Health Horse Agility

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2.1.2 Prävention

Idealerweise kann das Health-Horse-Agility-Training rein prophylaktisch durchgeführt werden und ist nicht aufgrund einer Verletzung oder anderer gesundheitlicher Defizite notwendig. Das Trainingsprogramm kann hierfür sehr individuell gestaltet werden, da man auf keine Vorschädigungen oder körperlichen Einschränkungen Rücksicht nehmen muss. Lediglich die Belastungsfähigkeit des Pferdes muss beachtet werden, um Überforderungen zu vermeiden und keine Verletzungen zu riskieren.

Unter die Belastungsfähigkeit zählt nicht nur die physische Stärke eines Pferdes (zum Beispiel Muskelkraft, Sehnenelastizität und -festigkeit), sondern auch, wie gut ein Pferd mit bestimmten Aufgaben psychisch umgehen kann. Wenn es zum Beispiel noch nie über einen wackeligen Boden (Balancematratze, Wippe, Hängebrücke etc.) gegangen ist, kann das Pferd unsicher werden und sich mit einem unkontrollierten Sprung zur Seite gar Verletzungen zuziehen. Darum ist es wichtig, dass das Pferd langsam an unbekannte Aufgaben herangeführt wird und diese jeweils konzentriert absolviert, ohne in eine Überforderungssituation zu geraten.

Ein Rehatraining ist nach Verletzungen eine wichtige Komponente, um das Pferd langsam wieder aufzubauen. Hierzu kann das Pferd beispielsweise an der Doppellonge gearbeitet werden.

Auf diese Weise hat das Health-Horse-Agility-Programm einen trainierenden Effekt, der dazu beiträgt, das Pferd gesund zu erhalten, da das Training Körper und Geist stärkt und das Pferd damit gegen krank machende Faktoren besser gewappnet ist.

2.1.3 Rehabilitation nach Verletzung und Krankheit

Das Health-Horse-Agility-Training eignet sich hervorragend für eine gezielte Mobilisierung nach einer Verletzung oder Krankheit, denn angeschlagene Strukturen können mit gezielten Übungen wieder aufgebaut und gekräftigt werden. Dies verhindert insbesondere die Gefahr von Rezidiven, denn verletzte Strukturen sind durch die Schonung erst einmal deutlich schwächer und darum verletzungsanfälliger. Aus diesem Grund ist ein gezielter Aufbau eine wichtige Maßnahme, um die Belastbarkeit wieder auf ein Normmaß zurückzuführen.

Typisch für lange Rekonvaleszenzphasen sind Sehnenverletzungen, die sich über Monate ziehen, sodass nicht nur ein physischer, sondern auch ein psychischer Ausgleich in den Zeiten eingeschränkter freier Bewegung für die Pferde wichtig ist. Solange sich die Kollagenfasern der Sehnenstruktur noch im Aufbau befinden, ist eine Bewegung ohne belastende Faktoren das Ziel. Wenn die Bildung von Ersatzgewebe abgeschlossen ist (Vernarbung), sollte die Sehne und ihr zugehöriger Muskel einem speziellen Aufbautraining zur Kräftigung unterzogen werden. Ein gezieltes „Nachsorgetraining“ ist bei Sehnenverletzungen besonders wichtig, damit Rezidive vermieden werden können.

Selbstverständlich ist auch bei allen anderen Verletzungen und Erkrankungen ein Rehatraining sinnvoll. Es müssen allerdings stets die Schwere der Verletzung sowie der Heilungsstatus in das Rehatraining mit einfließen, um keine weiteren Schäden zu produzieren, sondern mit dem Training die Heilung zu unterstützen. Bei Verletzungen sollte aber stets die Zusammenarbeit mit einem kundigen Tierarzt sowie einem therapeutisch erfahrenen Rehatrainer angestrebt werden, um das Bewegungsprogramm für das jeweilige Pferd zu optimieren.

