Rei­se nach Prag an und wur­de an der böh­mi­schen Gren­ze von dem kal­vi­ni­schen Gra­fen Wen­zel von Bu­do­wa und ei­ni­gen an­de­ren Her­ren emp­fan­gen, die ihm von da bis zur Haupt­stadt das Ge­lei­te ga­ben. Ei­nes Ta­ges kam die ver­gol­de­te Kut­sche, in der Eli­sa­beth mit ih­rem Söhn­lein und ei­ner Kam­mer­frau saß, aus ei­nem Wal­de auf eine wei­te Lich­tung, die im fest­li­chen Son­nen­feu­er der ers­ten Ok­to­ber­ta­ge brann­te. Die Kur­fürs­tin, die es in dem feuch­ten Wal­de ein we­nig ge­frös­telt hat­te, lehn­te sich fröh­lich aus dem Wa­gen­fens­ter und rief aus, dass sie an die­ser ein­la­den­den Wie­sen­ta­fel eine Mahl­zeit ein­neh­men möch­te, wor­auf Bu­do­wa, der ne­ben dem Wa­gen her­ritt, sie ein­lud, sein Gast sein zu wol­len, in ei­ner Stun­de wer­de ein länd­li­ches Mahl ge­rüs­tet sein. Auf sei­nen Be­fehl hiel­ten die Wa­gen, die sei­ne Kü­che führ­ten, und bald dreh­te sich fet­tes Ge­flü­gel am Spie­ße über knis­tern­dem Rei­sig­feu­er, wäh­rend an­ders­wo blit­zen­des Sil­ber­zeug auf schwe­rem Da­mast ge­deckt wur­de und die kur­fürst­li­che Fa­mi­lie mit ih­rem Ge­fol­ge sich auf mit­ge­brach­ten Tep­pi­chen la­ger­te. Bu­do­wa wies dem fürst­li­chen Paa­re einen spit­zen Kirch­turm, der ein paar Mei­len ent­fernt aus ei­ner Mul­de auf­rag­te, er­zähl­te, dass der Krieg dort ge­haust habe, dass das Dorf aus­ge­brannt und zur­zeit noch ver­ödet sei, und zeig­te die ver­tre­te­nen Fel­der, aus de­nen ge­schwärz­te Strün­ke von Rü­ben und wüs­te Hal­me starr­ten. Zwi­schen die­sem Ge­strüpp be­merk­te man plötz­lich ein paar krie­chen­de Ge­schöp­fe, die in der Erde wühl­ten und in de­nen bei schär­fe­rem Hin­se­hen mensch­li­che We­sen zu er­ken­nen wa­ren; ge­ra­de in die­sem Au­gen­blick woll­te der Mann eine Wur­zel oder einen Knol­len zum Mun­de füh­ren, als das Kind da­nach griff, wor­auf er es auf die Hand schlug und es krei­schend zu­rück­wich. Eli­sa­beth frag­te er­staunt, was für Wil­de das wä­ren, sie hät­te sie zu­erst für Hun­de oder Schwei­ne ge­hal­ten. Bu­do­wa sag­te, es wür­den Bau­ern sein, die der Krieg von Haus und Hof ver­trie­ben hät­te, der­glei­chen Ge­sin­del trie­be sich jetzt viel um­her, und er rief ih­nen in böh­mi­scher Spra­che zu, nä­her­zu­kom­men. Die Leu­te er­schra­ken und woll­ten da­von­lau­fen, wur­den aber von Bu­do­was Die­nern ein­ge­fan­gen und her­bei­ge­schleppt. Auf Bu­do­was Be­fehl er­zähl­te der Mann zit­ternd, ihre Hüt­ten wä­ren von Sol­da­ten ge­plün­dert und ver­brannt, sie wä­ren in die Wäl­der ge­flo­hen und nun schon mei­len­weit von zu Hau­se ent­fernt. In der Nähe be­fän­den sich Zi­geu­ner, de­nen zö­gen sie nach, weil sie ih­nen er­laub­ten, nachts an ih­rem Feu­er zu lie­gen, und ih­nen auch hie und da et­was zu es­sen gä­ben; doch müss­ten sie auch für sie bet­teln oder ih­nen sonst et­was mit­brin­gen. Fried­rich und Eli­sa­beth lie­ßen den Leu­ten Geld rei­chen, und Bu­do­wa schrie ih­nen zu, sie soll­ten nie­der­kni­en und ih­rem Kö­nig und ih­rer Kö­ni­gin dan­ken.

