Umweltstrafsachen

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VI. Täter und Täterschaft
1. Amtsträger
a) Aktives Tun

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Auch Amtsträger, namentlich die Bediensteten von Umweltverwaltungsbehörden, können sich grundsätzlich nach den §§ 324 ff. StGB strafbar machen. Die Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen öffentliche Bedienstete freilich als ein wirksames Mittel zum Umweltschutz zu sehen,[227] wäre verfehlt.[228]

Als ein Faktum verdient es zunächst festgehalten zu werden, dass es der Gesetzgeber bisher und insbesondere im Rahmen des 2. UKG[229] abgelehnt hat, einen selbständigen Tatbestand über die Strafbarkeit von Amtsträgern zu normieren. Er hat die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten als ausreichend erachtet und darauf verwiesen, dass es auch in anderen Bereichen eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für fehlerhaftes Verwaltungshandeln nicht gibt.[230] Im Übrigen wollte man eine Verunsicherung der Verwaltungsbeamten vermeiden und deren Kooperationsbereitschaft erhalten.[231]

Auf dem 57. Deutschen Juristentag 1988, der sich in seiner strafrechtlichen Abteilung mit der Frage befasste, ob sich „Änderungen des strafrechtlichen Umweltschutzes insbesondere in Verbindung mit dem Verwaltungsrecht“ empfehlen, kam es zu dem vielsagenden Abstimmungsergebnis, dass sowohl die Beschlussfassung mehrheitlich abgelehnt wurde, die sich für die Schaffung einer allgemeinen Sondernorm über die Strafbarkeit der Amtsträger im Umweltschutzbereich aussprach, als auch diejenige, die dagegen votierte.[232]

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Der Gesetzgeber hat sich bis heute nicht für die Schaffung einer speziellen Norm für die Amtsträger entschieden.[233] Aufgrund der bestehenden Gesetzeslage geht die h.M. in Rechtsprechung und Literatur von einer prinzipiellen Anwendbarkeit jedenfalls der §§ 324, 324a, 326, § 328 Abs. 1, 2 und 4, 329 Abs. 3 StGB[234] auf die Amtsträger aus. Diese Delikte gelten als von jedermann, und damit auch von einem Amtsträger begehbar.[235]


Der Amtsträger alsUnternehmer

Auf der Grundlage der unmittelbaren Anwendung dieser Bestimmungen, u.a. des § 324 StGB, auf Amtsträger sind alle diejenigen Fälle vergleichsweise unproblematisch, in denen eine öffentliche Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts eine Anlage betreibt. Die für die Anlage verantwortlichen Amtsträger sind – ebenso wie die Verantwortlichen eines privaten Unternehmens – direkte Normadressaten des § 324 StGB, wenn ihr Handeln oder Unterlassen ursächlich für eine Gewässerverunreinigung ist.[236] Dies kann z.B. der Fall sein bei einem Amtsträger, der als Bürgermeister einer Gemeinde für den Betrieb einer Kläranlage, Mülldeponie oder ein Schwimmbad verantwortlich ist. In diesem Fall kann er Täter des entsprechenden Delikts sein, wenn es z.B. durch seine Unachtsamkeit zu einer Gewässerverunreinigung kommt. Der BGH hat hierzu Grundlegendes in seiner Entscheidung des Jahres 1992 (sog. „Bürgermeisterfall“[237]) ausgeführt und einen hessischen Bürgermeister dafür i.S.d. § 324 StGB strafrechtlich verantwortlich gemacht, dass er die Gewässerverunreinigungen ortsansässiger Grundstückseigentümer, die ihre häuslichen Abwässer ungeklärt in ein Gewässer eingeleitet hatten, nicht rechtzeitig, z.B. unter Androhung eines Zwangsgeldes, unterbunden hatte. Da der BGH eine Unterlassenstäterschaft angenommen hat, wird die Entscheidung unter Rn. 76 f. bei der Unterlassensstrafbarkeit ausführlich behandelt. Im Übrigen hat sich inzwischen eine umfassende Kasuistik zu den „Betreiberfällen“ im Rahmen der Amtsträgerverantwortlichkeit entwickelt, die in den einschlägigen Kommentaren und Lehrbüchern[238] nachzulesen ist.

