Umweltstrafsachen

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b) Unterlassen

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Dass der Amtsträger das Delikt der Gewässerverunreinigung auch durch Unterlassen erfüllen kann, ist in Rechtsprechung und Literatur h.M.[295] Weitgehende Einigkeit besteht auch darüber, dass der in den Wasser- und Wasseraufsichtsbehörden tätige Amtsträger nicht als Überwachergarant[296], sondern kraft seiner Zuständigkeit für den Vollzug der wasserrechtlichen Bestimmungen (z.B. des Wasserhaushaltsgesetzes) als Beschützergarant anzusehen ist.[297] Die Auffassungen darüber, welche konkreten Garantenpflichten aus diesem Beschützeramt hergeleitet werden können, sind geteilt.[298] Für einen Dissens besteht allerdings im Prinzip dann kein Grund, wenn es um die „negative“ Abgrenzung des Pflichtenkreises geht; denn der Amtsträger kann immer nur so weit zum Schutz von Rechtsgütern verpflichtet werden, als er hierzu von Gesetzes wegen beauftragt ist. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass die i.S.d. § 324 StGB strafrechtliche Verantwortlichkeit des Amtsträgers nicht weiter reichen kann, als ihm durch das Wasserverwaltungsrecht Verpflichtungen mit (zumindest auch) umweltschützender Intention auferlegt sind.[299] Auf der anderen Seite ist damit aber noch nicht gesagt, dass er damit „positiv“ als Beschützer der Umwelt in allen ihren Formen zu verantworten ist. Schall[300] spricht sich deshalb gegen eine pauschale Zuschreibung der Pflicht zur Erhaltung der Umwelt auf die Vertreter der Umweltbehörden und für eine differenzierende Beurteilung aus.[301] Diese soll insbesondere darin bestehen, dass eine Garantenstellung nur bezogen auf den jeweiligen umweltbezogenen Zuständigkeit- und Aufgabenbereich des betreffenden Amtsträgers zu begründen ist. Die Auffassung, die Beamte der allgemeinen Überwachungs- und (polizeilichen) Ordnungsbehörden (auch) zur Verhinderung von umweltbezogenen Straftaten macht,[302] ist deshalb abzulehnen; denn es fehlt hierbei an einem hinreichend bestimmten und bestimmbar zuzuordnenden Pflichtenkreis.[303]

Ein Sonderproblem kann sich in Fallkonstellationen ergeben, in denen der amtierende Amtsträger vor die Frage gestellt ist, ob eine von ihm als rechtswidrig erachtete Genehmigung seines Amtsvorgängers zurückzunehmen ist. Hier sind die Auffassungen geteilt. Aus der Sicht der Vertreter einer (weitreichenden) Beschützergarantenstellung ergibt sich die Strafbarkeit in diesem Fall aus der „funktionalen Beziehung“ des Amtsträgers zu der entsprechenden Genehmigungsbehörde.[304] Die Vertreter der gegenteiligen Auffassung verweisen darauf, dass gem. den Grundsätzen der Ingerenz der Nachfolger für das pflichtwidrige Vorverhalten seines Vorgängers nicht einzutreten hat.[305]

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Dies bedeutet, dass beispielsweise das Unterlassen des Amtsträgers grundsätzlich so lange strafrechtlich nicht zu beanstanden ist, als ihm über das Wasserverwaltungsrecht nicht besondere Handlungspflichten auferlegt sind. Entsprechendes gilt auch im Rahmen eines von ihm ausgeübten Ermessens. Lässt das Untätigbleiben des Amtsträgers keinen Ermessensfehler erkennen, trifft ihn auch keine strafbewehrte (Garanten-)Pflicht zum Handeln.[306] Bleibt der Beamte ermessensfehlerhaft untätig, gelten die gleichen Grundsätze wie im Fall des positiven Tuns.[307]

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Auch hier hat das Strafrecht das (ermessensgetragene) Nicht-Handeln des Amtsträgers so lange zu tolerieren, wie es nicht an einem besonders schweren Fehler (i.S.d. § 44 Abs. 1 VwVfG oder des § 330d Nr. 5 StGB) leidet. Dies bedeutet, dass auch beim Unterlassen die Feststellung eines Ermessensfehlgebrauchs, der die Grenze zur Willkür (auch i.S.d. § 330d Nr. 5 StGB) nicht erreicht, eine Strafbarkeit nicht begründen kann.[308] Der Strafrichter muss bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Unterlassens, gerade wenn ein Tätigwerden im Ermessen des Amtsträgers liegt, im Übrigen wie beim positiven Tun,[309] rechtskräftige Entscheidungen des Verwaltungsgerichtszugs respektieren – bzw. diese im Zweifel abwarten.