2.1.4 Gesundheitliche Defizite

Manche Gesundheitsprobleme kann der Pferdebesitzer selbst regulieren, wenn er sich ein wenig mit der Materie befasst. Erfahrungsgemäß haben mehr als 80 Prozent der Reitpferde mehr oder weniger Probleme im muskulären Bereich. Diese Muskelprobleme sind selten verletzungsbedingt, sondern meist durch Überlastungen begründet (siehe Kapitel 2.2). Das Gesundheitstraining kann maßgeblich dazu beitragen, Muskeldysbalancen auszugleichen. Hier initiiert nicht in erster Linie der Reiter durch eine spezifische Hilfengebung eine bestimmte Bewegung des Pferdes, sondern dies wird häufig durch die Medien übernommen, die unterstützend eingesetzt werden. Dies hat den Vorteil, dass die Einflüsse des Reiters (Schenkeldruck, Zügelzug, Gewichtsverlagerung) selten gleichmäßig und objektiv gegeben werden können, weil auch Reiter eine stärkere und schwächere Hand haben oder eine ungleichmäßige Gewichtsverteilung durch Asymmetrien im Skelett und in der Muskulatur. Diese übertragen sich entweder verstärkend oder ausgleichend auf das Pferd, wodurch im ersten Fall Muskeldysbalancen und Fehlhaltungen unterhalten oder gar verstärkt werden. Die Führung durch Medien hingegen erfolgt neutral, sodass das Pferd nur seine eigenen Dysbalancen ausgleichen und nicht zusätzlich noch die des Reiters kompensieren muss.

So können beispielsweise Muskelatrophien und -verspannungen eliminiert werden, die Balance trainiert und die Koordination verfeinert werden. Auch wenn der Reiter dabei im Sattel sitzt, unterstützen die Medien und Aufgaben im Health-Horse-Agility-Training einen Teil der Hilfengebung, wodurch Störungen minimiert und der Trainingseffekt erhöht werden.

2.1.5 Seniorentraining

Ein erstklassiges Trainingsprogramm kann das Health Horse Agility für ältere Pferde darstellen. Auch hier helfen die Hindernisse, die Beweglichkeit der Gelenke zu erhalten, wenn Stangen und Auftrittsflächen zu vermehrtem Beugen der Gelenke anweisen. Zudem kann die Kraft erhalten werden, auch wenn sehr alte Pferde nicht mehr geritten werden.

Es ist grundsätzlich anzuraten, Pferde nicht bis ins hohe Alter unter dem Sattel zu bewegen, weil sie kaum mehr in der Lage sind, das zusätzliche Reitergewicht zu kompensieren. Deutlich schneller kommt es zu einer Trageerschöpfung des Rückens mit nachfolgenden Überlastungserscheinungen. Degenerative Vorgänge werden zusätzlich forciert. Dennoch sollen alte Pferde nicht „einrosten“, sondern in Bewegung bleiben. Hier kann das Gesundheitstraining helfen, Defizite auszugleichen und die Kraft, Koordination, Ausdauer und Kondition bis ins hohe Alter zu erhalten. Die alten Pferde sollen dabei Spaß haben und die Aufgaben lösen, die sie noch gut absolvieren können. Ob sie dabei nun an der Hand geführt, am Leitseil begleitet oder in Freiarbeit auf hohem Ausbildungsniveau einen Parcours bewältigen, ist unerheblich. Ein abwechslungsreiches und interessantes Training mit viel Bewegung ohne Überlastung ist im Health-Horse-Agility-Training auch ohne Reiter im Sattel garantiert. Der Übergang ins Seniorenleben kann dabei fließend gestaltet werden. Während der fitte 20-Jährige noch gut und gern seinen Reiter im Sattel mit in den Hindernisparcours nimmt, kann der 30-Jährige dieselben Aufgaben möglicherweise ohne Reiter bewältigen. Sogar ein Mitlaufen als Handpferd ist für ein altes Pferd noch gut möglich, sodass die Senioren nicht auf dem Abstellgleis landen. So ist ein seniorengerechtes Training möglich, ohne Gefahr zu laufen, den Organismus zu überfordern.

Alte Pferde leiden häufig unter Kraftverlust und den damit verbundenen Defiziten in der Balance und Koordination. Auch hier kann das Gesundheitstraining ansetzen und mit Balanceübungen defizitäre Bereiche gezielt ansteuern.

Merke!

Durch ein dem Leistungsniveau angepasstes Gesundheitstraining bleiben alte Pferde länger fit und agil.

