Wo aber der Wein fehlt, stirbt der Reiz des Lebens

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Bei den Grabungen im Palast der Hauptstadt Samaria wurden 1910 insgesamt 102 Ostraka (beschriftete Tonscherben) gefunden, die – soweit vollständig lesbar – alle einem bestimmten Typ entsprechen. Sie nennen – mit kleineren Varianten – zunächst eine Jahreszahl, wohl das Regierungsjahr eines Königs, dann einen Herkunftsort (alternativ den Namen eines Clans), einen Personennamen als Adressat und schließlich die Angabe einer Lieferung (Wein oder Öl), teilweise um eine Zahlenangabe ergänzt. Da die Ostraka im Bereich des Palastes gefunden wurden und die Herkunftsorte allesamt in einem Umkreis von ca. 20 km um Samaria herum liegen, kann man annehmen, dass es sich um Abgaben der Region an das Königshaus handelt. Die Jahresangaben beziehen sich allesamt auf das 9./​10. sowie das 15. Regierungsjahr. Daher dürfte es sich nicht um regelmäßige Steuern, sondern um Sonderabgaben an den Palast gehandelt haben. Mit einiger Wahrscheinlichkeit handelt es sich um die Regierungszeit des Königs Jerobeam II. (787 – 747 v. Chr.) und damit um die Jahre 779/​78 und 773 v. Chr. Diese Zufallsfunde aus Samaria unterstützen die bereits festgehaltene These, dass das Gebiet um Samaria herum intensiv für Wein- und Olivenanbau genutzt wurde.

Weinanbau in der Umgebung von Jerusalem

Das Stadtgebiet des heutigen Jerusalems, das mit einer Fläche von rund 125 km2 natürlich wesentlich größer ist als das antike Jerusalem im 1. Jt. v. Chr. (max. 1 km2), bietet noch zusätzliche Erkenntnisse. Hier wurden durch intensive Oberflächenbegehungen und durch die Baumaßnahmen der letzten Jahrzehnte nicht nur antike Ortschaften, sondern auch eine Vielzahl von landwirtschaftlichen Einrichtungen in besonderer Dichte erfasst. Manche von ihnen lassen sich definitiv in die alttestamentliche Königszeit (1. Hälfte 1. Jt. v. Chr.) datieren. Nur sie sollen hier weiter betrachtet werden, auch wenn andere typologisch ähnliche Anlagen vielleicht ebenfalls in diese Zeit datiert werden könnten (Abb. 3).

Abb. 3: Weinpressen in der unmittelbaren Umgebung von Jerusalem.

Deutlich zu erkennen ist, dass Jerusalem selbst, aber auch die südwestlich davon gelegene Refaim-Ebene, die Kornkammer der Stadt, frei von Weinkeltern sind. Die Refaim-Ebene bildet einen Teil des Sorek-Tals, das sich bis hinab in die Schefela erstreckt. Wein wurde, wie die Karte deutlich zeigt, in den bergigen Gebieten vor allem südwestlich der Refaim-Ebene, aber auch nördlich der Stadt angebaut. Auch für die Bauern der südlichen Levante traf offenbar ein alter pfälzischer Winzerspruch zu: »Wo ein Pflug kann gehen, soll kein Weinstock stehen«. Getreide war wertvoll für die Versorgung der Menschen. Jedes halbwegs flache, mit guten Böden angefüllte Tal wurde für den Getreideanbau genutzt, und das traf für die Umgebung Jerusalems – insbesondere für die Refaim-Ebene – zu. Die Abhänge in den hügeligen und gebirgigen Zonen konnten dagegen mit großem Arbeitsaufwand terrassiert werden, sodass auch hier für Weinanbau nutzbare Flächen entstanden. Als das Nordreich Israel 733/​722 v. Chr. von den Assyrern erobert wurde, flohen viele Menschen in das Südreich Juda. Der enorme Bevölkerungsanstieg in wenigen Jahren – man geht von etwa der dreifachen Anzahl aus – führte zu billigen Arbeitskräften, die den Bau der Terrassen möglich machten. Solche Terrassen waren in der Regel 10 – 15 m breit und bis zu 50 m lang (Abb. 4). Für den Getreideanbau eigneten sie sich nicht. Der Aufwand, ein Rind zum Ziehen des Pfluges von einer Terrasse zur anderen zu bewegen, hätte sich nicht gerechnet. Aber hier ließen sich ideal Weinberge (besser: Weingärten) anlegen. Durch die Haltemauern entstanden waagerechte Felder, die in den Wintermonaten das Wasser ideal speichern konnten bzw. das Regenwasser sogar stauten. So wurden die Böden bis in eine beträchtliche Tiefe hinein durchwässert und bildeten Feuchtigkeitsreservoirs, die es den bis zu 20 m in den Boden hineinreichenden Weinwurzeln ermöglichten, in den regenlosen Sommermonaten die Pflanzen mit Wasser zu versorgen. Ein zu schnelles Austrocknen der Böden wurde zudem durch die Weinblätter, die unmittelbar auf dem Boden auflagen (Abb. 5) und nicht wie bei uns an Spalieren hochgezogen wurden, verhindert: Durch sie entstand eine höhere Bodenbeschattung, die ein vorschnelles Austrocknen der Böden verhinderte.