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Die Amtsträger der Aufsichts- und Genehmigungsbehörden

Bei diesen Amtsträgern kann sich die Frage der Strafbarkeit stellen, wenn Umweltbeeinträchtigungen (oder -gefährdungen) auf fehlerhafte (rechtswidrige oder nichtige) verwaltungsrechtliche Gestattungen oder das Unterlassen solcher Gestattungen zurückzuführen sind. Dabei ist aber zunächst zu unterscheiden: Bei allen (Sonder)Delikten des 29. Abschnitts, zu deren Tatbestandsvoraussetzungen die Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten gehören (§§ 324a, 325, 325a, 326 Abs. 2[239], 328 Abs. 3, 329 Abs. 1 und 2 StGB), scheiden die Amtsträger der Genehmigungsbehörden als Täter praktisch aus, da die in diesen Tatbeständen in Bezug genommenen verwaltungsrechtlichen Pflichten (die nicht verletzt werden dürfen) ausschließlich den Bürger zum Adressaten haben.[240] Die Amtsträger der Genehmigungs- und Überwachungsbehörden betreiben keine Immissionsschutz- oder Abfallbeseitigungsanlagen, deren ungenehmigter Betrieb in § 327 Abs. 2 StGB unter Strafe gestellt ist. Diese Amtsträger überwachen vielmehr die Betreiber derartiger Anlagen. Selbst eine Teilnahme des Amtsträgers an der Haupttat (eines Bürgers) i.S. dieser Sonderdelikte ist grundsätzlich nicht in Betracht zu ziehen. Hat der Amtsträger eine rechtswidrige, weil z.B. fehlerhafte Genehmigung erteilt, ist diese dennoch im Regelfall nach dem Verwaltungs(verfahrens)recht wirksam. Nur der i.S.d. § 44 Abs. 1 VwVfG nichtige Verwaltungsakt hat keine solche Wirkung, wobei man sich darüber streiten kann, dass sich die Nichtigkeit nach dieser Bestimmung auch dann strafrechtlich auswirken können soll, wenn kein Bezug zu einem umweltschutzrelevanten Rechtsgut besteht, z.B. im Fall des § 44 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG: der Verwaltungsakt lässt die ausstellende Behörde nur nicht erkennen.[241]

Der nach § 44 VwVfG nichtige Verwaltungsakt ist nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz unwirksam und gilt damit als „nicht in der Welt“. Dem nichtigen Verwaltungsakt wurde durch das 2. UKG für das Strafrecht die durch Drohung, Bestechung, Kollusion oder sonst erschlichene Genehmigung gleichgestellt (§ 330d Nr. 5 StGB), auf die unten näher einzugehen sein wird.[242] Die grundsätzliche verwaltungsrechtliche Wirksamkeit auch des rechtswidrigen Verwaltungsaktes bedeutet, dass der Bürger, dem eine rechtswidrige (nicht nichtige und nicht erschlichene) Genehmigung zum Betreiben einer Anlage erteilt wurde, in Besitz einer wirksamen Genehmigung ist und damit weder „unbefugt“ noch „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten“ handelt. Da es in diesen Fällen somit an einer Haupttat (des Anlagenbetreibers) fehlt, kann auch keine Teilnahme eines Amtsträgers in Betracht kommen. Zu diesem Thema und zur Unterscheidung von Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit einer behördlichen Genehmigung folgender Fall, der zwar unmittelbar nur § 327 StGB (Unerlaubtes Betreiben von Anlagen) betrifft, hinsichtlich der Frage der Amtsträgerstrafbarkeit aber auch im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung ist:

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Obwohl das LG Hanau im „Alkem“-Urteil[243] zu der Auffassung gelangte, dass die von der atomrechtlichen Genehmigungsbehörde erteilten „Vorabzustimmungen“ zu wesentlichen Änderungen einer kerntechnischen Anlage rechtswidrig waren, weil das Atomgesetz für diese Form der behördlichen Gestattung keine materielle Rechtsgrundlage bot, hat es die Beamten der atomrechtlichen Genehmigungsbehörde vom Vorwurf der Beihilfe zu § 327 StGB freigesprochen. Es hat diese Entscheidung damit begründet, dass keine Anhaltspunkte dafür vorhanden gewesen seien, dass die Beamten die Bescheide in Kenntnis ihrer Rechtswidrigkeit erlassen hätten. Hätten die Beamten die Kenntnis gehabt, so argumentiert die Kammer, wären die Vorabzustimmungsbescheide sittenwidrig i.S.v. § 44 II Nr. 6 HessVwVfG und deshalb nichtig gewesen. Sie hätten damit auch für die Betreiber der Anlage nicht (die in diesem Fall vom Landgericht angenommene) rechtfertigende Wirkung[244] entfalten können, so dass dann wegen des Vorliegens einer Haupttat (§ 327 StGB verwirklicht durch die Betreiber) eine Beihilfe der Beamten möglich gewesen wäre.[245]

