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Wortbildung im Deutschen

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3 Daten und Analysemethode

Für die vorliegende Analyse wird das von Johansson (2003: 39) beschriebene Modell eines bidirektionalen parallelen Korpus verwendet, das sich aus Original- und Übersetzungstexten der zu vergleichenden Sprachen zusammensetzt. Das eigens zusammengestellte Korpus besteht aus 13 deutschen und 15 thailändischen zeitgenössischen Kurzgeschichten und deren Übersetzungen in die jeweilige andere Sprache. Im Korpus sind vier verschiedene Texttypen vorhanden: deutsche Originaltexte, deutsche Übersetzungstexte, thailändische Originaltexte und thailändische Übersetzungstexte. Die deutschen Kurzgeschichten stammen von 13 Autoren und 13 Übersetzern, während die thailändischen Kurzgeschichten von 13 Autoren verfasst und von 3 Übersetzern ins Deutsche übersetzt wurden. Insgesamt umfasst das Korpus also 56 Texte, die zwischen 1980 und 2008 erschienen sind.

Den Ausgangspunkt der vorliegenden Analyse bildet die thailändische Sprache. Im ersten Schritt wurden aus den thailändischen Texten alle Belege von Reduplikationen herausgearbeitet, anschließend wurde nach ihren Entsprechungen im deutschen Korpus gesucht. Jeder Beleg im Gesamtkorpus wird mit einer Abkürzung der Autorennamen, Nummer des Belegs und entweder O (Original) oder Ü (Übersetzung) gekennzeichnet. So bezieht sich [JH-1_O] beispielsweise auf Beleg Nr. 1 aus der Kurzgeschichte der Autorin J.H. (Judith Hermann) in der Übersetzungsversion, während sich [JH-1_Ü] auf die entsprechende Äußerung im thailändischen Übersetzungstext bezieht.

4 Ergebnisse
4.1 Übersicht der thailändischen Reduplikationen bei den einzelnen Kurzgeschichten

Allein die Anzahl der Reduplikationen macht es deutlich, dass die Reduplikation ein wichtiges Wortbildungsverfahren im Thailändischen ist. Während die Anzahl der deutschen Reduplikationen bei etwa 100 liegt, kommt in einem thailändischen Text fast auf jeder Seite mindestens eine Reduplikation vor. Im untersuchten Korpus, das insgesamt ca. 144150 thailändische Wörter umfasst, liegt der prozentuale Anteil der Reduplikationen bei ca. 1 Prozent (1,01 % im Originaltext und 0,81 % im Übersetzungstext).

Im Gesamtkorpus der thailändischen Texte lassen sich 1562 Reduplikationen (Tokens) finden, und zwar 687 Tokens in thailändischen Originaltexten und 875 Tokens in thailändischen Übersetzungstexten. Es handelt sich um insgesamt 334 Lexeme (Types). Die Anzahl der Types und Tokens in jeder einzelnen Kurzgeschichte wird in Tab. 1 dargestellt:


Thailändisch = AusgangsspracheDeutsch = Ausgangsprache
WerkTypesTokens%WerkTypesTokens%
SK121675.00AG253767.57
PT202676.92UP5512544.00
WL427853.85SS335560.00
KS345462.96JE194146.34
An11417563.43HK293485.29
SP121675.00FH131681.25
Sri141973.68DK325954.24
PS183060.00JF5411049.09
WC151788.24RR386261.29
An2809386.02MB385667.86
AT142263.64NE55100.00
PB294663.04KV375962.71
AT2202580.00JH6921631.94
VN315259.62875
NP151883.33
687

Tab. 1

Anzahl der Types und Tokens der thailändischen Reduplikationen im Korpus

Wenn man den prozentualen Anteil der Types im Vergleich zu den Tokens in jeder einzelnen Kurzgeschichte berechnet, dann ist es bemerkenswert, dass die Texte mit dem Thailändischen als Ausgangssprache mehr Varianten von Reduplikationen aufweisen (53,85–88.24 %, durchschnittlich 70,98 %), während die Anzahl bei thailändischen Übersetzungstexten einen niedrigeren Anteil bildet (31,94–100 %, durchschnittlich 62,43 %).

