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Wortbildung im Deutschen

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3 Die Verwendung von dt. Top(-)/top(-)
3.1 Lexikographische Daten

Eine Übersicht über die prototypischen Verwendungsweisen der lexikalischen Einheit Top(-)/ top(-) im Gegenwartsdeutschen bieten die Einträge im DUW (2007: 1688–1689). Dort ist zuerst ein adjektivisches (und indeklinables, also defektives) top verzeichnet, gefolgt von top-/Top- als Erstglied adjektivischer wie substantivischer KompositaKompositum. Das dabei zuerst erwähnte top- als Erstglied adjektivischer Bildungen ist relativ unkontrovers: In topaktuell, topmodisch usw. fungiert top- als Intensivierer und lässt sich mit ‚sehr‘ umschreiben. Als Erstglied in Kombination mit Substantiven lassen sich laut DUW drei Verwendungsweisen von Top- ausmachen: i. als „Verstärkung“ (Topflop, Topterroristin); ii. als Ausdruck dafür, „dass etw. als ausgezeichnet, hervorragend angesehen wird“ (Topagentur, Topangebot, Toplage, Topmodell, Topveranstaltung); und iii. als Ausdruck dafür, „dass jmd. oder etw. als besonders gut, höchstrangig, als [qualitativ] erstklassig angesehen wird“ (Topathlet, Topausbildung, Topfavorit, Topmaterial, Topmodel, Topmodell, Topstar). Plausibler und ökonomischer ist allerdings eine Zweiteilung in eine qualitativ-absolute und eine hierarchisch-relative Lesart, wie sie in ähnlicher Form auch von Ruf (1996) gehandhabt wird. Ein Topflop ist demnach ein Flop, der (relativ zu anderen Flops) besonders hoch in der Rangordnung der Flops anzusiedeln ist, ebenso befindet sich ein Topterrorist in einer gedachten Terroristenrangliste sehr weit oben; entsprechend für eine Topagentur, eine Toplage und einen Topathleten. Für andere der angeführten Beispiele bietet sich eher eine qualitativ-absolute Lesart an, die ohne direkten Vergleich zustande kommt wie z.B. im Fall von Topangebot oder Topveranstaltung. Entscheidend ist, dass sich die beiden Lesarten keineswegs ausschließen: Eine Topagentur kann sowohl im Verhältnis zu anderen Agenturen weit oder ganz weit oben in einer Hierarchie angesiedelt sein als auch eine Agentur bezeichnen, in der sehr gute Arbeit geleistet wird; eine ‚sehr gute‘ Topagentur könnte immer noch weit von einer Spitzenposition unter den konkurrierenden Agenturen entfernt sein. Auch Ruf (1996: 139) betont diese semantische Zweideutigkeit: Topmannschaft etwa könne nicht eindeutig zugeordnet werden, da es sich dabei um eine Mannschaft an der Spitze einer Rangliste handeln kann oder aber um eine – möglicherweise bloß aus Sicht des Sprechers – sehr gute Mannschaft.

Die systematische AmbiguitätAmbiguität zwischen diesen beiden Hauptverwendungsweisen – die sich übrigens auch aus den Korpusdaten ergibt (siehe unten) – war wohl auch ein entscheidender Faktor für die Etablierung jener freien Form top, die im DUW als indeklinables Adjektiv bezeichnet wird. Dass sich das mit Substantiven kombinierte Top- in vielen Fällen durch Spitzen- ersetzen lässt, passt in dieses Bild, denn auch beim semantischen Äquivalent des englischen Substantivs top als kompositionelles Erstglied stößt man auf eine entsprechende Ambiguität, z.B. bei Spitzenpolitiker, das sowohl mit ‚Politiker, der weit oben in der Hierarchie steht‘ als auch mit ‚sehr guter/kompetenter Politiker‘ paraphrasiert werden kann (vgl. Grzega 2004).

