I L.I.K.E. my job

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Loyale Unternehmer …

»zeigen regelmäßig (!) Wertschätzung und Anerkennung für geleistete Arbeit.

»bleiben auch bei Fehlverhalten oder Fehlleistungen fair.

»geben ein ehrliches und konstruktives Feedback.

»schaffen eine transparente Kommunikation und vermitteln klare Ziele.

»erzeugen eine positive Atmosphäre auf Basis von Fairness und Vertrauen.

»belohnen überdurchschnittliche Leistungen – auch monetär.

»kümmern sich auch um schwächere Mitarbeiter und fördern deren Potenziale.

»sorgen im Fall von Personalabbau für sozial gerechte Lösungen.

Insbesondere der letzte Punkt ist ein Klassiker, an dem die (verbleibende) Belegschaft gut erkennen kann, ob ein Unternehmen in Schieflage sich auf Kosten der Mitarbeiter kuriert. Deshalb betonen Experten regelmäßig, wie wichtig eine sogenannte Trennungskultur ist.7

Zahlt sich Loyalität überhaupt aus?

Betrachten wir diese Frage aus der Sicht des Arbeitgebers an einem Beispiel, das ich in meiner beruflichen Laufbahn erlebt habe. Im Zuge einer Firmenübernahme war ein Notariatsakt mit Eintragung im Firmenbuch etc. erforderlich. Der von mir beauftragte Notar erfüllte diese Aufgaben zu meiner vollsten Zufriedenheit. Jedoch bekam ich keine Rechnung für seine Leistung. Ich sagte zu meiner Buchhalterin, sie solle bei der Kanzlei nachfragen, was mit der Rechnung sei. Darauf gab sie mir zur Antwort: „Nein, da fragen wir nicht nach, vielleicht vergessen sie darauf!“ Worauf ich ihr erwiderte, sie möge doch dort anrufen, denn ich möchte für die erbrachte Leistung meine Schuld begleichen. Sie schaute mich mit großen Augen an und meinte, das habe noch kein Chef zu ihr gesagt. Wie können wir von unseren Mitarbeitern oder Lieferanten und natürlich auch Kunden Loyalität verlangen, wenn wir selbst nicht bereit sind, diese vorzuleben? Diese Buchhalterin wurde eine meiner loyalsten Mitarbeiterinnen.

Andrerseits kann es auch immer wieder vorkommen, dass wir enttäuscht werden: In meinem Unternehmen ließ ich eine Psychologiestudentin auf Werksvertragsbasis zehn Stunden pro Woche arbeiten, weil sie den Job unbedingt haben wollte, da die Tätigkeit mit ihren Studien sehr gut vereinbar war. Während der Sommermonate hatten wir einen Monat Betriebsferien und demzufolge auch das Büro geschlossen. Ich teilte der Studentin mit, dass sie in dieser Zeit nicht zur Arbeit kommen brauche. Worauf sie nachfragte, ob sie dann auch nichts verdiene. Nachdem sie auf Werksvertragsbasis für mich arbeitete und nicht angestellt war und damit auch nicht arbeitete, hatte sie natürlich keinen Anspruch auf ein Gehalt oder Honorar. Sie betonte ihre Fixkosten, derenthalben sie auf das Geld angewiesen sei, und bat mich, doch irgendeine Tätigkeit zu finden, damit sie auch in dieser Zeit ein Einkommen hätte. Ich ließ mich erweichen und beauftragte sie mit der nicht notwendigen Überarbeitung der Datenbank. Froh über mein Entgegenkommen ersuchte sie mich überdies, statt der viermal zehn Stunden pro Woche einmal vierzig Stunden innerhalb einer Woche zu arbeiten, damit sie sich auch Urlaub nehmen könne. Dieser Bitte kam ich ebenso nach wie jener, das Honorar gleich nach dem Ableisten der vierzig Stunden zu begleichen und nicht wie üblich am Monatsende, in diesem Fall Ende August. All dies gestand ich ihr zu im Sinne einer guten Zusammenarbeit. Der September ist meist unser stärkster Umsatzmonat, also eine Zeit, in der wir die Studentin auch für das Tagesgeschäft im Unternehmen gut einsetzen konnten. Am 31 August erhielt ich eine Mail, dass sie ab September nicht mehr bei uns arbeiten möchte, da sie einen anderen Job gefunden habe, bei dem die Wegzeit etwas kürzer war. Sie können sich bestimmt vorstellen, was in diesem Moment in mir vorging. Zahlt sich Loyalität also wirklich aus? Ich behaupte immer noch, ja. Auch wenn ich in diesem Augenblick verärgert war, gelang es mir, gelassen zu bleiben. Nach dem Motto „no chicken fight“, also keine Energie verschwenden, wo es sich nicht lohnt, ignorierte ich dieses Erlebnis und konzentrierte mich auf Themen, die ich beeinflussen konnte und die mein Unternehmen vorantrieben.

