Der Dreißigjährige Krieg

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14.

Um die noch nicht ge­re­gel­te Fra­ge der Nach­fol­ge im Rei­che zu ord­nen, be­raum­ten die Kur­fürs­ten auf Mi­chae­lis 1611 eine Ver­samm­lung in Nürn­berg an, auf wel­che die Stadt sich den Som­mer über in fröh­li­cher und sorg­li­cher Ge­schäf­tig­keit vor­be­rei­te­te. Es er­for­der­te reif­li­ches Be­den­ken, wo und wie ein je­der nach sei­ner Wür­de sol­le ein­quar­tiert wer­den, und wenn dies auch zum Teil dem Erb­mar­schall Pap­pen­heim, als dem Quar­tier­ma­cher, ob­lag, so ging der Ver­kehr mit die­sem we­gen der viel­fach sich kreu­zen­den Be­fug­nis­se nicht ohne Vor­sicht und Spitz­fin­dig­keit von­stat­ten. So wa­ren ei­ni­ge Män­ner auf den Ein­fall ge­kom­men, wäh­rend des Kur­fürs­ten­ta­ges einen Glücks­topf zu er­öff­nen, und hat­ten sich we­gen der Er­laub­nis an Pap­pen­heim ge­wen­det, die­sel­be auch er­hal­ten. Als sie dann den Rat in zwei­ter Stel­le an­gin­gen, er­teil­te ih­nen die­ser einen gänz­li­chen Ab­schlag und steck­te sie zum Bei­spiel und zur Leh­re, ob­wohl sie zu den ehr­ba­ren Bür­gern ge­hör­ten, für meh­re­re Tage ins Loch; denn bei den über­all aus­schlüp­fen­den Prä­ten­tio­nen der Fürs­ten und des Adels galt es von vorn­her­ein, den Un­ter­ta­nen die Ho­heit zu wei­sen.

In der sich täg­lich mehr mit Frem­den fül­len­den Stadt muss­te streng auf Ord­nung ge­hal­ten wer­den. Da ka­men Pas­te­ten­bä­cker aus Loth­rin­gen, Spit­zen­ver­käu­fer aus Lyon und Per­len­händ­ler aus Mar­seil­le, und wenn das neu­gie­ri­ge Volk dar­an Er­göt­zen hat­te, so er­ei­fer­te sich das ein­hei­mi­sche Ge­wer­be, dem da­durch Scha­den droh­te. Die je­wei­li­gen Be­schwer­den woll­ten gründ­lich un­ter­sucht wer­den, wie denn die Kla­ge der Uhr­ma­cher, dass sie auf dem Reichs­ta­ge zu Augs­burg im Jah­re 1582 nicht zu­ge­las­sen wor­den wä­ren, rich­tig be­fun­den und die Augs­bur­ger Uhr­ma­cher dar­auf­hin füg­lich ab­ge­wie­sen wer­den konn­ten. Miss­hel­lig­kei­ten wa­ren vor al­len Din­gen in­fol­ge des Zu­sam­men­strö­mens ver­schie­de­ner Be­kennt­nis­se in der Stadt zu be­fürch­ten, und es wur­de des­halb der Geist­lich­keit mehr­fach und nach­drück­lich ein­ge­schärft, sich wäh­rend die­ser Zeit des über­flüs­si­gen Kri­ti­sie­rens und Fan­ta­sie­rens zu ent­hal­ten, viel­mehr be­schei­dent­lich bei der Aus­le­gung des Tex­tes zu blei­ben.

Lus­ti­ge Tage wa­ren es, als un­ter hei­te­rem Spät­som­mer­him­mel die ho­hen Per­so­nen nach­ein­an­der mit ih­rem Ge­fol­ge ein­rück­ten. Den meis­ten Bei­fall fand beim Vol­ke Kur­fürst Schweik­hard von Mainz, des Rei­ches Erz­kanz­ler, der, auf­recht und fröh­lich im Wa­gen sit­zend, nach al­len Sei­ten grüß­te und seg­ne­te, wäh­rend der Kur­fürst Ernst von Köln, ab­ge­ma­gert und trüb­sin­nig, sich der Fest­freu­de nur wie ei­ner Müh­se­lig­keit zu un­ter­zie­hen schi­en. Am präch­tigs­ten her­ge­rich­tet war der von Tri­er aus dem rhei­ni­schen Ge­schlech­te der Met­ter­nich, ein schö­ner, blü­hen­der Mann mit krau­sem brau­nem Haar, schwung­vol­ler Nase und hell­glän­zen­den Au­gen, der sich wie ein Ka­va­lier hielt und den Zu­ruf der Men­ge mit er­ha­be­nem und her­ab­las­sen­dem Kopf­nei­gen er­wi­der­te. Von den welt­li­chen Kur­fürs­ten fehl­te der noch un­mün­di­ge Pfäl­zer, an des­sen Stel­le die strit­ti­gen Vor­mün­der, Her­zog Jo­hann von Pfalz-Zwei­brücken und Her­zog von Pfalz-Neu­burg, fer­ner Groß­hof­meis­ter Graf Solms und der Dok­tor Ca­me­ra­ri­us er­schie­nen. Für den Kur­fürs­ten Chris­ti­an von Sach­sen, des­sen Hän­den kürz­lich der vol­le Be­cher auf im­mer ent­fal­len war, kam sein Bru­der und Nach­fol­ger, Jo­hann Ge­org I., der froh war, bei die­sem An­lass sei­ne Wür­de zum ers­ten Mal in der Öf­fent­lich­keit zei­gen zu kön­nen.