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Der BGH hat sich in einer vielbeachteten, aber auch kritisierten Entscheidung mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Amtsträgers (Bürgermeisters) befasst, dem vorgeworfen wurde, es unterlassen zu haben, gegen umweltschädliches Verhalten Dritter, nämlich der Bürger seiner Stadt, eingeschritten zu sein.[310] Der Sachverhalt war folgender: Der Bürgermeister einer hessischen Kleinstadt hatte wie viele seiner Kollegen damals das Problem, dass zahlreiche Grundstückseigentümer wegen fehlender kommunaler Klärsysteme ihre häuslichen Abwässer über die Ortskanalisation ungeklärt in Bäche und Gewässer einleiteten. Als in der hessischen Kleinstadt (endlich) die Bauarbeiten für eine zentrale Großkläranlage in Gang gekommen waren, gab der Landrat als Untere Wasserbehörde der Stadt auf, bis zur Fertigstellung Abwassereinleitungen nur noch zuzulassen, wenn zuvor durch die einzelnen Grundstückseigentümer eine Vorklärung in jeweils eigens anzulegenden Kleinklärgruben erfolgte. In Anbetracht der damit verbundenen Kosten (jeweils zwischen 5 000 und 7 000 DM) und des alsbaldigen Klärwerksanschlusses fand die entsprechende Anordnung der Stadt verständlicherweise wenig Anklang. Im Jahr 1985 besaßen noch mindestens 103 Grundstücksbesitzer keine eigene Klärgrube. Nur in einem Fall hatte die Stadt gegen einen Grundstückseigentümer ein Zwangsgeld angedroht. Das Verfahren erledigte sich jedoch nach eineinhalb Jahren durch den Anschluss des betreffenden Grundstücks an das fertiggestellte kommunale Klärwerk. Dem betreffenden Grundstückseigentümer wurden die Verfahrenskosten auferlegt mit der Begründung, dass die Stadt vermutlich in dem Rechtsstreit, wäre er zu Ende geführt worden, obsiegt hätte.

Der BGH hat den Bürgermeister als den für die Abwasserbeseitigung zuständigen Amtsträger der Gemeinde wegen Gewässerverunreinigung nach § 324 StGB verurteilt, weil er es unterlassen habe, die privaten Grundstücksbesitzer einzeln zu ermitteln und notfalls durch verwaltungsrechtliche Zwangsmaßnahmen zu veranlassen, eigene Kleinklärgruben zu errichten. Hätte der Bürgermeister die gebotenen Zwangsmaßnahmen ergriffen, wären nach der Auffassung des BGH spätestens im Jahr 1985 rechtswidrige Einleitungen ungeklärten Abwassers unterblieben. Der Fall des einen Grundstückseigentümers, gegen den die verwaltungsrechtliche Anordnung ergangen war, habe nämlich gezeigt, dass nach anderthalb Jahren selbst diejenigen Bürger, die sich gegen die Maßnahme zur Wehr gesetzt hätten, gerichtlich zum Einbau verpflichtet worden wären. Die für den Unterlassenstatbestand erforderliche Garantenstellung leitet der BGH aus der Pflicht der Gemeinde zur Abwasserbeseitigung ab, die das Gebot einer schadlosen Entsorgung mit umfasse. Hieraus resultierte seiner Auffassung nach die unbedingte Einstandspflicht des Bürgermeisters einer Gemeinde als ihrem Organ zur Wahrung des entsprechenden Pflichtenkreises. Ein Handlungs- bzw. Ermessensspielraum sei dem Bürgermeister deshalb nicht zuzubilligen, weil aufgrund der Anordnung der Unteren Wasserbehörde die Einleitung ungeklärter Abwässer durch Dritte nicht durch eine Erlaubnis gedeckt gewesen sei.