 

Graf Solms, der miss­traui­schen und düs­te­ren Blicks da­bei­ge­stan­den hat­te, sag­te: »Gott ver­hü­te, dass un­se­re Pfäl­zer Bau­ern ein­mal so den Pflug ver­lie­ßen, um Zi­geu­nern nach­zu­streu­nen«, und wen­de­te sich dann ge­gen Bu­do­wa mit der Fra­ge, warum man den Leu­ten nicht Vieh und Werk­zeug gebe, dass sie das Feld wie­der be­stel­len könn­ten. Er wis­se nicht, wem die­se ge­hör­ten, ant­wor­te­te Bu­do­wa; es gebe Her­ren, die sich nicht um ihre Un­ter­ta­nen küm­mer­ten, au­ßer dass sie ih­nen das Blut aus­press­ten, und die Bau­ern wä­ren auch so ge­ar­tet, dass sie ver­wil­der­ten wie das Vieh, wenn man sie nicht streng in Zucht und Ord­nung hiel­te.

Das wer­de sich nun al­les bes­sern, sag­te Eli­sa­beth; sie möch­te aber gar zu gern eine Zi­geu­ne­rin se­hen und sich die Zu­kunft von ihr aus­le­gen las­sen. Sie hät­te viel Wun­der­li­ches da­von ge­hört und wol­le wis­sen, was dar­an sei. Ein paar jün­ge­re Hoffräu­leins ki­cher­ten und un­ter­stütz­ten mit ge­flüs­ter­ten Bit­ten den Wunsch der Kur­fürs­tin; eine äl­te­re Frau da­ge­gen sag­te, man sol­le Gott nicht ver­su­chen, sol­cher Vor­witz kön­ne ver­häng­nis­voll wer­den, wie ihre Mut­ter selbst er­fah­ren habe. Die­se sei in ih­rer Ju­gend am Hofe des Her­zogs von Brieg ge­we­sen, der et­was rasch und dem Trun­ke er­ge­ben, sonst aber ein gu­ter Herr ge­we­sen sei, und sie habe ein­mal an ei­ner Jagd teil­ge­nom­men, als man im Ge­hölz ein al­tes Weib an­ge­trof­fen habe, das im all­ge­mei­nen Ge­schrei ge­stan­den habe, als kön­ne es das Zu­künf­ti­ge weis­sa­gen. Der Her­zog habe sie an­ge­hal­ten und ihr be­foh­len, ihm et­was zu pro­phe­zei­en, und wie er denn gro­be Spä­ße ge­liebt habe, habe er hin­zu­ge­setzt, wenn sie ihm nichts Gu­tes sage, wer­de er die Hun­de auf sie het­zen und ihr bei le­ben­di­gem Lei­be den Kopf vom Rump­fe sä­gen las­sen. Da habe ihn die Alte fest ins Auge ge­fasst, mit ei­nem wei­ßen Stäb­lein sein Bein be­rührt – denn er habe zu Pfer­de ge­ses­sen – und lang­sam mit dün­ner, deut­li­cher Stim­me ge­sagt: »Bru­der, das nächs­te Glas Wein, das du leerst, wird dein letz­tes sein.« Der Her­zog sei dar­auf aschen­bleich ge­wor­den, als ob ihm ohn­mäch­tig wür­de, so­dass das Ge­fol­ge ihm bei­ge­sprun­gen wäre, und als man sich dann wie­der nach der al­ten Hexe um­ge­blickt hät­te, sei sie ver­schwun­den ge­we­sen. Von dem Tage an habe der Fürst meh­re­re Wo­chen still und ein­ge­zo­gen wie ein Ein­sied­ler ge­lebt, so­dass sei­ne Ge­mah­lin schon Hoff­nung ge­fasst hät­te, er wer­de das Trin­ken ab­le­gen; aber ei­nes Mor­gens sei ein fro­her Mut über ihn ge­kom­men, er habe sich fest­lich an­ge­klei­det und ge­ru­fen: »Möge kom­men, was da wol­le, es muss ein­mal wie­der ge­sof­fen sein!« habe Ge­sell­schaft zu Ti­sche be­stellt und sich einen großen Hum­pen voll Wein brin­gen las­sen. Kaum aber habe er ihn aus­ge­trun­ken und nie­der­ge­setzt, so sei zum Ent­set­zen al­ler Gäs­te die Far­be in sei­nem Ge­sicht er­lo­schen und er tot um­ge­fal­len, ohne noch ein Wort zu sa­gen. Ob dies nun dem Lau­fe der Na­tur ge­mäß oder Zau­be­rei ge­we­sen sei, habe ihre Mut­ter da­hin­ge­stellt sein las­sen; das alte Weib aber hät­te man end­lich auf­ge­grif­fen und ver­brannt.

