Umweltstrafsachen

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2. Fahrlässigkeit

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Nach § 324 Abs. 3 StGB ist auch die fahrlässige Gewässerverunreinigung unter Strafe gestellt. Der Begriff der Fahrlässigkeit beurteilt sich nach den allgemeinen Regeln. Es gibt grundsätzlich keine Besonderheiten, die sich aus der Struktur des Tatbestandes des § 324 StGB ergeben könnten.[447] Wie auch in anderen Fällen setzt die Strafbarkeit voraus, dass neben dem Tatbestandserfolg und der Erlaubnisüberschreitung („unbefugt“) ein sorgfaltspflichtwidriges Handeln vorliegt, das unter zumutbaren Umständen[448] hätte vermieden werden können. Der Eintritt des Unrechtserfolgs muss schließlich objektiv und auch für den Täter vorhersehbar gewesen sein.[449] Steindorf [450] weist zu Recht darauf hin, dass entgegen einer weit verbreiteten Fehlmeinung die fahrlässige Begehungsweise nicht automatisch immer dann schon anzunehmen ist, wenn kein Vorsatz vorliegt.

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In der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 324 StGB a.F.[451] ist lediglich erwähnt, dass eine fahrlässige Gewässerverunreinigung auch dann vorliegen kann, wenn sie als Folge eines nicht auf das Gewässer gerichteten Verhaltens (z.B. eines Unfalls im Straßenverkehr) entsteht. In dieser Allgemeinheit ist einer solchen Aussage nicht beizupflichten.[452] Diese Auffassung lässt unberücksichtigt, dass in derartigen Fällen normalerweise kein Handeln vorliegt, das auf ein Gewässer oder dessen Verunreinigung gerichtet wäre. Der Verkehrsunfall im Straßenverkehr ist kein Vorgang, der als solcher geeignet ist, die Wasserbeschaffenheit zu beeinträchtigen.[453] Man wird deshalb hier darauf zu achten haben, ob für denjenigen, dessen Verhalten nicht unmittelbar auf die Beeinträchtigung eines Gewässers zielte, der Unrechtserfolg tatsächlich erkennbar und auch konkret voraussehbar war. Die Vorhersehbarkeit der Möglichkeit auch einer Gewässerverunreinigung dürfte zwar im Regelfall bei einer fahrlässig verursachten Schiffskollision zu bejahen sein,[454] nicht jedoch, wenn die Sorgfaltspflichten, die im konkreten Fall verletzt werden (z.B. die Vorschriften des Straßenverkehrs, die Luft- und Lärmschutzvorschriften etc.), keinerlei Bezug zum Gewässerschutz haben und der Unrechtserfolg des § 324 StGB nur zufällig und aufgrund außergewöhnlicher Umstände eingetreten ist. Im Übrigen ist in Rechtsprechung und Literatur die Tendenz zu beobachten, in Fällen, in denen der Sorgfaltsmaßstab gesetzlich definiert („vertypt“) ist, jede relevante Abweichung von diesen Vorgaben als tatbestandsmäßig anzusehen, da diese von einem „umweltbewussten Rechtsgenossen“ zu beachten seien.[455] Im Allgemeinen wird es sich bei diesen gesetzlich vertypten Sorgfaltsanforderungen im Umweltbereich um Pflichten handeln, die dem Betreiber von Anlagen aufgegeben sind. Das OLG Düsseldorf[456] hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Berufskraftfahrer, der Gefahrgüter beförderte, unsachgemäß, weil entgegen den Sorgfaltsanforderungen des § 19i WHG (heute § 62 Abs. 2 WHG), Heizöltanks befüllte. Dadurch kam es zum Abfluss von Heizöl in ein Gewässer. Das Gericht hat den Freispruch der Vorinstanz aufgehoben mit der Begründung, dass in einem Fall, in dem durch das Wasserhaushaltsgesetz gesetzliche Sorgfaltspflichten aufgestellt sind, an die Feststellungen einer fehlenden Vorhersehbarkeit besondere Anforderungen zu stellen sind. Das Gericht kritisierte die Vorinstanz, weil diese allein zum individuellen Kenntnisstand des Befüllers Feststellungen getroffen (der Angeklagte habe das erforderliche Wissen nicht besessen) und dabei den objektiven „allgemeinen Ausbildungs- und Kenntnisstand eines gewissenhaften und verständigen – vertypten – Befüllers i.S.d. § 19i WHG“ [heute: § 62 Abs. 2 WHG] unberücksichtigt gelassen hatte. Fischer[457] weist zu Recht daraufhin, dass eine solche Orientierung an der „objektiven Maßstabsperson“ sich in der Praxis in der retrospektiven Betrachtung „bisweilen in tautologisch wirkenden Analogien“ erschöpfe; denn was genau von einer solchen (verständigen und befähigten) Person zu erwarten sei, erschließe sich unabhängig von der konkreten Handlungssituation in keiner Weise. Die Fahrlässigkeit könne demgemäß – so Fischer – nicht allein in einem Unterlassen „i.S. der ‚Nicht-Erfüllung‘ einer Pflicht verstanden werden“[458].