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Die Entscheidung zeigt anschaulich, vor welche Probleme die strafrechtliche Dogmatik (immer noch) im Zusammenspiel mit dem Verwaltungsrecht gestellt ist. Die vom BGH aus der – im Übrigen unklaren[311] – Garantenstellung abgeleitete unbedingte (d.h. nicht ermessensgetragene!) Pflicht eines Bürgermeisters, diejenigen Grundstückseigentümer, die satzungswidrig Einleitungen vornehmen, zu ermitteln und gegen sie mit Verwaltungszwang vorzugehen, ist mit den geltenden verwaltungsrechtlichen Grundsätzen nicht in Einklang zu bringen. Das Verwaltungsverfahrensgesetz kennt anders als das Strafprozessrecht kein unbedingtes Ermittlungsgebot, auch nicht zu dem alleinigen Zweck, die aus einem eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahren gewonnenen Ermittlungsergebnisse den Strafverfolgungsbehörden (etwa gem. § 41 Abs. 1 OWiG) zur Prüfung des Vorliegens einer Straftat, z.B. nach § 324 StGB, zur Verfügung zu stellen.[312] Stellt eine Gemeinde einen verwaltungsrechtlichen Verstoß fest, liegt es in ihrem Ermessen, zu entscheiden, ob sie dies als Ordnungswidrigkeit verfolgt oder nicht (§ 47 OWiG). Verpflichtet ist sie hierzu nicht. Ebenso frei ist die Gemeinde in ihrer Entscheidung, ob sie zusätzlich zu einem Bußgeldverfahren (oder stattdessen) im Einzelfall Verwaltungszwang anwendet und verwaltungsgerichtliche Maßnahmen ergreift. Es ist ihre ureigene Angelegenheit, zumal es gleichzeitig auch ihr Prozess- und Kostenrisiko ist. Letzteres wäre in dem entschiedenen Fall umso mehr zu bedenken gewesen, als es darum ging, gegen 103 Grundstückseigentümer gleichzeitig vorzugehen. Jeder Einzelfall bedurfte hier der gesonderten Prüfung, z.B. unter Berücksichtigung von Verhältnismäßigkeits- und Zumutbarkeitserwägungen hinsichtlich der Kosten und des individuellen Abwasseranfalls. Ein Strafgericht, das die Pflicht zur bedingungslosen Anwendung von Verwaltungszwang „kreiert“, regiert nicht nur in diese verwaltungsrechtlichen Ermessensfreiräume hinein.[313] Es gerät auch in die „Not“, den Nachweis erbringen zu müssen, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Gewässerverunreinigung verhindert worden wäre, wenn in allen 103 (wahrscheinlich hoch-)streitigen Verwaltungsverfahren die Anordnung des Baus von Kleinklärgruben für rechtens angesehen und sämtliche Verfahren nach anderthalb Jahren rechtskräftig beendet worden wären. Bestehen Zweifel auch nur an einer der beiden Annahmen, ist der strafrechtlichen Verurteilung die Grundlage entzogen. In Ansehung der generellen Schwierigkeit bei der hypothetischen Beurteilung von Verlauf und Dauer von (Verwaltungs-)Gerichtsverfahren liegen derartige Zweifel auf der Hand. Die Begründung des BGH, der sich hier auf den Standpunkt stellt, der Fall des streitig geführten einen Verfahrens habe gezeigt, dass derartige Verfahren in anderthalb Jahren i.S.d. wasserrechtlichen Anordnung des Landrats erfolgreich zum Abschluss gebracht werden könnten, überzeugt nicht. Dieser Verlauf eines einzelnen Verwaltungsprozesses kann auf die Gesamtheit von 103 vom Sachverhalt jeweils unterschiedlicher Verfahren, die zudem von den Verwaltungsgerichten gleichzeitig hätten durchgeführt werden müssen, nicht ohne weiteres übertragen werden.

 

2. Gewässerschutzbeauftragter

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Der Gewässerschutzbeauftragte[314] eines Industrieunternehmens gilt gemeinhin als ein Mittler zwischen Betrieb und Behörde. Er ist entweder (weisungsabhängiger) Mitarbeiter des gewässerbenutzenden Unternehmens (und nur von diesem „beauftragt“) oder betriebsfremd.[315] Seine Funktion besteht darin, „den Gewässerbenutzer und die Betriebsangehörigen in Angelegenheiten, die für den Gewässerschutz bedeutsam sein können“ zu beraten (§ 65 Abs. 1 WHG). Mit ihm soll die Kontrolle der Behörden durch eine betriebseigene ergänzt werden.[316] Der Betriebsbeauftragte ist kein Amtsträger.[317]

