Vision und Wirklichkeit

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Z serii: Edition IGW #9
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FREIE CHRISTENGEMEINDE WIEN

Generationengemeinde

Walter Bösch

Unsere Kirche: Vom Missionsempfänger zum Missionssender

In der Freien Christengemeinde Wien sind alle Generationen vertreten, ein Zeichen dafür, dass es uns schon seit 1920 gibt. Damals hatten schwedische Missionare Mitleid mit den leidenden Menschen der Stadt, denen sie mit Lebensmittelgeschenken und der Verkündigung des Evangeliums dienten.

In den späten 1930ern siedelte die Gemeinde in ein Hinterhofgebäude der Halbgasse 17, wo sie in Untermiete einer jüdisch-christlichen Gemeinde stand. 1982 errichtete sie an der Stelle der alten Hinterhofräumlichkeiten einen Saal mit über 300 Sitzplätzen.

Obwohl die Gemeinde etwa 50 Nationalitäten beheimatet, ist sie eine deutschsprachige Freikirche. Die Hälfte der Mitglieder sind Österreicher, die andere Hälfte besteht aus integrierten Personen, meist aus Ländern der ehemals Österreichisch-Ungarischen Monarchie stammend.

Aus einem englischsprachigen Gebetskreis von Missionaren aus den USA entstand 1987 ein Abendgottesdienst in der Halbgasse, der schnell zu einer stattlichen internationalen Gemeinde anwuchs und 1998 zur eigenständigen Gemeinde wurde, dem VCC – Vienna Christian Center.

Der Gottesdienst war und ist zentraler und prägendster Faktor der Gemeinde. Seit 2002 wurde wegen des Zustroms an neuen Menschen ein zweiter Gottesdienst installiert.

Einzelne Hauskreise entstanden schon 1987. Zu Spitzenzeiten trafen sich unter der Woche bis zur Hälfte der Mitglieder in Kleingruppen. Dieser positive Trend konnte sich in den letzten Jahren jedoch nicht halten und die Zahl der Kleingruppen sank wieder.

Geografisch gesehen kamen die Menschen aus allen Teilen der Stadt in die Halbgasse. Aus dem direkten Umfeld der Halbgasse haben wenige Menschen in die Gemeinde gefunden.

Nach außen orientierte Aktivitäten waren der wöchentliche Gefängnisdienst in der Strafanstalt Hirtenberg und das Evangelisationsteam, das Menschen auf den Straßen und Marktplätzen mit dem Evangelium erreichte. Als Missions-Empfängergemeinde wurden wir zur Missions-Sendergemeinde. Das bisher erfolgreichste nach außen orientierte Projekt ist der Gospelchor, der zurzeit über 70 Mitglieder zählt, wobei nur etwa zehn Prozent der Gemeinde angehören.

Anfang 2000 wurde AMPuls, die österreichische Außenmission der Freien Christengemeinden ins Leben gerufen. Missionare erfüllen den biblischen Auftrag die Frohe Botschaft von Jesus Christus durch Wort und Tat in alle Welt hinauszutragen. Als Freie Christengemeinde Wien unterstützen wir derzeit vier Missionarsfamilien im materiellen, emotionalen und geistlichen Bereich und stehen in engem Kontakt mit diesen.

Nach jahrelang erfolgloser Suche nach mehr Raum der heute 400 Mitglieder zählenden Gemeinde konnte 2016 die Expedithalle im Ankerbrotareal der Stadt erworben werden. Die dreimal so große Halle bietet viel Raum zur Expansion.

Unsere Herausforderungen: Raus aus dem Hinterhof

Vom Hinterhof an die Öffentlichkeit

Unsere bisherigen Nachbarn haben nur vereinzelt wahrgenommen, dass es uns als Freikirche in der Halbgasse gibt. Wenn wir in die Halle übersiedeln werden, ist anzunehmen, dass nicht viele der Anwohner davon Notiz nehmen werden. Wir wollen aus diesem Hinterhof-Image hinaustreten, was bereits geschieht, indem die Presse unsere künftige Übersiedlung in die stadtweit bekannte Event-Halle schon publik macht. Dadurch wird uns sehr bewusst, dass dies für uns eine massive Kulturveränderung darstellt, denn wir siedeln vom Hinterhof in ein öffentlich wahrgenommenes Gebäude.