Mit der „Sorgfalt eines umweltbewussten Rechtsgenossen“ hatte sich auch das OLG Karlsruhe[459] zu befassen. In einem Betrieb war ein Tank, der wassergefährdende Flüssigkeiten enthielt, leckgeschlagen. Die Tankflüssigkeit gelangte in ein Gewässer. Der Betreiber der Anlage verteidigte sich gegen den Vorwurf der Gewässerverunreinigung damit, dass er auf die Schlussabnahme des Tanklagers mit der fristgerechten Beauftragung eines Sachverständigen zur turnusmäßigen Überprüfung der Tanks alles Erforderliche veranlasst habe. Das Gericht hat in seiner Entscheidung zwar darauf hingewiesen, dass auch der Betreiber einer Anlage grundsätzlich für die Einhaltung der Vorschriften über die Sicherheit unabhängig von der Tätigkeit der zuständigen Behörden selbst verantwortlich sei.[460] Es hat gleichwohl den Freispruch des Anlagenbetreibers durch die Vorinstanz bestätigt, weil dieser aufgrund der ihm vorgelegten Prüfbescheinigungen des Sachverständigen und augenscheinlich fehlender Mängel von einem ordnungsgemäßen Zustand der Anlage ausgehen konnte.

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Bei der Frage, ob im Umgang mit der Technik, z.B. beim Betrieb einer Anlage oder beim Gebrauch eines Geräts, strafrechtlich relevante Sorgfaltspflichten verletzt wurden, spielen die „Regeln der Technik“ in der Praxis[461] eine nicht unwesentliche Rolle. Sei es, dass die Sorgfaltspflichtwidrigkeit, die für eine Gewässerverunreinigung ursächlich sein soll, von der Staatsanwaltschaft unmittelbar mit dem Abweichen von diesen Regeln begründet wird, sei es, dass die Berufung des Beschuldigten auf die Einhaltung eines solchen Standards zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens führt.[462]

Die Regeln der Technik sind keine Rechtsnormen, mit denen etwa – wie durch ein Gesetz – die Anforderungen an das im Umgang mit der Technik erforderliche Maß an Sorgfalt verbindlich festgelegt wäre.[463] Sie werden regelmäßig unter Mitwirkung von Fachverbänden zusammengestellt und sind z.B. in technischen Baubestimmungen, in Vorschriften der Berufsgenossenschaften oder in Fachaufsätzen und Kommentaren zu finden.[464] Sie sind nicht statisch, sondern einer ständigen technisch-naturwissenschaftlichen Entwicklung unterworfen.[465] Für das Gewässerrecht finden die allgemein anerkannten Regeln der Technik über § 57 Abs. 2 WHG auf die Einleitung von Abwasser (für die Verwaltungsbehörden) Anwendung. Mit der Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes im Jahr 2009 ist der (strengere Maßstab) „Stand der Technik“[466] in § 3 Nr. 11 WHG in den allgemeinen Definitionskatalog mit aufgenommen worden.[467]

Diese z.T. als Empfehlungen, Verwaltungsvorschriften oder DIN-Normen[468] verfassten Regeln sind sachverständige Äußerungen über das, was von den einschlägigen Fachkreisen für richtig gehalten wird und der gegenwärtig im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entspricht. Sie binden nicht die Strafgerichte, sondern geben nur indiziell einen (widerlegbaren[469]) Hinweis, was im Regelfall als Sorgfaltsmaßstab zugrunde zu legen ist.[470]

