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Wortbildung im Deutschen

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6.2 Verfugung und Kontraktion

Die folgenden zwei Karten rücken einen möglichen Zusammenhang zwischen Verfugung und Kontraktionserscheinungen ins Zentrum der Fragestellung. Kontraktion ist ein vor allem gesprochensprachliches Phänomen, das in den Dialekten besonders konsequent auftritt (cf. Rein 1983: 1148). Untersucht wurden ein (in Teilen des UGs) kontrahiertes simplizisches Erstglied sowie ein (teilweise) kontrahiertes, morphologisch komplexes Erstglied.

Karte 4

Varianz der KompositionsstammformenKompositionsstammform zum Stamm Stuben

Karte 4 fasst die Antwortbelege der Frage 23 des Fragebogens 105 sowie von Frage 8 des Fragebogens 111 zusammen, die jeweils nach der mundartlichen Bezeichnung des Fußbodens in der Wohnstube fragen. In die Datenbank aufgenommen wurden zweigliedrige KompositaKompositum mit dem Erstglied Stuben (insgesamt 214 Belege). Als Stamm wird an dieser Stelle Stuben und nicht der standarddeutsche Stamm Stube gewählt, da die Reduktionssilbe -en in standardsprachlich auf Schwa auslautenden Substantiven ein Merkmal oberdeutscher Dialekte ist (cf. Schmeller/Frohmann 1872/1973: 720, Bd. 2, s.v. die Stuben).

Die Erstglieder wurden unter verschiedenen Aspekten segmentiert und typisiert. Zunächst wurde zwischen kontrahierten und nicht kontrahierten Erstgliedern unterschieden. Der Kontraktionsprozess ist von einer Verlagerung des Akzents auf die betonte Silbe begleitet, was schließlich zu einem Schwund der Reduktionssilbe und zu Kontaktassimilation des Nasals der Silbenkoda führt (cf. Rein 1983: 1152). Für die kontrahierten Formen werden exemplarisch Stum/Stoum genannt. Vokalkürze und -länge sowie die Lautung des Vokalphonems werden von den Gewährspersonen unterschiedlich markiert und wurden im Rahmen der Typisierung nicht berücksichtigt.

Die nicht-kontrahierten Stämme werden in jene mit vokalischem Auslaut (Stuba) und jene mit konsonantischem Auslaut (Stuben), einschließlich der zum Teil assimilierten Stämme (Stubm), unterteilt. Das Areal, in dem die Vokalisierung der Endung -en durchgeführt wird, ist, wie Karte 1 gezeigt hat, relativ geschlossen und ohne Übergangsgebiete. Es ist in Karte 4 grau unterlegt und gibt das Auftreten der nicht verfugten KompositionsstammformenKompositionsstammform Stuba-ø/ Stuber-ø (19 Belege) bzw. Stube-ø/Stube-ø (25 Belege) als Normalfall in diesem Teil des UG wieder. Die Nullfuge ist mit 61,1 % unter den vokalisch auslautenden Kompositionsstammformen gegenüber 38,9 % Belegen mit s-Fuge weitaus häufiger belegt.

Die mit -s- verfugte auf Schwa auslautende KompositionsstammformKompositionsstammform Stube-s (15 Belege) konzentriert sich vor allem auf das südostfränkische Gebiet sowie den Würzburger Raum (cf. Rowley 1997: 108). Die auf [ɐ] auslautenden, mit -s- verfugten Kompositionsstammformen Stuba-s/Stuber-s (13 Belege) sind besonders im schwäbischen Übergangsstreifen, im Ansbacher Raum sowie vereinzelt im südlichen Würzburger Raum frequent.

Die Belege der konsonantisch auslautenden KompositionsstammformKompositionsstammform mit Nullfuge Stuben-ø/Stubm-ø (22 Belege) konzentrieren sich vor allem auf den Nürnberger Raum; weitere vereinzelte Belege sind im restlichen Untersuchungsgebiet verteilt. Der konsonantisch auslautende nicht-kontrahierte Stamm wurde in nur zwei Belegen mit -s- verfugt (Stuben-s).