Aus diesem Grund knüpfen wir schon jetzt Kontakte zu unseren neuen Nachbarn in der direkten Umgebung der Halle, der sogenannten LoftCity des früheren Ankerbrotareals. Wir trafen uns bereits mit der Bezirksvorsteherin, stellten uns vor und baten sie, uns die aktuellen Bedürfnisse des Bezirks zu nennen, damit wir da oder dort unsere Hilfe anbieten können. In den neuen Nebenräumen wollen wir auch Raum für eine öffentliche Kindergruppe oder einen Kindergarten vorbereiten, und wir planen einen Kinderchor, der auch für gemeindefremde Kinder offen sein wird.

Außerdem planen wir bewusst kein Kirchengebäude, sondern wir ziehen in eine Event-Halle ein, die wir als Gemeinde vorwiegend am Wochenende nutzen, und die wochentags an säkulare Interessenten vermietet wird.

Kleingruppen

Eine größere Herausforderung sind die Kleingruppen, denen wir einen wesentlich stärkeren Fokus geben wollen als bisher. Wir wollen nicht zu einer reinen Gottesdienstgemeinde mutieren, deshalb suchen wir nach neuen Wegen, wie wir die Mitglieder und Gäste wochentags zu dynamischen Kleingruppentreffen motivieren können. Unsere bisherigen Hauskreis-Konzepte waren zu uniform in ihrer Ausrichtung und einige entwickelten sich immer stärker zu einem nach innen gerichteten Kreis. Künftig soll die Ausrichtung nach außen genauso viel Aufmerksamkeit erhalten wie die Gemeinschaft nach innen. Deshalb halten wir aktiv Ausschau nach guten Modellen und bitten Gott, uns bei der Suche nach neuen Wegen zu helfen. Wir empfinden, dass künftig auch ganz unterschiedliche Arten von Kleingruppen möglich sein müssen, die sich stärker an den Bedürfnissen der Menschen in unserem Umfeld ausrichten. Dabei denken wir auch an die Möglichkeit von Deutschkursen für Migranten, Lerncoaching, Alpha-Kurse für alleinerziehende Mütter, diverse Interessengruppen und Community-Gruppen usw.

Leiterentwicklung

Für unsere Gemeinde sehen wir es als große Herausforderung und Chance, Berufungen sowohl in Leiterschaft als auch für alle Bereiche im Gemeindeleben zu entdecken und zu fördern. Wir wollen von Gott Berufene für diverse Dienste vorbereiten, sie dabei mentorenhaft begleiten und zu angebotenen Ausbildungsmöglichkeiten motivieren.

Außerdem wollen wir eine Kultur der Ehre innerhalb des Leitungsteams pflegen und auf diese Weise einander dienen. Diesen Umgang miteinander wollen wir auch den kommenden Generationen vermitteln, denn wir sind der Überzeugung, dass wer nach diesem biblischen Prinzip lebt, durch diese Kultur auch seine Umgebung positiv beeinflussen wird.

Unsere Vision und unser Ziel ist, dass die nächste Generation zu einer bevollmächtigenden Leiterschaft heranwächst, wobei uns bewusst ist, dass eine der größten Herausforderungen die Verbindlichkeit ist. Es bedarf nach der persönlichen Bekehrung zu Jesus so etwas wie einer zweiten Bekehrung, nämlich der, sich Jesus ganz anzuvertrauen, ihm alles zu geben – die Zeit, den Willen, das Tun, die Zukunft und die Finanzen. Hingabe in allen Bereichen führt zu Verbindlichkeit im Geben, im Dienen und im Mittragen. Dazu möchten wir die nächste Generation ermutigen, denn dies wird eine positive Auswirkung aus der Gemeinde hin in die Gesellschaft haben.