Einen Eindruck der frequenteren und wohl usualisierten Zusammensetzungen mit Top-/top- als Erstglied vermittelt ebenfalls das DUW. Fünf adjektivischen Bildungen (topaktuell, topfit, topgesetzt, topmodisch, topsecret), von denen lediglich das regional-fachsprachliche topgesetzt – „(bes. schweiz.; Sport) ‚als Nummer eins gesetzt‘“ – weniger üblich erscheint, stehen hier elf substantivische KompositaKompositum gegenüber: Topform ‚Bestform‘, Topleistung ‚Spitzenleistung‘, Topmanagement ‚oberste Leitung eines Großunternehmens‘, Topmanager/in ‚jmd. der zum Topmanagement gehört‘, Topmannschaft ‚Spitzenmannschaft‘, Topposition ‚Spitzenposition‘, Topqualität ‚beste Qualität, Spitzenqualität‘, Topspiel ‚Spitzenspiel‘, Topstar ‚Star der Spitzenklasse‘, Topzuschlag ‚Zuschlag, den der Veranstalter bei einem Spitzenspiel bes. im Fußball erhebt‘. Weitere komplexe Lexeme mit dem Bestandteil Top(p)-/top- komplettieren das Bild, sind jedoch von den vorigen Beispielen zu scheiden: In Toplader und Topspin wird auf ein räumliches ‚oberhalb‘ referiert,1Deutsch in Top-down-Methode ist die Bedeutung ‚oben‘ etwas abstrakter, topless bedeutet ‚ohne Oberteil‘ (vgl. das Top) und bei Toppsegel liegt das oben besprochene Topp niederdeutscher Herkunft in fachsprachlicher Verwendung vor. Ein interessanter Sonderfall ist Top Ten: Im Englischen sind solche Bildungen völlig transparent (‚die obersten Zehn‘). Da sich im DeutschenDeutsch jedoch ein relativ eigenständiges SchemaSchema zur Bezeichnung bewertender Einordnungen bzw. „Rankings“ mit eigener Nische herausgebildet hat (Top 40, Top fünf, Top 100), das sich im Übrigen als ziemlich produktiv erweist, sollen diese Formen im Folgenden gesondert betrachtet werden; man vergleiche Top(-) in Top Ten und Topqualität, wobei letztgenanntes Top- ohne weiteres durch Spitzen- ersetzbar wäre, was für Top in Top Ten nicht gilt.

3.2 Korpusdaten

Für ein realistischeres Bild des aktuellen Gebrauchs von Top(-)/top(-), d.h. als Kompositionsglied wie als ungebundene Form, sollten wir uns nicht auf lexikographische Daten verlassen, ebenso wenig aber auch auf die Ergebnisse der bisher wohl ausführlichsten diesbezüglichen Untersuchung (Ruf 1996), die auf überholten korpuslinguistischen Grundlagen basiert und Top-/top- nur in Zusammensetzungen behandelt. Stattdessen stützen wir uns auf Daten aus den COW-Korpora (Corpora from the Web; Schäfer/Bildhauer 2012). Hierbei handelt es sich um große Sammlungen (mehrere Gigatoken) von rezenten Texten aus dem World Wide Web, in vielen Fällen um spontanes und informelles Sprachmaterial (Foren usw.); weil es sich hierbei um Material handelt, für das institutionalisierte Sprachnormen nur bedingt greifen, ist es äußerst brauchbar, um Aussagen über Entwicklungstendenzen des Gegenwartsdeutschen zu treffen. Zudem liegen Unterkorpora vergleichbarer Größe nicht nur für DeutschDeutsch, sondern u.a. auch für NiederländischNiederländisch und SchwedischSchwedisch vor, wodurch eine verhältnismäßig repräsentative Vergleichbarkeit möglich ist. Auch den Untersuchungen von Van Goethem (2014) und Van Goethem/Hüning (im Erscheinen) liegen diese Datensammlungen zugrunde, und so lassen sich die hier ermittelten Ergebnisse mit jenen Untersuchungen gut vergleichen (6). Vorgegangen wurde folgendermaßen: Aus dem Unterkorpus DECOW2012-C06X7M wurden 5000 randomisierte Belege für Okkurrenzen von Top- bzw. top- als kompositionelles Erstglied sowie vom frei vorkommenden Top bzw. top ermittelt (da Groß- und Kleinschreibung keine Rolle spielt, sind auch andere Schreibweisen möglich wie etwa das tatsächlich belegte TOP). Unter Ausschluss von irrelevanten Belegen (z.B. Eigen- oder Ortsnamen, Bekleidungsstück Top, TOP ‚Tagesordnungspunkt‘) wurden schließlich die ersten 1000 Treffer ausgewertet.