Solche Enttäuschungen sind allerdings eher Ausnahmen. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass sich Menschen tendenziell loyal verhalten. Nicht zuletzt, weil Loyalität auch ein Gefühl der Sicherheit und der Zugehörigkeit gibt, und daraus wiederum resultiert Stabilität. Der Spruch: „Gemeinsam sind wir stärker“ ist keineswegs eine hohle Phrase. Es ist tatsächlich so, dass wir uns im Kollektiv stärker und auch mutiger fühlen. Persönliche Schwächen und Defizite werden im Team kompensiert, das Selbstbewusstsein steigt. Eigene Grenzen und Limits werden so leichter überwunden, Entwicklung und persönliches Wachstum vorangetrieben. Glücksforscher haben mehrfach festgestellt, dass loyale Menschen nachweislich glücklicher sind. Tun wir Dinge, zu denen wir auch stehen können, sind wir also unseren Gefühlen gegenüber loyal, werden vermehrt Endorphine freigesetzt. In umgekehrter Hinsicht ist dies noch deutlicher spürbar. Werden wir gezwungen, Dinge gegen unsere Überzeugung zu tun, setzt uns das zu. Hält dieser Zustand über einen längeren Zeitraum an, entsteht unweigerlich Frust. Manifestiert sich der Frust, werden wir krank. Loyalität ist vom Wesen her der Liebe relativ ähnlich. Sie ist bedingungslos, unabhängig und selbstlos.

Identifikation

Wenn sich Mitarbeiter mit dem, was sie tun, voll und ganz identifizieren können, entsteht Leidenschaft. Etwas mit Leidenschaft und Freude zu machen, setzt sehr viel positive Energie frei, was sich auf die Qualität der Arbeit auswirkt. Mit Freude das Richtige in hoher Qualität zu tun, führt zu Erfolg. Nun gibt es einige Branchen, insbesondere die Bankenbranche, wo sich in den letzten Jahren das Berufsbild massiv verändert hat. Die beruflichen Anforderungen sind mittlerweile ganz andere als zu dem Zeitpunkt, als sich der langjährige Mitarbeiter für diesen Beruf entschieden hat. Das hat oft zur Folge, dass sich Mitarbeiter mit dem neuen Berufsbild nicht mehr richtig identifizieren können. Sie bleiben jedoch in ihrem Job aus Mangel an (besseren) Alternativen. Wenn sich die Sinnfrage darauf reduziert, am Monatsende pünktlich sein Gehalt auf dem Konto zu haben, leidet naturgemäß die Qualität der Arbeit massiv.

Der US-Motivationstrainer Simon Sinek verkündet in seinen Key-Notes immer wieder die Botschaft: „If you know the why, you will not ask for the how.“ Wenn wir verstanden haben, warum wir etwas tun, ist das Wie ein leichter Spaziergang.

Unternehmen, welche sich ernsthaft mit dem Unternehmenszweck, also mit dem Purpose beschäftigen, treffen nicht nur den Zeitgeist, sondern haben gegenüber ihren Mitbewerbern auch klare Vorteile. Voraussetzung dafür ist, dass es gelingt, diesen Purpose glaubwürdig zu kommunizieren. Einen Purpose kann man jedoch nicht erfinden oder, weil er im Trend liegt, einfach einem Unternehmen überstülpen. Ein Purpose muss sich aus der Historie, den Alleinstellungsmerkmalen und der Unternehmenskultur schlüssig ableiten lassen. Gelingt es, bekommt der Unternehmenszweck Kraft, die Sinnfrage Dynamik, es entsteht Authentizität und die Identifikation der Mitarbeiter mit der Firma steigt. Andreas Treichel hat im Finale seines Schaffens als CEO der Erste Group einige Jahre in ein „Statement of Purpose“ für die Bank investiert. So wichtig war ihm dieses Anliegen.