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Zu den Aufgaben des Gewässerschutzbeauftragten, die in § 65 WHG katalogmäßig aufgeführt sind, zählt neben der Überwachung und regelmäßigen Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften des Gewässerschutzes sowie der Abwasseranlagen u.a. die Überprüfung des Abwassers durch Messungen und Aufzeichnungen. Er hat daneben dem gewässerbenutzenden Betrieb jährlich Bericht über getroffene Maßnahmen zu erstatten und auch im Übrigen darauf hinzuwirken, dass sich die Produktion umweltfreundlich gestaltet.

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Erfüllt der Gewässerschutzbeauftragte seine Verpflichtungen aus § 65 WHG nicht, liegt in einem solchen Unterlassen allein keine Ordnungswidrigkeit.[318] Der Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 103 WHG führt zwar § 64 WHG auf (§ 103 Abs. 1 Nr. 14 WHG: Nichtbenennung eines Gewässerschutzbeauftragten), nicht aber § 65 WHG.

Ob der Gewässerschutzbeauftragte sich nach § 324 StGB strafbar machen kann, wenn er pflichtwidrig eine Meldung an die Betriebsleitung unterlässt (i.S.d. § 65 Abs. 1 Nr. 4 WHG) und es zu einer Gewässerverunreinigung kommt, ist umstritten.[319] Während die eine Auffassung eine Garantenstellung schon im Ansatz verneint, weil dem Beauftragten eine Weisungs- und Entscheidungsbefugnis fehlt – er hat seine Vorschläge lediglich der „entscheidenden Stelle“ des Unternehmens zu melden (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 a.E. WHG und § 56 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 66 WHG),[320] sieht die andere Auffassung in ihm einen Überwachungsgaranten.[321] Hat der Gewässerschutzbeauftragte allerdings daneben innerbetrieblich Entscheidungsbefugnisse übernommen, z.B. als Leiter der Produktionsabteilung, dessen Abwasser das Gewässer verschmutzt hat, kann er in dieser Funktion (Produktionsleiter) gleichwohl als strafrechtlicher Garant in Betracht kommen.[322]

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Auch wenn man von einer Garantenstellung des Gewässerschutzbeauftragten im Rahmen der ihm auferlegten Pflichten ausgeht, dürfte die täterschaftliche Verwirklichung des § 324 StGB regelmäßig an dem fehlenden Kausalitätsnachweis scheitern.[323] Das Unterlassen des Gewässerschutzbeauftragten ist nämlich nur dann kausal i.S.d. § 324 StGB, wenn nachgewiesen werden kann, dass die ordnungsgemäße Erfüllung der unterlassenen Pflicht (z.B. Information der Geschäftsleitung) bei dem gewässerbenutzenden Unternehmen auch tatsächlich Aktivitäten ausgelöst hätte, die die eingetretene Gewässerverunreinigung verhindert hätten. Dies wird nicht nur deshalb mit Schwierigkeiten verbunden sein, weil es hierzu erforderlich ist, den hypothetischen Entschluss der „leitenden Stelle“ zweifelsfrei festzustellen. Wegen der möglichen Vielfalt der Ursachen einer Gewässerverunreinigung, die z.B. lediglich durch eine Überschreitung von wasserrechtlich aufgegebenen Konzentrationshöchstwerten zutage getreten ist, wird man unter Umständen gar nicht feststellen können, welche Maßnahmen im konkreten Fall zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Erfolgsabwendung hätten ergriffen werden müssen.[324]

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Dass der Gewässerschutzbeauftragte durch positives Tun, etwa durch bewusste Falschunterrichtung der „entscheidenden Stelle“, die dann nicht die geeigneten Maßnahmen ergreift, eine Gewässerverunreinigung verursacht, dürfte in der Praxis so gut wie nicht vorkommen. Ob der Gewässerschutzbeauftragte in einem solchen Fall als mittelbarer Täter oder nur als Gehilfe in Betracht kommt, hängt im Wesentlichen davon ab, ob dem Beauftragten – jedenfalls partiell – eine gewisse Form von Verantwortlichkeit für das Geschehen zuzubilligen ist („Zentralgestalt“[325]) oder ob es nur darum geht, dass der Beauftragte seinen Verpflichtungen nicht mit dem nötigen Nachdruck nachgekommen ist.[326]