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Auch wenn damals bereits § 330d StGB in seiner seit dem 1.11.1994 geltenden Fassung Gesetz gewesen wäre, hätte dies an der Entscheidung des LG Hanau nichts ändern können. In der Begriffsbestimmung des § 330d Nr. 5 StGB ist nunmehr geregelt (was vorher, wie die Entscheidung des LG Hanau zeigt, nicht der Fall war), dass dem „Handeln ohne Genehmigungauch ein Handeln auf Grund einer durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirktenGenehmigung …“ gleichsteht. Das Landgericht hätte sich auf der Grundlage dieser Definition zwar nicht mit der Frage der Abgrenzung nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz zwischen Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit auseinandersetzen müssen, es hätte aber (auch) prüfen müssen, ob ein i.S.d. § 330d Nr. 5 StGB kollusives Zusammenwirken zwischen Unternehmer und Behörde stattgefunden hat. Da dieses in dem besagten Fall nicht nachweisbar war, hätte auch unter der Geltung des § 330d Nr. 5 StGB die Hauptverhandlung mit keinem anderen Ergebnis als einem Freispruch enden müssen.

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Dieser Vergleich der früheren mit der heutigen Rechtslage macht deutlich, wo die Intention des Gesetzgebers für die Erweiterung des § 330d StGB durch die Nr. 5 lag. Durch die Gesetzesänderung ist das Strafgericht nicht mehr allein an das Verwaltungsrecht, namentlich die Auslegung der Nichtigkeit in § 44 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes gebunden. Diese Regelung, die im Gesetzgebungsverfahren sehr umstritten war, stellt damit eine durch das Gesetz herbeigeführte elementare Durchbrechung des Prinzips der Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts dar.[246] Das Umweltstrafrecht folgt hier eigenen Regeln und dann auch gerade nicht denen des Verwaltungsrechts. Nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz ist jeder Verwaltungsakt, selbst der rechtswidrige, bis zur Feststellung seiner Nichtigkeit nach den Maßgaben des § 44 VwVfG wirksam. Das heißt, der Verwaltungsakt, mit dem eine Genehmigung (z.B. zum Einleiten von Abwasser) erteilt wird, gilt als existent, auch wenn er rechtswidrig ist. Da die Kriterien des § 44 VwVfG mit denen des § 330d Nr. 5 StGB nicht deckungsgleich sind, kann die Situation entstehen, dass der Strafrichter das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes des § 330d Nr. 5 StGB für gegeben ansieht und trotz Vorhandenseins eines Verwaltungsakts von einem „Handeln ohne Genehmigung“, also einem nicht existenten Verwaltungsakt, ausgeht. Dennoch kann das Verwaltungsgericht in dem betreffenden (selben) Fall die Nichtigkeit verneinen, was zur Folge hat, dass verwaltungsrechtlich von einem wirksamen (also vorhandenen) Verwaltungsakt auszugehen ist. Es war eigentlich die Absicht des Gesetzgebers, bei Schaffung der Umweltstraftatbestände, durch die Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts derartige Konflikte zu vermeiden.

 

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Obwohl der Amtsträger, anders als z.B. bei § 327 StGB (nur Teilnehmer), bei § 324 StGB (mittelbar) selbst Täter sein kann,[247] muss auch für § 324 StGB gelten, dass die – jedenfalls vorsätzliche – Tatbestandserfüllung durch einen Amtsträger immer dann ausscheidet, wenn er die Rechtswidrigkeit seiner (auch schwerwiegend fehlerhaften) Entscheidung nicht kennt. Angesichts der Komplexität des Umweltverwaltungsrechts und der vielen ungeklärten Rechtsfragen kann dies auch einen Fall betreffen, in dem der Amtsträger mit Überzeugung – und gut begründet – eine Auffassung vertritt, die sich später als unrichtig herausstellt, weil sich ein Gericht dem nicht hat anschließen können.[248]

Dann gilt für ihn – wie für jeden Nicht-Amtsträger –, dass auch ein rechtswidriger Verwaltungsakt grundsätzlich verwaltungsrechtlich wirksam ist[249] und deshalb kein genehmigungsloses Handeln des Genehmigungsempfängers vorliegt. Demzufolge entfällt auch die Strafbarkeit des genehmigungserteilenden Amtsträgers, gleichwie in welcher Beteiligungsform. Die Wirksamkeit eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes findet seine Grenze in der Nichtigkeit nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (§ 44 VwVfG), d.h. bei einer besonders schwerwiegenden Fehlerhaftigkeit oder bei Rechtsmissbrauch in den Fällen des § 330d Nr. 5 StGB.[250]