Was sind also sinnstiftende Maßnahmen, welche die Identifikation nachhaltig erhöhen? Dazu ist es notwendig, die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe genauer zu hinterfragen. In der Babyboomer-Generation wurde die Sinnfrage, warum man arbeitet, mit der Aussage, „um Geld zu verdienen und damit den Lebensunterhalt zu bestreiten“, meist schon zufriedenstellend beantwortet. Bei den Millennials, der Generation der Erben, reicht das monatliche Gehalt bei Weitem nicht aus, um Bestleistungen abzurufen. Auf die verschiedenen Möglichkeiten, Mitarbeiter intrinsisch zu motivieren und ihre Potenziale bestmöglich auszuschöpfen, werde ich im Kapitel „Führen nach dem L.I.K.E.-Prinzip“ konkreter eingehen.

Ist die Identifikation des Mitarbeiters für das Unternehmen oder für seine Tätigkeit hoch genug, nimmt sich der Mitarbeiter selbst als Teil der Firma wahr. Es entsteht ein Wir-Gefühl, die Ich-AG wird zur Wir-AG, geprägt von einem starken Miteinander und einer überdurchschnittlich hohen Bindung zum Betrieb. Gelingt es außerdem, dass die Belegschaft die Ziele des Unternehmens übernimmt und zu ihren persönlichen Zielen macht, entsteht hohes Engagement bei gleichzeitig hohem Verantwortungsbewusstsein. Aus einem Team wird ein Dreamteam, das sich gegenseitig motiviert und zu Bestleistungen anspornt.

Im Vordergrund steht die Identifikation mit der Aufgabe und nicht so sehr mit dem Arbeitgeber. Auch wenn es auf den ersten Blick kongruent erscheinen mag, so besteht dennoch ein erheblicher Unterschied darin, ob sich ein Mitarbeiter nur mit seiner Aufgabe oder mit dem Unternehmen als Ganzes identifiziert. Ist jemand aufgrund seiner hohen sozialen Kompetenz im Pflegedienst tätig, kann es durchaus sein, dass er für seinen Beruf eine echte Leidenschaft entwickelt, insbesondere wenn er von seinen Patienten eine entsprechende Wertschätzung erfährt. Das heißt aber noch lange nicht, dass er sich mit der Krankenanstalt oder mit den Zielen dieses Gesundheitsträgers vollumfänglich identifiziert. Patienten kann er in einer anderen Pflegeeinrichtung ebenfalls zufriedenstellen und ein Wechsel zum Mitbewerber ist rasch vollzogen, wenn ihm dieser ein attraktiveres Gehalt oder flexiblere Arbeitszeiten bietet. Mitarbeiter können ihren Traumjob gefunden haben, ohne dass sie eine Bindung zum Arbeitgeber entwickeln. Ein Versäumnis der Führungskräfte, das teuer werden kann.

 

Hat eine hohe Identifikation ausschließlich Vorteile? Der „War for Talents“ ist voll im Gang. Das Buhlen um die Gunst der hellsten Köpfe ist überall spürbar. In manchen technischen Berufen werden bereits für Lehrlinge aufgrund des akuten Facharbeitermangels Einstiegsprämien bezahlt. Sich als attraktiver Arbeitgeber am Markt zu präsentieren, ist zur Überlebensfrage geworden. Ganz neue Geschäftsmodelle wie zum Beispiel „Great place to work“ sind daraus entstanden, und Internetplattformen wie Kununu erfreuen sich größter Beliebtheit. Wir sprechen in der Zwischenzeit von einem Arbeitnehmer Markt, wo sich gut ausgebildete Mitarbeiter ihren Arbeitgeber aussuchen können. Im Future Dom der Fill Gesellschaft m.b.H. in Gurten versammeln sich jährlich beim Employer Branding Forum über 400 Firmenchefs und Personalisten aus dem gesamten deutschen Sprachraum, um zu erfahren, was die neuesten Trends im Bereich Arbeitgebermarke sind. Vom professionellen Onboarding der Mitarbeiter über zeitgemäße Entlohnungsmodelle mit Incentives bis hin zur perfekten IT-gestützten Kommunikation und reizvollen Zusatzleistungen kann man hier erkunden, was von Talenten am Arbeitsmarkt gerade besonders gefragt ist. Employer Branding ist wohldurchdacht: Die Vorteile einer vollumfänglichen Identifizierung der Mitarbeiter mit dem Unternehmen sind enorm und vielfältig:

