Der Samurai-Manager

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1.2 Lebt der Samurai-Geist auch heute noch in der japanischen Gesellschaft und in deren Unternehmen?

Zwischenzeitlich hat China seinen „Alt“-Konkurrenten Japan aufgrund seines gigantischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf Platz drei verdrängt. Doch die Wirtschaftskraft Japans ist auch heute noch enorm. Wenn man nämlich die wirtschaftliche Leistung der Einwohner des jeweiligen Landes vergleicht, sieht das Verhältnis ganz anders aus. Wir sprechen hier von einem Faktor 6. Das heißt, ein Japaner erbringt die gleiche Wirtschaftsleistung wie sechs Chinesen.

Es ist natürlich spannend, der Frage nachzugehen, wie es das zerbombte Japan nach dem Zweiten Weltkrieg in nur 23 Jahren geschafft hat, zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt aufzusteigen. Auf der vergleichsweise kleinen Insel im Pazifik sind zwei Drittel der Fläche unbewohnbar, und seit den 1960er-Jahren werden so gut wie keine Rohstoffe mehr gefördert. Warum gerade Japan und nicht die Türkei, Mexiko oder Brasilien? Dort gibt es ähnlich viele Einwohner. Spielt der Geist der Samurai vielleicht eine Rolle?

Um diese Frage zu beantworten, habe ich 2010 eine Studie in Japan durchgeführt. Es ist mir gelungen, eine Reihe von Topmanagern zu interviewen, die in internationalen Unternehmen mit Niederlassungen in Japan tätig sind. Meine Gesprächspartner waren sowohl westlicher als auch japanischer Herkunft.

Interviews mit Managern in Tokio6
DR. MARTIN GLATZ

Wirtschaftsdelegierter für Japan

Wie kommt die hohe Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen zustande?

Die Unternehmen bestimmen das Leben der Japaner. Dieses Prinzip ist zwar in den letzten Jahren in manchen Fällen durchbrochen worden, gilt aber in einem hohen Maße immer noch. Die Freizeit ist im Vergleich weniger wichtig, auch wird sie oft noch mit Arbeitskollegen verbracht. Die Familie hat sekundären Stellenwert. Es sind vor allem Schulen und Universitäten, über die sich Japaner ein effizientes Netzwerk aufbauen. Der berufliche Erfolg wird nicht wesentlich von der Familie bestimmt.

Wie werden die Mitarbeiter motiviert?

Dem Mitarbeiter winkt jedenfalls in größeren Unternehmen eine stattliche Abfertigung, meist mit dem sechzigsten Lebensjahr. Oft wird danach eine zweite Karriere begonnen. Die Erwerbsquote liegt in der Altersgruppe der 60- bis 65-Jährigen noch bei beachtlichen 60 Prozent. Mehr noch als durch finanzielle Anreize werden Japaner von ihrem Willen motiviert, sich nützlich zu machen und zum Gemeinwohl beizutragen.

Stimmt es, dass es in Japan kein „Neinsagen“ gibt?

Natürlich gibt es ein „Nein“, aber es wird umschrieben, für die der Sprache Mächtigen in der Regel unmissverständlich. Auch das „Ja“ hat Nuancen. Das japanische Wort für „Ja“ ist „Hai“ und bedeutet, „Ich habe gehört, dass du etwas gesagt hast“, und nicht „Ich habe dich verstanden“. Es bringt also keine Zustimmung zum Ausdruck und ist somit weit weg von unserem „Ja“. In diesem Zusammenhang fallen immer wieder zwei Begriffe: „Tate mae“ (Höflichkeit, aber auch im Sinne von Schein oder Fassade). Im Gegensatz dazu steht „Honne“ (Realität), und die sieht oft recht anders aus.