Da die Reduplikation in vielen Sprachen dazu dient, die Wortart der Basisform in eine andere Kategorie zu wechseln, werden alle hier untersuchten Tokens auch nach Wortart sortiert. Jedoch ist es im Thailändischen kaum möglich ohne syntaktische Kriterien die Wortart eines Wortes zu bestimmen, denn es gibt keine sicheren morphologischen Kriterien dafür. In der ersten Phase der Analyse wird zunächst jeder Typ allen möglichen Wortarten zugeordnet. Bei den Reduplikationen selbst handelt es sich eigentlich vorwiegend nicht um eine Wortartbestimmung, sondern um die Klassifizierung nach der syntaktischen Funktion in jedem einzelnen Kontext. Deshalb werden in der folgenden Tabelle links die möglichen Wortarten jedes einzelnen Types und rechts die aufgetretenen syntaktischen Funktionen im Korpus dargestellt.


Wortart(en) der BASWortart(en)/syntaktische Funktion(en) der RED
1AdjektivAttribut, Adverbial
2AdverbAdverbial, Attribut
3VerbPrädikat, Attribut, Adverbial
4SubstantivSubjekt/Objekt, Attribut
5PräpositionPräposition, Attribut, Adverbial
6PronomenSubjekt/Objekt
7KonjunktionKonjunktion
8Adjektiv, AdverbAttribut, Adverbial
9Adjektiv, SubstantivAttribut, Subjekt/Objekt
10Adjektiv, PräpositionPräposition, Adverbial
11Adjektiv, VerbAttribut, Adverbial, Prädikat
12Adjektiv, Adverb, SubstantivAttribut
13Adjektiv, Adverb, PräpositionAttribut
14Adjektiv, Adverb, VerbAttribut, Adverbial, Prädikat
15Adjektiv, Adverb, Präposition, VerbPräposition, Adverbial
16Adjektiv, Substantiv, VerbAttribut
17Adverb, Substantiv, PräpositionPräposition
18Adverb, PräpositionAdverbial
19Adverb, Präposition, VerbAttribut
20Präposition, SubstantivPräposition, Subjekt/Objekt, Adverbial

Tab. 2

Wortart(en) der Basisform im Vergleich zur Wortart oder zu(r) syntaktischen Funktion(en) der Reduplikation

Im untersuchten Korpus der thailändischen Sprache lassen sich Reduplikationen fast aller möglichen Wortarten finden. Vor allem, wenn es sich um Formen handelt, deren Wortartstatus nicht eindeutig ist, weil sie je nach Verwendungskontext überwiegend mehr als einer bestimmten Wortart zugeordnet werden können, liegt häufig der adverbiale oder attributive Gebrauch vor. d.h. die meisten thailändischen Reduplikationen im Korpus fungieren syntaktisch überwiegend als Adverbien oder Adjektive. Abb. 1 stellt den Anteil verschiedener Wortarten bzw. syntaktischer Funktionen der im thailändischen Korpus gefundenen Reduplikationen dar. Es sei anzumerken, dass die Wortart der Reduplikationsbelege nur syntaktisch bestimmbar ist. Deshalb handelt es sich nicht um einen klassischen Wortartwechsel, der ein bestimmtes morphologisches Merkmal aufweist, wie etwa die Nominalisierung auf -ung im Deutschen (z.B. erheben vs. Erhebung) oder die Suffigierung mit -ly im Englischen, die häufig verwendet wird, um ein Adverb aus einem Adjektiv zu bilden (z.B. beautiful vs. beautifully). Präpositionen und Konjunktionen nehmen im Gegensatz zu anderen Wortarten nie alleine eine syntaktische Funktion ein.