2.1.6 Leistungssteigerung und Ausgleichstraining

Ganz abgesehen vom gezielten Einsatz der Health-Horse-Agility-Aufgaben zur Gesunderhaltung und Rehabilitation, eignet sich das Gesundheitsprogramm auch, um eine Leistungssteigerung für fitte Turnier- und Freizeitpferde anzustreben.

Damit die Pferde körperlich und geistig frisch gehalten werden können, ist zunächst ein abwechslungsreiches Training wichtig. Hier steht das Health-Horse-Agility-Konzept an erster Stelle, denn es wartet mit einer großen Vielfalt von Übungen auf. Mit bestimmten Lektionen können auch spezielle Bereiche gezielt trainiert werden, die dem jeweiligen Pferd für seine Spezialdisziplin zugutekommen. So müssen Springpferde zur Stärkung ihrer Hinterhandmuskulatur nicht immer nur Sprünge absolvieren, sondern können an Steigungen arbeiten oder ihre Muskeln mit beweglichen Brücken und Wippen trainieren. Damit bekommt der Reiter ein perfektes Instrument an die Hand, das Training abwechslungsreich und interessant, aber dennoch zielgerichtet zu gestalten.

Andererseits sollte man aber auch bemüht sein, im Training nicht nur ein Ziel zu fokussieren, sondern dem Körper auch einen gewissen Ausgleich anzubieten. Dies ist wichtig, um wiederum Überlastungen der verstärkt trainierten Strukturen zu vermeiden und um andere Körperbereiche nicht unterzuversorgen. Die mindertrainierten Strukturen neigen schließlich zu größerer Verletzungsanfälligkeit. Ein Pferd kann nur wirklich fit sein, wenn es gleichmäßig trainiert ist.


Sowohl junge als auch vor allem alte Pferde können am Gesundheitstraining am Boden gearbeitet oder als Handpferd mitgeführt werden.

2.2 Muskeldysbalancen ausgleichen

Muskeldysbalancen sind bei Pferden sehr häufig. In mehr als 80 Prozent der Fälle ist die Ursache von Lahmheiten im myofaszialen System zu suchen. Eine defizitäre Muskulatur springt dem Pferdebesitzer oft deutlicher ins Auge als die meisten anderen Läsionen des Bewegungsapparats. Somit liegt der Fokus meist im Muskelaufbau. Das Pferd soll athletisch und muskulös aussehen, denn dies zeugt von Fitness und Gesundheit. Auf ein schönes, gesundes und fittes Pferd ist jeder Pferdebesitzer stolz.

 

So haben die meisten Pferdebesitzer Angst, dass ihre Pferde Muskulatur abbauen, wenn sie beispielsweise während des Urlaubs nicht in der Lage sind, ihre Pferde regelmäßig zu trainieren. Bei sichtbar atrophierten Muskeln wird somit das Training noch stärker intensiviert und der Frust ist groß, wenn die Muskulatur einfach nicht aufbauen will.

Bevor die Frage geklärt werden kann, weshalb Muskulatur trotz intensiven Trainings nicht aufbaut, muss man sich zunächst darüber Gedanken machen, weshalb die Muskulatur zuvor atrophiert ist. Denn die Ursachensuche und -bekämpfung ist der erste und wichtigste Schritt zur Lösung eines Problems. Erst wenn ein Muskel arbeitsfähig ist, kann man ihn durch systematische Übungen trainieren und stärken.

Unpassende Sättel sind häufig der Auslöser, dass der Trapezmuskel durch dauerhaften schmerzhaften Druck atrophiert.

2.2.1 Entstehung und Eliminierung von Muskelläsionen

Das Pferd besitzt über 250 paarig und einige unpaarig angelegte Muskeln, die über ihre sehnigen Ausläufer meist zwei oder mehrere Knochen miteinander verbinden. Muskeln können aber auch an Bandstrukturen oder Fasziensträngen anhaften. Durch Kontraktion verkürzt sich die Gesamtmuskellänge, wodurch die Knochen in Bewegung versetzt werden und sich die Gelenke beugen oder strecken. Diese Muskeln nennt man deshalb Bewegungsmuskeln. Es gibt aber auch sogenannte Haltemuskeln, die Knochen oder Gelenke in einer bestimmten Stellung halten und somit stabilisieren.