Ein Fallbeispiel aus der Praxis: Ein österreichisches Unternehmen hatte eine Maschine nach Japan verkauft und bei der Inbetriebnahme wurde ein japanischer Mitarbeiter verletzt. Aus dem Bericht war klar zu erkennen, dass der Unfall auf einen Bedienungsfehler zurückzuführen war. Damit stand für das österreichische Unternehmen fest, wo die Schuld lag, und es entzog sich berechtigterweise der Verantwortung. Das wurde dem japanischen Partner auch so kommuniziert, mit folgenschweren Konsequenzen. Der japanische Kunde erwartet von seinem Lieferanten das gemeinsame Beseitigen von Problemen, unabhängig von der Verantwortung für das Herbeiführen derselben. Das österreichische Unternehmen verlor schnell das Vertrauen seines Kunden und bald der gesamten Branche. Bis heute war es der Firma nicht möglich, neu in den Markt einzutreten.

Wie laufen die Entscheidungsprozesse?

Anders als bei uns. Es werden alle Mitarbeiter in den Entscheidungsprozess mit eingebunden, von unten nach oben. Jeder, der von der Entscheidung betroffen ist, darf seine Meinung abgeben, wie sich die Veränderung auf sein Arbeitsumfeld auswirkt. Das kann sehr langwierig sein, dafür werden Entscheidungen dann von allen getragen und es muss im Nachhinein keine Überzeugungsarbeit mehr geleistet werden. Die Mannschaft steht gesammelt dahinter, alles läuft wie ein Uhrwerk.

Wo liegen die Unterschiede beim Verhandeln?

Man verhandelt immer im Kollektiv, nie mit Einzelnen. So gesehen kann man auch gar nicht sagen, wer wirklich entscheidet, denn es wird vieles auf verschiedenen Ebenen entschieden. Alle sind wichtig, und man sollte niemanden übergehen. Ganz oben zu verhandeln zu beginnen, kann oft noch viel länger dauern, weil die Führungsebene nach unten weiterdelegiert, um den Boden für die Entscheidung aufzubereiten. Interventionen von außen, vor allem an höherer Stelle, werden in diesem System als störend empfunden.

Spürt man eine Veränderung am japanischen Markt?

Auch Japan ändert sich. Tabus werden aufgebrochen, zum Beispiel die lebenslange Zugehörigkeit zu ein- und derselben Firma. Märkte öffnen sich – unter dem Druck der Wettbewerbsfähigkeit – zusehends ausländischen Lieferanten. Das gilt zum Beispiel für die Automobil- und die Eisenbahnindustrie ebenso wie für die Pharmaindustrie und schafft gerade für österreichische Nischenanbieter große Chancen. Der demografische Wandel, sprich, die alternde Gesellschaft, beeinflusst nicht nur das Marktverhalten der Konsumenten, sondern auch die politische Schwerpunktsetzung, manchmal zulasten der jüngeren Generation.

Was können wir von den Japanern lernen?

Japaner arbeiten an der ständigen Verbesserung von Abläufen und Produkten, eine Philosophie, die als „kaizen“ bekannt geworden ist. Österreichische Unternehmen, die Geschäfte mit Japan machen, müssen den hohen Ansprüchen ihrer japanischen Kunden gerecht werden und sind so in der Lage, nach ihrem Markteintritt in Japan ein besseres Produkt anzubieten als davor.

Was können die Japaner von uns lernen?

Österreichische Firmen verfügen über ein hohes Maß an Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Pragmatismus. Das sind Werte, die in einem zunehmend internationalen Umfeld stark gefragt sind.

STEVE NAKADA

Director International Development, Japan Solar Energy Council

Steve Nakada hat einen tiefen Einblick in die Budo-Szene und eine reichhaltige Erfahrung im internationalen Geschäftsleben. Er besitzt den 6. Dan in Judo und war viele Jahre als Senior Consultant für die Peter F. Drucker Consulting Company in den USA tätig. Er leitet das Unternehmen Japan Solar Energy Council, in dem rund 240 Ingenieure beschäftigt sind.

Herr Nakada, Sie kennen beiden Welten – Ost und West – wie kaum jemand anderer. Worin unterscheiden sich diese Welten Ihrer Meinung nach am meisten?