Abb. 4: Terrassen in der Umgebung von Jerusalem.

Abb. 5: Typischer Weinstock im Vorderen Orient.

Ein biblischer Text, der wohl die Verhältnisse in der Umgebung Jerusalems vor Augen hat, beschreibt die Anlage eines solchen Weingartens sehr schön (Jesaja 5,1 – 2):

1 Ich will für meinen Freund das Lied seiner Liebe zu seinem Weingarten singen.

Einen Weingarten hatte mein Freund auf einer fruchtbaren Höhe.

2 Er grub ihn um, entsteinte ihn und pflanzte ihn mit edlen Reben an.

Er baute darin einen Turm, hob eine Kelter aus und hoffte, dass er Trauben brächte.

Das Entsteinen des – vorher offenbar landwirtschaftlich nicht genutzten – Geländes diente dazu, den Boden besser bearbeiten zu können. Die Steine wurden für Terrassen- und Umgebungsmauern, aber auch für die in Vers 2 erwähnten Türme (Abb. 6) verwendet. Die Türme hatten eine multifunktionale Aufgabe. In den Sommermonaten wohnte in dieser Wingertschutzanlage jeweils ein Familienmitglied, häufig wohl die Tochter des Hauses. Sie sollte aufpassen, dass keine wilden Tiere in den Weingarten eindrangen und die Reben abfraßen. Zudem diente die mit Palmzweigen überdachte Terrasse auf den Türmen als Ruheplatz für die Arbeiter in den heißen Mittagsstunden. Im Turm selbst war es außerdem kühler als in der Umgebung. Daher eignete sich das Turminnere sehr gut zum Aufbewahren von frisch geernteten Reben, die sonst schneller unter der Hitze gelitten hätten, aber v.a. der Weinkrüge. Durch die kühlere Temperatur hielt sich der Wein länger. Rotwein, der damals wohl ausschließlich in dieser Region angebaut wurde, verträgt zwar mehr Oxidation als Weißwein, seine Qualität wird aber durch eine kühlere Lagerung besser bewahrt. Eine Alternative, die bislang aber nicht archäologisch nachgewiesen ist, wäre das Vergraben mannshoher Krüge (Pithoi) mit Wein auf dem Feld gewesen; auch dadurch wäre die Lagerung kühler und damit die Haltbarkeit besser gewesen.

Abb. 6: Turm in einem Weingarten bei Betlehem.

Bemerkenswert ist, dass hier im judäischen Bergland die Keltern nicht am Abhang der Berge, sondern im Bereich der Weingärten standen. Diese Keltern stellten einen Privatbesitz dar, d. h. jede Familie stellte ihren eigenen Wein her.

Weinanbau im 16. Jh. – ein Beleg für longue durée?

Im 16. Jh. n. Chr. wurde eine osmanische Steuerliste erstellt, in der für alle Orte des Landes die Abgaben erfasst wurden. Abb. 7 zeigt diejenigen Regionen, in denen damals mehr als 15 % der Steuerzahlungen durch Weinanbau erbracht wurden. Diese Steuerliste bietet die Möglichkeit, einen Vergleich der Weinanbaugebiete über einen Zeitraum von mehr als 2.000 Jahren anzustellen. Entsprechend der These der longue durée der französischen Annales-Schule müssten die Ergebnisse sich einigermaßen entsprechen. Allerdings kann von vornherein eingewandt werden, dass sich die religiösen Verhältnisse seit der Königszeit in Israel und Juda erheblich geändert haben. Während Weingenuss im Alten Israel gang und gäbe war, ist er im Islam untersagt. Wein wurde daher (fast) nur noch für Tafeltrauben und für Rosinen angebaut. Mit einer Verringerung der Einkommensmöglichkeiten durch Weinanbau wegen des verminderten Bedarfs an Trauben gingen zwangsläufig auch die Produktionsflächen für Weinanbau zurück. Immerhin dürften die im 16. Jh. n. Chr. genutzten Areale besonders ideal für den Weinanbau gewesen sein, weil man gerade sie weiterhin nutzte. Zudem muss auch berücksichtigt werden, dass es mehrfach starke Entvölkerungen auf palästinischem Boden gab, was zu einer Aufgabe von Anbauflächen und in späteren Zeiten zu einer völlig neuen Kultivierung geführt hat. Dadurch gibt es keine durchgehende wirtschaftliche Erwerbsstruktur. Vielmehr muss man mit vielen Abbrüchen und Neugestaltungen rechnen.