Die Kur­fürs­tin sag­te la­chend, um den Fürs­ten sei es im­mer­hin nicht scha­de ge­we­sen, und des Gra­fen Solms Toch­ter Ama­lie, ein klei­nes Fräu­lein mit klu­gem, blas­sem Ge­sicht, mein­te, Leicht­gläu­bi­gen und Aber­gläu­bi­gen sei leicht pro­phe­zei­en. Bu­do­wa hat­te schon Leu­te aus­ge­schickt, um eine Zi­geu­ne­rin aus­zu­spü­ren, und sie ka­men mit ei­ner an, als Eli­sa­beth eben ihr jüngs­tes Kind an der Brust hielt und Fried­rich den Erst­ge­bo­re­nen mit üb­rig­ge­blie­be­nem Kon­fekt füt­ter­te; denn in­zwi­schen hat­ten die Herr­schaf­ten das Es­sen ein­ge­nom­men. Die Zi­geu­ne­rin, ein al­tes, gel­bes, schmut­zi­ges Weib, kroch, die Au­gen ver­dre­hend, an die Kur­fürs­tin her­an, ließ sich ihre ge­pu­der­te und mit vie­len großen Rin­gen be­steck­te Hand rei­chen, dreh­te sie hin und her und be­tas­te­te sie und rief plötz­lich un­ter ver­zück­ten Ge­bär­den aus: »Heil dir, Mut­ter von Kö­ni­gen! Mut­ter von großen, mäch­ti­gen Kö­ni­gen!« was die Um­ge­bung mit Heil­ru­fen und Hän­de­klat­schen er­wi­der­te. Eli­sa­beth er­rö­te­te vor Ver­gnü­gen und ließ ihre Hand der Al­ten, in­dem sie ihr be­deu­te­te, noch mehr zu sa­gen. Die­se, die nun ke­cker ge­wor­den war, hielt die wei­ße Hand dicht un­ter ihre Au­gen und sag­te schmun­zelnd und sich krüm­mend, sie sehe den Ve­nus­gür­tel in die­ser Hand, den Ve­nus­gür­tel, in dem sich die Manns­leu­te fin­gen. Fried­rich und Eli­sa­beth lach­ten dar­über, Graf Solms hin­ge­gen run­zel­te die Brau­en, und Bu­do­wa such­te dem Auf­tritt ein Ende zu ma­chen, in­dem er der Zi­geu­ne­rin ein Gold­stück zu­warf und sie mit sicht­li­chem Wi­der­wil­len hieß, die Hand der Kö­ni­gin fah­ren zu las­sen und sich zu trol­len. Das Weib raff­te das Geld auf und mach­te Mie­ne, sich zu ent­fer­nen, wo­bei sie aber einen su­chen­den Blick in die Run­de warf, ob etwa noch je­mand ihre Diens­te woll­te. Da­bei blieb ihr Auge auf Bu­do­wa haf­ten, und sie sag­te, sich auf­rich­tend, mit der Mie­ne des Schre­ckens auf ihn deu­tend: »Wer bist du? Ich sehe einen blut­ro­ten Strei­fen rund um dei­nen Hals her­um!« Der Graf erb­lass­te und griff un­will­kür­lich nach sei­nem Hal­se, wäh­rend die üb­ri­gen ihn er­schro­cken an­starr­ten; nur das kur­fürst­li­che Paar lach­te, und Eli­sa­beth mein­te, er habe wohl eine Liebs­te, die ihn mit ei­nem ro­ten Schnür­lein an­ge­bun­den habe, um es zu­zu­zie­hen, wenn er ihr un­treu wer­den wol­le. Ja, er sei der Vet­tel wahr­haf­tig ins Garn ge­gan­gen, sag­te Bu­do­wa är­ger­lich, er hät­te Lust, ihr nach­zu­ge­hen und ihr das fre­che Maul zu schlie­ßen. Ei was, sag­te Fried­rich, eine wahr­sa­gen­de Zi­geu­ne­rin hät­te so viel Re­de­frei­heit wie ein Narr, es müs­se ein je­der se­hen, mit ih­rem Spruch fer­tig zu wer­den. Un­ter­des­sen hat­te Eli­sa­beth einen Zweig von ei­ner wil­den Rebe mit ru­bin­ro­ten Blät­tern