Nun, dies beginnt schon bei der Schrift. Die Schrift des Westens besteht aus 26 bis 35 Buchstaben und das war es. Die japanische Schrift setzt sich zusammen aus 2.137 Schriftzeichen, die von der chinesischen Schrift übernommen wurden. Dann aus 56 Hirigana7 und 56 Katakana8 und wiederum aus zwei verschiedenen Arten, diese zu lesen. Daraus resultiert eine Vielzahl von Gegensätzen, die sich in allen Lebensbereichen wiederfinden.

Können Sie diese Gegensätze anhand praktischer Beispiele näher erklären?

Um bei der Schrift zu bleiben: Es ist so, dass die westliche Schrift horizontal gelesen wird. 26 bis 35 Buchstaben zu erlernen, schafft jeder durchschnittlich begabte Mensch in wenigen Wochen. Das heißt, das Erlernen geht sehr schnell. Fortschritte sind rasch erkennbar und aus dieser Geschwindigkeit resultiert auch eine gewisse Oberflächlichkeit. Die japanische Schrift ist vertikal aufgebaut und besteht aus Tausenden von Zeichen, die es mit großer Anstrengung zu erlernen gilt. Aus der vertikalen Struktur des Lesens ergibt sich auch eine Tiefe im Denken.

Bei allem Respekt, aber darf ich das so verstehen, dass alle westlichen Menschen oberflächlich sind?

Ganz und gar nicht. Die hohe Geschwindigkeit im Erlernen und in der Umsetzung hat ja auch eine Menge Vorteile, die sich in der Flexibilität und unter Umständen auch in der Kreativität niederschlagen. Was ich zum Ausdruck bringen möchte, ist, dass wir Japaner den Dingen sehr auf den Grund gehen. Wir hinterfragen und analysieren, wir vergleichen und versuchen zu optimieren. Wir sind bestrebt, in allem, was wir tun, präzise zu sein, und denken immer an den langfristigen Erfolg.

Liegt darin auch das Geheimnis der enormen Wirtschaftsleistung Japans?

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Japan dem Erdboden gleichgemacht. Alles war zerstört. Ich bin unmittelbar nach Kriegsende geboren, und wir hatten kaum etwas zu essen. In nur 23 Jahren ist unser Land zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt aufgestiegen. Einen wesentlichen Grund darin sehen wir in unserer präzisen Vorgangsweise und im Fleiß unseres Volkes.

 

Nun zählen Sie ja auch zu den Großmeistern, was die Kampfkunst betrifft. Als 6. Dan in Judo haben Sie ja einen tiefen Einblick in die Prinzipien der Samurai. Wie haben diese Ihr Leben und auch Ihren beruflichen Erfolg geprägt?

„Ichi go, ichi e“ ist ein wichtiger Spruch im Budo. Frei übersetzt bedeutet es: „Jeder Moment kommt im Leben nur einmal, also mach das Beste daraus. Gib alles mit deinem ganzen Geist und voller Entschlossenheit.“ Danach habe ich versucht zu leben und ich spüre, dass es gut ist.

Ihr Unternehmen agiert global. Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Geschäftspartner aus?

Bevor wir uns für einen Partner entscheiden, sehen wir uns ganz genau an, ob er zu uns passt. Und hier spielen Werte wie Respekt und Höflichkeit eine wichtige Rolle, aber auch Geduld und Disziplin. In einem Meeting finden wir heraus, wie gut jemand zuhören und eine Verhandlung eine Stunde aufmerksam verfolgen kann, ohne etwas zu sagen. Kann er ruhig, konzentriert und aufrecht dasitzen? All das sind Aspekte, die man im Budo lernt. Wir bekommen nach und nach ein Gespür, um welche Persönlichkeit es sich bei unserem möglichen Partner handelt, und diese ist für langfristigen Erfolg ganz entscheidend. Im Westen zählt mehr, wie überzeugend jemand auftritt, wie gut er sich verkaufen kann. Nur allzu oft haben sich solche Personen als Blender herausgestellt.

MICHAEL LOEFFLAD

Präsident Würth Japan

Sie sind bereits seit zehn Jahren in Japan beruflich tätig. Was hat Sie dazu bewogen, sich für so einen langen Zeitraum zu verpflichten?