Die Hauptverwendungsweisen, die sich für Top(-)/top(-) im DeutschenDeutsch aus dieser Korpusabfrage ergeben, sind demnach 1. top als Substantiv (1,0 %), 2. Verbindungen vom Typ Top Ten (14,9 %), 3. top in Kombination mit Substantiv (62,7 %) oder 4. mit Adjektiv (4,0 %), 5. top in prädikativer Position (11,2 %), 6. adverbial gebrauchtes top (3,4 %) und schließlich 7. parenthetisches top, dessen Gebrauch mitunter einer Interjektion ähnelt (0,9 %). Die sonstigen 1,9 % ergeben sich aus entlehnten Formen, zumeist Phrasen, die zwar nicht als irrelevant gewertet wurden, aber keinem der zuvor genannten Typen entsprechen, z.B. in den folgenden Beispielen (7–9):


(7)Und die werden dermaßen over the top sein müssen, weil man in Teil 3 ja auch schon richtig geklotzt hat. (DECOW2012-C06X7M: 15972390)
(8)Wäre vieleicht mal Zeit die gängigen Verfahren irgendwo on Top zusammenzufassen, damit sich nicht immer wieder neu Leute zu tode googlen müssen. (38629303)
(9)Das Boot ist äußerst kippstabil und das Hinterteil bleibt – im Gegensatz zu allen anderen getesteten sit on top trocken. (4456254)

Bei den wenigen Belegen für ein Substantiv Top handelt es sich in allen Fällen um EntlehnungenEntlehnung oder Zitate aus dem Englischen, wohlgemerkt mit Bedeutungsnuancen:


(8)Tops und Flops spare ich mir dann mal, war ja nicht da. (1202387)
(9)Mitte 2009 endete ein fünfjähriger Abwärtstrend im US Leading Indicator, er notiert heute auf Allzeithoch und in der prozentualen Veränderung gegen Vorjahr mit aktuell +8.70 % nahe dem 2004er Top beim Anstieg mit max. +9.73 %. (18413832)
(10)Der „top of the hill – die Gipfelhöhe des Berges“ ist das Ziel. (10694167)
(11)überwiegend 20 Fuß-Container: geschlossen, Flat, Open Top und Tankcontainer. (10163324)

Während Top in (8) für den ‚Gegenteil eines Reinfalls‘ bzw. eines Flops steht (Tops und Flops sowie top oder flop sind übliche Kollokationen), ist in (9) ein ‚Hoch‘ gemeint, in diesem Fall in Bezug auf eine Börsennotierung. In beiden Fällen handelt es sich um abstrakte Bedeutungen, während in den Beispielen (10) und (11) ein konkreter oberer oder oberster Teil von etwas bezeichnet wird: in (10) eine Bergspitze, im Beispiel ein englischsprachiger Einwurf, in (11) die Oberseite eines Containers. Die geringe Zahl an Belegen, in denen Top substantivisch gebraucht wird, bestätigt die Annahme, dass das produktiv verwendete dt. Top(-)/top(-) in Zusammensetzungen, also als LehnpräfixLehnpräfix, ins Deutsche importiert wurde.