Abb. 7: Gebiete des 16. Jhs. n. Chr., bei denen mehr als 15 % des Ortseinkommens mit Weinanbau erwirtschaftet wurde.

Trotzdem blieb das Weinanbaugebiet in Juda im Vergleich zur biblischen Zeit in etwa konstant. Hier scheinen ideale Möglichkeiten vorhanden zu sein, die über die Jahrhunderte hinweg weiter intensiv genutzt wurden. Vermutlich – aber nicht sicher nachweisbar – wurden die Terrassen immer wieder repariert und gepflegt. Angesichts der Präsenz von Juden und Christen in Jerusalem und Hebron bestand hier auch weiterhin ein Markt für Wein und nicht nur für Tafeltrauben. Der Weinanbau auf dem Karmel wurde dagegen völlig aufgegeben, vielleicht weil das Gebiet inzwischen verwildert war und die Höhen hätten gerodet werden müssen. In Galiläa verlagerte sich der Weinanbau von Untergaliläa auf die südlichen Abhänge Obergaliläas. Im samarischen Bergland spielte der Weinanbau im 16. Jh. n. Chr. dagegen keine wirtschaftlich bedeutsame Rolle mehr. Offenbar fand eine gewisse Konsolidierung statt: Wo noch Bedarf an Wein bestand, wurde dieser auch weiterhin produziert, während die Weintraubenherstellung in anderen Gebieten nachließ.

 

Im Ostjordanland gibt es gleichfalls Verschiebungen. Neu sind Flächen im südlichen Adschlun. Im Süden des ehemals moabitischen Gebietes spielte im 16. Jh. der Weinanbau eine wirtschaftlich bedeutsame Rolle, während etwas weiter südlich die Weinproduktion im ehemals edomitischen Gebiet aufgegeben wurde.

Die biblischen Weinanbaugebiete – eine Zusammenschau

Die Befunde der Überlieferungen, der Samaria-Ostraka und der Ortsnamen ergänzen sich ideal und stützen sich gegenseitig. Wichtig ist dabei, dass es sich um völlig unabhängige Quellen handelt, sodass keine Zirkelschlüsse möglich sind. Mit ihrer Hilfe lassen sich die Weinanbaugebiete in biblischer Zeit bestens kartieren (vgl. Abb. 1).

Die biblischen Erzählungen berichten von intensivem Weinanbau auf dem Territorium des Nordreichs im Bereich von Samaria, Silo und Sichem. Die Samaria-Ostraka bestätigen, dass in einem Umkreis von etwa 20 km um Samaria herum intensiv Wein produziert wurde. Dies gilt auch für die Ortschaften Gat-Paran und Kerem-Tel, die in diesem Umfeld gesucht werden müssen. Ergänzt wird unser Wissen über Weinanbaugebiete im Norden durch den Namen Karmel, der den Weinberg (hebr. käräm) sprachlich enthält. Am Rande des Karmel sind mit Gat-Karmel und Gat-Padalla Ortschaften genannt, in denen der Wein gekeltert wurde. Vermutlich dürften die Weinbaugebiete um Samaria unmittelbar in diejenigen am Karmel übergegangen sein. Daneben wurde, wie der Name Gat-Hefer zeigt, auch in kleinen Bereichen Untergaliläas Wein angebaut. Allerdings dürfte man die sanften Hügel Untergaliläas stärker für Getreideanbau genutzt haben.