Sein Aus­se­hen war ein­neh­mend, sein Be­tra­gen bie­der und um­gäng­lich und sein Ver­hal­ten ge­gen die geist­li­chen Kur­fürs­ten, die dem mäch­tigs­ten un­ter den evan­ge­li­schen Fürs­ten über­aus wohl­wol­lend ent­ge­gen­ka­men, be­schei­den und fried­lie­bend. Ein un­be­lieb­ter Gast war Khlesl, der Bi­schof von Wien, der als Ver­tre­ter des Kö­nigs und Kur­fürs­ten von Böh­men in ei­nem an Pracht alle über­tref­fen­den Auf­zu­ge in Nürn­berg ein­fuhr. Es nahm die Stadt nicht we­nig wun­der, dass der Ver­fol­ger der Ket­zer, wenn er sich über­haupt in Nürn­berg zu zei­gen wag­te, nicht we­nigs­tens in der Stil­le und klein­laut auf­zog, an­statt dreist da­her­prun­kend alle Au­gen auf sich zu zie­hen. Wenn er über die Stra­ße ging, ha­ger, kno­chig und gelb, einen fet­ten Mönch zur Sei­te, pfleg­ten ihm die Bu­ben joh­lend und pfei­fend nach­zu­lau­fen, so­dass der Rat es für nö­tig hielt, die Leh­rer zu bes­se­rer Zucht ih­rer Schü­ler an­zu­wei­sen. Da aber ein Leh­rer den Bu­ben in der Schu­le an­sag­te, wenn sie etwa in die­ser Zeit einen Teu­fel sä­hen, der einen Esel zur Höl­le trie­be, wel­che An­spie­lung auf den Na­men des Bi­schofs von groß und klein ver­stan­den wur­de, soll­ten sie ihre Ver­wun­de­rung nicht laut äu­ßern, denn es ge­sch­ehe mit ob­rig­keit­li­cher Be­wil­li­gung, so wur­de das Ge­spött und Ge­läch­ter eher är­ger als zu­vor. Da dem Rate wohl­be­kannt war, wie un­gern Khlesl auch von den Fürs­ten ge­se­hen war, schritt er nicht schär­fer ein, son­dern ließ es bei den frucht­lo­sen Kla­gen des Bi­schofs be­wen­den.

Nach­dem der ob­schwe­ben­de Streit zwi­schen Zwei­brücken und Neu­burg vor­läu­fig bei­ge­legt war, nah­men die Ver­hand­lun­gen in dem großen Saa­le des Rat­hau­ses ih­ren An­fang, der mit den Bild­nis­sen der Kai­ser und mit ei­ni­gen hoch­be­rühm­ten Kunst­wer­ken, näm­lich Dü­rers Adam und Eva und ei­ner lieb­li­chen Ma­don­na des Lu­kas Cra­nach, aus­ge­ziert war. Der Rat trug Sor­ge, dass auf dem Ti­sche stets eine Scha­le voll Kon­fekt und eine Kris­tall­fla­sche voll Mal­va­sier stand, da­mit sich die Rat­schla­gen­den un­ter der Ar­beit dar­an er­qui­cken könn­ten.

Zwi­schen­hin­ein ga­ben die Fürs­ten Ban­ket­te, bei de­nen der eine den an­de­ren durch im­mer köst­li­che­re Lecker­bis­sen zu über­trump­fen such­te, wel­cher Wett­streit kei­ne Emp­find­lich­keit er­reg­te, viel­mehr den Witz und die Lau­ne reiz­te. Den größ­ten Er­folg er­ziel­te der Kur­fürst von Köln, der, seit er sich im Trin­ken mä­ßig ver­hal­ten muss­te, de­sto lie­ber mit Kon­fekt um­ging, durch kunst­vol­les Zucker­werk, das er aus Ams­ter­dam be­zo­gen hat­te. Es er­schi­en in Ge­stalt von Wurst, Schin­ken, Sem­meln, Kraut­köp­fen und an­de­ren Ess­wa­ren und ahm­te die­sel­ben in fri­scher, rich­ti­ger Fär­bung so gut nach, dass sich die Un­be­fan­ge­nen über sei­ne Na­tur täusch­ten. Na­ment­lich der Kur­fürst von Sach­sen konn­te nicht auf­hö­ren, die­se necki­sche Bä­cke­rei zu be­wun­dern, und schmei­chel­te dem Erz­bi­schof im­mer wie­der ab, ein neu­es Stück an­zu­schnei­den, da­mit er sich über­zeu­ge, ob es echt oder wirk­lich nur Kon­di­tor­werk sei. Es wur­de nicht ohne ver­stoh­le­ne Spä­ße be­merkt, dass der Erz­bi­schof, wel­cher als gei­zig be­kannt war, zwi­schen dem Ver­gnü­gen, sei­ne Lecker­bis­sen ge­wür­digt zu se­hen, und dem Un­mut, so viel da­von zu ver­lie­ren, schwank­te; auch wur­de er ge­se­hen, wie er ei­nem ab­tra­gen­den Die­ner, der von den Über­bleib­seln nasch­te, eine Maul­schel­le ver­setz­te und ihm be­fahl, sie sorg­sam zu ver­pa­cken und nach Köln in sei­ne Re­si­denz zu schi­cken.

Bei den Tur­nie­ren trug zur Freu­de der Nürn­ber­ger der Pfäl­zer Oben­tra­ut die meis­ten Sie­ge da­von, ein fröh­li­cher Mann mit küh­nen, auf­rich­ti­gen Au­gen, der bei den Ka­tho­li­ken kaum min­der be­liebt war als bei sei­nen Glau­bens­ge­nos­sen. Als der Kur­fürst von Mainz ihm einen präch­ti­gen Tür­kis­ring als Schwert­dank zu über­rei­chen hat­te, leg­te er dem vor ihm Kni­en­den die Hand auf den Kopf und sag­te: »Bist du, mein Sohn, auch nicht aus dem­sel­ben Weih­be­cken in der Kir­che ge­tauft, so doch wie ich aus dem Rhei­ne«, was mit Bei­fall auf­ge­nom­men und wei­ter­er­zählt wur­de.