Merke!

Um Muskeldysbalancen auszugleichen, muss die Muskulatur zunächst in einen arbeitsfähigen Zustand versetzt werden. Erst dann kann sie mit kräftigenden (Kontraktion der Muskulatur) und dehnenden (Entspannung der Muskelfasern) Übungen aufgebaut werden.

Ein Muskel kann sich aktiv nur zusammenziehen, sich aber nicht selbst wieder entspannen. Hierzu benötigt der Muskel einen Antagonisten (Gegenspieler), der durch dessen Kontraktion den Agonisten wieder in die Länge zieht. Wenn ein Muskel (Agonist) somit ein Gelenk beugt, wird dieses vom Antagonisten (Gegenspieler) gestreckt. Auf diese Weise entsteht Bewegung. Es gibt aber noch weitere Muskeln, die dieselbe Bewegung ausführen wie der Agonist. Sie unterstützen die Bewegung, die der Agonist durch seine Kontraktion initiiert, und werden deshalb Synergisten genannt (aus dem Altgriechischen „Synergie“ = Zusammenarbeit). Fast immer sind mehrere Muskeln an einer Gelenkbewegung beteiligt, sodass im Fall eines Muskelausfalls dennoch eine Bewegung zustande kommen kann.

Man muss aber berücksichtigen, dass ein Muskel, der nicht oder nur teilweise einsatzfähig ist, sowohl auf die Synergisten als auch auf die Antagonisten Einfluss ausübt. Die Synergisten könnten mit ihrer Aufgabe langfristig überfordert sein, weil sie die Arbeit des Agonisten nicht dauerhaft übernehmen können, ohne überfordert zu werden. Die Antagonisten hingegen sind nicht in der Lage, einen arbeitsunfähigen Muskel (der in seiner Kontraktion verharrt) zu dehnen. Auf diese Weise ist darum nun auch die Aktionsfähigkeit der Antagonisten und Synergisten eingeschränkt bis unmöglich. Die Muskeln der einzelnen Muskelgruppen und weiterführenden Muskelketten sind stets voneinander abhängig und bedingen sich gegenseitig.

Ein Muskel kann seine Einsatzfähigkeit verlieren, wenn er verletzt oder überfordert wird. Dies kann verletzungsbedingt durch einen Schlag oder eine übermäßige Dehnung (Zerrung) passieren oder durch eine trainingsbedingte Überforderung. Der Muskel ist daraufhin nicht mehr in der Lage, seine Proteinfasern ineinanderzuschieben – die Kontraktionsfähigkeit lässt nach. Bei einer dauerhaften Überlastung ist die Folge ein schwacher Muskel, dessen Muskelfasern aufgrund der eingeschränkten (oder gar aufgehobenen) Kontraktionsfähigkeit abbauen. Somit kommt es zu einer Atrophie des Muskels. Auch der verletzungsbedingte kontrakte Muskel verfällt durch die fehlenden Dehnungs- bzw. Entspannungsphasen in einen inaktiven Zustand. Durch die Anpassungsvorgänge im Körper verlieren die Muskelfasern ihre Fähigkeiten der Elastizität und Kontraktilität. Die Folge davon ist auf lange Sicht ebenfalls ein schwacher, sprich atrophierter Muskel.

Um eine atrophierte Muskulatur nun wieder in ihren Normzustand zu versetzen, muss die Ursache abgestellt werden, die verhindert, dass der Muskel arbeiten kann. Das bedeutet, dass man die Muskulatur in einen arbeitsfähigen Zustand versetzen muss. Erst mit dieser Voraussetzung können Muskeldysbalancen mit Übungen, die insbesondere das Dehnen (Entspannen der Muskelfasern) und Kräftigen (Kontraktion der Muskulatur) beinhalten, ausgeglichen werden.

Merke!

Muskelatrophien entstehen nicht durch zu wenig Training, sondern durch Überforderung in Form von zu hartem Training oder durch Verletzungen.