− Fluktuationsrate sinkt

Einen gut ausgebildeten Mitarbeiter zu ersetzen, kostet dem Unternehmen durchschnittlich ein Jahresgehalt. Darin sind aber eine Menge indirekter Kosten (Kundenverlust, Know-how- Verlust, Teamspirit etc.) noch gar nicht eingerechnet. Eine geringe Fluktuationsrate ist immer auch ein Indikator für ein gutes Betriebsklima.

− hohes Commitment

Ist die Identifikation dem Unternehmen gegenüber hoch, steigt auch das Commitment für die Leistungsbereitschaft. Der Wille, die „Extrameile“ zu gehen, ist wesentlich größer. Und oft ist es gerade diese Extrameile, die es braucht, um sich vom Mitbewerber abzuheben und sich am Markt durchzusetzen.

− starker Teamgeist

Mit der Freude am Tun, weil die Arbeit sinnstiftend ist, entsteht ein guter Geist. Das Denken in Lösungen und nicht in Problemen wird gefördert, es entsteht ein Nährboden für gegenseitige Wertschätzung. Einzelne Mitarbeiter wachsen über sich hinaus und kommen in den sogenannten „Flow“. Springt dieser auf die Kollegen über, entsteht ein „kollektiver Flow“ und aus einem Team wird ein Dreamteam.

Spannend ist natürlich auch, sich die Kehrseite der Medaille, die möglichen Nachteile einer hohen Identifikation, anzusehen. Der Fokus der Forschung lag in der Vergangenheit naturgemäß besonders darin, die Vorteile einer hohen Identifikation der Belegschaft mit dem Unternehmen abzubilden. In der Tat konnten über diverse Studien aber auch nachvollziehbare Nachteile entlarvt werden:

− mangelnde Flexibilität

Es wurde nachgewiesen, dass in Betrieben mit hoher Identifikation die Bereitschaft zur Veränderung geringer war. Nachdem doch „alles so bleiben soll, wie es ist“, leidet die Innovationskraft. Neue Ideen von außen werden zunächst eher kritisch betrachtet. Weit weg von radikaler Offenheit, welche von den Zukunftsforschern so gepriesen wird, damit die Fragen der Zukunft gelöst werden können.

− geringere Selbstreflexion

Der kritische Blick auf die „heile“ Welt und das konsequente Hinterfragen des eigenen Tuns fehlt in Organisationen mit einem hohen Identifikationsgrad deutlich mehr. Ein hohes Harmoniebedürfnis und die Angst vor Kritik lähmen den Drang, sich stetig weiterzuentwickeln. Weitreichende Fehler von Vorgesetzten werden von der Belegschaft kommentarlos mitgetragen und akzeptiert, auch wenn daraus Nachteile für die Mitarbeiter entstehen könnten.

− Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse

Stehen die Unternehmensziele allzu sehr im Mittelpunkt und werden die eigenen Bedürfnisse bis hin zur Selbstaufgabe vernachlässigt, kann dies die innere Balance zum Kippen bringen. Der gesunde Ausgleich zwischen der Verantwortung im Beruf und im Privat- beziehungsweise Familienleben fehlt. Anstatt für die Vision des Unternehmens zu brennen, brennt man selbst innerlich aus.Der Unternehmenserfolg geht auf Kosten der eigenen Gesundheit und der Qualität der Beziehungen. Mittel- und langfristig kommt dies dem Unternehmen teuer zu stehen. Das umsichtige Unternehmen schaut auch auf die Gesundheit seiner Mitarbeiter.

FAZIT: Den Grad der Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen gut auszupendeln, zählt zu den herausforderndsten Aufgaben der Unternehmensführung.