Frei­lich hat­te der Rat im Stil­len ein müh­se­li­ges Steu­ern und Aus­bie­gen, um al­ler­lei An­stoß zu ver­mei­den. So er­eig­ne­te es sich, dass trie­ri­sche Knech­te ein klei­nes acht­jäh­ri­ges Mäd­chen, das still für sich mit Mur­meln auf der Stra­ße spiel­te, in ein Wirts­haus lock­ten, um es für ihre schänd­li­che Lust zu ge­brau­chen, und dass ein gut­her­zi­ger Fass­bin­der­meis­ter, der da­zu­kam und sie hin­dern woll­te, schwer ver­wun­det wur­de. Der Rat hät­te die Mis­se­tä­ter gern nach Ver­dienst be­straft ge­se­hen, scheu­te sich aber doch, den fei­nen und groß­ar­ti­gen Kur­fürs­ten von Tri­er mit ei­ner so häss­li­chen Sa­che zu be­hel­li­gen, und über­re­de­te des­halb den Ver­wun­de­ten und sei­ne Frau, sich mit ei­nem reich­li­chen Schmer­zens­geld zu­frie­den­zu­ge­ben.

Fer­ner hat­te man dem Her­zog von Zwei­brücken ge­stat­tet, sei­nen Hof­pre­di­ger Pe­tis­cus öf­fent­lich pre­di­gen zu las­sen, trotz ge­rech­ter Be­sorg­nis, er möch­te die kal­vi­ni­sche Re­li­gi­on ein­zu­schmug­geln ver­su­chen; aber man hät­te den Un­rat lie­ber mit Schwei­gen zu­ge­deckt als die Auf­merk­sam­keit dar­auf hin­ge­lenkt, wie es nun der kur­säch­si­sche Hof­pre­di­ger Ha­nisch tat, in­dem er in sei­nen Pre­dig­ten an­züg­lich dar­über sti­chel­te. Auch die ei­ge­ne Geist­lich­keit gab man­ches zu schaf­fen, be­son­ders der Pas­tor Man­nich, der sich lei­der des Sams­tags zu be­trin­ken pfleg­te und in­fol­ge­des­sen am Sonn­tag auf der Kan­zel, die er un­vor­be­rei­tet und noch nicht ganz er­nüch­tert be­trat, al­ler­hand Selt­sam­kei­ten vor­brach­te, be­son­ders dem Rat dies und je­nes auf­mutz­te, was dem nie­de­ren Vol­ke ein be­lieb­ter Ohren­schmaus war. So klag­te er jetzt, dass ei­nem ehr­lie­hen nürn­ber­gi­schen Un­ter­tan, der sich wäh­rend des Kur­fürs­ten­ta­ges auf dem Seil hat­te se­hen las­sen wol­len, dies als eine un­nüt­ze und gott­lo­se Gau­ke­lei ver­bo­ten sei, wäh­rend her­nach ein an­geb­li­cher Meis­ter aus Frank­reich, der doch nur ein ge­mei­ner Bor­ten­wir­ker aus Schwa­ben sei, die Er­laub­nis er­hal­ten habe, in­dem die Aus­län­der stets be­güns­tigt und die Ein­hei­mi­schen an ih­rem Brot ver­kürzt wür­den. Mit die­sem Man­nich war es schwer, et­was aus­zu­rich­ten; denn zu­wei­len pre­dig­te er so herr­lich, dass es al­len Zu­hö­rern durch Mark und Bein ging und man mein­te, der se­li­ge Luther selbst sei zum Tros­te der Ge­mein­de wie­der auf­er­stan­den.

 

Ge­gen Ende No­vem­ber nahm der Kol­le­gi­al­tag sein Ende, nach­dem die Kur­fürs­ten den Be­schluss ge­fasst hat­ten, sich im Mai des nächs­ten Jah­res zur Wahl ei­nes rö­mi­schen Kö­nigs von Neu­em zu ver­sam­meln. Noch vor die­sem Zeit­punkt in­des­sen klär­te sich die Lage, in­dem Kai­ser Ru­dolf an der Was­ser­sucht er­krank­te und aus dem Le­ben schied.

15.

Seit Matt­hi­as Kö­nig von Böh­men ge­wor­den war, ent­warf der Kai­ser Plä­ne, um sich wie­der in Be­sitz der ver­lo­re­nen Macht zu set­zen, wo­bei sein Ver­trau­ter der Mark­graf von Ans­bach war, der sich in Prag auf­hielt, um die Um­stän­de für sei­ne Glau­ben­s­par­tei aus­zunüt­zen. Ru­dolf zeich­ne­te ihn sicht­bar aus, führ­te ihn in sei­ne Kunst­kam­mer, zeig­te ihm sei­ne Bil­der und Ra­ri­tä­ten, schenk­te und ver­sprach ihm auch man­ches und ge­währ­te ihm lan­ge Un­ter­re­dun­gen. Die Auf­for­de­rung des Mark­gra­fen, er sol­le die Pra­ger Burg, wo er wie ein Ge­fan­ge­ner leb­te, heim­lich ver­las­sen und ihm ins Reich fol­gen, wo er mit Ju­bel und Ehr­furcht emp­fan­gen wer­den wür­de, ver­sprach er zu er­wä­gen. Viel lie­ber aber mal­te er sich aus, dass er nach Ti­rol ge­hen wol­le, und ver­tief­te sich in ein Buch, das der bel­gi­sche Ma­ler Roelant Sa­ve­ry in sei­nem Auf­tra­ge an­ge­fer­tigt hat­te und das die Ge­bir­ge die­ses von ihm über al­les ge­lieb­ten Lan­des dar­stell­te. Wenn er es durch­blät­ter­te, träum­te er von dem Glück, in die­ser Ein­sam­keit zu le­ben und die wil­den Um­ris­se, an de­nen die za­cki­gen Wäl­der hin­auf­kro­chen und die die Wol­ken­geis­ter um­tanz­ten, als ein ver­schol­le­ner Be­schau­er in sich auf­zu­neh­men. Ein Rei­se­wa­gen stand be­reit, um ihn je­den Au­gen­blick da­hin oder dort­hin füh­ren zu kön­nen; aber je­den Plan durch­kreuz­te ein an­de­rer, wie er denn auch da­mit um­ging, der Wit­we Hein­richs IV., Ma­ria von Me­di­ci, sei­ne Hand an­zu­tra­gen und durch die­se vor­neh­me Hei­rat sei­nen Bru­der Matt­hi­as gründ­lich zu be­schä­men.