Soweit in Gesetzen auf diese Regelwerke über die Begriffe wie den „Stand der Technik“[471], den „Stand von Wissenschaft und Technik“[472] oder die „anerkannten Regeln der Technik“[473] Bezug genommen wird, sind diese Verweisungen durch das BVerfG als zulässig erachtet worden.[474]

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Für das Wasserrecht bestimmt z.B. § 57 Abs. 1 Nr. 1WHG, dass eine Einleiteerlaubnis durch die Behörde nur dann erteilt werden darf, wenn die „Menge und Schädlichkeit des Abwassers so gering gehalten wird, wie dies bei Einhaltung der jeweils in Betracht kommenden Verfahren nach dem Stand der Technik möglich ist“. Die Bestimmung des § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG richtet sich allerdings ausschließlich an die Verwaltungsbehörde und nicht an den Gewässerbenutzer.[475] Für den Bürger gewinnt sie – allenfalls mittelbar – erst dadurch an Bedeutung, dass die Behörde unter Berücksichtigung des ihr gesetzlich aufgegebenen Auftrags zum Gewässerschutz ihr Bewirtschaftungsermessen im Rahmen einer konkreten Einleiterlaubnis ausübt, z.B. durch die Vorgabe von bestimmten einzuhaltenden Grenzwerten. Dass sich eine unmittelbare (pauschale) Übertragung der Grundsätze des Wasserrechts auf den gewässernutzenden Bürger verbietet, ergibt sich zwingend schon daraus, dass das behördliche Interesse am Gewässerschutz auf Basis u.a. des Wasserhaushaltsgesetzes nicht unbegrenzt durchsetzbar ist, sondern in einem jeden Fall gegenüber dem Bürger durch den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Übermaßverbotes begrenzt ist.[476]

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Eine in Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Gewässerverunreinigung häufig anzutreffende Fallkonstellation ist, dass es infolge einer Störung in einem Produktionsbetrieb zu einer Gewässerverunreinigung kommt und die Staatsanwaltschaft den Vorwurf erhebt, es sei entgegen den „Regeln der Technik“ und damit i.S.d. § 324 StGB sorgfaltspflichtwidrig unterlassen worden, die Anlage mit einem Warn- oder Überwachungsgerät oder einer vergleichbaren Einrichtung zu versehen, die den Störfall verhindert hätte.[477] Für die strafrechtliche Beurteilung kommt es hier darauf an, ob für den Betrieb(-sleiter) eine positive Verpflichtung zum Einbau eines zusätzlichen Gerätes besteht. Sieht die Abwasser-Einleiteerlaubnis den Einbau eines Warngerätes vor, wird der behördlichen Gestattung zuwidergehandelt, wenn das Gerät nicht angebracht wird. Für den Fall, dass es sich um eine für den Gewässerschutz wesentliche Installation handelt, ist eine ohne das Gerät vorgenommene Einleitung im Regelfall i.S.d. § 324 StGB unbefugt. Sieht die Abwassereinleiteerlaubnis dagegen keine derartige Regelung vor, ist die Sorgfaltspflichtverletzung nicht ohne weiteres daraus herzuleiten, dass allgemeine Verwaltungsvorschriften die Wasserbehörden verpflichten, die Erteilung einer individuellen Einleiteerlaubnis an den Einbau eines Warngerätes zu knüpfen.

 

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Weil die Regeln der Technik in ihrer ganzen Vielgestalt keine Normen sind, sondern lediglich die zu einem bestimmten Zeitpunkt herrschende Auffassung unter den technischen Praktikern wiedergeben, sind sie zudem grundsätzlich jederzeit durch anderslautende Erkenntnisse, z.B. in Form von Sachverständigengutachten, zu widerlegen. Ergibt sich aus einem Sachverständigengutachten, dass das Regelwerk über die Mindestanforderungen an das Einleiten von Abwasser bezüglich der Anbringung von Warngeräten zwischenzeitlich überholt oder technisch unvertretbar ist, kann eine entsprechende Sorgfaltspflicht nicht begründet werden. Die Verletzung der „Regeln der Technik“ ist auch deshalb keineswegs gleichbedeutend mit „sorgfaltswidrig“[478].