Die nicht verfugte, kontrahierte KompositionsstammformKompositionsstammform mit Nullfuge Stum- ø ist mit 118 Belegen insgesamt am häufigsten vertreten. Mit 78,7 % ist der Anteil der Nullfuge nach kontrahiertem Stamm in diesem Fall wesentlich frequenter als die s-Fuge mit 21,3 % (32 Belege). Im Falle des simplizischen Erstglieds Stuben lässt sich zusammenfassen, dass die Kontraktionserscheinung die Nullfuge im Gegensatz zur s-Fuge begünstigt. Allerdings bietet die diatopische Verteilung der Verfugung Aufschluss über das Fugenverhalten hinsichtlich dieses Untersuchungsaspekts: Die s-Fuge ist vor allem im Obermain-Raum, im Bayreuther Raum sowie im nördlichen Regnitz-Raum häufig vertreten, während die Nullfuge besonders im Nürnberger Raum, im Gunzenhäuser Raum, im Rehauer Gebiet sowie vereinzelt im Bayreuther Raum belegt ist. Im Bayreuther Raum konkurrieren Null- und s-Fuge teilweise.

Karte 5

Varianz der KompositionsstammformenKompositionsstammform zu den Stämmen Grundbirne, Erdapfel, Erdbirne

Karte 5 fasst das Fugenverhalten nach einem morphologisch komplexen Erstglied zusammen. Für diese Karte wurden die Fragen 23 („mundartlich für die Kartoffelfurchen“) und 29 („mundartlich für die kleinen Küchlein aus geriebenen rohen Kartoffeln“) des Fragebogens 2 in der Datenbank erfasst. Aufgrund des zentralen Aspekts der Fragestellung wurden nur jene Erstglieder in die Wortlisten aufgenommen, die Kontraktionserscheinungen aufweisen. Hierbei handelt es sich um zweigliedrige KompositaKompositum: Grundbirne, Erdbirne und Erdapfel. Die SimpliziaSimplizia Kartoffel und Potacke wurden nicht berücksichtigt (cf. Schmeller/Frohmann 1973: 413, Bd. 1, s.v. Die Pataken; Martin 1963; Arzberger/Rigoll 2006: 258f.), wenngleich auch der Stamm Kartoffel im ofr. Sprachraum eine nicht verfugte und eine mit -s- verfugte KompositionsstammformKompositionsstammform ausgebildet hat.1KompositionsstammformKompositum Alle drei untersuchten Erstglieder wurden hinsichtlich der lautlichen Unterschiede (Kontraktion und Assimilation) typisiert und kartiert. Auch die Unterscheidung von vokalisch im Gegensatz zu konsonantisch auslautenden Stämmen war für die Typisierung relevant.

Der komplexe Stamm Erdbirnen (115 Belege) bildet in allen lautlichen Varianten nur eine KompositionsstammformKompositionsstammform, nämlich mit Nullfuge aus. Die nicht kontrahierte Form (Erdbirn-ø, 22 Belege mit einem relativen Anteil von 19,1 %) sowie die konsonantisch auslautende, kontrahierte Form (Ebirn-ø, 51 Belege; 44,3 %) konzentrieren sich vor allem auf Teile des Nürnberger und des Ansbacher Raums als auch in einem kleinen Teil des nordwestlichen Würzburger Raums, während die vokalisch auslautende, kontrahierte Kompositionsstammform (Ebira-ø, 42 Belege; 36,5 %) entlang der südwestlichen Grenze des Untersuchungsgebiets, im Südostfränkischen sowie im Schwäbischen Übergangsstreifen besonders frequent ist.

Auch die dreisilbige, vokalisch auslautende, kontrahierte Form des KompositumsZusammensetzung (siehe auch Kompositum)Kompositum Grundbirne wird nur mit der Nullfuge verfugt (Grumbira-ø/Grumbera-ø, 90 Belege). Diese Form ist ausschließlich im Würzburger Raum belegt. Die konsonantisch auslautende, kontrahierte, zweisilbige Variante Grumbern (insgesamt 148 Belege) hat dagegen eine mit Null- sowie eine mit -s- verfugte KompositionsstammformKompositionsstammform ausgebildet. Die nicht verfugte Kompositionsstammform Grumbern-ø (126 Belege) überwiegt im Aschaffenburger Raum sowie im Fuldaer Übergangsstreifen. Mit 85,1 % gegenüber der Variante mit s-Fuge (Grumbern-s, 22 Belege) ist sie wesentlich häufiger verteilt. Diese Kompositionsstammform konzentriert sich auf den Fuldaer Übergangsstreifen und konkurriert dort mit der nicht verfugten Variante. Das Areal, in dem das Lexem Grundbirne belegt ist, ist damit relativ geschlossen und auf das Unterostfränkische sowie das Rheinfränkische im Aschaffenburger Raum begrenzt.