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Die Auffassung, wonach sich eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Gewässerschutzbeauftragten[327] aus § 14 Abs. 2 StGB herleiten ließe,[328] ist abzulehnen. Der Gewässerschutzbeauftragte als solcher ist nicht „beauftragt, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, oder ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebes obliegen“ (§ 14 Abs. 2 StGB). Die Tatsache, dass ein Unternehmen einen Gewässerschutzbeauftragten bestellen muss, hat ihren Sinn und Zweck darin, dass man damit einen möglichen Konflikt des verantwortlichen Unternehmensleiters zwischen wirtschaftlichen Rentabilitätserwägungen und unter Umständen kostenintensiven Gewässerschutzmaßnahmen vermeiden will. Dieses Ziel würde aber dadurch konterkariert, dass man die – im WHG insoweit eindeutig nur als Informations- und Kontrollpflicht ausgestattete – Funktion des Gewässerschutzbeauftragten dahin ausweitete, dass dieser dann doch i.S.d. § 14 Abs. 2 StGB unternehmensorientierte Aufgaben wahrzunehmen hat. Hiervon bleibt – wie bereits ausgeführt – unberührt der (wohl seltene) Fall, dass dem Gewässerschutzbeauftragten daneben auch unternehmensleitende Verantwortungsbereiche obliegen. Hierfür kann er über § 14 StGB strafrechtlich verantwortlich sein – allerdings dann nicht in seiner Funktion als Gewässerschutzbeauftragter.

3. Handeln für einen anderen

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Die Gewässerverunreinigung kann zwar von „jedermann“, d.h. auch von einem Unternehmen oder einer juristischen Person bewirkt werden, der strafrechtliche Schuldvorwurf eines Verstoßes gegen § 324 StGB muss sich jedoch immer gegen eine natürliche Person richten.

Hieraus können sich Probleme für die Festlegung von Verantwortlichkeit bei Straftaten innerhalb arbeitsteilig organisierter Unternehmensstrukturen ergeben. Wenn die Staatsanwaltschaft ermittelt hat, dass aus einem Kanal eines Industriebetriebes unbefugt schadstoffreiche Abwässer in ein Gewässer eingeleitet worden sind, ist damit der Sachverhalt noch nicht geklärt. Das „Unternehmen“ kann weder angeklagt, noch kann ihm der Prozess gemacht werden.[329] Es muss vielmehr – was sich u.U. zeitintensiv gestalten kann – noch der oder die Täter gefunden werden. Die bisweilen auftretende Schwierigkeit der Klärung einer solchen Frage hat dazu geführt, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren zunächst pauschal gegen „die Verantwortlichen des Unternehmens X“ führt und sich erst nach einer Reihe von „Zeugen“-Vernehmungen aus dem Kreis der Betriebsangehörigen – vornehmlich zum Thema der innerbetrieblichen Zuständigkeitsverteilung – dazu entschließt, eine „natürliche“ Person als Beschuldigten auszuwählen, gegen den fortan das Verfahren weitergeführt wird.[330]

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Rechtlich unproblematisch sind die Fälle, in denen eine (im strafrechtlichen Sinne nicht handlungsfähige) juristische Person („Unternehmen X“) unmittelbar (nur) durch eine Person vertreten wird, die für alle Betriebsbereiche – auch für denjenigen, der die Gewässerverunreinigung verursacht hat – verantwortlich ist. In solchen Fällen ist das vertretungsberechtigte Organ der juristischen Person gleichzeitig der strafrechtliche Normadressat i.S.d. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Er ist als natürliche Person strafrechtlich verantwortlich, auch wenn er (oder gerade weil er) für die juristische Person gehandelt hat.[331] Die vom BGH[332] im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Produkthaftung entwickelten Grundsätze einer ressortübergreifenden Gesamtverantwortung der Geschäftsleitung haben weitgehend auch bei den Umweltstraftatbeständen Bedeutung.[333]