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Über einen Fall, in dem ein Amtsträger die Rechtswidrigkeit der Entscheidung kannte, hatte der 2. Strafsenat des BGH am 3.11.1993[251] zu entscheiden[252]. Der Amtsträger, um den es ging, war der Leiter des Abfalldezernats einer Fachbehörde[253], das vom zuständigen Regierungspräsidium mit einer Stellungnahme zu einer von einem Unternehmen geplanten Umlagerung von Abfall beauftragt war. Die Fachfrage war, ob aus Abfallkategorie I und II gemischte Abfälle in der Weise getrennt werden könnten, dass der Abfall der Kategorie I (Hausabfälle) abgesondert und auf eine Hausmülldeponie umgelagert werden könnte. (Es sollte durch die Umlagerung für das Unternehmen die Lagerkapazität für die – damals so bezeichneten – „Sonderabfälle der Kategorie II“ erhöht werden.) Der Amtsträger erstellte ein Gutachten, in dem er gegenüber dem Regierungspräsidium die Auffassung vertrat, dem betreffenden Vorhaben könne zugestimmt werden, eine Trennung der Abfallkategorien I und II sei praktizierbar. Aufgrund der Stellungnahme des Amtsträgers hat das Regierungspräsidium die Umlagerung durch das Unternehmen genehmigt, die sodann auch durchgeführt wurde. In der Folgezeit stellte sich heraus, dass die Trennung der Abfälle unter den von dem Amtsträger vorgegebenen Untersuchungskriterien doch nicht möglich gewesen war und unzulässigerweise vorwiegend Abfallstoffe der Kategorie II (Sonderabfälle) auf der nur für die Kategorie I vorgesehenen Hausmülldeponie abgelagert worden waren. Das Landgericht hat im Urteil festgestellt, dass der Amtsträger gewusst hat, dass die von ihm vorgeschlagene Untersuchungsmethode zur Verhinderung einer Vermischung der beiden Abfallarten ungeeignet war. Ihm sei außerdem bekannt gewesen, dass der Regierungspräsident als die zuständige Genehmigungsbehörde seiner Empfehlung ohne weitere Prüfung folgen würde. Der BGH hat – wie das Landgericht – in der Abfallumlagerung auf die Hausmülldeponie eine umweltgefährdende Abfallbeseitigung gesehen, die der Amtsträger durch aktives Tun wahlweise entweder (bei kollusivem Zusammenwirken mit dem Unternehmen) als Mittäter oder (bei Gutgläubigkeit des Unternehmens) als mittelbarer Täter begangen hat.[254]

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Die Entscheidung hat deshalb für Aufsehen gesorgt, weil bis dahin von einem nicht unbeachtlichen Teil der Literatur die Auffassung vertreten worden war, dass selbst der Beamte einer Genehmigungsbehörde, der wissentlich eine unrichtige Genehmigung erteilt, sich allenfalls wegen Beihilfe strafbar machen kann, da nicht er, sondern allein der Genehmigungsempfänger die Tatherrschaft besitzt, darüber zu entscheiden, ob er von der ihm erteilten Genehmigung überhaupt Gebrauch macht.[255] Für den das Regierungspräsidium beratenden Amtsträger, dessen Handlung der Entscheidung der Genehmigungsbehörde noch vorgeschaltet war, hätte danach die Täterschaft umso mehr fernliegen müssen. Der BGH hat demgegenüber in seinem Urteil die Auffassung vertreten, der Amtsträger der Fachbehörde habe zu der Entscheidung des Regierungspräsidiums, die Abfallumlagerung zu genehmigen, „in der gleichen Weise beigetragen, wie wenn er in dessen Behörde tätig gewesen wäre“; als mittelbarer Täter habe er durch die Erteilung einer fehlerhaften oder rechtswidrigen Genehmigung bei dem gutgläubigen Erlaubnisadressaten die entscheidende Rechtsschranke für die Tatbestandsverwirklichung freigegeben.