In ei­ner stür­mi­schen Win­ter­nacht stand der Kai­ser vom Bett auf und ver­barg sich jam­mernd in den dunklen Gän­gen der Burg; denn der Teu­fel, dem er sich ver­schrie­ben habe, sag­te er, klop­fe ans Fens­ter und wol­le ihn ho­len. Wie er bald da­nach er­krank­te und schwä­cher wur­de, hör­ten die­se ängst­li­chen An­fäl­le auf. Mit dem Be­ginn des Jah­res 1612 be­merk­te Rhuts­ky, dem die kör­per­li­che Pfle­ge des Kai­sers haupt­säch­lich ob­lag, al­ler­lei An­zei­chen, dass das Ende nicht mehr fern sein kön­ne. Der arme Mann wuss­te wohl, dass er vie­le Fein­de und Nei­der hat­te, die nach dem Tode Ru­dolfs ihre Wut an ihm aus­zu­las­sen ver­su­chen wür­den, und mach­te Plä­ne, um mit dem Ver­mö­gen, das er zu­sam­men­ge­bracht hat­te, aus Böh­men zu ent­wei­chen; aber wenn er den al­ten, ins Grab sin­ken­den Mann an­sah, wur­de sein Herz weich, und er be­schloss, noch einen und noch einen Tag aus­zu­har­ren. Hat­te der Kai­ser auch in sei­nen schlim­men Ta­gen zu­wei­len ge­gen ihn ge­tobt, auch mit Mes­sern und Tel­lern nach ihm ge­wor­fen, so hat­te er das doch her­nach mit freund­li­chen Wor­ten und Ge­schen­ken gutz­u­ma­chen ge­sucht, ja so­gar Trä­nen dar­über ver­gos­sen. Be­son­ders seit er das Bett hü­ten muss­te, war er sanft und füg­sam und sag­te wohl, er habe sich als Kna­be in Spa­ni­en nach Deutsch­land als nach sei­ner Hei­mat ge­sehnt; aber es sei die rech­te Hei­mat nicht ge­we­sen, und er sei froh, es zu ver­las­sen.

An ei­nem Mor­gen im Fe­bru­ar er­wach­te Ru­dolf mit der Fra­ge, ob sein Löwe noch am Le­ben sei; es gab näm­lich eine Pro­phe­zei­ung, nach wel­cher er zu­gleich mit dem Lö­wen, den er im Zwin­ger hielt, ster­ben soll­te, und die Nach­richt, dass der­sel­be krank sei, hat­te ihn des­we­gen be­un­ru­higt. An Rhuts­kys Ver­le­gen­heit er­kann­te der Kai­ser, dass der Löwe wirk­lich in der Nacht ge­stor­ben war; er wur­de aber nicht da­durch nie­der­ge­drückt, son­dern sag­te, er wol­le die Pro­phe­zei­ung zu­schan­den ma­chen, füh­le sich wohl und wol­le auf­ste­hen. Auch sol­le so­gleich ein Brief an die Wit­we des Kur­fürs­ten von der Pfalz, Ju­lia­ne von Nassau-Ora­ni­en, auf­ge­setzt wer­den mit Hei­rats­vor­schlä­gen, weil er sich der kal­vi­ni­schen Par­tei, als der tat­kräf­tigs­ten un­ter den Evan­ge­li­schen, ver­bün­den wol­le. Die­se Wen­dung sei­ner Po­li­tik setz­te sei­ne Um­ge­bung wohl in Ver­wun­de­rung, fand aber we­nig Glau­ben; auch kam nichts da­von zur Aus­füh­rung, da der Kai­ser noch am sel­ben Vor­mit­tage verstarb, noch nicht sech­zig Jah­re alt, nach­dem er sechs­und­drei­ßig Jah­re lang re­giert hat­te.

So­gleich nach sei­nem Tode wur­de die Burg be­setzt und die Mehr­zahl der kai­ser­li­chen Die­ner ins Ge­fäng­nis ge­wor­fen, dar­un­ter Rhuts­ky, in­dem zu­gleich sein Ver­mö­gen ein­ge­zo­gen wur­de. Da Khlesl dem vie­ler Ver­bre­chen Be­schul­dig­ten in bö­sen und höh­ni­schen Wor­ten die Fol­ter an­droh­te und er ein­se­hen muss­te, dass er von kei­ner Sei­te Hil­fe zu er­war­ten hat­te, er­häng­te er sich, so­dass nur noch sein Leich­nam ge­vier­teilt wer­den konn­te.