Abb. 1

Wortarten bzw. syntaktische Funktionen der thailändischen Reduplikationen im Korpus

4.2 Funktionen der thailändischen Reduplikationen und ihre Entsprechungen im Deutschen
4.2.1 Konstruktion einer neuen Bedeutung

Bei dieser Funktion entsteht durch die Reduplikation ein neues Wort mit einer völlig anderen Bedeutung. Für manche Formen lässt sich die metaphorische Übertragung von der Bedeutung der Basis noch feststellen, jedoch gibt es überwiegend keinen direkten Zusammenhang mit der Basisform mehr. Im Korpus findet man z.B. folgende Reduplikationen:


(1)cìt-cajkhɔ̌ːŋkhǎwkhɔ̂j-khɔ̂jsaŋòploŋ [WL_O-8]
Geistvonerdann-dannruhigabsteigen
‚Seine Gedanken beruhigten sich allmählich‘
(2)phɔ̂:phɯ̂ŋsɯ́:mɔ̂:ma:jòk-jòk [WL_O-8]
VatererstkaufenTopfkommenJade-Jade
‚…, den Papa gerade erst gekauft hat‘

Bei der Entstehung einer völlig neuer Bedeutung handelt es sich oft um feste Redewendungen. Manchmal resultiert die neue Bedeutung nicht sofort nach dem Reduplikationsprozess, sondern durch die Verbindung der reduplizierten Form mit einem anderen sprachlichen Element. Das Wort rew bedeutet beispielsweise ‚schnell‘, aber mit dem Deiktikum ní: ‚dies‘ als rew-rew-ní: bedeutet es entweder ‚neulich‘ oder ‚bald‘.

 

4.2.2 TranspositionTransposition

Reduplikation wird oft verwendet, um die Wortart der Basisform in eine andere zu ändern, beispielsweise im Indonesischen. Durch die Reduplikation des Wortes pagi (‚Morgen‘) ist pagi-pagi (‚früh am Morgen‘) entstanden (Rubino 2005: 21). Solche Transposition lässt sich in dem hier analysierten Korpus ebenfalls finden, wie in der folgenden Tabelle ersichtlich ist.


TypesWortart der BasisWortart der Reduplikation1
cù:-cù:V. (‚angreifen‘)Adverb (‚plötzlich‘)
lû:ak-lû:akV (‚blanchieren‘)Adverb (‚nachlässig‘)
wan-wanN (‚Tag‘)Adverb (‚tagelang, Tag für Tag‘)

Tab. 3

Der durch die Reduplikation ermöglichte Wortartwechsel

Mehrheitlich findet man im Korpus die Transposition von einer anderen Wortart (v.a. Verb und Präposition) zu einem Adverb (d.h. das Wort wird in der Funktion eines Adverbials verwendet). Durch die Reduplikation entsteht ein Adverb bzw. Adverbial mit einer anderen Bedeutung:


(3)tɛ̀:lɛ’:wcù:-cù:rɯ̂:aŋkɔ̂:ŋî:aphǎ:j [VN_O-46]
aberdannangreifen-angreifenSachedannstillverschwinden
‚Aber dann wurde es sehr plötzlich ganz still um die Sache‘

Die Transposition von einer Präposition zu einem Adverb erlaubt es, die Reduplikation ohne jegliche Nominalphase zu gebrauchen. Im Deutschen kann das Adverbial z.B. durch eine Verbpartikel ausgedrückt werden:


(4)khànàthî:tu:atalòkdɯŋpâ:jcho:rɔ̂:p-rɔ̂:p [UP_Ü-57]
währendClownziehenSchildzeigenum-um
‚während der Clown es herumzeigt‘

Bei Wörtern, die entweder als Verb, Adjektiv oder Adverb fungieren können, ist es anzumerken, dass die Reduplikationen meistens nicht mehr als Verb fungieren bzw. nicht allein das Prädikat bilden können, sondern nur gemeinsam mit einem Hauptverb. Die reduplizierte Form tritt meistens als Adverbial oder Attribut auf. Jedoch scheint diese Restriktion nicht allgemeingültig zu sein. Interessanterweise ist die Bedingung hierfür immer ganz unterschiedlich, z.B. dürfen manche Formen nur mit unbelebtem Subjekt kombiniert werden.