In Juda gab es intensiven Weinanbau um Hebron herum sowie an den Abhängen nach Timna und Lachisch hin. Aber auch im Bereich des Westufers des Toten Meers, v.a. bei En Gedi und wahrscheinlich noch nördlich davon in der Buqea, wurde Wein angebaut, was nur mit künstlicher Bewässerung möglich war. Intensiven Weinanbau um Hebron herum bestätigen die beiden Ortslagen Anab und Karmel hinlänglich, aber auch das Eschkol-Tal, das irgendwo in der Nähe von Hebron gesucht werden muss. Ebenso wurde nördlich von Hebron bis in den Bereich nördlich von Jerusalem Wein angebaut. Dies zeigen die Ortsnamen Bet-Kerem, unmittelbar südlich von Jerusalem gelegen, und Gittajim, das irgendwo nördlich von Jerusalem zu suchen ist. Das Sorek-Tal, das von Jerusalem aus in die Schefela führt, hat auch einen mit Wein verbundenen Namen, sodass an den Abhängen dort wohl auch Wein angebaut worden sein könnte. Das Sorek-Tal passiert Timna, gleichfalls ein Zentrum des Weinanbaus. Der Name der philistäischen Hauptstadt Gat, etwas weiter südlich gelegen in der Schefela, lässt sich ebenfalls mit Weinanbau verbinden. Vermutlich wird man das gesamte Gebiet von Jerusalem bis etwa 20 km südlich von Hebron im Bergland sowie die Abhänge zur Schefela als Weinanbaugebiet bezeichnen können.

Im Ostjordanland wurde v.a. nordöstlich des Toten Meers Wein angebaut. In diesem Gebiet liegt auch die Ortschaft Abel-Keramim. Von den Niederschlägen her eher ungünstig ist der Weinanbau im Bereich der Abhänge südlich des Wadi el-Hasa im Gebiet Edoms, wo die Ortschaft Masreka liegt.

Was zeichnet die biblischen Weinanbaugebiete aus?

Alle diese Weinanbaugebiete (mit Ausnahme des edomitischen Weinanbaus und demjenigen in den Bereichen unmittelbar westlich des Toten Meers) liegen in einer Region mit mehr als 400 mm durchschnittlichem Niederschlag (vgl. Abb. 1). Dies gilt auch für den moabitischen und ammonitischen Weinanbau, wo sogar 500 mm Niederschlag erreicht werden. Wo wesentlich weniger Niederschläge existieren, mussten die Weintrauben durch Aufstauen von Wasser in den Wintermonaten zusätzlich bewässert werden. Hier scheint man ökologische Nischen gesucht zu haben, um die Bevölkerung in Krisenzeiten ausreichend ernähren zu können und für die Bewohner gute Erwerbsmöglichkeiten zu schaffen.

Zudem ist typisch, dass es sich jeweils um ein hügeliges Gebiet, teilweise sogar um ein Gebiet mit stark abfallenden Abhängen handelt. Durch Terrassierungen, wie sie v.a. im 8. Jh. v. Chr. vorgenommen wurden, ließen sich die sonst landwirtschaftlich kaum nutzbaren Gebiete mit Weinanbau ideal bewirtschaften. Der Anbau im Bergland hatte auch große Vorteile für die Qualität des Weins. Die mittleren Temperaturen, wie es sie im Bergland im ansonsten recht heißen Palästina gibt, sorgten für mehr Aromen. Reben aus dem palästinischen Bergland boten somit ein ausgewogeneres Verhältnis von Zucker und Säure. In den heißeren Küstenregionen wären die Reben dagegen zu schnell gewachsen und hätten zu wenig Aroma entwickelt. Außerdem fördert eine frische Brise, wie sie eher im Bergland vorhanden ist, die Bestäubung der Blüten.

Bemerkenswert sind auch die Böden, auf denen die Reben angebaut wurden. Die großen Weinanbaugebiete verfügen alle über Kalksteinböden, was für die Qualität des Weins durchaus förderlich ist. Die Terra Rossa-Böden über den Kalksteinfelsen boten auch eine ausreichende bis gute Qualität für den Weinanbau.

Es gibt eine gewisse Kontinuität idealer Gebiete für Weinanbau von der Antike bis in die Gegenwart hinein – trotz aller religiösen, politischen und wirtschaftlichen Brüche, die die Ökonomie des Landes prägten und prägen. Die Nutzung von idealen Weinanbaugebieten bot in biblischer Zeit eine ökonomische Nische, mit der selbst in ansonsten schwierig zu nutzenden Gegenden Geld zu verdienen war. Gerade für das von den landwirtschaftlichen Gegebenheiten nicht gerade verwöhnte, sehr hügelige Bergland Judas war der Weinanbau mit den damit verbundenen Terrassen eine Möglichkeit, den Bevölkerungsanstieg um ein Mehrfaches der vorherigen Bevölkerungszahl im Umfeld der Jahre 733/​722 v. Chr. zu bewältigen. Arbeitskräfte für die Installation von Terrassen standen nun im Übermaß zur Verfügung, sodass man relativ einfach das Anbaugebiet erweitern konnte. Der Wein konnte überregional verkauft werden. Die so erwirtschafteten Erträge ermöglichten es, die hohe Bevölkerungszahl im Tausch gegen Wein mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Juda hatte in diesen Krisenjahren eine ökonomische Nische gefunden, um wirtschaftlich überleben zu können. Ein bereits vorher existierender Wirtschaftszweig wurde mithilfe der nun höheren Bevölkerungszahl ausgebaut und intensiviert. Der Handel musste für das etwas abseits der Handelsstraßen gelegene Juda nun auch weiterentwickelt werden. Dies war eine großartige wirtschaftspolitische Leistung, die v.a. dem König Hiskia am Ende des 8. Jhs. v. Chr. zu verdanken ist.