Das dritte untersuchte Erstglied, Erdapfel, ist sowohl in der kontrahierten wie in der nicht-kontrahierten Variante mit Null- und s-Fuge belegt. Die dreisilbige, nicht kontrahierte KompositionsstammformKompositionsstammform mit Nullfuge Erdäpfel-ø (171 Belege) ist besonders an der Grenze des unterostfränkischen zum oberostfränkischen Gebiet, im Würzburger Übergangsstreifen, im Regnitz-Raum sowie vereinzelt im Bayreuther Raum verbreitet. Die nicht kontrahierte, mit -s- verfugte Kompositionsstammform Erdäpfel-s (78 Belege) konzentriert sich auf die Region Grabfeld, Teile des Fuldaer Übergangsstreifen sowie den Coburger Raum und den Obermain-Raum und somit den nördlichen Teil des Untersuchungsgebiets. Die zweisilbige, kontrahierte Kompositionsstammform Erpfl-ø (87 Belege) dominiert das nordöstliche Untersuchungsgebiet, insbesondere den Bayreuther Raum, den Obermain-Raum und Teile des Regnitz-Raums. Die kontrahierte mit -s- verfugte Kompositionsstammform Erpfl-s (17 Belege) hingegen ist auf den nördlichsten Zipfel des Obermain-Raums und Teile des Coburger Raums begrenzt.

Insgesamt sind auch in diesem Fall die nicht verfugten KompositionsstammformenKompositionsstammform frequenter als die mit -s- verfugten: Die nicht kontrahierte Kompositionsstammform mit Nullfuge ist mit 68,7 % wesentlich häufiger als die Form mit s-Fuge (31,3 %). Die kontrahierte Kompositionsstammform mit Fugen-s (Erpfl-s) ist mit 16,3 % im Verhältnis zur Nullfuge (83,7 %) noch weniger frequent.

Die Karten 4 und 5 zeigen, dass Kontraktionserscheinungen die Wahrscheinlichkeit der Verfugung mit -s- mindern. Unter Berücksichtigung der für die Standardsprache erläuterten funktionalen Aspekte der s-Fuge (phonologische Optimierung, wenn die SilbenstrukturSilbenstruktur vom trochäischen Ideal abweicht; das Fugen-s als Indikator phonologischer und morphologischer Komplexität) entspricht diese Verteilung der Null- und der s-Fuge nach kontrahiertem Erstglied durchaus dem für die Funktionsweise und Distribution der FugenelementeFugenelement in der Standardsprache gesteckten Rahmen. Bemerkenswert hingegen ist die diatopische Verteilung auf beiden Karten: Obwohl Kontraktionserscheinungen für weitere Teile des Untersuchungsgebiets beschrieben wurden, ist die Verfugung der kontrahierten Stämme mit -s- mit unterschiedlicher Verbreitung jeweils auf den nördlichen Teil des Untersuchungsgebiets begrenzt.

 

6.3 Fugen-s nach derivationsmorphologisch komplexen Erstgliedern

Im Folgenden steht ein Aspekt der Verteilung und der Funktionalität des Fugen-s im Vordergrund, den vor allem neuere Untersuchungen (cf. v.a. Kürschner 2003; Nübling/Szczepaniak 2008) betont haben. Sebastian Kürschner (2003) hat in seiner korpusbasierten Untersuchung gezeigt, dass die derivationsmorphologische Komplexität einen direkten Einfluss auf das Fugenverhalten des Erstglieds hat. Damaris Nübling und Renata Szczepaniak (2008) weisen nach, dass vor allem synchron eine starke Tendenz besteht, Erstglieder mit unbetontem PräfixPräfix mit -s- zu verfugen.