ab­ge­bro­chen, zu­sam­men­ge­floch­ten und ihn dem klei­nen Prin­zen Hein­rich auf­ge­setzt, um den künf­ti­gen Kö­nig zu krö­nen; der Klei­ne je­doch schi­en dies aus ir­gend­ei­nem Grun­de für einen Ein­griff und eine Ehren­krän­kung zu hal­ten, riss den Schmuck aus den Lo­cken, streif­te die Blät­ter ab und schwang den Zweig wie eine Ger­te, in­dem er sei­ne Mut­ter her­aus­for­dernd mit flam­men­den Au­gen an­sah. »Das ist ein rech­ter Kö­nig von Böh­men!« rief Bu­do­wa aus, »er will das Schwert füh­ren, be­vor er sich krö­nen lässt«, und hob das leich­te Kind auf sei­ne brei­te Schul­ter, von wo es, sei­ne Ängst­lich­keit be­zwin­gend, stolz lä­chelnd her­ab­sah.

35.

Nach­dem die Krö­nungs­fei­er­lich­kei­ten in Prag vor­über wa­ren, tra­fen die rüh­rigs­ten un­ter den kal­vi­ni­schen Her­ren, an ih­rer Spit­ze Wen­zel von Bu­do­wa, al­ler­lei Ver­än­de­run­gen und neue Ein­rich­tun­gen; näm­lich sie schaff­ten die Frau­en­häu­ser ab, de­ren im Schat­ten der Stadt­mau­ern vie­le wu­cher­ten, grün­de­ten Schu­len und be­re­de­ten die Stif­tung von Ar­men­häu­sern, ins­be­son­de­re aber säu­ber­ten sie den Dom vom ka­tho­li­schen Ge­prän­ge, um eine or­dent­li­che Ge­le­gen­heit für die kal­vi­ni­sche Pre­digt zu ge­win­nen. Es war ein fri­scher De­zem­ber­tag kurz vor Weih­nach­ten, als Fried­rich, von sei­nem Hof­pre­di­ger Skul­te­tus und Wen­zel von Bu­do­wa be­glei­tet, in das Müns­ter ein­trat, um zu se­hen, wie weit sie schon ge­kom­men wä­ren, und um die Ar­bei­ter durch sein per­sön­li­ches Er­schei­nen an­zu­feu­ern. Das Ge­bäu­de sei schön, sag­te er, in­dem er sich ver­gnügt um­sah, aber es sei aus­staf­fiert wie eine Jahr­markts­bu­de, da müs­se noch ge­hö­rig auf­ge­räumt wer­den. Ja, sag­te Bu­do­wa, bis jetzt hät­ten die Ar­bei­ter wohl ge­be­tet; denn ge­schafft wäre noch nichts, und wink­te ei­nem Werk­meis­ter, der die Auf­sicht zu füh­ren hat­te. Der­sel­be kam sor­gen­voll ge­lau­fen und ent­schul­dig­te sich, die Leu­te trü­gen Be­den­ken, die hei­li­gen Ge­gen­stän­de an­zu­rüh­ren. Und wo­hin sie da­mit soll­ten? Ob sie in eine an­de­re Kir­che oder ob sie in die Sa­kris­tei ge­bracht wer­den soll­ten? Es sei eine schwe­re Sa­che und gin­ge um die See­le. Ei­ner der Ar­bei­ter, ein ke­cker, stäm­mi­ger Mann, habe das Bild des hei­li­gen Jo­seph aus der Tauf­ka­pel­le her­un­ter­neh­men wol­len, da habe es an­ge­fan­gen die Au­gen zu ver­dre­hen und so zor­nig aus­ge­se­hen, als ob es Flam­men spie, wor­über dem Man­ne vor Schre­cken schwach ge­wor­den sei und er den Arm nicht mehr habe rüh­ren kön­nen wie ein Ge­lähm­ter. Fried­rich lach­te; Bu­do­wa ließ den Be­tref­fen­den vor sich füh­ren, be­trach­te­te den breit­schul­te­ri­gen, stier­nacki­gen Men­schen mit stren­gem Blick und be­fahl ihm, das Bild vor sei­nen Au­gen her­ab­zu­neh­men. Der Mann schüt­tel­te ei­gen­sin­nig