(5)phǒmkhɔ̌ːŋkɛ:ba:ŋ-ba:ŋŋɔ̀:kmòtlɛ́:w [HK_Ü-16]
Haarvonerdünn-dünngrau werdenalleschon
‚der trug dünnes weißes Haar‘

Das Phänomen, dass Reduplikation das syntaktische Verhalten eines Wortes beeinflusst, kommt in anderen Sprachen ebenfalls vor, z.B. im Chinesischen. Yang (2001) zufolge können im Chinesischen die syntaktischen Funktionen von Reduplikationen einiger einsilbigen Adjektive eingeschränkt werden. Das Adjektiv hao (‚gut‘) kann beispielsweise syntaktisch als Prädikat, Attribut, Adverbialbestimmung oder Kompliment dienen, während seine reduplizierte Form nur als Adverbialbestimmung fungieren kann.

Aus Tabelle 1 in Kapitel 4.1 lässt sich feststellen, dass nur bei Pronomen und Konjunktionen kein Wortartwechsel innerhalb derselben Wortart entsteht. Jedoch sei hier anzumerken, dass bei Pronomen allerdings ein Klassenwechsel vorkommen kann. Eine multifunktionale Form wie z.B. khrai (wörtlich ‚wer‘) kann, genauso wie im Deutschen, je nach Kontext unterschiedlichen Subtypen der Pronomina zugeordnet werden2, jedoch fungiert die reduplizierte Form khraj-khraj (wer-wer) eindeutig als Indefinitpronomen und bedeutet ‚jeder‘. Hier bleibt der Gebrauch als das Interrogativum wer ausgeschlossen.

4.2.3 PluralisierungPluralisierung und DistributionDistribution

Die Reduplikation dient in vielen Sprachen der Pluralisierung (Iturrioz-Leza/Skopeteas 2000: 1061). Fabricius (1998: 60) betrachtet Pluralisierung als die häufigste Funktion der Reduplikation von Nomina in australischen Sprachen. Im Korpus lassen sich ebenfalls Reduplikationen finden, die im Thailändischen die Pluralität markieren. Da Numerus keine obligatorische grammatische Kategorie für Substantive im Thailändischen ist, lassen sich alle Substantive, die nicht weiter modifiziert werden, sowohl als Singular als auch als Plural interpretieren, wenn sie zählbar sind. Bei reduplikativen Formen ist jedoch lediglich die Pluralbedeutung akzeptabel.


(6)phǒmlâwsù:phɯ̂:an- phɯ̂:an [AT2_O-11]
IcherzählenzuFreund-Freund
‚Ich erzählte es meinen Freunden‘

In der folgenden Tabelle werden alle Substantive aufgezeigt, die im Korpus vorkommen und die durch die Reduplikation eine Pluralbedeutung erwerben. Eine Modifikation mit Singularbedeutung ist nicht mehr möglich.


TypesBedeutung der BasisBedeutung der Reduplikation
dɛ̀k-dɛ̀k‚Kind‘, ‚Kinder‘‚Kinder‘
lû:k- lû:k‚Kind‘, ‚Kinder‘‚Kinder‘
phɯ̂:an- phɯ̂:an‚Freund‘, ‚Freunde‘‚Freunde‘
sǎw-sǎw‚junge Frau‘, ‚junge Frauen‘‚junge Frauen‘
nùm-nùm‚junger Mann‘, ‚junge Männer‘‚junge Männer‘
jâ:t- jâ:t‚Verwandte/r‘ (Sg), ‚Verwandte‘ (Pl)‚Verwandte‘ (Pl)