Das über­aus präch­ti­ge Trau­er­ge­rüst, das zu Ru­dolfs Lei­chen­fei­er im Dome auf­ge­rich­tet war, kauf­te der noch im­mer in Prag an­we­sen­de Her­zog Hein­rich Ju­li­us als An­den­ken für eine große Sum­me und führ­te es auf ei­nem Wa­gen mit nach Wol­fen­büt­tel, konn­te sich aber nicht lan­ge mehr dar­an er­freu­en, da er schon im nächs­ten Jah­re dem Kai­ser im Tode nach­folg­te.

Dem Matt­hi­as fiel nun auch die letz­te und höchs­te der Kro­nen sei­nes Bru­ders zu, und im Mai be­gab er sich mit sei­ner Ge­mah­lin zur Kai­ser­wahl nach Frank­furt. Un­ter­wegs ver­weil­te er meh­re­re Tage in Nürn­berg, um sich aus­zu­ru­hen, denn er litt ge­ra­de un­ter ei­nem hef­ti­gen An­fall sei­ner Gicht, wo­von er bis zu den Fei­er­lich­kei­ten frei zu wer­den hoff­te. Beim Ein­zu­ge in Nürn­berg gab es Miss­hel­lig­kei­ten: der Mark­graf von Ans­bach näm­lich, mit dem die Stadt oh­ne­hin nicht in gu­tem Ein­ver­neh­men war, be­haup­te­te, das Ge­leits­recht zu ha­ben, und pfleg­te beim Be­such ho­her Gäs­te der Stadt zum Trotz ge­walt­sam da­von Ge­brauch zu ma­chen. Dar­über kam es zwi­schen den Nürn­ber­gern und Ans­ba­chern zum Streit, bei dem es meh­re­re Ver­wun­dun­gen ab­setz­te und kei­ner den Sieg da­von­trug; we­nigs­tens wi­chen die Ans­ba­cher nicht vom Plat­ze. Die­ses Blut­ver­gie­ßen konn­te nur als ein üb­les Vor­zei­chen aus­ge­deu­tet wer­den, und über­haupt mach­te Matt­hi­as kei­nen tröst­li­chen Ein­druck. Er trug das Wams so lose, dass das Hemd am Hal­se her­vor­lug­te, und sei­ne Füße wa­ren mit wol­le­nen Tü­chern um­wi­ckelt; so, die Bei­ne auf einen Sche­mel stre­ckend, emp­fing er die Ab­ge­ord­ne­ten der Stadt, die ihm den Wein als üb­li­chen Will­kom­men über­brach­ten. Da­ge­gen war die Kai­se­rin gu­ter Din­ge, dick, weiß und rot, mit Haa­ren von der röt­lich-blon­den Fär­bung, wie sie vie­len Habs­bur­ge­rin­nen ei­gen wa­ren. Von ih­rer Vor­lie­be für Le­cke­rei­en in Kennt­nis ge­setzt, über­reich­te der Rat ihr eine große Scha­le aus­er­le­se­nen Kon­fekts, wo­von sie be­stän­dig nasch­te, wäh­rend sie in ei­nem welt­li­chen His­to­ri­en­bu­che las, da­nach sie ver­langt hat­te und das im Be­sitz der Wel­se­ri­schen Fa­mi­lie vor­ge­fun­den und ihr aus­ge­lie­hen war. Über­haupt such­te sie sich zu be­lus­ti­gen und war er­freut über die Ge­le­gen­heit, ei­ner Ge­schlecht­er­hoch­zeit zu­zu­se­hen, die eben in die­sen Ta­gen statt­fand. Ihr zu­lie­be leg­ten die Frau­en und Mäd­chen al­ter­tüm­li­che Trach­ten an, die sonst bei den Vor­neh­men nicht mehr üb­lich wa­ren, und sie sah al­lem vom Fens­ter aus mit lau­tem Ver­gnü­gen zu, in die Hän­de klat­schend, wenn ihr et­was be­son­ders ge­fiel. Die Krän­zel­jung­fern ließ sie zu sich in das Gast­haus bit­ten, be­tas­te­te ihre mit Sei­den­bän­dern ver­floch­te­nen Zöp­fe, ob sie echt wä­ren, und ließ sich ihre Hei­rats­aus­sich­ten von ih­nen er­zäh­len. Auch be­nütz­te sie die Ge­le­gen­heit, sich einen Ader­lass prak­ti­zie­ren zu las­sen, und der Bar­bier, der da­mit be­traut wur­de, konn­te nicht ge­nug von ih­rem fet­ten wei­ßen Arm er­zäh­len und wie zu­trau­lich sie ihn auf­ge­mun­tert habe, fest an­zu­grei­fen, da sie nicht zimp­fer­lich sei. Es hat­te ihr in Nürn­berg so wohl ge­fal­len, dass sie die Au­gen mit dem Tüch­lein trock­nen muss­te, als sie in der brei­ten Rei­se­kut­sche, ne­ben ih­rem wohl­ver­pack­ten Ge­mahl sit­zend, ein Büchs­lein voll Kon­fekt auf dem Scho­ße, zum Tore hin­aus- und den Krö­nungs­fei­er­lich­kei­ten ent­ge­gen­fuhr.

16.