den Kopf und sag­te, das tue er nicht zum zwei­ten Male, er habe Weib und Kind; er wol­le wohl sei­ne Schul­dig­keit tun, aber nichts ge­gen den hei­li­gen Glau­ben, denn dazu sei er nicht ver­bun­den. »Du bist zu dem ver­bun­den, was der Kö­nig dir be­fiehlt«, herrsch­te ihn Bu­do­wa an, »und so­lan­ge ich bei dir ste­he, soll dich we­der ein Teu­fel noch ein Göt­ze be­he­xen; wohl aber wer­de ich dich lahm schla­gen, dass du dei­ner Leb­ta­ge kein Glied mehr rüh­ren kannst, wenn du Wi­der­wor­te machst!« Nun hob der Mann un­ter Bu­do­was Au­gen das Bild her­un­ter, ver­mied aber, es an­zu­se­hen, und lehn­te es, so schnell er konn­te, ver­kehrt ge­gen die Mau­er. Un­ter­des­sen hat­te Fried­rich sei­ne Geld­bör­se her­vor­ge­zo­gen und gab dem Man­ne, dem der Schweiß auf der Stir­ne stand, ein paar Mün­zen; das sei für die aus­ge­stan­de­ne Angst und ge­gen die Ein­bil­dun­gen. Bu­do­wa sag­te, er wol­le nun dem Vol­ke Ver­nunft bei­brin­gen, stell­te sich auf die Stu­fen des ho­hen Cho­res, wink­te die Ar­bei­ter her­bei und hielt mit dröh­nen­der Stim­me eine An­spra­che: »Ihr bil­det euch ein, Glau­ben zu ha­ben, aber ihr habt nur Aber­glau­ben. Gott ist in der Tu­gend, in der Be­schei­den­heit und im Ge­hor­sam, nicht aber in Holz und Lein­wand. Eine Holz­ta­fel, die mit Far­be be­malt ist, hat so we­nig mit Gott zu tun wie eure Nase mit der Kirch­turm­spit­ze. Wür­det ihr we­ni­ger trin­ken und mehr nach­den­ken, so wür­det ihr Gott bes­ser er­ken­nen. Macht jetzt ein Feu­er an und werft alle Bil­der, Flit­ter, Krän­ze, kurz, al­len über­flüs­si­gen Kram, der hier her­um­hängt, hin­ein, denn es ist wei­ter nichts als Un­rat. Ihr könnt euch zu­gleich dar­an wär­men und eu­ren Brei dar­über ko­chen. Führt ihr die auf­ge­tra­ge­ne Ar­beit im Diens­te der Ob­rig­keit gut aus, so dient ihr Gott mehr als mit Kreuz­schla­gen, Kni­en und Wi­der­spens­tig­keit.«

 

»Das pras­selt wie ein Feu­er­werk«, sag­te Fried­rich im Wei­ter­ge­hen. »Ihr könnt mit mei­nem Skul­te­tus um die Wet­te pre­di­gen.« Die­ser sag­te, ein we­nig säu­er­lich lä­chelnd, es sei ja be­kannt, dass der Graf es an Ge­lehr­sam­keit mit je­dem Theo­lo­gen auf­neh­men kön­ne; wor­auf Bu­do­wa lach­te und ent­geg­ne­te, sei­ne Ge­lehr­sam­keit wür­de ihm hier nichts ge­hol­fen ha­ben, mit dem nie­de­ren Vol­ke müs­se man nach sei­nem Ver­stan­de re­den. Er ken­ne sich dar­in aus, denn er pfle­ge sei­nen Bau­ern oft zu pre­di­gen und sie im Glau­ben zu un­ter­rich­ten.

Jetzt mel­de­te ein Jun­ker Fried­rich, dass die Schlit­ten be­reit sei­en; denn es soll­te an die­sem Tage eine Schlit­ten­fahrt un­ter­nom­men wer­den. Bu­do­wa und Skul­te­tus blie­ben zu­rück und ver­spra­chen, ein Auge auf den Fort­gang der Ar­beit zu ha­ben, da­mit am fol­gen­den Tage, als an ei­nem Sonn­ta­ge, das rei­ne Got­tes­wort vor dem Kö­ni­ge laut wer­den kön­ne.