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§ 14 Abs. 2 StGB erweitert den Kreis der Normadressaten auf bestimmte gewillkürte Vertreter in Betrieben und Unternehmen. Auf die Rechtsform des Unternehmens oder Betriebes kommt es dabei nicht an.[334] Zu dem von § 14 StGB erfassten Personenkreis zählt u.a. der Betriebsleiter, der Leiter eines bestimmten Produktionsbereichs oder der speziell mit einer Überwachungsfunktion betraute Unternehmensmitarbeiter. Ihnen allen muss jedoch gemeinsam sein, dass sie in ihrem jeweiligen Wirkungskreis zum Ergreifen von selbständigen Maßnahmen befugt sind und ihre Aufgaben in eigener Verantwortung wahrnehmen. Vertreter in untergeordneter Funktion scheiden aus. Auch eine bloße „Mitverantwortung“ reicht nicht.[335] Es muss für den Betreffenden vielmehr die Befugnis bestehen, „notfalls“ auch alleine entscheiden zu können.

VII. Rechtswidrigkeit
1. Das Merkmal „unbefugt“

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Die h.M. sieht – wenngleich nicht unumstritten – in dem Merkmal „unbefugt“ in § 324 StGB einen Bestandteil der Rechtswidrigkeit und nicht des Tatbestandes.[336] Die Verursachung einer Gewässerverunreinigung entgegen dem gesetzlichen Verbot „indiziert“ demnach die Rechtswidrigkeit, wenn keine verwaltungsrechtliche Befugnis gegeben ist.

Nach dem Willen des Gesetzgebers ist das Merkmal dahin zu verstehen, „dass nach einschlägigen gesetzlichen Regelungen und allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Verwaltungsrechts zu prüfen ist, ob das im übrigen tatbestandsmäßige Verhalten straflos ist“.[337] Demgemäß gerät an dieser Stelle das Strafrecht in Abhängigkeit zu Verwaltungsnormen (Verwaltungsrechtsakzessorietät) oder Einzelanordnungen von Behörden (Verwaltungsaktakzessorietät)[338], d.h. ein i.S.d. § 324 StGB unbefugtes Handeln liegt dann nicht vor, wenn die tatbestandsmäßige Gewässerverunreinigung durch Gesetze (vornehmlich das Wasserhaushaltsgesetz oder die entsprechenden Landeswassergesetze) oder durch eine behördliche Einzelerlaubnis (Verwaltungsakt) gestattet ist.

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Hier einige Beispiele[339]:


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- Küstengewässer (§ 3 Nr. 2 WHG): Die Befugnis zur Abwassereinleitung in Küstengewässer kann sich aus den Landeswassergesetzen von Niedersachsen (§ 80) oder Schleswig-Holstein (§ 13) ergeben. Es existieren weiterhin Ausnahmeregelungen in Gesetzen zum Schutz des Meeres (Art. 2 des Gesetzes zu den Übereinkommen vom 15.2.1972 und 29.12.1972 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen durch Schiffe und Luftfahrzeuge, BGBl II 1977 S. 165).
- Die erlaubnisfreie Benutzung eines Gewässers nach § 8 Abs. 2, 3 § 26, § 43, § 46 WHG erfolgt befugt i.S.d. § 324 StGB.
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Wenn die behördliche Gestattung in Form eines Verwaltungsakts (z.B. einer „Einleiteerlaubnis“) erteilt wird, beginnt die Befugnis zur Gewässerbenutzung mit der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes, d.h. mit seiner Bekanntgabe an den Betroffenen (§ 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG). Solange der Verwaltungsakt formal wirksam ist, dauert auch die Befugnis an. Da die Wirksamkeit nur durch die Rücknahme, den Widerruf oder die Nichtigkeit (§ 43 Abs. 2 u. 3 VwVfG, auch i.S.d. Missbrauchstatbestands des § 330d Nr. 5 StGB) des Verwaltungsaktes aufgehoben wird, gibt auch der zu Unrecht ausgesprochene oder rechtswidrige Verwaltungsakt eine i.S.d. § 324 StGB ausreichende Befugnis.[354] Die rechtfertigende Wirkung tritt für die Tatzeit selbst dann ein, wenn der rechtswidrige Verwaltungsakt rückwirkend wieder aufgehoben wird.[355]

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Im Interesse von Rechtseinheit und Rechtssicherheit haben sich die Strafjuristen darauf zu beschränken, festzustellen, ob ein behördlicher Verwaltungsakt vorliegt und welchen Inhalt er hat.[356]

Es entstünde sonst ein „unauflöslicher Wertungswiderspruch“[357], wenn der Strafrichter ein Verhalten ahndete, das später durch die Verwaltungsgerichte als rechtmäßig erkannt würde. Ist ein wirksam ergangener Verwaltungsakt nicht durch ein Verwaltungsgericht aufgehoben worden, hat ihn das Strafgericht seiner rechtlichen Beurteilung als rechtfertigendes Moment zugrunde zu legen.