Ma­xi­mi­li­an von Bay­ern führ­te mit Wolf­gang Wil­helm von Neu­burg vie­le Ge­sprä­che über den Glau­ben, wo­bei er al­les das wie­der­hol­te, was er von den Je­sui­ten über die Wahr­heit des ka­tho­li­schen Be­kennt­nis­ses ge­lernt hat­te, wäh­rend Wolf­gang Wil­helm die lu­the­ri­sche Leh­re so ver­tei­dig­te, wie es ihm von Heil­brun­ner, dem Hof­pre­di­ger sei­nes Va­ters, bei­ge­bracht wor­den war. Da­bei ge­bot ihm der Um­stand, dass Ma­xi­mi­li­an der Äl­te­re war, eine ge­wis­se Be­schei­den­heit, so­dass die­ser den Ein­druck ge­wann, sein Schü­ler wer­de sach­te von der Kraft sei­ner Be­weis­füh­rung durch­drun­gen, und er müs­se nur eine Wei­le zu­war­ten, um die Früch­te sei­nes Ei­fers zu ern­ten. Ohne dass et­was Ent­schei­den­des ge­sche­hen wäre, reis­te Wolf­gang Wil­helm wie­der ab. Mag­da­len­as be­wun­dern­de und fast ver­lieb­te Bli­cke hat­ten ihm zwar wohl­ge­tan, und ob­wohl sie blass und kränk­lich aus­sah, hat­te sie ihm nicht übel ge­fal­len, da sie klug und kräf­tig von Cha­rak­ter zu sein schi­en; aber er konn­te das arg­wöh­ni­sche Ge­fühl nicht los­wer­den, als sä­hen sie im Grun­de alle ein we­nig auf ihn her­ab, und das ver­stimm­te ihn, wenn es ihn auch zu­gleich reiz­te und an­zog. Dach­te er an sei­nen Va­ter, so wur­de ihm sehr un­be­hag­lich zu­mu­te, und er ver­folg­te den Ge­dan­ken an die bay­ri­sche Hei­rat und al­les, was da­mit zu­sam­men­hing, nicht wei­ter. Zu Hau­se je­doch ge­fiel es ihm gar nicht; stets kam es zu Wort­wech­seln zwi­schen ihm und sei­ner Fa­mi­lie, wie sehr er sich auch nach sei­ner Mei­nung be­müh­te, nicht mer­ken zu las­sen, dass sein Ge­sichts­kreis sich in­zwi­schen er­wei­tert hat­te. In sei­ner zwei­feln­den Stim­mung be­schloss er, sich am Hofe zu Ber­lin um­zu­se­hen, ob sich etwa dort eine Aus­sicht böte, die ihm Bay­ern ent­behr­lich mach­te. Der Kur­fürst von Bran­den­burg nä­her­te sich dem Plan ei­ner ehe­li­chen Ver­bin­dung sei­ner Toch­ter mit dem Neu­bur­ger be­hut­sam; denn da er sich mit der Ab­sicht trug, öf­fent­lich zum re­for­mier­ten Glau­ben über­zu­tre­ten, wäre ihm eine kal­vi­ni­sche Hei­rat lie­ber ge­we­sen. Im­mer­hin wur­de ein fest­li­ches Es­sen ver­an­stal­tet, wo­bei sich eine en­ge­re Ver­trau­lich­keit ent­fal­ten und die Ver­lo­bung ein­ge­lei­tet wer­den soll­te. Die Prin­zes­sin war ein we­nig schnip­pisch und ki­cher­te, an­statt des Frei­ers An­re­den schick­lieh zu be­ant­wor­ten; dazu kam, dass die Über­heb­lich­keit, der er hier be­geg­ne­te, ihn weit mehr är­ger­te als die am Münch­ner Hofe, wo denn doch weit mehr An­stand, Pracht und fürst­li­ches We­sen herrsch­te. Er gab also zu ver­ste­hen, dass er die bran­den­bur­gi­schen An­sprü­che an Jü­lich-Cle­ve nicht hoch an­schlug und vor­aus­setz­te, der Kur­fürst wer­de es wohl zu­frie­den sein, sie mit der Toch­ter an ihn, als den ei­gent­li­chen Er­ben, ab­zu­tre­ten. Dar­über braus­te der Kur­fürst sei­ner­seits auf und sag­te, dass Wolf­gang Wil­helms Mut­ter sich ei­gent­lich durch einen Ver­zicht ih­res An­teils an der Erb­schaft be­ge­ben habe, nun wol­le er das Gan­ze und sei­ne Toch­ter noch dazu, die von pol­ni­scher, schwe­di­scher und dä­ni­scher Sei­te her An­trä­ge habe und au­ßer­dem gar nicht von Ber­lin fort wol­le. Die Prin­zes­sin, sag­te Wolf­gang Wil­helm, dür­fe es sich bei ihm ge­fal­len las­sen; in Düs­sel­dorf sei gu­ter Wein und in Neu­burg gu­tes Bier, wäh­rend in Ber­lin nicht ein­mal das Was­ser gut sei. Die­se Keck­heit er­zürn­te den Kur­fürs­ten so, dass er, oh­ne­hin vom Trunk er­hitzt, dem neu­bur­gi­schen Prin­zen eine Ohr­fei­ge ver­setz­te, wo­mit das Gast­mahl und die Wer­bung ein plötz­li­ches Ende nah­men.

Mit dem Ge­fühl der Rach­sucht ver­ließ Wolf­gang Wil­helm Ber­lin und reis­te schnur­stracks nach Mün­chen, ent­schlos­sen, sich nun­mehr Ma­xi­mi­li­an in die Arme zu wer­fen. Der ka­tho­li­schen Glau­bens­leh­re, die ihm na­ment­lich von dem ge­lehr­ten Je­sui­ten Rei­hing ein­leuch­tend un­ter­brei­tet wur­de, lausch­te er be­reit­wil­li­ger als frü­her, und nach­dem er den Un­ter­richt eine Zeit lang ge­nos­sen hat­te, er­klär­te er sich für über­zeugt und von dem Wun­sche be­seelt, in den Schoß der Kir­che zu­rück­zu­keh­ren. Sei­ne den Va­ter be­tref­fen­den Be­den­ken ver­stand Ma­xi­mi­li­an und ver­schmäh­te es, ihn in die­ser Hin­sicht zu drän­gen. Er möch­te, schlug er vor, so schnell wie mög­lich den Über­tritt voll­zie­hen, weil in ei­ner so hoch­wich­ti­gen Heil­san­ge­le­gen­heit auch nicht ein Tag ver­säumt wer­den dür­fe; aber im ge­hei­men, da­mit sein Va­ter es nicht er­fah­re. Die­sen sol­le er zu­nächst mit der Hei­rat zu be­freun­den su­chen, was leich­ter ge­lin­gen wer­de, wenn der Ge­dan­ke an einen et­wai­gen Re­li­gi­ons­wech­sel sei­nes Soh­nes noch gar nicht bei ihm auf­ge­taucht sei.