In der Dun­kel­heit ka­men die Schlit­ten in lan­gem Zuge klin­gelnd zu­rück; an ei­nem je­den wa­ren Fa­ckeln be­fes­tigt, von de­nen flie­gen­des Licht auf den Weg tropf­te, das den Schnee in ro­si­gen Ster­nen er­b­lin­ken ließ. Der Kö­nig war von der kal­ten Luft müde ge­wor­den und schlief, an sei­ne Ge­mah­lin ge­lehnt, die mit ei­nem Kam­mer­herrn in fran­zö­si­scher Spra­che plau­der­te; er wach­te erst auf, als der Schlit­ten mit ei­nem Ruck vor dem Schlos­se an­hielt. Nach­dem er sich er­frischt und aus­ge­ruht hat­te, ging er noch in den Dom, um nach­zu­schau­en, ob al­les in Ord­nung sei. Dort war Ge­schrei und Be­we­gung; un­ter dem stei­ner­nen Him­mel schwank­ten an lan­gen Stan­gen be­fes­tig­te Lich­ter um ein un­ge­heu­res höl­zer­nes Kru­zi­fix, das von der Mit­te des Tri­umph­bo­gens nie­der­hing, und die dröh­nen­de Stim­me Bu­do­was schalt wi­der­hal­lend durch die Fins­ter­nis. Den Haupt­göt­zen hät­ten sie ihm zum Trot­ze hän­gen las­sen, rief er, die fau­len, trot­zi­gen und fei­gen Baals­knech­te. Ob das Got­tes­dienst sei, die­sen ge­schnit­zel­ten Ka­da­ver an­zu­be­ten? Da­bei ent­riss er, der auf ei­ner Lei­ter stand, ei­nem der un­ten ste­hen­den Män­ner den Ham­mer und hieb da­mit ge­gen das grau­en­vol­le Ant­litz des im To­des­krampf er­starr­ten Schmer­zens­man­nes. »Das ist häss­lich«, sag­te Fried­rich, der hin­zu­ge­tre­ten war und hin­auf­blick­te, »wir wol­len den Gräu­el an die­ser Stät­te nicht mehr lei­den.« Wäh­rend Bu­do­wa mit Äx­ten und Stri­cken eif­rig han­tier­te, dräng­ten sich vie­le Ar­bei­ter aus der Kir­che, an­de­re la­gen, sich be­kreu­zend, auf den Kni­en. Die Da­men und Her­ren, die sich Fried­rich an­ge­schlos­sen hat­ten, sa­hen neu­gie­rig zu, und die Da­men schri­en zu­wei­len hell auf und deck­ten die Hän­de über die Au­gen. Plötz­lich ächz­te das Holz und schlug auf den Stein­bo­den mit furcht­ba­rem Kra­chen, dem ein viel­stim­mi­ges Ge­schrei im In­ne­ren und wie ein Echo au­ßer­halb des Do­mes folg­te. In dem be­täu­ben­den Ge­pol­ter hat­te man einen durch­drin­gen­den Jam­mer­laut un­ter­schie­den, und es zeig­te sich, dass das stür­zen­de Kreuz einen Mann ge­trof­fen hat­te, der nun be­we­gungs­los un­ter dem einen der ge­wal­ti­gen Holzar­me lag, aber noch at­me­te. Man sol­le ihn heim­tra­gen, sag­te Bu­do­wa kurz, warum hät­te er auch so vor­wit­zig sein müs­sen. Man sol­le aber die Sa­che nicht aus­schrei­en, es wer­de schon über­ge­nug da­von ge­schwätzt, er wer­de sich nach dem Man­ne um­se­hen.