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Problematisch an dieser Begründung ist, dass damit die Grenze zwischen Täterschaft und Teilnahme nivelliert und von Wertungsfragen abhängig gemacht wird. Der BGH selbst spricht in seiner Entscheidung davon, dass die Frage, ob die Begehung einer Straftat „durch einen anderen“ (§ 25 Abs. 1, 2. Alt. StGB = mittelbare Täterschaft) vorliegt, ein offenes Wertungsproblem darstellt, bei dem die Übergänge fließend sind.[256] Die Unterscheidung zwischen Täterschaft und Beihilfe wird im Wesentlichen anhand wertender, subjektiver Kriterien vorgenommen. Dies zeigt sich an der Entscheidung des BGH nicht zuletzt daran, dass die Tatherrschaft des Amtsträgers im Hinblick auf die spätere Abfallumlagerung des Unternehmens (des „anderen“ i.S.d. § 25 Abs. 1, 2. Alt. StGB) mit dem subjektiven Interesse des Amtsträgers am Taterfolg begründet wird. Der Amtsträger – so der BGH – sei bestrebt gewesen, seinem Ruf als effizienter Abfallmanager gerecht zu werden, koste es, was es wolle; er habe die Tat in diesem Sinne als eigene gewollt. Ob dies allein ein ausreichendes Motiv ist und ob damit zur Genüge den Bedenken Rechnung getragen wird, dass das Öffnen der Verbotsschranke durch den Amtsträger noch nichts darüber aussagt, wer das nachfolgende Geschehen beherrscht, muss bezweifelt werden.[257]

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Gegen die Entscheidung des BGH hatte der verurteilte Amtsträger Verfassungsbeschwerde eingelegt und im Wesentlichen die Verletzung des Art. 103 Abs. 2 GG gerügt. Das BVerfG hat die Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. In seinem Beschluss[258] weist es daraufhin, dass die Entscheidung des BGH u.a. zur Strafbarkeit der mittelbaren Täterschaft weder sachfremd noch willkürlich sei. Es stellt im Übrigen klar, dass es nicht seine Aufgabe sei zu entscheiden, ob die vom BGH hierzu vertretene Auffassung oder die der Gegenmeinung die richtige sei. Daraus folgt, dass nach der (nach der Entscheidung des BGH[259] wohl) h.M. der Amtsträger, der vorsätzlich eine rechtswidrige (nicht nichtige und nicht nach § 330d Nr. 5 StGB rechtsmissbräuchliche) Erlaubnis erteilt, sich nicht auf die verwaltungsrechtliche Wirksamkeit seiner Entscheidung berufen kann.[260] Diese dürfte dann nur der Erlaubnisempfänger für sich geltend machen können.

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Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass dieses Ergebnis einmal mehr die Durchbrechung des klassischen Prinzips der Verwaltungsakzessorietät und das Ende der (ursprünglichen) Vorstellung bedeutet, man könne mittels der Verwaltungsakzessorietät die Einheit der Rechtsordnung zwischen Strafrecht und Verwaltungsrecht herstellen.[261] Nach dem Verwaltungsrecht ist der Verwaltungsakt, auch der rechtswidrige, bis zur Grenze seiner Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG[262] wirksam, unabhängig davon, ob man ihn aus der Sicht des Genehmigungsempfängers oder des Genehmigungserteilers beurteilt. Die Unterscheidung, die der BGH in der o.a. Entscheidung zwischen der materiellen Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes (zu Lasten des Amtsträgers) und dessen Wirksamkeit (zu Gunsten des Genehmigungsempfängers) vornimmt, ist dem Verwaltungsrecht überdies fremd. Bis zur Grenze der Nichtigkeit i.S.d. § 44 Abs. 1 VwVfG ist auch der rechtswidrige Verwaltungsakt verwaltungsrechtlich wirksam, mit der Folge, dass verwaltungsrechtlich – sei es aus der Warte des Amtsträgers, sei es aus der des Genehmigungsempfängers betrachtet – kein unbefugtes Handeln vorliegt. Das Strafrecht hebt demgegenüber – wie die Entscheidung des BGH zeigt – die Wirksamkeit eines Erlaubnisaktes in Bezug auf den Amtsträger auf, behält sie aber (jedenfalls bei der Konstruktion „mittelbare Täterschaft“) für den Genehmigungsempfänger bei.[263] Dabei spielt das Argument, mit dem der BGH die mittelbare Täterschaft des Amtsträgers begründet, eine nicht unbedeutende Rolle. Öffnet der Erlass einer rechtswidrigen Genehmigung die entscheidende „Verbotsschranke“, die sich auch bei förmlicher Wirksamkeit und über den (auch gutgläubigen) Genehmigungsempfänger hinaus strafrechtlich auf die Tathandlung auswirkt, ist praktisch kein Fall mehr denkbar, in dem ein Amtsträger mit Erfolg geltend machen könnte, er habe an die ausschließliche Letztverantwortlichkeit des Genehmigungsempfängers als dem Tatherrscher geglaubt.[264]