Die Untersuchung hat gezeigt, wo Wein während des 1. Jts. v. Chr. in der südlichen Levante angebaut wurde. Deutlich erkennbar sind Produktionsschwerpunkte, die wiederum einen innerpalästinischen Handel nach sich ziehen. Derartige wirtschaftliche Schwerpunkte einzelner Regionen besser zu erfassen, wird eine wichtige Aufgabe der zukünftigen Forschung sein. So lassen sich die wirtschaftsgeschichtlichen Zusammenhänge und die Überlebensstrategien der Menschen in der Antike besser verstehen.

Literatur

O. Borowski, Agriculture in Iron Age Israel, Winona Lake 1987.

G. Dalman, Brot, Öl und Wein, Gütersloh 1935 (= Arbeit und Sitte in Palästina IV; Schriften des Deutschen Palästina-Instituts 7).

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M. Dubach, Trunkenheit im Alten Testament. Begrifflichkeit – Zeugnisse – Wertung, Stuttgart 2009 (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament 184).

R. Frankel, Wine and Oil Production in Antiquity in Israel and Other Mediterranean Countries, Sheffield 1999.

C. E. Walsh, The Fruit of the Vine: Viticulture in Ancient Israel, Winona Lake 2000 (= Harvard Semitic Studies 60).

V. Zapletal, Der Wein in der Bibel. Kulturgeschichtliche und exegetische Studie, Freiburg 1920 (= Biblische Studien 20/​1).

W. Zwickel, Wein und Bibel, in: H. König / ​H. Decker (Hrsg.), Kulturgut Rebe und Wein, Heidelberg/​Berlin 2013, S. 47–60.


Römischer Weinbau an Mosel und Rhein

Karl-Josef Gilles

Bis vor wenigen Jahren zählte die Frage nach den Anfängen des Weinbaus an Mosel und Rhein zu den umstrittensten Problemen der archäologischen Forschung. Obwohl verschiedene antike Schriftsteller wie Ausonius (310 – 393/​4 n. Chr.) oder Venantius Fortunatus (um 540 – 610/​20 n. Chr.) schon für die Zeit des späten 4. bzw. 6. Jhs. n. Chr. von umfangreichen Rebflächen im Moseltal berichten, konnte dafür bis vor wenigen Jahren kein überzeugender archäologischer Nachweis erbracht werden. Daher wurden immer wieder andere Zeugnisse, insbesondere Steindenkmäler, als Belege für einen intensiven römerzeitlichen Weinbau an der Mosel angeführt. Hierzu gehören etwa das Neumagener Weinschiff (Abb. 1) oder das erst 1976 in einer römischen Villa bei Kinheim (Kreis Bernkastel-Wittlich) entdeckte Hochrelief des gallo-römischen Sucellus (Abb. 2), der im Gegensatz zu dem in der regionalen Weinliteratur als Weingott verherrlichten Bacchus als Schutzgott der Moselwinzer und Küfer angesehen werden darf. Jenes bemerkenswerte Hochrelief ist die erste bekannte Darstellung des Schlegelgottes mit einer Traube, die zugleich Rückschlüsse auf den Inhalt der hinter der Gottheit gestapelten Fässer zulässt. Erst danach gelang es, die ersten römischen Kelterhäuser nachzuweisen. Seit 1977 sind an der Mosel zwölf solcher Anlagen aus der Zeit des 3. bis 5. Jhs. n. Chr. und eine weitere Kelter 1981 im Rheintal unweit des Bad Dürkheimer Stadtteils Ungstein untersucht worden. Hierbei handelt es sich um folgende Ortschaften (mit dem Jahr ihrer Auffindung, zur Lage der Kelterhäuser s. Abb. 3): Maring-Noviand (1977), Piesport (1985/​86), Brauneberg, westliches und östliches Kelterhaus (1990/​91), Lösnich (1973/​1990), Piesport-Müstert (1992), Erden, westliches Kelterhaus (1992/​93), Graach (1995), Erden, östliches Kelterhaus (1998), Wolf (2000), Zeltingen-Rachtig (2003) und Lieser (2005).