Kompetenz

Neben den von der Harvard Business School als besonders relevant gewerteten Kompetenzen einer Führungskraft, der Intuition und der Meditation, gibt es natürlich eine Reihe anderer Fähigkeiten, die auf den persönlichen oder beruflichen Erfolg abzielen.

Der Begriff Kompetenz leitet sich vom Lateinischen „competo“ ab, das „zu etwas fähig sein“, „erstreben“, „zusammentreffen“, aber auch „wetteifern“ bedeutet. Traut man jemandem bestimmte Fähigkeiten zu, die in seiner Person zusammentreffen, hält man ihn für kompetent. Kompetenz schafft also Vertrauen. Und Vertrauen ist ein Wert, der auf der Werteskala potenzieller Kunden sehr weit oben steht. Vertrauen gibt einem ein gutes Gefühl. Und genau dieses Gefühl, diesen emotionalen Wert, kann das Internet nicht vermitteln. Gefühle wie Vertrauen, Wertschätzung, Respekt, Achtsamkeit und letztendlich auch Liebe können nicht virtuell vermittelt werden. Das World Wide Web liefert uns unbegrenzt Informationen zu allen nur erdenklichen Themen. Wir können im Netz studieren und vergleichen, wir können recherchieren und überprüfen, und doch treffen wir unsere Entscheidungen zu einem großen Anteil aus einem Gefühl heraus. Die Emotionen sind es, die uns treiben, Reize vermitteln und uns Handeln lassen. Deshalb werden künftig auch die weichen Seiten der Kompetenz, eben die soziale und emotionale Kompetenz, immer mehr gefragt sein.

Empathie spielt hier eine große Rolle. Wie gut sind wir in der Lage, uns in die Situation unseres Gegenübers hineinzuversetzen, einen Sachverhalt durch die Brille des Kunden oder Kollegen zu betrachten? Wie sehr verstehen wir es, den emotionalen Nerv unseres Gesprächspartners zu treffen? Empathie setzt ehrliches Interesse am Menschen voraus. Wesentlich sind hier weiche Faktoren, die sich nicht in Fakten und Zahlen abbilden lassen. Jene Menschen, welche diese Fähigkeiten in sich tragen und auf ein übergeordnetes Ziel hin ausrichten, das möglichst vielen Menschen dient, werden die Leader der Zukunft sein.

Was sind Schlüsselkompetenzen und wozu benötigen wir sie?

Der Begriff Schlüsselkompetenz ist nahezu selbsterklärend. Verfügt man über bestimmte Fähigkeiten, öffnen diese wie ein Schlüssel Tür und Tor. Es handelt sich hierbei um Kenntnisse, welche über das Erlernte im Schulsystem oder in der beruflichen Ausbildung hinausgehen. Dieses Wissen ist dann bereichsübergreifend und in vielen Bereichen des Lebens anwendbar. Tatsache ist, dass diese Fähigkeiten, oftmals auch als Soft Skills bezeichnet, nur sehr schwer valide mess- und abbildbar sind. Sie lassen sich im Wesentlichen mit folgenden Fragestellungen umreißen:

»Wie gehe ich mit Veränderungen um?

»Wie gesellschafts-/teamfähig bin ich?

»Wie reagiere ich in Konfliktsituationen?

»Wie lebe ich Eigenverantwortung?

Werden diese Schlüsselkompetenzen nicht ausreichend beachtet, ist keine effektive Persönlichkeitsentwicklung möglich. Sie sind das Fundament sich stetig verändernder Organisationen und Wettbewerbsbedingungen.

Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) hat bereits 1997 erkannt, dass Schlüsselkompetenzen wichtige Erfolgsfaktoren für die Produktivität und damit auch für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes sind. Doch der Versuch, dies flächendeckend erfolgreich in den Bildungseinrichtungen zu implementieren, ist nur teilweise gelungen. Oftmals dominiert in den Ausbildungsplänen der Schulen und universitären Einrichtungen das Anhäufen und Auswendiglernen von faktenbasiertem Wissen, anstatt vernetztes und wirkungsbezogenes Denken zu fördern. Wollen wir die Fragen der Zukunft lösen, dürfen wir nicht mit den Werkzeugen der Vergangenheit nach Lösungen suchen.