Unsere Vision: Einen Unterschied machen

Unsere Vision ist es, eine attraktive Freikirche zu sein, deren Mitglieder, aber auch deren Kleingruppen, einen ansteckenden und lebensfrohen Einfluss auf ihre direkte Umgebung haben. Attraktiv soll auch die Gestaltung der Gottesdienste, der Predigt und der ansprechenden modernen Musik sein. Wir sehen die dringende Notwendigkeit, das Evangelium der Hoffnung in unsere von Zerbrochenheit gezeichnete Gesellschaft zu bringen. Wir möchten als eine Freikirche wahrgenommen werden, in der eine Einheit unter Christen ersichtlich ist, während wir gleichzeitig sehr bunt hinsichtlich Alter, Lebenssituationen, ethnischem Hintergrund und Herkunft sind. Wir sehen uns als eine Freikirche, die einen Unterschied in der Stadt macht, weil wir Bedürftigen in ein neues qualitatives Leben zurückhelfen, für Kreatives, Innovatives, Alltagsrelevantes offen sind und dies fördern. Wir wollen uns bei all diesem menschlichen Handeln bewusst zur Abhängigkeit von Gott bekennen, und der Herrlichkeit Gottes viel Raum geben, damit diese für alle Menschen sichtbarer und wahrnehmbarer wird.

Seit jeher nannten uns die meisten Leute einfach „Halbgasse“, weil wir uns an der Halbgasse befinden. Das ist eine Wiener Art, christliche Gemeinden nach ihrer Adresse zu benennen. Um unseren neuen Namen am neuen Ort nicht durch eine Gasse oder Straße definieren zu lassen, involvierten wir die Gemeinde in einen längeren Namen-Findungs-Prozess an dessem Ende „WunderWerk“ stand. Damit wollen wir zum Ausdruck bringen, dass wir uns als Menschen nicht nur als Gottes WunderWerk (Eph 2,10) sehen, sondern in Zusammenarbeit mit unserem wunderwirkenden Herrn auch Wege beschreiten, die Gott für uns vorbereitet hat. Außerdem weist der neue Name auf unsere gewachsene Sehnsucht hin, dass die Übernatürlichkeit Gottes noch stärker als bisher durch zutreffende prophetische Worte, einer Atmosphäre der Gegenwart Gottes, übernatürlichen körperlichen und seelischen Heilungen und einer neuen Qualität der Hingabe an Jesus Christus erlebbar wird .

Während ich diese Zeilen schreibe sind wir noch in der Halbgasse, doch schon in wenigen Wochen übersiedeln wir in die Expedithalle. Beim Korrekturlesen meiner eigenen Zeilen wird mir bewusst, wie sehr wir uns als Gemeinde in einem Veränderungsprozess befinden, wie viele Dinge im Umbruch sind und wie sehr wir uns wünschen, dass Jesus in der Stadt viel markanter als bisher erlebt wird. Uns brennt es unter den Fingern, dass wir dazu im Chor der Gemeinden und Kirchen einen konstruktiven Beitrag leisten können – wir, sein WunderWerk.

GEMEINDEPORTRÄT

Durchschnittlich 300 Gottesdienstbesucher. Zwei Pastoren, sechs Teilzeit-Mitarbeiter/ innen und 150 ehrenamtliche Mitarbeiter. Gemeindegründung Freie Christengemeinde im Weinviertel, die mit 1. Mai 2016 Selbstständigkeit erlangt hat. www.fcg-weinviertel.at, ein Pastor, durchschnittlich 25 Gottesdienstbesucher und sieben ehrenamtliche Mitarbeiter. Die FCG Wien und FCG im Weinviertel sind Teil der Freien Christengemeinden Österreich, die wiederum Teil der FKÖ – Freikirchen in Österreich sind.

 

Kontakt: office@fcg-wien.at, www.fcg-wien.at.