Abb. 1: Das Neumagener Weinschiff war ursprünglich Teil einer Grabmalbekrönung aus der Zeit um 220 n. Chr.

Abb. 2: Der Sucellus von Kinheim, gallo-römischer Schutzgott der Moselwinzer, aus dem späten 3. Jh. n. Chr.

Abb. 3: Römische Keltern an der Mosel: 1 Piesport, 2 Piesport-Müstert, 3 Brauneberg westliche Anlage, 4 Brauneberg, östliche Anlage, 5 Maring-Noviand, 6 Lieser, 7 Graach, 8 Zeltingen-Rachtig, 9 Erden, westliche Anlage, 10 Erden, östliche Anlage, 11 Lösnich, 12 Traben-Trarbach-Wolf.

Als indirekten Beweis für einen frühen römischen Weinbau an Rhein und Mosel lässt sich auch ein Edikt Kaiser Domitians (81 – 96 n. Chr.) aus dem Jahre 92 n. Chr. anführen, nach dem der Weinbau, um einer Überproduktion von Wein zu begegnen, in den gallischen Provinzen eingeschränkt werden sollte. Diese Verordnung wurde erst um 278 n. Chr. von Kaiser Probus (276 – 282 n. Chr.) offiziell wieder gelockert.

Meist liegen die nachgewiesenen Kelterhäuser inmitten heutiger Rebflächen, die nicht ohne Grund zu den besten Weinlagen des Moseltals zählen, wie z. B. Piesporter Goldtröpfchen, Brauneberger Juffer-Sonnenuhr, Lieserer Niederberg, Graacher Himmelreich oder Erdener Treppchen. Eine unbekannte Zahl entzieht sich noch ihrer Entdeckung, bis sie eher zufällig im Zuge von Flurbereinigungen oder Straßenerweiterungen am Fuß steilerer Süd- oder Südwesthänge in unmittelbarer Nähe zur Mosel angeschnitten werden. Weitere lassen sich aufgrund älterer Befunde (etwa als Badeanlagen gedeutete Becken) oder begrenzter Trümmerstellen inmitten von relativ steilen Rebflächen vermuten, die von ihrer Lage und ihren Ausdehnungsmöglichkeiten für einen Gutshof völlig ungeeignet erscheinen. Wohl nicht zufällig kann die Mehrzahl dieser Orte auf Weinbaubelege des 7. – 10. Jhs. (Piesport, Brauneberg, Lieser) zurückgreifen oder weist in ihrem Umfeld merowingerzeitliche Grabfunde auf, die sogar auf einen kontinuierlichen Weinbau seit der Spätantike schließen lassen. Außerdem liegen sie im Bereich von Weinbergen, die bei einer um 1850 vorgenommenen Wertschätzung den Klassen I und II (von acht) zugeordnet wurden (Hegner, 1905). Hinweise auf weitere römische Kelterhäuser liefern zudem mehr als 20 gefundene Keltersteine.

 

Aufbau der Kelteranlagen

Zur Grundausstattung der untersuchten Keltern zählte je ein Maische-, Press- und Mostbecken (Abb. 4). Im Maischebecken wurde das Lesegut gesammelt und mit Füßen oder Stampfern bearbeitet. Die dabei gewonnene Maische wurde nach Ablassen des Mostes in die Auffang- oder Mostbecken in Presskörbe umgesetzt, um den letzten Saft mithilfe einer Baumkelter herauszupressen. Ein kurzzeitiges, einbis zweitägiges Maischen der Trauben war bei den damaligen Pressmethoden ratsam, zumal dadurch das Traubenmark flüssiger und beim Pressvorgang ergiebiger wurde (Abb. 5). Über den Pressbecken war meist eine Baumkelter mit schwebendem Gewicht installiert: Am Kelterbaum hing, an einer Spindel befestigt, ein bis zu 28 Zentner schwerer Gewichtsstein, der durch Drehen der Spindel angehoben und abgesenkt werden konnte (Abb. 6). Solange er schwebte, drückte er durch den Kelterbaum den Inhalt des Presskorbes zusammen. Jener Vorgang wurde so oft wiederholt, wie der Inhalt des Presskorbes nachgab und der letzte auf diese Weise zu gewinnende Most in das Auffangbecken abgeflossen war.