Schlüsselkompetenzen zeichnen sich laut OECD8 durch folgende Merkmale aus:

»Sie tragen zu wertvollen Ergebnissen für die Gesellschaft und die Menschen bei.

»Sie helfen den Menschen dabei, wichtige Anforderungen unter verschiedenen Rahmenbedingungen zu erfüllen.

»Sie sind nicht nur für die Spezialisten, sondern für alle wichtig.

Die Bedeutung interdisziplinärer Kompetenzen hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Nachvollziehbare Gründe dafür sind:

»Wir leben in einer vernetzten Welt, stark getrieben von der Globalisierung.

»Menschen müssen sich in dieser Welt zurechtfinden und Auswirkungen technologischer Zusammenhänge auch verstehen.

»Die Gesellschaft muss in der Lage sein, eine Balance zwischen ökonomischem Fortschritt und nachhaltiger ökologischer Entwicklung herzustellen, und gleichzeitig einen sozialen Ausgleich sicherstellen.

Hierfür sind komplexe Kompetenzen notwendig, welche über eindimensionale Fähigkeiten hinausgehen, wie die OECD-Bildungsminister festhalten: „Nachhaltige Entwicklung und sozialer Zusammenhalt hängen entscheidend von den Kompetenzen der gesamten Bevölkerung ab – wobei der Begriff ‚Kompetenzen‘ Wissen, Fertigkeiten, Einstellungen und Wertvorstellungen umfasst.“9

Ein weiterer Ansatz ist es, die Schlüsselkompetenzen in vier Hauptbereiche zu unterteilen, die sich wiederum in Teilbereiche aufsplitten. Diese vier Hauptgruppen von Kompetenzen lauten:

1. Sozialkompetenz

Sozialkompetenz zeigt sich darin, dass man anderen Menschen auf Augenhöhe begegnet, ihre Sicht- und Herangehensweisen zu verstehen sucht und wertschätzend mit ihnen kommuniziert. Insbesondere in Konfliktsituationen gilt es, konstruktive Lösungen zu finden, konsensorientiert zu handeln und für ein gutes Betriebsklima zu sorgen.

Talente, welche sich mit dem Überbegriff „Sozialkompetenz“ fassen lassen, sind zum Beispiel:

»Einfühlungsvermögen

»Integrationsbereitschaft

»Interkulturelle Kompetenz

»Kommunikationsstärke

»Toleranz

»Kritikfähigkeit

»Offenheit

»Teamorientierung

»Verhandlungsgeschick.

2. Persönlichkeitskompetenz

Die Persönlichkeitskompetenz, auch Humankompetenz genannt, spiegelt die innere Haltung wider. Welche Einstellung hat jemand zu bestimmten Bereichen wie Arbeit, Umweltschutz, Fortbildung? Wie kongruent sind Selbst- und Fremdbild? Wie realistisch kann jemand seine eigenen Talente einschätzen und welchen Stellenwert haben eigene Bedürfnisse im Leben? Einstellungen und Haltungen sind stark vom persönlichen Wertesystem geprägt, welches sich im Laufe des Lebens entwickelt hat. Daraus resultieren Selbstbewusstsein, Eigenmotivation und Zielorientierung. Dazu zählen:

»Stabilität

»Veränderungsbereitschaft

»Selbstdisziplin

»Resilienz

»Selbstreflexion

»Ausdauer

»Zuverlässigkeit.

3. Fach- oder Sachkompetenz

Diese Fähigkeit richtet sich auf spezifische Aufgaben oder Prozesse, die der berufliche Alltag mit sich bringt. Kompetenz in diesem Bereich lässt sich relativ einfach aufgrund der Berufserfahrung und des Lebenslaufs feststellen. Eine detailliertere Beschreibung dieser Fähigkeiten ist, denke ich, hier nicht notwendig.

4. Methodenkompetenz

Die Methodenkompetenz wiederum ist sehr breit gefächert. Primär geht es um die Frage, wie gut jemand in der Lage ist, Strategien und Konzepte zur Lösungsfindung zu entwickeln, Hilfsmittel zu definieren, Wissen zu organisieren und zu einem Ganzen zusammenzuführen. Dies erfordert viel Flexibilität und vor allem vernetztes Denken.