Die Frage, welche Verfugungsvarianten nach einem unbetonten PräfixPräfix belegt sind, kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nur anhand eines einzelnen Falls behandelt werden, da im verwendeten Material keine weitere, einigermaßen aussagekräftige Menge an KompositaKompositum mit derivationsmorphologisch komplexen Erstglied mit unbetontem Präfix belegt ist. Die Datenbank setzt sich aus den Antworten auf die Frage „Mundartlich für die Gabel, mit der man Getreidegarben verlädt“ (Fragebogen 2, Frage 17) zusammen, wobei nur Komposita, die nach dem Muster Getreide-?s-gabel gebildet werden, aufgenommen wurden.

Karte 6

Varianz der KompositionsstammformenKompositionsstammform zum Stamm Getreide

Die insgesamt 339 Belege lassen sich in drei verschiedene KompositionsstammformenKompositionsstammform klassifizieren: Der nicht verfugte, apokopierte Stamm mit Nullfuge Getreid-ø bildet eine sehr umfangreiche Gruppe (153 Belege). Eine zweite, wesentlich kleinere Gruppe besteht aus dem ebenfalls durchgängig apokopierten Stamm Getreid- mit s-Fuge (31 Belege).1 Die dritte Gruppe (155 Belege) besteht aus dem nicht präfigierten Einsilber Treid-ø. Karte 6 zeigt mithilfe von Isoglossen, dass die räumliche Verteilung der drei Formen relativ abgeschlossen und ohne Übergangsgebiete ist: Die nicht verfugte, apokopierte Kompositionsstammform Getreid-ø ist (mit einzelnen Ausnahmen) auf das nördliche Untersuchungsgebiet begrenzt. Die mit -s- verfugte Kompositionsstammform ist nur im Coburger Raum und im westlichen Grabfeld im nördlichen UG belegt. Sie ist unter der präfigierten Kompositionsstammform Getreid-?s mit einem relativen Anteil von 16,8 % weitaus weniger frequent als die Variante mit Nullfuge (83,2 %). Der gesamte südliche Teil des UG ist von der einsilbigen, nicht verfugten Kompositionsstammform Treid-ø dominiert.

Diese Verteilung entspricht einer generellen Tendenz des OstfränkischenOstfränkisch: Der Norden des UG zeigt eine starke Präferenz für das kollektivierende PräfixPräfix Ge-, während im südlichen Rest des ostfränkischen Sprachraums das Präfix getilgt ist. In den Materialien des Ostfränkischen Wörterbuchs finden sich weitere Beispiele dieser Kollektiva, die auf den nördlichen Teil des ostfränkischen Sprachraums beschränkt sind: das Gesims, das Geschweller, das Gemück, das Gebrück.20

Aufgrund der dünnen Materiallage kann an dieser Stelle nur eine Hypothese formuliert werden, die sich auf die Erkenntnisse und Tendenzen der Standardsprache stützt, hinsichtlich des Fugenverhaltens im Dialekt allerdings überprüft werden muss: Derivationsmorphologisch komplexe Stämme mit dem unbetonten PräfixPräfix Ge-, das aufgrund seiner kollektivierenden Semantik im nördlichen Teil des Untersuchungsgebiets besonders frequent ist, werden in einem nur sehr kleinen Gebiet mit -s- verfugt. Simplizische Stämme des Typs Treid-ø bilden hingegen nur KompositionsstammformenKompositionsstammform mit der Nullfuge aus. Inwiefern ApokopierungApokopierung das Auftreten des Fugen-s begünstigt, kann an dieser Stelle nur vermutet werden. Im Falle des apokopierten Stammes Getreid-s markiert das Fugen-s durch Extrasilbizität die Morphemgrenze des Erstglieds. Ob dieser funktionale Aspekt, der in der Standardsprache zu finden ist und zum Teil Schwankungsfälle generiert, die Verfugung mit -s- im Dialekt begünstigt, müssen umfangreichere KorpusuntersuchungenKorpusuntersuchung zeigen.