Abb. 4: Grundrisse römischer Kelteranlagen: 1) Piesport, 2a) Brauneberg, westliche Kelter, 2b) Brauneberg, östliche Kelter, 3) Maring-Noviand, 4) Lösnich.

Abb. 5: Die westliche Kelteranlage von Brauneberg mit zwei Maische- (eines weitgehend zerstört), einem Press- und zwei Mostbecken.

Abb. 6: Rekonstruktion der östlichen Kelter von Brauneberg. Sie zeigt je ein Maische-, Press- und Mostbecken, darüber eine Baumkelter mit schwebendem Gewicht.

Die Keltersteine bildeten quadratische oder rechteckige Quader, bei denen in der Mitte von zwei gegenüberliegenden Seiten vertikale, sich nach oben verjüngende Nuten angebracht waren (Abb. 7). Diese nahmen eine hölzerne Rahmenkonstruktion auf, an der eine kräftige Holzspindel befestigt war. Die Oberseite der Steine zeigt in der Regel eine kreisrunde Aushöhlung, die zur Aufnahme des unteren Endes der Spindel bestimmt war.

Abb. 7: Der Kelterstein von Piesport-Müstert wurde aus einem wieder verwendeten Quader eines Grabmalgiebels gearbeitet.

Die Kapazität und Verteilung der einzelnen Becken war recht unterschiedlich. Während in Piesport die Maische-, Press- und Mostbecken paarweise auf drei Ebenen verteilt waren, lagen sie bei den übrigen Keltern auf zwei Niveaus, wobei Maische- und Pressbecken unmittelbar benachbart waren. Die Mostbecken wiesen häufig Trittstufen auf, die wie Schöpfkuhlen oder -mulden die Entleerung der Becken erleichtern sollte. Wie unterschiedliche Abflüsse erkennen lassen, bestand bisweilen die Möglichkeit, den in den Maische- und Pressbecken gesammelten Most nach Qualität oder Sorte zu trennen. Gerade Columella (De re rustica III, 21,10) legte in seinem zur Zeit des Kaisers Claudius entstandenen Werk über die Landwirtschaft, den Gartenbau und die Baumzucht Wert darauf, den Charakter der Weine nicht zu vermischen, sondern reinen Wein ins Fass zu bringen.

Die eigentliche Nutzung der Kelterhäuser beschränkte sich auf eine Zeitspanne von sechs, maximal acht Wochen pro Jahr. Da sie aber mit größerem Aufwand errichtet worden waren, ist auch mit einer Sekundärnutzung zu rechnen. Die Mehrzahl der Kelterhäuser wurde zwischenzeitlich auch als Lagerraum für Obst und Getreide oder als Speicher genutzt. Nachgewiesen sind in den verschiedenen Anlagen Gerste, Roggen, Hafer, Hirse, Dinkel, Erbse, Linse und Hanf. Außerdem wurden verschiedentlich Hasel- und Walnüsse sowie in den beiden Ortschaften Wolf und Rachtig auch Äpfel und Birnen in den Kelterhäusern nachgewiesen, die an die Herstellung von Viez oder Apfelwein denken lassen (zu weiteren Früchten s.u.). Andererseits dürften die großen Becken zumindest zeitweise noch zum Einweichen der verschiedenen Bindemittel wie Weiden oder Stroh genutzt worden sein.

Nachträgliche Anbauten an die Kelterhäuser konnten entweder als Kellerräume oder als Fumarien (Rauchkammern) gedeutet werden (Abb. 8). In solchen von Columella (De re rustica I, 6,20) beschriebenen Fumarien erhielt der Wein durch Zuführung von Rauch eine vorzeitige Reife, wobei jedoch der Rauchgeschmack ein nicht immer gewünschter Nebeneffekt war, über den sich gerade Martial (40 – 102/​104 n. Chr.) bei den gallischen Weinen beklagte. Für einen Keller, in dem der Gärungsprozess durch die Zuführung von Wärme hätte forciert werden sollen, waren die Räume weniger geeignet, da die aus röhrenförmigen Tubuli gebildeten Rauchabzüge meist nur in den Mauerwinkeln angebracht waren, also keine größere Wärme erzeugt werden konnte. Zudem scheinen die Tubuli wie in Piesport im Raum selbst gemündet zu haben. Noch weniger wäre es möglich gewesen, in einem solchen Raum den Most einzudicken, da es dazu zweifellos eines offenen Feuers unter einem Kessel bedurfte.