Tab. 4

Durch Reduplikation pluralisierte Substantive im Korpus

Die Verdoppelung von Wortmaterial gilt als produktives Mittel für den Plural (Robino 2008), weshalb die Pluralisierung als eine prototypische Funktion von Reduplikationen gilt. Die Pluralbildung von Substantiven durch Reduplikation ist im Thailändischen jedoch ziemlich eingeschränkt. Es lassen sich nicht einfach beliebige Substantive durch die Reduplikation pluralisieren, sondern nur bestimmte Substantive, die m.E. zum Grundwortschatz des semantischen Feldes „Mensch“ gehören. Andere Substantive, mit denen man durch Reduplikation eine Pluralform bilden kann, sind einige Verwandtschaftsbezeichnungen wie z.B. pâ:-pâ: (‚Tante-Tante‘ = ‚Tanten‘, ‚ältere Frauen‘) luŋ-luŋ (‚Onkel-Onkel‘ = ‚Onkel‘, ‚ältere Männer‘).

Anders als ein Adjektiv wie lǎ:j-lǎ:j ‚mehrere‘, das wegen seiner Semantik naturgemäß ein pluralisiertes Bezugswort verlangt, ist die Eigenschaft nur Pluralsubstantive zu attribuieren bei einigen Adjektiven erst durch die Duplikation entstanden. Dies ist in Tabelle 5 ersichtlich:


TypesBedeutung der BasisBedeutung der Reduplikation
ɯ̀:n-ɯ̀:n‚ander-‘ (+ Sg/Pl-NP)‚ander-‘ (+Pl-NP)
rɛ̂:k-rɛ̂:k‚erst-‘ (+ Sg-NP)‚erst-‘ (+Pl-NP)

Tab. 5

Durch Reduplikation pluralisierte Adjektive im Korpus

Im Zusammenhang mit der Pluralität steht die Funktion der Distribution. Häufig wird behauptet, dass es sich bei Pluralbedeutung um eine von den zwei unterschiedlichen Dimensionen handelt: kollektiv oder distributiv. Kiyomi (1995: 1154f.) berechnet in einer Stichprobe von 23 malayopolynesischen Sprachen, dass acht Sprachen u.a. den allgemeinen Plural und ebenso viele Sprachen den distributiven Plural durch Reduplikation ausdrücken.

Die Distribution entsteht im Thailändischen durch die Reduplikation des Wortes thúk (‚jed-‘). Anzumerken ist allerdings, dass die Distribution in der Tat nicht erst durch die Reduplikation entsteht, sondern bereits in der Semantik dieses Wortes verankert ist. Die Reduplikation hebt die Distribution nur hervor. Bei Substantiven, die Zeitangaben sind (wie Tag, Nacht, Stunde usw.), lässt sich hingegen die Pluralbedeutung im distributiven Sinne feststellen. Die Reduplikation von solchen Substantiven ist oft zweideutig. Sie implizieren die Länge als kollektive Einheit, i.e. mehrere X, oder die Wiederholung dieser Zeitangabe als X und X und X. Deutsche Entsprechungen von wan-wan ‚Tag-Tag‘ sind deshalb sowohl ‚tagelang‘ als auch ‚Tag für Tag‘.

4.2.4 Intensivierung & Extra-Intensivierung

IntensivierungIntensivierung ist ein semantisch-funktionales Phänomen der Gradspezifikation. Reduplikativkomposita liegt häufig auch eine Intensivierung zugrunde (Elsen 2011: 66). Dass Reduplikation diese Funktion übernehmen kann, ist ebenfalls sprachübergreifend üblich. Nach Raciene (2013: 128), die sprachliche Ausdrucksmittel der Intensivierung von Eigenschaften im Deutschen mit denen im Litauischen verglichen hat, stellt die Verdoppelung des Adjektivs im Litauischen eine weitere Möglichkeit der Wiedergabe deutscher Intensivierungskomposita dar. Ähnliche Strukturen kommen in anderen Sprachen vor, so werden z.B. deutsche verstärkende Bildungen durch Verdoppelung eines Adjektivs ins Rumänische übersetzt, wobei die zweite Form ein Diminutiv ist. Auch Müller (2003) bestätigt, dass Reduplikationen von Adjektiven oft der Bedeutungsverstärkung dienen; die entstehenden Ausdrücke entsprechen dem Elativ der Adjektive.