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Das Strafrecht kann darüber hinaus auch nicht die wirksam erteilte Gestattung in der Weise interpretieren, dass der geregelte Erlaubnisrahmen etwa zu Lasten des Begünstigten eingeschränkt wird. Die (obergerichtlich nicht bestätigte, aber verbreitete) Auffassung des AG Frankfurt am Main[358], wonach die durch einen Erlaubnisbescheid erteilte Befugnis zur Abwassereinleitung allein deshalb entfällt, weil der Gewässerbenutzer – trotz Einhaltung der ihm aufgegebenen Grenzwerte gegen das in § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG (damals noch § 7a WHG) normierte „allgemeine Minimierungsgebot“ für eine Abwassereinleitung verstoßen habe, ist rechtlich nicht haltbar. Da der wasserrechtliche Erlaubnisbescheid nicht unter einem ungeschriebenen Vorbehalt der Wahrung materieller Betreiberpflichten steht, muss dies auch (und gerade) für den Rahmen der strafrechtlichen „Befugnis“ gelten.[359] Das im Wasserhaushaltsgesetz geregelte Minimierungsprinzip richtet sich zudem nicht an den Erlaubnisnehmer, sondern vielmehr an die Wasserbehörde, die darauf zu achten hat, dass sich ihre Erlaubnis an diesem Gebot orientiert. Hat die Behörde diesem Prinzip nicht oder nur ungenügend Rechnung getragen, muss die Erlaubnis durch niedrigere Grenzwerte eingeschränkt werden. Wenn oder solange dies nicht geschieht, handelt der Gewässerbenutzer befugt, wenn er dem ihm vorgegebenen Erlaubnisrahmen vertraut und diesen ausschöpft.

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Dass auf der einen Seite die förmliche Wirksamkeit selbst die materielle Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes zu überdecken vermag, hat nach der h.M. seine „Kehrseite“ darin, dass die gestattungsfähige, aber tatsächlich förmlich nicht gestattete Einwirkung auf ein Gewässer grundsätzlich strafrechtliche Relevanz gewinnen kann.[360] Dies soll auch dann gelten, wenn die Behörde aufgrund verwaltungsrechtlicher Vorschriften verpflichtet ist, die Gewässerbenutzung zu gestatten.[361] Diese Auffassung wird u.a. mit der Entscheidung in BGHSt 23, 86, begründet, wonach ein fehlerhaftes Straßenverkehrsschild die Ahndung wegen des entsprechenden Verstoßes nicht hindert. Es soll in diesen Fällen aber (zumindest) als ein Strafaufhebungsgrund gelten, wenn es nachträglich gelingt, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns, also das Unterlassen der förmlichen Gestattung, gerichtlich feststellen zu lassen.[362] Heine/Schittenhelm[363] weisen zu Recht darauf hin, dass die (bloße) Ordnungsfunktion eines Straßenverkehrsschildes nicht verglichen werden kann mit den materiell-rechtlichen Gestaltungmöglichkeiten (und -wirkungen) des Umweltrechts. Einem Unternehmer, dessen befristete Betriebsgenehmigung entgegen der materiellen Rechtslage nicht verlängert wird, droht unter Umständen der Existenzverlust.[364]

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Trotz einer bestehenden (wirksamen) behördlichen Gestattung kann weiterhin eine Gewässerbenutzung dann i.S.v. § 324 StGB unbefugt sein, wenn sie den Erlaubnisrahmen überschreitet bzw. mehr oder anderes Abwasser als im Bescheid bezeichnet eingeleitet wird.[365] Wird eine erlaubte Benutzung lediglich eingeschränkt oder erfolgt eine wasserrechtlich und auch im Übrigen unbedeutende Zweckänderung, berührt dies allerdings die aus der bestehenden Erlaubnis resultierende Rechtfertigung nicht.[366]

Eine wasserrechtliche Erlaubnis ist stets anlagenbezogen, was bedeutet, dass sie bei Veräußerung auf den Rechtsnachfolger der Anlage übergeht.[367]