Im Falle einer Verletzung verhindern Schmerzen die An- und Abspannungsphasen der Muskulatur. Nach überstandener Akutphase und dem damit verbundenen nachlassenden Schmerzpegel regelt der Körper den Aufbau der verloren gegangenen Muskelmasse durch die wiedererlangte Bewegung ganz von selbst. Bei einer durch Fehl- oder Überlastung herbeigeführten Muskelatrophie hingegen müssen die schädigenden Einflüsse abgestellt werden. Kein Muskel wird aufbauen, solange Überlastungsfaktoren, die den Muskel schwächen, die Regeneration verhindern.

Erzeugt also ein unpassender Sattel einen dauerhaften, schmerzhaften Druck auf den Trapez- und Rückenmuskel, verspannen diese Muskeln und verlieren an Dehnfähigkeit. Aufgrund der Dauerkontraktion ermüden die Muskeln, die infolgedessen schwächer werden und atrophieren. Somit entsteht das berühmt-berüchtigte „Loch“ hinter dem Schulterblatt, insbesondere im Bereich des thorakalen Trapezmuskels.

Viele Reiter versuchen nun, mit verstärktem Training den Muskel wieder in Form zu bringen. Dies schlägt jedoch fehl, denn wir wissen nun, dass der Muskel nie arbeitsbereit (kontrakt- und dehnfähig) werden wird, solange die Schmerzen den Muskel in einer dauerhaften Verspannung halten. Ohne die Ursache (unpassender Sattel) zu beseitigen, kann keine Regeneration stattfinden.

Grundsätzlich kann nur eine entspannte, leistungsfähige Muskulatur gestärkt und somit aufgebaut werden. Das Training von verspannter Muskulatur hingegen führt ins Leere.

2.2.2 Gezielter Aufbau der Rückenmuskulatur

Unpassende Sättel, schwere Reiter und falsche Trainingspraktiken sind häufige Auslöser einer schwachen Rückenmuskulatur. Das Pferd ist nicht mehr in der Lage, die Muskulatur zum Tragen heranzuziehen, wodurch es zur Schwächung der gesamten dorsalen Muskelkette kommt. Das Pferd trägt den Reiter nur noch über sein Skelettsystem, das langfristig ebenfalls vor der Überlastung kapitulieren muss und Schädigungen erleidet. All diese Vorgänge gehen mit Schmerzen einher und zeugen von einem teils jahrelangen Leidensweg des Pferdes.

Somit gilt es, zunächst einmal zu versuchen, die Ursachen der Muskelschwäche abzustellen. Die erste Aufgabe ist: Der Sattel muss passen! Der zweite Schritt sieht vor, das Pferd einem Tierarzt und einem kompetenten Therapeuten vorzustellen, die Verletzungen, Schäden und Blockaden der Wirbelsäule und ihrer umgebenden Strukturen ausfindig zu machen und gegebenenfalls zu therapieren.

Und erst im dritten Schritt setzt nun das gezielte Aufbautraining für einen starken Rücken an. Wie wir schon wissen, darf man den Fokus nicht allein auf den Agonisten (in diesem Fall den Rückenmuskel) legen, sondern muss auch den Antagonisten leistungsfähig halten, weil sonst das gesamte Arbeitsgefüge der Muskulatur nicht funktionieren kann. Um den Rückenmuskel zu entspannen und zu dehnen, muss sein Gegenspieler kräftig sein. Deshalb ist das Ziel eine starke Bauchmuskulatur, denn nur dann ist der Rücken tragfähig. Agonisten und Antagonisten bedingen sich immer gegenseitig, sie müssen stets im Wechsel an- und abspannen können.

Ideale Übungen zur Stärkung der Bauch- und Rückenmuskulatur sind Aufgaben, bei denen das Pferd den Kopf senken und heben muss. Zudem sollte das Pferd animiert werden, die Bauchmuskeln zu kontrahieren, damit der Rückenmuskel sich dehnen kann. Das Eigengewicht des Rumpfes sorgt allein schon dafür, dass sich die Abdominalmuskeln auch wieder dehnen und die Rückenmuskeln kontrahieren.