Bei Reduplikationen im Thailändischen kommt die Intensivierung ebenfalls häufig vor, jedoch ist bei dieser Funktion nie eindeutig zu bestimmen, ob es sich um Intensivierung oder Abschwächung handelt, ohne phonetische Eigenschaften (Betonung, Vokalausdehnung usw.) zu betrachten. In der Schriftsprache hängt die Interpretation zum Teil von der Semantik der Adjektive ab. Die Intensivierung ist insbesondere auffällig, wenn die jeweiligen Ausdrücke modal markiert werden, z.B. durch den Imperativ:


(7)bɔ̀:khâjɔ̀:kpajrew-rew [PT_O-16]
sagengebenhinausgehengehenschnell-schnell
‚Schnell, geh schnell weg!‘

Auch die Entsprechung dieser Reduplikation in der deutschen Übersetzung stellt eine Wiederholungsstrategie dar, jedoch nicht auf der morphologischen Ebene. Bei einigen Types lässt sich die Intensivierung eher von ihrer Semantik ableiten, wie bei dem oben dargestellten Beispiel und bei mâ:k-mâ:k (‚viel-viel‘ = ‚sehr‘, ‚sehr viel‘). Ein interessantes Beispiel ist die Reduplikation rɯ̂:aj-rɯ̂:aj, die auf die Basisbedeutung von rɯ̂:aj 1 als ‚immer‘ zurückgeht. Deutsche Entsprechungen sind u.a. ständig, regelmäßig, zunehmend.

Nur ein einziger Beleg für die Extra-Intensivierung tritt im untersuchten Korpus auf. Diese Funktion wird durch die Hervorhebung des Tons der ersten Silbe deutlich gemacht. In der deutschen Übersetzung wird die Reduplikation nicht wortwörtlich, sondern durch eine bildliche Beschreibung übertragen. Die Intensivierung wird durch die Negation an zwei Stellen ausgedrückt:

 

(8)mɯ̂:akísǔ:ankàpmɛ̂:kɔ̂:tham:chɤ́:j- chɤ̌:j [An_O-75]
SoebendurchkreuzenmitMutter (ich)PRTtunGesichtgleichgültig
‚Als er gerade an mir vorbeiging, hat er nicht eine Miene verzogen und kein Wort gesagt.‘

4.2.5 AbschwächungAbschwächung und ReduzierungReduzierung des Bestimmtheitsgrads

Die Reduplikation kann nicht nur die Intensivierung, sondern auch die Abschwächung einer Eigenschaft zum Ausdruck bringen. Dass bei der Reduplikation desselben Morphems ganz gegensätzliche Bedeutungen entstehen können, ist sprachübergreifend (vgl. z.B. Rubino 2008). Im Thailändischen findet man ebenfalls diese beiden gegensätzlichen Funktionen im Reduplikationsprozess.

Typologisch kann die DiminutionDiminution als eine Funktion der Reduplikation vorkommen. Die Diminutiva oder Verkleinerungsformen lassen sich m.E. auch unter Abschwächung zusammenfassen. Während man im Deutschen Substantive, sei es belebt oder unbelebt, formal durch Diminutivform verkleinert, lässt sich dieses sprachliche Mittel im Thailändischen bei Adjektiven finden. Die Reduplikation von Adjektiven, die eine geringe Menge oder eine kleine Größe ausdrücken, teilt eine ähnliche semantische Funktion mit dem deutschen Diminutiv:


(9)mi:cùtlék-léksǐ:khǎ:wphùtkhɯ̂nma: [JF_Ü-49]
habenPunktklein-kleinweißauftauchengehen
‚zeichnen sich weiße Pünktchen ab‘

Relevant bei der Abschwächung ist die Funktion der Reduplikation im Thailändischen, den Bestimmtheitsgrad von der Basis zu reduzieren. In Beispiel (10) wird die Unbestimmtheit der Präposition um durch die Reduplikation stärker, ähnlich wie ihre deutsche Entsprechung, wenn man die Präpositionalphase um… mit …herum ergänzt. Nach Bopst (1989: 136) ist herum ein indefinites Richtungsadverb der deutschen Sprache und drückt die Bestimmungslosigkeit aus.