 

Dement­spre­chend ver­fuhr Wolf­gang Wil­helm und mal­te dem al­ten Her­zog aus, wel­che Hil­fe er von dem mäch­ti­gen bay­ri­schen Vet­ter ha­ben wer­de, um sei­nen An­spruch auf Jü­lich durch­zu­set­zen, wozu noch die Aus­sicht kom­me, Mag­da­le­na wer­de sich zum lu­the­ri­schen Glau­ben be­keh­ren las­sen. Er schil­der­te die Prin­zes­sin als ver­stän­dig und tu­gend­haft, so­dass er, wenn sie erst sei­ne Frau sei, sie ge­wiss zur Ein­sicht des Bes­se­ren brin­gen und sie sei­nem Wun­sche sich fü­gen wer­de. Hat­te Phil­ipp Lud­wig ge­schwankt, ob er in die ge­fähr­li­che Hei­rat wil­li­gen soll­te, so wur­de er durch die Aus­sicht auf die­se Mög­lich­keit zu ih­ren Guns­ten be­wegt, und eine vä­ter­li­che Nei­gung für das Mäd­chen, das er und sein treu­er Heil­brun­ner mit der rei­nen Re­li­gi­on be­kannt ma­chen wür­den, er­griff sein Herz; nun erst fing er auch an den ir­di­schen Vor­tei­len der Ver­bin­dung Ge­schmack zu ge­win­nen an. Vor der Hoch­zeit frei­lich, sag­te Wolf­gang Wil­helm, müss­ten die Be­keh­rungs­ver­su­che an­stän­di­ger­wei­se zu­rück­ge­hal­ten wer­den, und es wur­de fest­ge­setzt, dass die Ver­mäh­lung so­wohl nach ka­tho­li­schem wie nach evan­ge­li­schem Ge­brauch voll­zo­gen wer­de, da­mit der Glau­be bei­der Tei­le zur Gel­tung kom­me und kei­nem von bei­den ein Prä­ju­diz ge­sch­ehe.

Vor­her un­ter­nahm Mag­da­le­na mit ih­rem Va­ter eine Wall­fahrt nach Al­töt­ting, um Gott zu dan­ken, des­sen wei­se Füh­rung sie nun erst recht be­wun­dern lern­te; denn es zeig­te sich ja, was er da­mit bezweckt hat­te, dass er das Op­fer ih­rer Lie­be zu Leo­pold von ihr for­der­te, weil er ihr ein weit schö­ne­res Glück und dazu eine er­ha­be­ne Auf­ga­be vor­be­rei­tet hat­te. Auch der alte Her­zog von Neu­burg wieg­te sich in Hoff­nun­gen, die nur zu­wei­len durch auf­stei­gen­de Sor­gen ge­trübt wur­den. Eine Si­cher­heit hat­te ihm Wolf­gang Wil­helm für die künf­ti­ge Be­keh­rung sei­ner Braut nicht ge­ge­ben; konn­te der jun­ge Mann nicht durch weib­li­che Küns­te und die Ge­brech­lich­keit der mensch­li­chen Na­tur sich ha­ben ver­blen­den las­sen, dass er eine der Ab­göt­te­rei ver­schwo­re­ne Je­sabel für ein from­mes, ver­stän­di­ges Mäd­chen an­sah? Wenn sie sich ihm wi­der­setz­te, wel­che Un­zu­träg­lich­kei­ten wür­den dar­aus ent­ste­hen, na­ment­lich in Be­zug auf die Kin­der, die aus der Ehe er­zielt wer­den wür­den; es war ja lei­der nicht an­ders, als dass die Frau­en, und na­ment­lich sol­che, die mit je­sui­ti­schen Knif­fen um­zu­ge­hen ge­wohnt wa­ren, oft den Mann um­garn­ten, und er wür­de nicht im­mer da sein, um Wolf­gang Wil­helm durch sein vä­ter­li­ches An­se­hen zu stär­ken. In­des­sen such­te er sol­che Ge­dan­ken durch sein Ver­trau­en auf Gott zu be­kämp­fen, der die Wahr­heit nicht zu­schan­den wer­den las­sen wür­de.