Folgende Fähigkeiten kommen hier zum Tragen:

»analytisches-/systemisches Denken

»agile Arbeitsmethodik

»Argumentationsstärke

»Projektmanagement

»Eloquenz

»Transferfähigkeit.

Auf zwei der erwähnten Fähigkeiten möchte ich am Ende dieses Kapitels noch einmal gesondert eingehen. Es sind dies die Offenheit (soziale Kompetenz) und die Selbstreflexion (persönliche Kompetenz). Warum liegen mir diese beiden Skills so am Herzen? Offenheit, ich spreche auch gerne von einer radikalen Offenheit, ist deshalb so wichtig, weil die Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben, so komplex geworden sind, dass wir sie nicht allein und schon gar nicht mit einem engstirnigen „Kirchturm-Denken“ lösen können. Es braucht die Erfahrungen und Talente verschiedener Generationen aus unterschiedlichen Disziplinen und wahrscheinlich auch Kulturen, um für die wirklich wichtigen Themen eine brauchbare Lösung zu finden. Wenn wir weiterhin mit unserem Wissen hinter dem Berg halten, wird uns die Zeit knapp werden. Wenn jede Nation isoliert versucht, zu forschen und zu entwickeln in der Hoffnung, sich dann eines Tages als Retter der Welt präsentieren zu können, werden uns vorher die Probleme unserer Zeit auf den Kopf fallen.

 

Ich habe mich sehr gefreut, als Japan vor Kurzem erstmals Bereitschaft gezeigt hat, sein technisches Know-how im Bereich Robotik offenzulegen, und die ganze Welt eingeladen hat, gemeinsam an der Weiterentwicklung zu arbeiten. Nicht nur in der Industrie, sondern vor allem in der (Alters-)Pflege wird der Einsatz von Robotern künftig enorm an Bedeutung gewinnen. Gerade Japan als ein eher verschlossenes und schwer durchschaubares Land setzt damit ein positives Signal in Richtung Offenheit.

Ein guter Freund von mir, CEO eines der renommiertesten HR-Beratungsunternehmen in der Schweiz mit Sitz in Zürich, hat mir von einer dreimonatigen Reise auf einem Schiff erzählt. Das Schiff befährt permanent die Weltmeere und hat durchschnittlich 200 Gäste an Bord. Es handelt sich dabei ausschließlich um Führungskräfte, und da wiederum vorwiegend Entrepreneure aus Silicon Valley, welche ihre Geschäftsideen untereinander austauschen und sich gegenseitig inspirieren. Manche Manager verbringen ein ganzes Jahr auf diesem Schiff und gehen online ihren Geschäften nach. Neben allem Komfort, den dieses Luxusschiff bietet und dem Flair der großen weiten Welt finden hier höchst kreative Prozesse statt. 200 Menschen, die alle noch etwas bewegen, einen Fußabdruck im Unternehmen hinterlassen wollen, eine Vision verfolgen, stecken ihre Köpfe zusammen, gestalten gemeinsam und arbeiten an der Zukunft. Was meinen Freund auf diesem Schiff am meisten beeindruckt hat, war die Offenheit, mit der über Ideen, über bereits vorhandene Konzepte und hart erarbeitetes Wissen gesprochen wurde. Kein Wunder, dass von den größten zehn Innovationen, die unser Leben nachhaltig geprägt haben, acht aus Silicon Valley kommen.

Selbstreflexion wiederum ist mir deshalb so wichtig, weil es hier darum geht, das eigene Tun und Sein kontinuierlich kritisch zu hinterfragen. Wenn es notwendig ist, unser Ego über Bord zu werfen und zurück zum Start. Es gilt, Eitelkeiten und Empfindlichkeiten abzulegen und das Große und Ganze im Fokus zu haben. Komfortzonen zu verlassen und mutig neue Wege zu gehen, auch wenn sie mühsam sind. Größe zu zeigen und eigene Fehler einzugestehen, um so persönlich zu wachsen. Die Offenheit motiviert uns, nach den Sternen zu greifen, und die Selbstreflexion hilft uns, dabei mit beiden Füßen am Boden zu bleiben. In diesem Spannungsverhältnis findet gesunde Entwicklung statt.