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Es stellt sich die Frage, ob die Strafbarkeit von Amtsträgern im Umweltbereich[265] ein so dringliches Problem darstellt, dass es gerechtfertigt ist, gerade auf diesem sensiblen Gebiet die Grundsätze der Verwaltungsrechtsakzessorietät und das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung weiter und sogar über das Maß des § 330d StGB hinaus auszuhöhlen. Es kann der Umwelt nicht zuträglich sein, wenn die Entscheidungsfreude und Kreativität der Beamten auf dem Gebiet des Umweltverwaltungsrechts durch die Angst vor dem (jedenfalls gegenwärtig) unwägbaren Strafrecht gelähmt wird. Das eigentliche Problem – auch für die Amtsträger – dürfte in der zunehmenden Fülle und Komplexität der Rechtsmaterie zu suchen sein, die Straf- und Verwaltungsjuristen immer wieder vor Verständnisprobleme stellt.

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Als im Wesentlichen theoretische Konstruktion wird eine mögliche Fahrlässigkeitsstrafbarkeit eines Amtsträgers diskutiert. Dies soll den Fall betreffen, in dem der betreffende Beamte unter Verletzung von Sorgfaltspflichten eine rechtswidrige Entscheidung (z.B. eine rechtswidrige wasserrechtliche Einleiteerlaubnis) erteilt.[266] Die praktische Bedeutung dieser Fragestellung dürfte auch künftig gering sein, weil bei verwaltungsrechtlichen Entscheidungsträgern die Frage möglicher Sorgfaltspflichtverletzungen vorwiegend die rechtliche Prüfungsebene betreffen dürfte, womit der Irrtumsbereich des § 17 StGB angesprochen ist mit der, zumal für den juristischen Amtsträger, nahen Möglichkeit der vollständigen Exkulpation.

Für Ermessensentscheidungen von Amtsträgern gilt Folgendes:

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Die Forderung, eine Strafanzeigepflicht für Amtsträger hinsichtlich von Umweltdelikten einzuführen, war bereits Gegenstand der Beratungen zur Einführung der Umweltstraftatbestände im Jahre 1980.[288] Das Hauptargument dafür war, dass die Umweltverwaltungsbehörden aufgrund ihrer gesetzlichen Überwachungspflichten näher an den maßgeblichen Informationen als die Staatsanwaltschaften seien. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages hat damals einstimmig den Beschluss gefasst, von einer derartigen Regelung abzusehen,[289] und dies damit begründet, dass eine gesetzliche Anzeigepflicht die notwendige Kooperation zwischen den Behörden und Bürgern stören würde.[290] Auch durch das 2. UKG und die folgenden Novellierungen der §§ 324 ff. StGBwurde keine Bestimmung in das StGB eingeführt, die den Amtsträger unter Strafandrohung verpflichtet, ihm in seiner amtlichen Funktion bekannt gewordene Umweltverstöße anzuzeigen.[291] Anzeigepflichten für Amtsträger außerhalb des Strafrechts finden sich demgegenüber z.B. im Atomgesetz (§ 19 Abs. 1 S. 3 AtomG i.V.m. § 139b Abs. 7 GewO). In diesem Fällen ist die Aufsichtsbehörde verpflichtet, die Strafverfolgungsbehörde über Verstöße gegen das Atomgesetz sowie auf seiner Grundlage ergangene Rechtsverordnungen und Verwaltungsakte zu unterrichten.[292]

Auch wenn sich nach wie vor Stimmen[293] für die Einführung einer gesetzlichen Anzeigepflicht der Verwaltungsbeamten im Umweltrecht aussprechen mit der Folge, dass sich ein Amtsträger bei Nicht-Anzeige eines Umweltvergehens wegen Strafvereitelung im Amt gem. § 258a StGB strafbar machen kann, ist ein solches Gesetz nicht in Sicht. Es existieren stattdessen in den Ländern Verwaltungsvorschriften, die die gemeinsame Zusammenarbeit von Verwaltungsbehörden und Staatsanwaltschaft im Umweltschutz zum Ziel haben. Wie Untersuchungen gezeigt haben, tragen diese allerdings nicht zu einer nennenswerten Verbesserung der Kooperation bei.[294]