Die hohe Lebensqualität in Form von Sicherheit, die Freundlichkeit der Leute, der gute Service. All das zusammen ergibt einen guten Mix für mich und deshalb fühle ich mich wohl hier.

Wie spüren Sie die Sicherheit im täglichen Leben hier in Japan?

Die Sicherheit drückt sich darin aus, dass ich zum Beispiel in jedem beliebigen Lokal mein Sakko unbeaufsichtigt hängen lassen und ich meinen Geldbeutel auf dem Tisch oder an der Theke liegen lassen kann. Wenn ich zurückkomme, liegt er immer noch da. Wenn ich um zwei Uhr nachts einer Gruppe Jugendlicher begegne, dann kann ich sicher sein, dass mir nichts passiert: Wenn mir dasselbe in manchen Stadtteilen in Deutschland passiert, weiß ich nicht, welchen Gefahren ich mich aussetze.

Was machen Sie bei der Mitarbeiterführung hier für Würth Japan anders als beispielsweise für Würth Deutschland?

Ich muss hier meine Ideen viel stärker an meine Mitarbeiter verkaufen. Ich muss sie ganz stark in die Change-Prozesse einbinden, nur so findet man langfristig die nötige Akzeptanz und den hier so wichtigen Respekt.

Wenn Sie einen Geschäftstermin wahrnehmen: Worauf achten Sie hier besonders?

Das Wichtigste ist Vertrauen schaffen, am besten über eine freundliche Atmosphäre. Es empfiehlt sich beispielsweise, über den Markt zu reden und nicht zu früh über das Geschäft. Eine grobe Präsentation über das Angebotsportfolio, aber keinesfalls beim Erstbesuch ein Angebot konkretisieren, das würde der Japaner völlig missverstehen. Erfahrungsgemäß benötigt man in Japan mindestens drei Jahre, um in den Markt zu kommen.

Wie erklären Sie sich die hohe Loyalität der Mitarbeiter zum Unternehmen?

Ich kann beobachten, dass die Loyalität der Mitarbeiter abnimmt. Sie ist aber verglichen mit Europa noch auf einem viel höheren Niveau. Dennoch denkt der Japaner heute bereits anders. Als Sony als erstes Unternehmen begonnen hat, Mitarbeiter im größeren Stil zu entlassen, und mit dem Platzen der IT-Blase, gefolgt von der Finanzkrise, haben auch die Japaner gemerkt, dass „lifetime employment“9 selbst Toyota, Hitachi oder auch Mitsubishi auf Dauer nicht bieten können.

Worauf achten Sie im Umgang mit Ihren Mitarbeitern?

Ich achte auf stilvolle Manieren. Hier zählt die gute alte Schule noch. Anstand und traditionelle Werte werden hier noch großgeschrieben. Tödlich wäre es, die Beherrschung zu verlieren oder laut zu werden, da disqualifiziert man sich hier nur selber und das ganz schnell.

Wie motivieren Sie Ihre Leute?

Ich zeige jedem einzelnen, dass er/sie hier eine Zukunft in unserem Unternehmen hat. Ich rekrutiere die Manager, wenn irgendwie möglich, aus den eigenen Reihen. Es gibt wenige, aber dafür attraktive Incentives.10 Zum Beispiel läuft im Vertrieb ein Wettbewerb für eine Reise nach Hawaii. Die Wettbewerbe sind so angelegt, dass jeder gewinnen kann und nicht nur die Stars. Dies ist eine globale Vorgehensweise von Würth. Zusätzlich bringe ich etwas europäischen Führungsstil mit ein, indem ich den Mitarbeitern mehr Eigenverantwortung gebe.

Was ist wichtig, wenn man auf den japanischen Markt will?

Die Devise laute hier „think big“: ein Konzept ausfeilen bis ins Detail und dann groß umsetzen, keine Halbherzigkeiten. Viele Unternehmen machen den Fehler, dass sie hier eine Niederlassung gründen, meist um auf der Landkarte einen Haken dranzusetzen, sie machen dann aber den zweiten Schritt nicht.