Nach­dem die Hoch­zeit in Mün­chen mit großer Pracht be­gan­gen war, rich­te­te Phil­ipp Lud­wig eine Nach­fei­er in Neu­burg zu, die Kos­ten nicht scheu­end, um dem bay­ri­schen Ge­prän­ge nicht nach­zu­ste­hen, wie denn we­der ein Tur­nier noch ein Feu­er­werk, noch auch eine Sau­hatz fehl­te. In der ers­ten Nacht brach aber nicht weit vom Schlos­se eine große Feu­ers­brunst aus, die sich so ge­fähr­lich an­ließ, dass der alte Her­zog sei­nen Sohn, der sich eben mit sei­ner jun­gen Frau zu Bet­te be­ge­ben woll­te, her­aus­klopf­te, da­mit er sich auch wie die an­de­ren Her­ren am Lösch- und Ret­tungs­werk be­tei­li­ge. Hier tat sich na­ment­lich Prinz Au­gust, Wolf­gang Wil­helms jün­ge­rer Bru­der, rühm­lich her­vor, und man sah mit großer Be­wun­de­rung sei­nen hoch­ge­wach­se­nen Kör­per und sein blon­des Haupt un­er­schro­cken zwi­schen Rauch und Flam­men auf- und un­ter­tau­chen. Phil­ipp Lud­wig und sei­ne zur Schwer­mut nei­gen­de Frau stan­den un­ter­des­sen im Schlos­se am Fens­ter, wo sie durch die kah­len Ge­bü­sche, denn es war No­vem­ber, die schwar­zen Do­nau­wel­len im düs­te­ren Glut­schein auf­blin­ken se­hen konn­ten, und be­te­ten nicht ohne trü­be Vorah­nun­gen.

Von Neu­burg führ­te Wolf­gang Wil­helm sei­ne Frau nach Düs­sel­dorf und hät­te sich der neu­en Wür­de un­ein­ge­schränkt freu­en kön­nen, wenn sein Beicht­va­ter ihn nicht ge­drängt hät­te, nun­mehr sei­ne Zu­ge­hö­rig­keit zur ka­tho­li­schen Kir­che of­fen zu be­ken­nen, weil dies zum Heil sei­ner Un­ter­ta­nen, die sich ihm an­schlie­ßen wür­den und müss­ten, not­wen­dig sei. Wolf­gang Wil­helm wag­te kei­nen Ge­gen­grund zu äu­ßern und ord­ne­te, da es ein­mal sein muss­te, die Ze­re­mo­nie fest­lich an, da­mit das vor­aus­zu­se­hen­de Mur­ren des Vol­kes durch einen be­deu­ten­den Ein­druck über­wäl­tigt wer­de.

An den Hof von Neu­burg wa­ren zu­wei­len Gerüch­te von ei­ner großen Ver­än­de­rung ge­drun­gen, die in Düs­sel­dorf im Schwan­ge sei; aber Phil­ipp Lud­wig hat­te es nicht laut wer­den las­sen und sich ein­zu­re­den ge­sucht, dass ein sol­cher Ver­rat sei­nes Soh­nes un­mög­lich sei. End­lich ließ er den Heil­brun­ner zu sich ru­fen und frag­te ihn, in­dem er ihn scharf an­sah, ob er glau­be, dass Wolf­gang Wil­helm sei­nen Gott und sei­nen Va­ter zu­gleich ver­ra­ten habe? Heil­brun­ner schwieg eine Wei­le mit nie­der­ge­schla­ge­nen Au­gen; dann sag­te er: »Weil Euer Gna­den es mir be­feh­len, so will ich ant­wor­ten. Ich habe mich lan­ge ge­sträubt, es zu glau­ben, und mit Gott des­we­gen ge­strit­ten. Abra­ham hat Isaak un­schul­dig ge­op­fert und Da­vid Ab­sa­lom schul­dig, und bei­de wa­ren treue Knech­te Got­tes. Wir müs­sen kämp­fen und aus­har­ren bis ans Ende: das von Euer Gna­den und mei­nes sind nicht mehr fern.« Hier­auf setz­te sich Phil­ipp Lud­wig an sei­nen Schreib­tisch und for­der­te von sei­nem Soh­ne eine run­de, of­fe­ne Er­klä­rung, die denn auch er­folg­te. Wolf­gang Wil­helm und Mag­da­le­na schrie­ben zu­sam­men in höf­li­chen, ent­schie­de­nen Wor­ten, dass es so sei und nicht an­ders sein kön­ne und dass sie hoff­ten, der Va­ter wer­de es ihm, Wolf­gang Wil­helm, nicht ver­ar­gen, dass er nach sei­ner Über­zeu­gung ge­han­delt habe.

Das Blatt zit­ter­te in den Hän­den des al­ten Man­nes, wäh­rend er las, und die Trä­nen be­gan­nen ihm lang­sam über das Ge­sicht zu lau­fen. Sein Herz war so hart ge­schla­gen, dass er nicht ein­mal in der Bi­bel Trost fin­den konn­te. Nicht nur der Ab­fall sei­nes Soh­nes war es, der ihn be­küm­mer­te, son­dern der Ge­dan­ke an die bit­te­ren Fol­gen, die für sei­ne ar­men Un­ter­ta­nen dar­aus er­wach­sen muss­ten, wenn der Ab­trün­ni­ge ih­nen sei­nen Irr­glau­ben auf­zwin­gen wür­de. Vie­le Stun­den ver­brach­te er in lei­sem Ge­spräch mit sei­ner Frau, lan­ge saß er aber auch al­lein, von ei­nem dro­hen­den Schwall teuf­li­scher Zwei­fel ge­ängs­tigt. Wa­rum ließ Gott es zu, dass die Ar­beit sei­nes Le­bens zu­nich­te ge­macht wer­de, sein Gärt­lein, in dem er das Un­kraut des Un­glau­bens und des Las­ters aus­ge­jä­tet, wo er Fröm­mig­keit, Ord­nung und Tu­gend ge­sät und auf­ge­hen ge­se­hen hat­te, von sei­nem ei­ge­nen Soh­ne ver­wüs­tet wur­de? Er hat­te ge­glaubt, der Se­gen Got­tes ruhe auf sei­nem Ta­ge­werk, und nun soll­te sein bre­chen­des Auge es schei­tern se­hen. War es eine ihm auf­er­leg­te Prü­fung, wie konn­te Gott den Ver­lust so vie­ler See­len da­mit ver­bin­den?