BIOGRAFISCHES

Walter Bösch, Jahrgang 1953, ist verheiratet mit Verena. Sie haben vier erwachsene Söhne. Walter Bösch ist Pastor der FCG Wien. Er begann seine Ausbildung als Elektriker und beendete gerade einen M.A. in praktischer Theologie.

Kontakt: office@fcg-wien.at.

CHRISCHONA-GEMEINDE FRAUENFELD

Wir begleiten alle Menschen in die Gegenwart Gottes!

Paul Bruderer

Unsere Kirche: Begleiten und netzwerken

Das Wort begleiten bringt auf den Punkt, was uns zutiefst wichtig ist: Die Chrischona-Gemeinde in Frauenfeld ist eine Gemeinschaft von Christen, die ihre Freunde und Familienglieder zu Gott begleitet. Die Vorstellung, dass auf diese Weise unsere Gegend vom Evangelium durchdrungen wird, löst enorme Leidenschaft in uns aus! Diese Dynamik hat eine stark evangelistische Bedeutung, aber es geht tiefer, als die Menschen nur zur Bekehrung zu führen. Wir wollen, dass unsere Freunde und Familien zu Jüngern von Jesus werden, welche ihrerseits wieder ihre Freunde begleiten. Um das zu erleben, sind wir einerseits fokussiert auf Jesus, um von ihm zu lernen und als Jünger zu wachsen. Andererseits ringen wir darum, wie Paulus in Athen (Apg 17), unser Umfeld gut zu verstehen, damit wir den Glauben auf verständliche und relevante Weise vermitteln können.

Folgende Faktoren unseres Umfeldes haben uns als Gemeinde zum Handeln bewegt:

Allem voran steht die Beobachtung, dass es an Hoffnung und Liebe mangelt, die fähig sind, Krisen zu überstehen. Menschen verlieren die Hoffnung, dass es im Leben gut kommt. Ehen und Familien verlieren die Liebe, die durchhält. Als Nachfolger von Jesus leben wir mitten in diesen Entwicklungen. Wir sind selbst davon betroffen und gleichzeitig glauben und erfahren wir, dass es in Jesus eine Hoffnung und Liebe gibt, die Krisen überstehen und Menschen aus dem Scheitern ihres Lebens heraushelfen kann. Wir glauben auch, dass die Menschen sich dort hingezogen fühlen, wo es für sie Hoffnung und Liebe zu finden gibt. Aus diesem Grund suchen wir in unserer Lehre und in unserem Umgang mit Menschen lösungsorientierte Zugänge zu den herausfordernden Themen unserer Zeit, wie zum Beispiel Scheidung, dem Suchen eines passenden Berufs oder einer Arbeitsstelle, dem Thema der sexuellen Orientierung, Sterbehilfe, Integration von Menschen anderer Länder und Kulturen. Die Gnade Jesu setzt immer dort an, wo die Menschen sich in Realität befinden, und öffnet ihnen Wege in eine gute Richtung, die für sie in der Kraft des Glaubens lebbar sind. Diese Wege der Hoffnung suchen wir für die realen Herausforderungen der Menschen von heute!

Dieses Grundanliegen der Hoffnung und Liebe ist ausgezeichnet zusammengefasst in zwei biblischen Texten, die uns inspirieren: 1Petr 2,9 und Jes 61,1-3. Dieses Anliegen prägt unsere Lehre und unseren Umgang mit Menschen und hat zu praktischen Umsetzungen geführt. So bieten wir beispielsweise das Seminar Lieben – Scheitern – Leben zur Aufarbeitung einer Scheidung oder Trennung an. Die Aufarbeitung soll nicht nur die Vergangenheit in Ordnung bringen, sondern auch neue Liebes- und Lebensfähigkeit für die Zukunft – Hoffnung eben! Wir haben über die Jahre auch eine größere Gruppe von Seelsorgern und Seelsorgerinnen aufgebaut, die den Menschen an den Punkten dienen können, an denen sie nicht weiterkommen.