 

Mit knapp 15 % der Belege machen Fälle des Typs Top Ten eine ziemlich große Untergruppe aus. Auffällig ist, dass die Zahl meist als Ziffer geschrieben wird wie in (12); in den wenigen Belegen, wo ein Zahlwort verwendet wird, ist Letzteres in unserem Material immer englisch wie in (13):


(12)Hier finden Sie die Top 10 der Sportwagen. (1862175)
(13)„Das Leistungszentrum gehört sicherlich zu den Top Five der Liga“, sagte Todt, der zuvor in gleicher Funktion beim Hamburger SV tätig war. (26262887)

Auch wenn eine nachfolgende deutsche Zahl absolut denkbar ist und auch generell in der geschriebenen und gesprochenen Sprache begegnet (z.B. Top drei), so scheint dieser Typus doch weniger verbreitet zu sein, jedenfalls in den dem Korpus zugrunde liegenden Texten. Hier hat sich anscheinend ein kompositionelles SchemaSchema herausgebildet, das produktiv genutzt werden kann: [Top x] ‚die obersten x‘, wobei x die Variable einer (gewöhnlich englischen) Zahl repräsentiert.

Die mit Abstand größte Gruppe stellen mit 62,7 % Kombination von Top(-)/top(-) mit einem Substantiv dar. Eine Frage, auf die es später noch näher einzugehen gilt, ist, ob wir es in allen Fällen mit KompositaKompositum zu tun haben, da es oftmals Getrenntschreibungen gibt, bei denen top auch den Status eines unflektierten AdjektivsAdjektiv, unflektiertes in prädikativer Position innehaben könnte:


(14)Auch wenn er momentan nicht in top Verfassung ist, wird er sicher schon bald wieder zu Normalform zurückkehren – was bei ihm regelmäßig Weltklasse heißt. (27945907)

Generell treffen wir bei den Top(-)/top(-)-Substantiv-Kombinationen eine große graphematische Varianz an: Von den 627 Belegen sind 249 (oder 39,7 %) Zusammenschreibungen, 229 (36,5 %) Kombination mit Bindestrich und 149 (23,8 %) Getrenntschreibungen. Da in vielen Fällen keine normgerechte Groß- bzw. Kleinschreibung angewandt wird, könnte man anhand von belegten Schreibweisen wie Topthema, TopSpieler, topmodell; Top-Ereignis, top-laune, TOP-Beratung, top-Boxer; Top Unterkünfte, top Zustand, TOP Notebook, top nudelholz, topp Qualität usw. durchaus noch mehr Unterscheidungen vornehmen. Zumindest teilweise scheint sich hier die wachsende Tendenz zur Getrenntschreibung von KompositaKompositum bemerkbar zu machen, die nicht nur für das Deutsche, sondern auch für das Niederländische und Schwedische gilt und meist mit dem Einfluss des Englischen begründet wird (vgl. zum DeutschenDeutsch: Scherer 2012); ob eventuell eine vom gewöhnlichen Betonungsmuster für Komposita abweichende Prosodie vorliegt, ist dem geschriebenen Material nicht zu entnehmen. Auffällig ist, dass bei mehr als 30 % aller Belege der Top(-)/top(-)-Substantiv-Kombinationen das Zweitglied ebenfalls aus dem Englischen stammt. In den meisten Fällen wurde das KompositumZusammensetzung (siehe auch Kompositum) wohl als Ganzes entlehnt, andere Zusammensetzungen könnten dagegen im Deutschen selbst gebildet worden sein (Topseller, Topmodel, Top-Rating, Top-Management, Top-College, Top Act, Topservice, Topdesign, u.v.a.m.). Auch dies ist ein relativ klares Indiz für die Herkunft dieser produktiv genutzten Wortbildungseinheit.

Adjektivische KompositaKompositum bzw. Kombination von top- mit (genuinem) Adjektiv machen dagegen nur 4,0 % der Belege aus (top-Partizip-Kombinationen werden unter dem adverbialen Gebrauch eingeordnet), von denen topfit sowie topaktuell die frequentesten Types sind. Auch hier trifft man auf eine nur teilweise normgerechte Varianz im Schriftbild:


(15)Wir waren heute von Beginn topfit. (1316925)
(16)Sonst bin ich Top-Zufrieden. (12055781)
(17)Dort sind die wichtigsten Stationen top sauber und die Verkleidungen der Säulen bestehen aus schicken, glänzenden Lochblechen. (16056799)