Somit legt man den Fokus auf das Training der Bauchmuskeln, wozu es sich anbietet, das Pferd über Hindernisse wie Stangen und im Gelände über Wurzelwerk und Steine zu schicken. Eine Kontraktion der Bauchmuskeln wird ebenfalls initiiert, wenn das Pferd die Beine jeweils stärker unter seinen Schwerpunkt platziert und seine Hinterhand vermehrt unter seinen Körper schiebt: Abhänge im Gelände, Rückwärtsrichten, Bergziege, Hinterhandwendungen und dergleichen.

2.2.3 Übungen zur Stärkung der Hinterhandmuskulatur

Hier finden wir schon den fließenden Übergang zur Stärkung der Hinterhandmuskulatur, denn die Muskeln des lumbalen Rückenbereichs, der Kruppe und Hinterhand tragen sowohl zur Stabilisierung des Rückens als auch zur Lastaufnahme bei.

In theoretischen Überlegungen zur Ausbildungsskala soll das Pferd das zusätzliche Reitergewicht vermehrt mit der Hinterhand tragen, weil diese muskulär stärker ist als die Vorhand. Damit sollen Überlastungsschäden der Vorhand weitestgehend vermieden werden.

Merke!

Um das Reitergewicht zu kompensieren, müssen die Muskeln der Hinterhand vermehrt statische Haltearbeit verrichten.

Beim korrekt ausgeführten Rückwärtsrichten wölbt das Pferd den Rücken auf. Rückwärtslektionen zählen deshalb zu den versammelnden Übungen.

Aus diesem Grund ist es das Ziel, die zunächst aus der Hinterhand erzeugte Schubkraft in eine Tragkraft umzuwandeln. Das Ergebnis nennt sich Versammlung und ist das Ziel der modernen Reitweisen.

Hierbei handelt es sich aber auch um eine Umwandlung der muskulären Arbeitsweise. Zunächst soll die Muskulatur mehr Bewegung (Schubkraft) erzeugen, die letztendlich jedoch in eine eher statische Haltearbeit (Tragkraft) übergeht.

Dies erfordert ein erhöhtes Kraftpotenzial, wobei die Dehnungskapazität der Muskulatur nun stärker in den Hintergrund tritt. Die Muskeln arbeiten dadurch verstärkt isometrisch und weniger konzentrisch.

Im Reitsport führen alle versammelnden Übungen (zum Beispiel Rückwärtsrichten) zu diesem Ziel. Schließlich sind die sportlich ambitionierten versammelten Lektionen wie Piaffe, Passage oder Pirouette der Hohen Schule, aber auch der Sliding Stop und Spin aus dem Westernreitsport das Endziel.

Dieses hohe Ausbildungsziel kann jedoch von den wenigsten Reitern und Pferden erreicht werden. Das ist auch nicht nötig. Vielmehr können hoch spezialisierte Lektionen wiederum Überlastungsschäden beim Pferd verursachen. Beim Reiten geht es aber hauptsächlich darum, die Muskulatur so weit zu stärken, dass sie das zusätzliche Reitergewicht ausgleichen kann und schädigende Einflüsse auf den Pferdekörper vermieden werden. Genau dies ist auch das Ziel des Gesundheitstrainings. Für dieses Vorhaben reichen Hinterhand stärkende Übungen aus, die auch jeder Freizeitreiter bewältigen kann.

Im Gesundheitstraining darf eine Balancematratze nicht fehlen, die die Mikromuskulatur der Wirbelsäule aktiviert und stärkt.

Die hierfür klassische Aufgabe, ein Pferd korrekt gerade rückwärtszurichten, ist einfacher, wenn die Reitlinie mit Stangen oder Pylonen eingegrenzt und somit vorgegeben ist. So kann sich das Pferd besser ausbalancieren und gerade ausrichten.

Muskelkräftigend wirken aber auch Übungen auf instabilem Untergrund wie Schaukeln auf der Wippe, Balancieren auf nachgiebigen Schaumstoffpads, aber auch das Bewältigen von Steigungen und Abhängen, Steigeübungen aus der Zirzensik, Podestübungen und Wendungen auf der Hinterhand. Es müssen also nicht immer Sprünge über Cavaletti, höhere Sprünge oder extreme, sportlich ambitionierte Lektionen sein, um die Hinterhand zu kräftigen.

 
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