Kirche und Glaube ist für viele Menschen heute schlicht kein Faktor und unsere eigenen Leute genieren sich tendenziell, über ihren Glauben zu reden. Deshalb arbeiten wir mit einem Evangelisationsmodell, das auf jüngerschaftlichen Beziehungen gründet, dem LiFe-Seminar. Erkenntnisse aus der sogenannten Engelskala haben unseren Leuten geholfen, nicht immer nur die Bekehrung anzuvisieren, sondern die kleinen Schritte in Richtung Jesus im Fokus zu haben. Das hat viel Entspannung in unsere evangelistischen Aktivitäten gebracht und durch diese Entspannung fühlen sich unsere Leute freigesetzt, neu in diesem Bereich aktiv zu sein! In den vergangenen acht Jahren durften wir dadurch über 150 kirchenfernstehenden Menschen in unseren LiFe-Seminaren die wichtigsten Grundlagen der Beziehung zu Jesus nahebringen. Über ein Drittel haben ihr Leben Jesus Christus anvertraut und sind Teil unserer oder einer anderen Gemeinde geworden. Wir möchten, dass diese Dynamik ganze Bevölkerungsgruppen unserer Region mit dem Evangelium in Berührung bringt!

Weiter stellen wir in unserem kulturellen Umfeld eine Desintegration der Generationen fest. Alt und Jung haben wenig Gemeinsamkeiten und als Folge daraus auch keine konstruktive Beziehungsbasis. Die jungen Menschen in unserem Land verlassen die Gemeinden in Scharen, sobald sie 16 Jahre alt werden. Wir reagieren auf diese Entwicklungen, indem wir die ganze Generationen-Strategie von Orange leben3 umsetzen. Wir haben erst vor etwa zwei Jahren so richtig damit angefangen und kürzlich ein Ehepaar dafür angestellt: Simi und Liska Speck sind unsere Next-Generation-Pastoren.

Wir glauben, dass unser Land in naher Zukunft mit weniger finanziellen Ressourcen auskommen muss. Dies wird eine Auswirkung auf die Gemeindelandschaft haben. In naher Zukunft wird es in vielen Gemeinden plötzlich (endlich?!) Sinn machen, Gebäude, personelle und andere Ressourcen zusammenzulegen oder gar Gemeinden zu fusionieren. Wir engagieren uns deshalb in einem Netzwerk von fünf Chrischona-Gemeinden hier in der Region: Aadorf, Felben-Pfyn, Frauenfeld (wir), Steckborn und Weingarten. Unsere gemeinsame Vision ist es, diese Gegend mit dem Evangelium zu durchtränken und sinnvolle Ressourcen zu teilen. Konkret bedeutet dies, dass wir gemeinsame evangelistische Schulungen und Kampagnen umsetzen. Ehe- und Ehevorbereitungs-Seminare und weitere Schulungsangebote führen wir gemeinsam durch. Dies stärkt einerseits unsere gemeinsame Vision und bereitet uns andererseits besser auf finanziell anspruchsvollere Zeiten vor.

Auf der großen politischen Bühne finden zurzeit Verschiebungen statt, die dazu führen, dass viele Flüchtlinge nach Europa kommen, auch in die Schweiz. Gleichzeitig sind wir ein Land mit einem sowieso schon hohen Anteil an Ausländern. Eine weitere Beobachtung ist, dass Freikirchen tendenziell alle im selben sozialen Milieu agieren, nämlich der Schweizer Mittelschicht. Wir reagieren aktuell auf diese Beobachtungen mit zwei Projekten. Das SALEM-Flüchtlingsprojekt hilft asylsuchenden Menschen, die hier bleiben dürfen, sich in unserem Land zu integrieren. Dieses Projekt führen wir lokal mit Kirchen aus anderen Verbänden durch. Parallel dazu starten wir verbandsintern mit den vier Chrischonas des erwähnten Netzwerks die Internationale Kirche Thurgau. Diese neue Kirche ist nicht auf Flüchtlinge ausgerichtet, sondern soll ausländischen Geschäftsleuten, Studenten oder Menschen, die eine Schweizer Person heiraten, geistlich dienen und sie bei der Integration unterstützen.