IKEA war bereits vor 35 Jahren auf dem japanischen Markt. Damals waren in einigen Department-Stores IKEA-Abteilungen eingerichtet, wo bereits zusammengebaute Schränke und Regale standen. Denn die Japaner sind keine Hobbybastler, war die allgemeine Überzeugung. IKEA schlummerte über zwei Jahrzehnte in der Bedeutungslosigkeit. Bis 2004 der damals drittgrößte IKEA-Store der Welt mit über 40.000 m2 Verkaufsfläche eröffnete und das IKEA-Prinzip konsequent umgesetzt wurde. In der Zwischenzeit gibt es in Japan schon fünf solche Stores und IKEA läuft prächtig im Land der aufgehenden Sonne. Starbucks-Gründer Howard Schultz war der Erste, der in Japan ein Nichtraucherlokal eröffnete. Niemand glaubte an seinen Erfolg. Doch er hatte die Starbucks-Idee konsequent umgesetzt, und heute ist er ein Big Player und Japan ist sein zweitwichtigster Markt geworden.

Was können Sie ausländischen Unternehmen noch empfehlen?

Verlassen Sie sich nicht zu sehr auf Ihre Partner, wenn Sie nach Japan gehen. Der Partner hält eher die Marke klein. Das ist historisch bedingt. Der Japaner in einem ausländischen Unternehmen ist nicht der Initiator. Er hinterfragt auch nichts. Er ist eher das ausführende Organ. Das ganze japanische Bildungssystem hat sehr viel mit dem Auswendiglernen zu tun. Dies beginnt schon mit der Schrift, die muss man mit hoher Konsequenz und viel Disziplin einfach Auswendiglernen. Deshalb haftet der Japaner sehr stark am Geschriebenen und vertraut dem auch. Wenn zum Beispiel bei einer Gebrauchsanweisung steht: „Verwenden Sie einen Reiniger, so einen wie von Würth“, dann nimmt der Japaner einen von Würth und hinterfragt nicht, welche es noch gibt, weil er dies der Informationsbroschüre so entnommen hat.

Was haben Sie persönlich von den Japanern gelernt?

Gelassenheit, und dass Harmonie vor Macht und Geld steht. Die Japaner sind sehr diszipliniert. Dies sieht man in allen Lebenslagen. Zum Beispiel: Der Shinjuku-Bahnhof in Tokio hat eine Tagesfrequenz von 12 Millionen Menschen. Und es passiert nichts, hier wird Disziplin täglich gelebt. Gegenseitiger Respekt und Achtsamkeit werden hier noch gelebt, wie bei den alten Samurai.

THOMAS NOLTING

Vorstand Correns Corporation

Vorbemerkung: Die Correns Corporation wurde 1948 in Japan gegründet. Das Kerngeschäft ist der Verkauf, inkl. Wartung, von europäischen Maschinen und Anlagen in Japan. Das Unternehmen beschäftigt rund 180 Mitarbeiter, vorwiegend Verkaufs- und Wartungs-Ingenieure. Seit der Gründung des Unternehmens konnten „schwarze Zahlen“ geschrieben werden. Herr Nolting kam 1985 nach Japan und arbeitet seit 1992 bei Correns in Tokio.

Zählt in Japan die Handschlagqualität immer noch stark?

Versteht man den Begriff sinnbildlich (denn Japaner geben sich ja bekannterweise nicht die Hand, sondern verbeugen sich voreinander), kann die Frage mit „Ja“ beantwortet werden. Japaner scheuen lange und komplizierte Verträge und bringen dem Partner Vertrauen entgegen. Vor einigen Jahren konnte Correns ein Projekt für damals ungefähr 30 Millionen DM abschließen – der Auftragsbogen mit allen Konditionen passte auf eine einzige DIN A4-Seite. Allerdings sind Japaner durch schlechte Erfahrungen bei Auslandsgeschäften vorsichtiger geworden.

Was haben Sie von den Japanern gelernt?

Zwei Punkte fallen mir sofort ein:

„Nemawashi“, das heißt, die geschickte Vorbereitung einer Besprechung, in der Entscheidungen gefällt werden sollen. Durch individuelle Vorgespräche mit den Besprechungsteilnehmern versucht man, gegensätzliche Standpunkte zu überbrücken. In der Besprechung selber wird dann die Lösung vorgetragen, die von allen Teilnehmern getragen – und später auch von allen unterstützt wird.