Als alle den Dom ver­las­sen hat­ten, schloss Skul­te­tus selbst das Por­tal ab. Von den Ar­bei­tern und dem an­ge­sam­mel­ten Vol­ke gin­gen vie­le in das nächs­te Wirts­haus, wo der Mann schon saß, der das Bild des hei­li­gen Jo­seph hat­te ab­neh­men müs­sen. Er war be­reits voll­stän­dig be­trun­ken und kam nur zu­wei­len zum Be­wusst­sein, um den Wirt zu ru­fen, weil sein Hum­pen ge­leert sei. Er sol­le nun auf­hö­ren und heim­ge­hen, sag­te der Wirt und er­klär­te auch den Neu­an­kom­men­den, der Mann habe ge­nug, er sei voll wie ein Schwein. So­lan­ge er zah­le, lall­te der Mann, müs­se der Wirt ihm zu trin­ken brin­gen, an­de­re misch­ten sich hin­ein und rie­ten teils wie der Wirt zum Heim­ge­hen, teils un­ter­stütz­ten sie ih­ren Ka­me­ra­den und mun­ter­ten ihn zum Wei­ter­trin­ken auf. Das Sün­den­geld müs­se ver­trun­ken sein, heul­te der Mann, er habe die Höl­le im Lei­be und müs­se lö­schen. Die Leu­te sa­hen sich be­deut­sam an, spra­chen von al­lem, was sich im Dome be­ge­ben hat­te, dass Blut am Kru­zi­fix her­un­ter­ge­flos­sen sei, weil Bu­do­wa den Hei­land ins Ge­sicht ge­schla­gen habe, und dass es un­ter Tür­ken und Ta­ta­ren nicht schlim­mer zu­ge­hen kön­ne. Die Kal­vi­ner sei­en kei­ne rech­ten Chris­ten, und man hät­te sich nie mit den Deut­schen ein­las­sen sol­len. Der Be­trun­ke­ne, der wie­der ein­ge­schla­fen war, fuhr plötz­lich schnar­chend in die Höhe, griff in die Ta­sche und sag­te, das Sün­den­geld sei da­hin, er füh­le sich nun woh­ler und wol­le heim­gehn. »Wie willst du heim­gehn, du Schwein«, sag­te der Wirt, »da du kaum auf al­len vie­ren krie­chen kannst!« Ein paar Män­ner stan­den auf und sag­ten, sie woll­ten ihm auf die Bei­ne hel­fen, und grif­fen ihm un­ter die Arme. Un­ter Ge­läch­ter brach­ten sie ihn in die Höhe und er­mun­ter­ten ihn, zu ge­hen; er hielt sich am nächs­ten fest und sag­te, das Zim­mer dre­he sich um ihn her­um, er müs­se ein Glas Wein ha­ben, sonst ge­traue er sich nicht wei­ter. Wäh­rend ein Schenk­mäd­chen lief und das Ver­lang­te hol­te, gab ihm ei­ner einen Stoß, um ihn in Gang zu brin­gen; das Ge­läch­ter ver­dop­pel­te sich, als der un­ge­schlach­te Kör­per ins Wa­ckeln kam, mit den Ar­men um sich griff, tau­mel­te und, be­vor man ihm bei­sprin­gen konn­te, vorn­über auf den Bo­den fiel. Da es sich zeig­te, dass der Mann tot war, hieß es, das sei der Fin­ger Got­tes und die Stra­fe da­für, dass er sich für Geld an ei­nem Hei­li­gen ver­grif­fen habe, sie hät­ten ihn ge­warnt und vor­aus­ge­se­hen, dass es nicht gut en­den wür­de. Das Wirts­haus füll­te sich nach und nach mit den An­ge­hö­ri­gen des Man­nes und vie­len Neu­gie­ri­gen. Er sei von Got­tes Hand er­schla­gen, er­zähl­ten die­je­ni­gen, die es mit an­ge­se­hen hat­ten; es sei nicht an­ders ge­we­sen, als wenn ein Blitz vom Him­mel in einen Baum ein­schlü­ge und ihn fäl­le. So sei es ge­wiss auch Got­tes Wil­le ge­we­sen, sag­te der Wirt, dass er so viel hät­te trin­ken müs­sen, es reue ihn, dass er mit dem ar­men Sün­der har­te Wor­te ge­re­det hät­te. Er hät­te ihm nicht ge­traut, weil er lu­the­risch ge­we­sen sei, nun sehe er aber, dass man al­les Gott an­heim­stel­len sol­le. Nein, der Mann sei ganz recht ge­we­sen, be­merk­te ein an­de­rer; im lu­the­ri­schen Glau­ben sei er nun ein­mal auf­ge­zo­gen ge­we­sen, aber er habe vor den Hei­lig­tü­mern die Knie ge­beugt und ein Kreuz ge­schla­gen, wenn die an­de­ren es ge­tan hät­ten; und er wür­de sich nicht an den Bil­dern ver­grif­fen ha­ben, wenn der Bu­do­wa ihn nicht ge­zwun­gen hät­te.