Eine weitere häufig vertretene Verwendungsweise stellt das ungebundene top in prädikativer Position dar (11,2 %), das allem Anschein nach wie ein Adjektiv verwendet wird. Wiederum stößt man auf Varianz in der Schreibung; Abweichungen von der häufigsten Form top liegen etwa in den folgenden Belegen vor:


(18)Die Story ist wahrlich in dem fall einzigartig gegensätzlich … und sogar die Deutsche Syncronisation ist Top! (24211933)
(19)Aber ansonsten finde ich: echt topp! (13930915)
(20)Die Flugeigenschaften sind absolut TOP. (9081980)

Bei den Fällen mit großgeschriebenem Top lässt sich kein semantischer oder funktionaler Unterschied zum viel geläufigeren top erkennen; dass es sich hier um ein Substantiv handelt, ist unwahrscheinlich. Vorangestellte Modifizierer wie in (19) sind ein weiteres deutliches Indiz für Adjektivstatus.

Ein adverbial gebrauchtes Adjektiv top liegt beispielsweise in Fällen wie den folgenden vor (3,4 % der Belege):


(21)Und … es ist alles top verlaufen! (10094668)
(22)Man muss mal bedenken dass viele Politiker wirklich topausgebildete Menschen sind … die in der freien Marktwirtschaft wesentlich mehr verdienen würden. (27256128)
(23)Sie hat einen hervorragenden AF, tollen Sucher und das Gehäuse ist top verarbeitet. (2900469)

Diese Gebrauchsweisen zeigen, dass sich im DeutschenDeutsch tatsächlich ein, wenn auch defektives, Adjektiv top herausgebildet hat, das zumindest in adverbialer und prädikativer Verwendung produktiv genutzt werden kann. Problematischer ist die Interpretation bezüglich des attributiven Gebrauchs: In Fällen wie top Verfassung lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob wir es nicht bloß mit einem fälschlicherweise getrenntgeschriebenen KompositumZusammensetzung (siehe auch Kompositum)Kompositum zu tun haben (d.h. mit einer Abweichung vom normgerechten Topverfassung oder Top-Verfassung). Denkbar wäre hier auch ein abweichendes Betonungsmuster: Nicht das kompositionelle Erstglied top, sondern Verfassung würde dann den Hauptakzent tragen, so dass eine Nominalphrase mit unflektiertem Adjektiv in attributiver Position vorliegen könnte. Zweifelsfrei um ein Adjektiv handelt es sich, wenn top Flexion zeigt (vgl. Fußnote 1). Belege solcher Art lassen sich durchaus mithilfe einer Google-Suche finden, zahlreich sind sie jedoch keineswegs – auch unsere Korpusabfrage hat kein einziges flektiertes Adjektiv top ergeben. Fälle, in denen ein adjektivisches top flektiert wird, erscheinen stilistisch stark markiert und sind teilweise wohl auch humoristisch intendiert:


(24)Ich sag nur toppes Wetter, toppe Bootstour, toppe Leute, TOP! (www.matzeinparis.blogspot.be/2008/03/erasmus-bootstour.html [01.06.2014])
(25)Küche top, Service sogar noch topper (www.tripadvisor.de/ShowUserReviews-g190454-d905456-r127420956-Stadtwirt-Vienna.html [01.06.2014])
(26)Welches Topmodel war am topsten? (www.spiegel.de/spam/a-767877.html [01.06.2014])