Die „Regeln der Technik“ stellen auch keine prozessuale Beweisregel dar, etwa in dem Sinne, dass bei einem festgestellten Verstoß die unwiderlegbare Vermutung für die fehlende Sorgfaltspflicht bestünde, ähnlich dem Überschreiten der 1,1-Promille-Grenze bei § 316 StGB.[479] Auf der anderen Seite muss aber derjenige Gewässerbenutzer, der die „Regeln der Technik“ befolgt, die Gewissheit haben, dass er im strafrechtlichen Sinne sorgfaltsgemäß handelt.[480]

Die Auffassung Schünemanns[481], dass dem Strafrichter die ausschließliche „Kognitionskompetenz“ über die Inhalte der im Umgang mit der Technik anzuwendenden Sorgfalt auch dann zustehen sollte, wenn sich der Angeklagte darauf beruft, er habe die „Regeln der Technik“ eingehalten, ist abzulehnen. Unabhängig davon, dass nicht einsichtig ist, weshalb der Strafrichter kompetenter als das Gros der technischen Experten sein soll, ist die Auffassung Schünemanns auch nicht praktikabel. Die jeweiligen Sorgfaltsanforderungen sind für den einzelnen Bürger nicht mehr erkennbar oder vorhersehbar, wenn sie zur Disposition des Strafrichters gestellt sind. Selbst der Staatsanwalt müsste vor der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (bei dem später ggf. zuständigen Richter) Erkundigungen einholen, ob überhaupt die Chance besteht, dass dieser das Hauptverfahren auch tatsächlich eröffnet oder nicht vielmehr eine vollkommen andere Auffassung über die im Umgang mit der Technik erforderliche Sorgfalt vertritt. Eine derartige Suche nach der „richtigen“ Kognition ist aber unserem Strafverfahren fremd.

B. § 324a StGB

§ 324a StGB Bodenverunreinigung

(1) Wer unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten Stoffe in den Boden einbringt, eindringen läßt oder freisetzt und diesen dadurch


1. in einer Weise, die geeignet ist, die Gesundheit eines anderen, Tiere, Pflanzen oder andere Sachen von bedeutendem Wert oder ein Gewässer zu schädigen, oder
2. in bedeutendem Umfang

verunreinigt oder sonst nachteilig verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

I. Allgemeines

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§ 324a StGB wurde durch das 2. UKG[482] als Bodenstraftatbestand neu in das Strafgesetzbuch eingefügt. Die Vorschrift ist am 1.11.1994 in Kraft getreten. Es war die Zielsetzung des Gesetzgebers, den Schutz des Bodens gleichrangig neben den der beiden anderen Umweltmedien Gewässer (§ 324 StGB) und Luft (§ 325 StGB) im Strafgesetzbuch einzustellen.[483] Der Boden war zwar schon zuvor in den Vorschriften des damaligen 28. (jetzt 29.) Abschnittes des Strafgesetzbuches ausdrücklich hervorgehoben, z.B. in den §§ 326 Abs. 1 Nr. 3, 329 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2, 330 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 und 330a StGB a.F.[484] Sein Schutz war hierdurch jedoch nur mittelbar und partiell gewährleistet. Der Gesetzgeber des Jahres 1980 war noch davon ausgegangen, dass das Umweltmedium Boden nur in Abhängigkeit von Art und Maß seiner Nutzung, also i.S.d. Bodenbewirtschaftung, schutzwürdig sei.[485] Im Übrigen hing die damalige gesetzgeberische Zurückhaltung nicht unwesentlich damit zusammen, dass es an einem bundeseinheitlichen verwaltungsrechtlichen Bodenschutzgesetz fehlte. Bei einer Vorschrift, die notwendigerweise der Systematik der anderen Umweltstraftatbestände folgend an eine verwaltungsrechtliche Pflichtwidrigkeit anknüpfen musste, wurde dies seinerzeit zu Recht als ein nicht unerhebliches Hindernis zur Schaffung eines eigenen Straftatbestandes angesehen.[486] Der Gesetzgeber des 2. UKG setzte sich über diesen Mangel hinweg. Er verabschiedete am 1.11.1994 mit § 324a StGB einen Bodenstraftatbestand, zu dessen Tatbestandsvoraussetzung die „Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten“ gehört, obwohl zu diesem Zeitpunkt lediglich ein Entwurf eines bundeseinheitlichen Verwaltungsgesetzes vorlag. Das Bundesbodenschutzgesetz wurde erst vier Jahre später verabschiedet.[487] Es ist in seinen wesentlichen Teilen[488] am 25.3.1998 in Kraft getreten.