(10)nákthɔ̂ŋthî:awkhɔ̌ːŋthɤ:cànâŋrɔ̂:p-rɔ̂:pkràco:m [JH_Ü-164]
TouristvonsieFUTsitzenum-umZelt
‚sitzen die Touristen um die Zelte herum‘

4.2.6 Wechsel oder Ausdruck der AspektualitätAspektualität

Neben Numerus markieren verdoppelte Elemente eines Wortes auch die verbale Aspektualität, wie z.B. wiederholend und damit intensivierend (Rubino 2008). Der Ausdruck eines bestimmten lexikalischen Aspekts, wie etwa Iterativ lässt sich im Reduplikationsverfahren im Thailändischen ebenfalls finden. Gelegentlich wird der inhärente Aspekt des Basisverbs zu einem anderen gewechselt, wenn es redupliziert wird.


(11)tɛ̀:rɯ̂:aŋthî:tamrù:atsì:na:jchû:ajkan
aberGeschichteRel.PronPolizistvierKLFhelfeneinander
khónhǎ:najsǔ:anlékkracǐwlǐwkôm-kôm-ŋɤ:j-ŋɤ:j
sucheninGartenwinzigsich bücken-sich bücken- aufblicken- aufblicken
:ta:mphûmmá:jlɛ́dòkmá:j [HK_Ü-19]
bleibenentlangBuschundBlume
‚Aber, dass sie schließlich zu viert den winzigen Garten durchsuchten, gebückt zwischen den Sträuchern und dem Blumenbeet standen, …‘

Im obigen Beispiel enthält die Basisform an sich bereits zwei Morpheme; zwei Handlungen, die nicht gleichzeitig erfolgen können. Hier wird nach dem Muster AABB das Basiselement gebildet, wodurch ein Prädikat mit einer iterativen Bedeutung entsteht. Nach Bybee et al. (1994: 125) ist der IterativIterativ die nächstliegende Aspektualtiät der Reduplikation. Es handelt sich hier, wie bei der Pluralbedeutung, um den ikonischen Effekt der Wiederholung eines sprachlichen Elements. Das Wort „Reduplikation“ wird gelegentlich selbst „Iteration“ genannt (Donalies 2007: 68). Beide Begriffe beziehen sich auf eine Wiederholung. Vor allem, wenn es sich um die Wiederholung eines Verbs handelt, bringt die Reduplikation den iterativen Aspekt zum Ausdruck.

Während der Iterativ sprachübergreifend häufig mit der Reduplikation in Zusammenhang steht, ist es bemerkenswert, dass im Thailändischen nicht nur die Iteration, sondern auch ein ganz anderer Verbalaspekt durch die Reduplikation entstehen kann. Jedoch sei hier anzumerken, dass die reduplikative Form syntaktisch nicht als Verb fungiert, sondern die Funktion eines Adverbials einnimmt, wie in Beispiel (12) ersichtlich ist:


(12)tɔ̀:ma::-:kɔ̂:dâjkintɛ̀:cha:khǐ:aw [RR_Ü-22]
dannbeginnenPRTkönnenessennurGrüntee
‚und plötzlich gab es nur noch grünen Tee …‘

Das Basisverb : ist ein Positionsverb. Die Reduplikation führt jedoch zum Wortartwechsel. Als Adverb bedeutet die Reduplikation „plötzlich“ und impliziert statt eines imperfektiven Aspekts die Punktualität. Dadurch, dass man hier zwischen der Basis und der Reduplikation kein Minimalpaar in derselben syntaktischen Umgebung bilden kann, weil sie jeweils eine andere Wortstellung aufweisen, lässt sich vermuten, dass es sich hier wohl um einen besonderen Fall handelt, der schon sehr weit lexikalisiert ist.1