Als vorläufige Hypothese lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass wir im Falle des ungebundenen adjektivischen top einen unvollständigen KategorienwechselKategorienwechsel beobachten können. Unabhängig von der zugrunde liegenden Wortart im Englischen liegt zunächst ein gebundenes WortbildungselementWortbildungselement vor, sozusagen ein „LehnpräfixLehnpräfix“. Die ursprüngliche hierarchische Bedeutung wurde um eine qualitative Lesart erweitert, so dass top problemlos als Prädikatsnomen gebraucht werden kann; die Parallele zu ähnlich augmentativ-evaluativ verwendeten Elementen wie z.B. Hammer/hammer, Schrott/schrott, Bombe/bombe, die mit derselben evaluativen Bedeutung als kompositionelles Erstglied sowie frei auftreten und dabei eingeschränkt adjektivische Züge tragen (Pittner/Berman 2006; Berman 2009) ist offensichtlich. Diese Funktion kann auch als Ursprung eines adjektivisch gebrauchten top angenommen werden; ebenso wie bei den adjektivischen hammer, schrott, bombe usw. ist dieser Kategorienwechsel allerdings bisher nur unvollständig vollzogen worden, was sich daran niederschlägt, dass Flexion nur bedingt möglich ist bzw. von Muttersprachler/innen häufig als inakzeptabel angesehen wird.

Abschließend erwähnt werden müssen noch die wenigen Fälle (0,9 %) des parenthetischen top, das ähnlich einer Interjektion verwendet wird, was einer Einordnung als freies Adjektiv zumindest nicht widerspricht:


(27)Sowas von genial, sowohl Landschaft, action als auch gefilme … Top! (14575036)

4 Zum kategorialen Status von dt. Top(-)/top(-)

Wie eingangs bereits erwähnt, bereitet die lexikalische Einheit Top(-)/top(-) in herkömmlichen theoretischen Ansätzen der Wortbildungsforschung Probleme bei der kategorialen Einordnung. Lohde (2006) zählt das Erstglied Top- in KompositaKompositum beispielsweise zu den Konfixen, also nichtnativen Morpheme, die zwar basisfähig, aber gebunden sind (z.B. Proto-, Semi-, Neo-, Vize-; als native KonfixeKonxif werden bisweilen Schwieger- und Stief- angesehen, da sie geringfügig reihenbildend sind und damit keine unikalen Morpheme darstellen; zum Konfixbegriff und -konzept vgl. Michel 2009). Als Kernbereich der Konfixe werden meist Latinismen oder Gräzismen betrachtet, Lohde (2006: 78) zufolge fließen jedoch in den letzten Jahren „auch verstärkt Konfixe aus dem amerikanischen Englisch in das Deutsche mit ein“, wobei er Top- als Beispiel anführt. Allerdings, so Lohde (2006: 79), hat Top- „ebenfalls eine adjektivische Bedeutung (…). Insofern muss hier der Konfixcharakter ebenso bezweifelt werden“. Ähnlich äußern sich Fleischer/Barz (2012: 173): „Das im DeutschenDeutsch zunächst nur gebunden gebrauchte top- ‚Höchst-, Spitzen-‘ wie in Topform, -leistung, -manager, -mannschaft (…) ist inzwischen auch als Substantiv (das Top ‚ärmelloses Oberteil‘) und Adjektiv (er ist immer top gekleidet ‚von höchster Güte, hochmodern‘ (…)) geläufig, sodass Topform, Topleistung usw. nicht mehr als Konfixkomposita gelten können, sondern in den Lesarten ‚Bestform‘, ‚Spitzenleistung‘ als KompositumZusammensetzung (siehe auch Kompositum) aus Adjektiv und Substantiv“.