Disziplinierte Gesprächsführung: Japaner lassen das Gegenüber ausreden und fallen sich nicht gegenseitig ins Wort. So können auch eher zurückhaltende Teilnehmer ihre Ideen vorbringen.

Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?

Ich beziehe meine Kollegen in die für sie relevanten Entscheidungsprozesse ein, lasse ihnen genügend Spielraum und ermuntere sie zu Eigenverantwortung. Das beinhaltet natürlich eine weitreichende Delegation von Verantwortlichkeit.

DR. JÖRN WESTHOFF

ehem. Anwaltskanzlei Sonderhoff & Einsel

Vorbemerkung: Die Kanzlei existiert seit 1910 und hat fünf japanische Anwälte, circa zwanzig japanische Patentanwälte und insgesamt mehr als hundert Mitarbeiter. Viele davon sind auch in der Übersetzung tätig. Das Unternehmen ist unter anderem auf Patentrecht spezialisiert und betreut von Tokio aus viele deutsche und österreichische Mandanten. Dr. Westhoff, Anwalt und Ostasienwissenschaftler, war dort bis Ende 2011 beschäftigt. Mittlerweile arbeitet er in Deutschland für die Kanzlei Dr. Wehberg und Partner GbR in Hagen/Westf., wo er weiterhin deutsche und österreichische Unternehmen sowie Mandanten aus ganz Europa bei ihren Geschäften in Japan berät und unterstützt. Er ist außerdem Professor für deutsches und internationales Wirtschaftsrecht an der FOM Hochschule in Essen. Das Interview wurde im Jahr 2010 geführt.

Sie sind seit zehn Jahren in Tokio als Anwalt tätig. Was hält Sie in dieser 30-Millionen-Metropole?

Ein anständiges Gehalt. Es ist tatsächlich so, dass nicht nur die Arbeit hier sehr anspruchsvoll ist, sondern auch wirklich gut bezahlt wird. Was mich noch fasziniert hier ist die unglaubliche Serviceorientierung der Japaner. Jeder versucht einem hier das Leben so leicht wie möglich zu machen. Nach zehn Jahren spüre ich immer noch die Gastfreundschaft und werde in vielen Fällen als Gast behandelt.

Welche Gesellschaftsformen sind in Japan üblich?

Es gibt hier natürlich die OHG und die KG, aber üblich ist die AG. Interessanterweise wurde die GmbH abgeschafft. Sie galt nicht als kreditwürdig, der Begriff für GmbH klingt auch im Japanischen wenig vertrauenswürdig.

Wie hoch ist die Mindesteinlage bei einer AG?

Ein Yen pro Aktie. Also ist das Haftungskapital stark beschränkbar, wenn man das will.

Sehen die Banken darin weniger Risiko?

Anscheinend schon alleine die Bezeichnung als AG vermittelt ein Gefühl der Größe, und manche Unternehmen machen sich dies im Ausland vielleicht auch zunutze. Es ist eben oft sinnvoll, sich Informationen über seine Geschäftspartner zu verschaffen.

Was empfehlen Sie als Jurist und Japanologe ausländischen Investoren, damit sie am japanischen Markt erfolgreich werden? Wichtig ist, dass man hier ernst genommen wird, und dafür braucht man ein innovatives Produkt. Man muss groß sein oder wirken. Oder zumindest eines von beiden, also innovativ oder groß. Innovation wird in Japan ganz groß geschrieben, nicht zuletzt, weil die Japaner ja auch furchtbar neugierig sind.

 

Was haben Sie von den Japanern hier gelernt?

Gelassenheit. Nein, gelassen war ich immer schon. Vielleicht doch eine Spur mehr Gelassenheit, und ich sehe, die tut mir gut.

Wie viele Stunden arbeiten Sie hier pro Woche?

Im Schnitt auch nicht mehr als vierzig. Allerdings reise ich viel, und da kommt dann schon mehr zusammen.