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Die Strafandrohung des § 324a StGB entspricht der des § 324 StGB, d.h. fünf Jahre für die Vorsatztat und drei Jahre für das Fahrlässigkeitsdelikt. Die Verjährungszeit beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB).

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Neben dieser Strafnorm sind auch die Bußgeldtatbestände des § 26 BBodSchG zu beachten.

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§ 324a StGB ist in der 1. Alternative des Abs. 1 als kombiniertes Verletzungs- und potenzielles Gefährdungsdelikt[489] (Veränderung des Bodens durch Einbringen von Stoffen, die geeignet sind zur Schädigung), in der 2. Alternative als reines Verletzungs- und Erfolgsdelikt (Veränderung des Bodens in einem bedeutenden Umfang) ausgestaltet.[490] Der Verletzungserfolg Veränderung oder Verunreinigung des Bodens muss in jedem Fall eingetreten sein.

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Wenn die pflichtbegründende Rechtsquelle eine für jedermann geltende Verhaltenspflicht darstellt, ist § 324a StGB ein Allgemeindelikt.[491] Wenn sich die Verhaltenspflicht jedoch (wie ein Verwaltungsakt oder eine anlagenbezogene Genehmigungspflicht) nur an einen bestimmten Adressatenkreis richtet, ist § 324a StGB ein Sonderdelikt, sodass nur die von der Verhaltenspflicht adressierten verantwortlichen Personen Täter des § 324a StGB sein können.[492]

Amtsträger einer Erlaubnisbehörde können den Tatbestand nicht eigenhändig erfüllen, weil sie nicht zugleich die Adressaten einer verwaltungsrechtlichen Bodenschutzpflicht sein können. Es kommen allerdings Teilnahme und möglicherweise auch mittelbare Täterschaft in Betracht.[493] Nur wenn die Amtsträger selbst Adressaten verwaltungsrechtlicher Pflichten sind, z.B. bei Betrieben der öffentlichen Hand[494], kann dies die Täterschaft begründen. Anders liegt dies bei den Amtsträgern, in deren Zuständigkeit die Konkretisierung der verwaltungsrechtlichen Pflichten gegenüber dem Normunterworfenen fällt. Insoweit besteht kein Unterschied zu den sonstigen Ausführungen der §§ 324 ff. StGB, sodass an dieser Stelle darauf verwiesen werden kann.[495]

II. Schutzgut

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Der Boden als Lebensgrundlage für Menschen, Tiere und Pflanzen gilt als das Schutzgut des § 324a StGB.[496] Diese Definition versteht sich ökologisch-anthropozentrisch, was so viel bedeutet, dass der Boden sowohl als selbständiges Umweltmedium um seiner selbst willen geschützt ist, als auch in seinen vielfältigen Funktionen für den Menschen.[497] Die Bestimmung weist damit den für die Umweltstraftatbestände inzwischen typischen doppelten Rechtsgutsbezug auf.[498] Geschützt wird der reale Ist-Zustand.[499] Dies bedeutet für die Praxis der Strafverfahren insoweit eine Vereinfachung, als jedwede Abweichung vom Ist-Zustand des Bodens das Tatbestandsmerkmal der Verunreinigung erfüllen kann.[500] Auf der anderen Seite kauft man sich durch diese höchst „eigene“ strafrechtliche Rechtsgutsdefinition den gleichen Konflikt ein, der in den achtziger Jahren die Diskussion um das Rechtsgut des Gewässerstraftatbestands bestimmte oder derzeit das Abfallstrafrecht beherrscht.[501] Ein Rechtsgut eines verwaltungsakzessorischen Straftatbestands, das nicht unmittelbar an das zugrundeliegende Verwaltungsgesetz anknüpft, verselbständigt sich und gerät über kurz oder lang in Konflikt mit demVerwaltungsrecht, dem es eigentlich „folgen“ (akzessorisch sein) soll. Daraus resultieren divergierende Entscheidungen im Straf- und Verwaltungsrecht in ein und derselben Sache, was immer auf Kosten der Rechtseinheit und damit der Bestimmbarkeit der Strafrechtsnorm geht.