Bei genauerer Betrachtung unserer Sammlung substantivischer Zusammensetzungen mit Top- als Erstglied vermag eine Bewertung sämtlicher Belege als Substantivkomposita mit adjektivischem Erstglied nicht recht zu überzeugen, da in vielen Fällen Akzentmuster möglich wären, die eher auf einen Zusammenhang mit substantivischen Augmentativbildungen hinweisen (Altmann 2011: 80–81, Fleischer/Barz 2012: 143–145). Während ein adjektivisches Erstglied die Hauptbetonung tragen muss, und zwar auch in Augmentativbildungen (’Groß ̩brand, ’Hoch ̩genuss, ’Höchst ̩geschwindigkeit, vgl. Fleischer/Barz 2012: 158), gibt es für Augmentativbildungen mit substantivischem Erstglied ein ziemlich regelhaft abweichendes Betonungsmuster: ’Affen.hitze, ’Arsch.kälte‚ ‚Bomben.ergebnis, ‚Hammer.film, ‚Spitzen.urlaub. Die betreffenden Erstglieder werden häufig mit dem – nicht ganz schlüssigen, aber verbreiteten – Begriff „AffixoidAffixoid“ bezeichnet: Ähnlich wie KonfixeKonxif nehmen diese WortbildungselementeWortbildungselement eine Zwischenposition zwischen Grundmorphemen und Affixen ein, wobei sie im Gegensatz zu Konfixen allerdings über ein freies Pendant verfügen. Von ihrer freien EntsprechungEntsprechung unterscheiden sich Affixoide semantisch, ihre Bedeutung ist generell abstrakter; PräfixoidePräfixoid wie etwa in den aufgeführten Beispielen dienen oft der evaluativen AugmentationAugmentation. Affixähnlich ist ihre starke Tendenz zur systematischen Reihenbildung, während sie lautlich eher Wörtern bzw. Grundmorphemen ähneln (vgl. u.a. Stein 2008; Elsen 2009; Leuschner 2010; Booij/Hüning 2014).

 

Das Erstglied Top- ließe sich hier ohne Weiteres einordnen. Ähnlich wie das AffixoidAffixoid Spitzen- sowohl Haupt- als auch Nebenbetonung tragen kann (‚Spitzenpolitiker ‚ein Politiker in hoher Position, mit wichtiger Funktion‘ vs. ’Spitzenpo.litiker ‚sehr guter Politiker‘), sind für Zusammensetzungen mit dem Erstglied Top- beide Akzentmuster denkbar: Neben dem gewöhnlichen ’Top.model, ließe sich auch ’Top.model ‚Model, dass seine Arbeit sehr gut macht (aber vielleicht nicht zu den ’Top.models dieser Welt gehört)‘ bilden; möglicherweise spiegelt die bereits angesprochene Getrenntschreibung (man stößt auch auf die Schreibung top Model) diese unterschiedlichen Betonungsmuster wider. Festzuhalten ist, dass wir beim Erstglied Top- in substantivischen Zusammensetzungen PolysemiePolysemie und damit einhergehend potenziell abweichende Betonungsmuster vorfinden. Eine weitere Parallele zu den augmentativ verwendeten substantivischen Erstgliedern ist der Gebrauch einiger dieser WortbildungselementeWortbildungselement als Prädikatsnomen (Das ist Hammer/hammer!), deren Status nicht eindeutig Substantiv oder Adjektiv ist; vielmehr haben wir es mit einem fließenden Übergangsstatus zu tun, der erst durch die Verwendung von Flexion, adverbialen Intensivierern usw. in dem einen oder anderen Sinne geklärt wird (Das ist totalerADJ HammerN vs. Das ist totalINT hammerA; Berman 2009: 107). Als ähnlicher Fall ließe sich Super(-)/super(-) anführen, das genau wie Top(-)/top(-) zunächst ebenfalls nur gebunden gebraucht wurde und inzwischen über eine freie Form verfügt. Auch Super- kann, wie andere Augmentativa, in Substantivkomposita sowohl Haupt- als auch Nebenbetonung tragen (Grzega 2004).

Allem Anschein nach ist die Suche nach einer Kategorie für die jeweiligen Elemente nicht recht zielführend. Statt Kategorien wie Substantiv, Adjektiv, PräfixPräfix, KonfixKonfix, AffixoidAffixoid usw. sollte man Funktionen in den Blick nehmen; eine Wortartzuordnung mag einen deskriptiven Nutzen haben, der theoretische Gewinn ist jedoch fragwürdig. Wie im folgenden Abschnitt herausgearbeitet werden soll, bietet der konstruktionsmorphologische Ansatz die Möglichkeit, semantische, formale und funktionale Aspekte auf eine theoretisch fundierte Weise gleichermaßen zu berücksichtigen, wobei auch die PolysemiePolysemie von ursprünglich homogenen Wortbildungs- oder Kompositionsmustern erfasst werden kann.