Karte 7 fasst einen weiteren Fall derivationsmorphologisch komplexer, nämlich suffigierter Erstglieder zusammen: Diminutiva. Diminution ist im Dialekt ein besonders frequentes WortbildungsmusterWortbildungsmuster. Diminutiva bilden daher eine geeignete Materialbasis, um Verfugungstendenzen nach morphologisch komplexen Erstgliedern im UG zu überprüfen.

Das UG kennt im Wesentlichen die Diminutionssuffixe -le, -la und -li, die auch im untersuchten Dialektmaterial zu finden sind. Im Westen des UG sind außerdem das Diminutionssuffix -(e)l sowie das Suffix -lich frequent. Im untersuchten Material sind diese DiminutivsuffixeDiminutivsuffix allerdings nicht belegt, weshalb die Belegdichte im unterostfränkischen Gebiet weniger aussagekräftig ist.

Insgesamt wurden 484 Belege untersucht, die sich aus verschiedenen KompositaKompositum mit einer Diminutivform als Erstglied, zusammensetzen, darunter Röhrle-?s-nudel (‚Makkaroni‘), Stöckele-?s-schuh, Gaggele-?s-frau (‚Frau, die Eier verkauft‘), Zettele-?s-wirtschaft.

Im Gegensatz zum nhd. Standard findet sich im Dialekt die Differenzierung zwischen singularischen Diminutivsuffixen (-le, -la) und einem pluralischen DiminutivsuffixDiminutivsuffix (-li) (cf. Heyse/Klepsch 2007: 194; Steger 1968 Karte 63.1 und 63.2; Wagner 1987: 90; Wolf 1998: 70). Diese Unterscheidung spiegelt sich auch auf der vorliegenden Karte wieder. Das Diminutivsuffix -le ist besonders im Würzburger Raum, im Ansbacher sowie im Südostfränkisichen und in Teilen des Oberostfränkischen frequent; in diesen Arealen dominiert die Kompositionsstammbildung mit Fugen-s nach dem DiminutivDiminutiv -le (237 Belege; 96 %). Nur 4 % der KompositaKompositum mit diesem Diminutiv werden nicht verfugt und sind vor allem im nordöstlichsten Zipfel des Oberostfränkischen belegt (10 Belege).

Karte 7

Verfugungsvarianten nach dimuniertem Erstglied

Das DiminutivsuffixDiminutivsuffix -la, das von den Gewährspersonen zum Teil in der Form -ler transkribiert wird, ist mit 159 Belegen insgesamt weniger häufig als -le (247 Belege). -la ist besonders im Nürnberger und im Bayreuther Raum sowie im Obermain-Raum und im Nailaer Raum frequent. Vor allem die nicht mit -s- verfugten Belege konzentrieren sich auf den nordöstlichen Teil des Oberostfränkischen. 66 % aller KompositaKompositum, deren Erstglied auf das Diminutivsuffix -la auslauten, werden mit -s- verfugt (105 Belege gegenüber 54 Belegen mit Nullfuge). Das Diminutivsuffix -li, das den PluralPlural markiert (Gaggeli-s/ø-frau), Stöckli-ø-schuh) ist insgesamt nur elf Mal vertreten. Im Gunzenhäuser Raum im südlichen UG ist das DiminutivDiminutiv -li (neben -la) vor allem ohne Fugen-s belegt (3 Belege), während die mit -s- verfugte Form (8 Belege) im Südostfränkischen sowie im Würzburger Raum zu finden sind.

Insgesamt besteht eine klare Tendenz des Fugen-s nach Diminutivbildungen; auch hinsichtlich der diatopischen Verteilung zwischen Null- und s-Fuge lassen sich Tendenzen erkennen.

7 Zusammenfassende Darstellung des Analyseergebnisses und Ausblick

Im Zentrum der Untersuchung stand zunächst die Frage, ob sich die Verteilung des Fugen-s im Dialekt, speziell im ostfränkischen Sprachraum, von der Systematik und den diversen funktionalen Aspekten der Standardsprache unterscheidet. Die einzelnen Analysen und die dargebotenen Sprachkarten haben veranschaulicht, dass das dialektale Fugensystem von dem der Standardsprache in einigen wesentlichen Punkten zu unterscheiden ist. Die Analyse der verschiedenen simplizischen Stämme hat gezeigt, dass neben den KompositionsstammformenKompositionsstammform, die in der Standardsprache produktiv oder lexikalisiert sind, im Dialekt zunächst weitere Kompositionsstammformen berücksichtigt werden müssen.