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Beispielsweise definiert § 2 Abs. 1 BBodSchG den Boden als die „obere Schicht der Erdkruste, soweit sie Träger der in Absatz 2 genannten Bodenfunktionen ist“. Der strafrechtliche Bodenbegriff geht aber nach h.M. darüber hinaus und sieht z.B. auch den unbelebten Untergrund, die „Tiefenschicht“ vom Schutzgut umfasst.[502] In diese Richtung denkend gibt es Stimmen, die auch das Gewässerbett (im Gegensatz zu § 2 Abs. 1 BBodSchG) zu den schützenswerten Bodenbereichen zählen.[503]

Die Vertreter der strafrechtlich-ökologischen Betrachtungsweise verstehen den Boden i.S.d. § 324a StGB als „dreidimensionales Umweltsystem“, das losgelöst von den örtlichen und räumlichen Gegebenheiten auch die unterschiedlichen Funktionen generell des Bodens für Menschen, Tiere und Pflanzen umfasst.[504] Sie sehen in der Ausrichtung auf § 2 BBodSchG eine nicht akzeptable Einengung des strafrechtlichen Schutzzwecks.[505]

Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber hervorgehoben, dass § 324a StGB keine generelle Pönalisierung jedweder Bodenverunreinigung bezweckt.[506] Dies bedeutet, dass z.B. unerlaubte Abgrabungen, Aufschüttungen, Grundwasserabsenkungen nur in besonders schutzwürdigen Gebieten durch § 329 StGB verfolgt werden und es daneben auch auf die Erheblichkeit einer Bodenverunreinigung ankommt (Argument: Abs. 1 Nr. 2).[507]

Nach ganz h.M. umfasst das Schutzgut Boden auch den ausländischen Boden.[508] Ob die Tat – bei Anwendung deutschen Rechts[509] – strafbar ist, hängt dann vor allem von der Verletzung einer verwaltungsrechtlichen Pflicht ab. Dabei wirkt ausländisches Verwaltungsrecht im Grundsatz nicht strafbegründend, was sich schon daraus ergibt, dass das BBodSchG im Ausland nicht gilt. Verstöße gegen ausländische verwaltungsrechtliche Pflichten sind grundsätzlich in Deutschland nicht strafbar. Eine Ausnahme existiert lediglich in Gestalt der Gleichstellungsklausel des § 330d Abs. 2 StGB für bestimmtes bodenschützendes mitgliedsstaatliches Verwaltungsrecht (näher s. unten zu § 330d StGB, unten Rn. 458 ff.).

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Die Beispiele zeigen, dass die Diskussion um das Schutzgut der Umweltstraftatbestände nicht nur akademischer Natur ist, sondern ganz praktische Konsequenzen nach sich zieht. Eine strafrechtliche Schutzzweckdefinition, die sich losgelöst von den existierenden verwaltungsrechtlichen Regularien versteht, nimmt nicht nur einen Bruch mit dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung, sondern auch Probleme mit dem Bestimmtheitsgebot in Kauf.

Daran, dass der Gesetzgeber die verwaltungsakzessorische Anbindung der Umweltstraftatbestände zum Tatbestandsmerkmal erhebt („unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten“), zeigt sich aber die Bedeutung und Notwendigkeit einer strengen verwaltungsakzessorischen Interpretation der Bestimmung des § 324a StGB. Nur damit kann sichergestellt werden, dass es zwischen dem umweltverwaltungsrechtlichen und dem strafrechtlichen Bodenschutz nicht zu rechtsstaatlich nicht zu begründenden Divergenzen kommt.[510]