Abb. 8: Westlich an die Kelter von Piesport wurden nachträglich ein Fumarium und Kellerräume angebaut, die teilweise aus dem Fels gearbeitet waren.

In der östlichen Kelter von Erden konnte zudem eine Einrichtung zum Entsäuern des Weines nachgewiesen werden. Dabei wurde der Most mit Kalk bestreut, der sich schon bald am Boden und den Wänden des Reaktionsbeckens absetzte. Größere Kalkmengen waren in einer Kellerecke in Wolf und in der westlichen Kelter von Erden in aufrecht stehenden Holzfässern deponiert worden. Schon Plinius der Ältere (23/​4 – 79 n. Chr.) (Naturalis historiae, XIV, 120) berichtet, dass Kalk zum Entsäuern des Mostes bzw. der Weine eingesetzt wurde. Ein positiver Nebeneffekt war, dass die Maische beim Pressen ergiebiger wurde und bedingt auch die Farbe verbessert wurde.

Umfang der Rebflächen

Die Größe und Anzahl der Maischebecken erlauben Rückschlüsse auf den Umfang der Rebflächen, die den einzelnen Kelterhäusern zuzuordnen sind. Lag wie in Noviand, Lösnich oder Rachtig nur ein Maischebecken vor, konnte es während einer vierwöchigen Leseperiode vielleicht acht- bis zehnmal gefüllt werden. Daher ist bei diesen Anlagen von einer geringeren Ausnutzung der Becken auszugehen, zumal für den Zeitraum, in dem die Trauben im Becken maischten, kein neues Lesegut eingebracht werden konnte, es sei denn, Holzbehälter hätten als Zwischenlager gedient. Bei Kelterhäusern mit mehr als einem Maischebecken wie in Piesport, Brauneberg, Lieser und Erden war dagegen ein kontinuierliches Lesen und somit eine häufigere Befüllung der Becken (12- bis 14-mal) möglich. Columella (De re rustica III, 3,11) betonte, dass Rebflächen, die auf das iugerum (einem von einem Jochgespann in einem Tag zu bestellenden Areal; entspricht 2.523 m2) weniger als drei cullei (1 culleus [eigentlich Schlauch, Sack] = 524 l) Wein liefern, auszureißen sind. Dabei bezog er sich aber ausdrücklich auf Italien und klammerte die Provinzen aus. Daher ist in Gallien sicherlich von einer geringeren Durchschnittsernte auszugehen. An anderer Stelle hält er fest, dass selbst Weinpflanzungen minderwertigster Qualität bei hinreichender Pflege pro iugerum einen culleus Wein erbringen sollten. Daher werden die Hektarerträge in den gallischen Provinzen einerseits deutlich unter 6.000 l, andererseits aber merklich über 2.000 l gelegen haben.

Noch um 1900 beliefen sich die durchschnittlichen Hektarerträge an der Mosel auf rund 2.500 l, wobei die Menge damals durch Schädlinge oder Krankheiten erheblich eingeschränkt war. Das Mittelmaß der von Columella genannten Zahlen, etwa 4.000 l geernteter Wein pro Hektar, sollte daher den römerzeitlichen Durchschnittserträgen im Moseltal recht nahe kommen. 4.000 l Wein entsprachen bei den damaligen Pressmethoden je nach Jahr etwa 5.500 – 6.000 l Maische. Legen wir die Kapazität der Maischebecken und ihre Nutzungsmöglichkeiten zugrunde, können wir der Piesporter Kelter eine Rebfläche von mindestens 76 Hektar zuordnen. Zur Kelter von Lieser gehörten vielleicht sogar 80 Hektar, zu der von Graach deutlich mehr als 38 Hektar, zu den beiden Anlagen von Brauneberg und Erden über 30 Hektar, zu jener von Lösnich knapp 14 Hektar, zu der von Müstert rund 10 Hektar und zu der von Noviand etwa 9 Hektar. Diese Berechnungen basieren auf der Verarbeitung weißer Trauben. Bei Rotwein müssen wir wegen des längeren Maischeprozesses von einer geringeren Fläche ausgehen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Empfehlung Columellas (De re rustica III, 21, 10), unterschiedliche Rebsorten zu pflanzen, die nicht gleichzeitig zur Reife gelangen. Die Weinberge müssten dann nicht in kürzester Zeit abgeerntet werden, und die Besitzer wären nicht genötigt, Erntearbeiter um jeden Preis anzuheuern. Eine sich über mindestens vier bis sechs Wochen erstreckende Lese dürfte daher auch in den gallischen Weinbaugebieten keine Seltenheit gewesen sein.