Aussagen über die Produktivität (und damit über die systematische Distribution und Funktionalität) der einzelnen KompositionsstammformenKompositionsstammform und Fugenelementen im UG können kaum getroffen werden; dies ist in erster Linie der knappen Datenlage geschuldet, da das untersuchte Material hauptsächlich lexikalisierte KompositaKompositum umfasst (cf. Rowley 1997: 109). Aufgrund der Konzeption der Fragebögen, die zumeist gezielt einen bestimmten Wortschatz abfragen, sind die Belege der Gewährspersonen lexikalisiert und können im Einzelfall zwar Hinweise auf Reihenbildung als Indiz für die Produktivität, aber keine Hinweise auf die Produktivität einer Kompositionsstammform im Rahmen okkasioneller, spontansprachlicher Bildungen liefern. Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse können somit nur anhand von Einzelfallanalysen bestehende Kompositionsstammformen und ihre diatopische Verteilung dokumentieren, nicht aber weitreichendere Aussagen zur Systematik und Produktivität treffen.

Die Raumbilder zeigen jedoch, dass nicht nur eine hohe Varianz an Verfugungsmöglichkeiten (auch in Abgrenzung zur Standardsprache) im UG bestehen, sondern vor allem auch, dass es in der Tat eine areale Verteilung und Präferenz für bestimmte Verfugungsmuster gibt. Die Varianz und auch die diatopische Verteilung der KompositionsstammformenKompositionsstammform zu den Stämmen April, Vogel und Gaul zeigen, dass Kompositionsstammformen und damit formale Mittel zur Kompositionsstammformbildung im Dialekt aktiv sind, die in der Standardsprache synchron nicht vertreten sind.

Besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die hohe Frequenz der s-Fuge im nördlichen Untersuchungsgebiet, im Unterostfränkischen und zum Teil in dem Interferenzgebiet zum Rheinfränkischen. Umfassendere, dialektvergleichende KorpusuntersuchungenKorpusuntersuchung werden prüfen müssen, inwiefern dieses Spektrum der verschiedenen synchron erhaltenden KompositionsstammformenKompositionsstammform über den ostfränkischen Sprachraum hinausreicht.

Eine weitaus systematischere Aussagekraft hingegen haben die Analysen des Fugenverhaltens nach kontrahierten und morphologisch komplexen Erstgliedern. Kontrahierte und damit morphologisch weniger komplexe Erstglieder werden seltener mit -s- verfugt als nicht kontrahierte Erstglieder. Die Sprachkarten zeigen in den beiden untersuchten Fällen zudem eine Beschränkung der s-Fuge auf den nördlichen Teil des Untersuchungsgebiets.

Die Untersuchung der derivationsmorphologisch komplexen Erstglieder hat zunächst für das unbetonte PräfixPräfix Ge- deutlich gemacht, dass die Komplexität des Erstglieds (neben weiteren Phänomenen wie ApokopierungApokopierung) das Fugen-s möglicherweise begünstigt. Im vorliegenden Fall war die verfugte KompositionsstammformKompositionsstammform auf einen relativ kleinen räumlichen Bereich beschränkt. Auch die Analyse der suffigierten Diminutivbildungen hat gezeigt, dass im Dialekt (wie auch in der Standardsprache) eine Tendenz zur Verfugung nach komplexem Erstglied besteht; auffällig war auch hier die diatopische Verteilung der einzelnen Kompositionsstammformen.

Die vorliegende Untersuchung kann letztlich nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer vollständigen Systematisierung des Fugensystems des ofr. Sprachraums sein. Dennoch zeigt sich, dass die Berücksichtigung dialektaler Daten sinnvoll ist: Die aktuelle Theoriebildung wird anhand dieser Materialbasis überprüft und ergänzt. Damit eine umfassende Systematisierung der FugenelementeFugenelement im Dialekt gelingen kann, ist es zudem notwendig, die Nominalmorphologie der Dialekte im Rahmen ihrer synchronen Merkmale und diachronen Entwicklungen zu erfassen und zu systematisieren.