Der Sozialstaat Schweiz steht vor großen und größer werdenden Herausforderungen. Darum haben Michael Hodel und Stefan Eggimann 2007 aus unserer Gemeinde heraus die Sozialfirma Wetterbaum gegründet, welche heute bis zu 50 Langzeitarbeitslosen die Chance auf eine Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt ermöglicht. Der Wetterbaum hilft auch bei der beruflichen Integration von Flüchtlingen.

Unsere Herausforderungen: Jüngerschaft, Sexualethik und Gemeindewachstum

Unsere größte Herausforderung ist, Menschen von heute zu Jüngern zu machen. Wir meinen, dass wir noch zu wenig Menschen erreichen! Unsere Herausforderung ist: Wie erreichen wir mehr Menschen? Die Herausforderung ist aber auch, wie wir die Menschen, die wir erreichen, von Stuhl-Wärmern im Gottesdienst zu mutigen Jüngern von Jesus machen. Viele Christen machen in den Programmen ihrer Gemeinden mit, teilweise mit großem persönlichen Engagement. Aber das macht sie lange nicht zu Jüngern! In dem Moment, wo der Glaube eine Entscheidung fordert, die etwas kostet, wählen viele den Weg der Bequemlichkeit und Lust. Unsere größte Herausforderung ist: Wie machen wir Menschen von heute zu Jüngern?

Ein Bereich, der uns herausfordert, ist die große Bandbreite an Fragen der Familien- und Sexualethik. Unser ehemaliger Chrischona-Direktor Markus Müller sagte einmal sinngemäß, früher wäre das Konkubinat erklärungsbedürftig gewesen, heute sei es die Ehe. Heute müssen wir vieles erklären oder sogar neu andenken, das früher nicht erklärt werden musste oder uns als Christen einfach klar war. So haben wir uns als Gemeinde intensiv mit dem Thema Homosexualität befasst, weil wir Menschen in der Gemeinde haben, die homoerotisch empfinden. Diese Geschwister sind bei uns herzlich willkommen und ich freue mich, sie als Teil der Gemeinde und aktive Mitarbeiter zu sehen! Die theologische Auseinandersetzung ist nicht einfach, weil sie manchmal auf dem Rücken dieser Geschwister geführt wird. Uns ist klar, dass Homosexuelle in der Urgemeinde willkommen waren und es darum auch bei uns sein sollen (siehe z. B. 1Kor 6,9 in Kombination mit der wichtigen Bemerkung in Vers 11). Ausgelebte Homosexualität war damals gesellschaftlich noch viel akzeptierter als bei uns. Trotzdem erwartet Paulus wie selbstverständlich von homoerotisch empfindenden Menschen, dass sie ihre sexuelle Neigung nicht ausleben. Mir ist klar, dass diese Aussage aktuell umstritten ist und angefochten wird. Wir als Gemeinde bewegen uns aber bewusst innerhalb dieser beiden Parameter. Die Schlüsselfrage bleibt dieselbe: Was ist ein realer und lebbarer Weg der Hoffnung für diese Menschen? Diese Themen sind herausfordernd und werden es bleiben.

Gemeindewachstum ist für uns ein Zeichen, dass wir unser Christsein und unsere Gemeinschaft in einer relevanten Art und als gesunder Organismus leben. Wir glauben, dass Jesus möchte, dass wir als Gemeinde in der Beziehung zu ihm, zueinander und zu unseren Mitmenschen wachsen, was sich auch an quantitativem Wachstum zeigen wird. Wenn eine Gemeinde wächst, gibt es so etwas wie Schwellenpunkte, die schwerer zu überwinden sind. Eine solche Schwelle gibt es bei ungefähr 250 erwachsenen Gottesdienstbesuchern. Vor einigen Jahren verdoppelte sich die Größe unserer Gemeinde auf diese Zahl. Es fiel uns aber schwer, danach zahlenmäßig weiter zu wachsen. Inspiriert von Literatur bezüglich Gemeindebau und der Erfahrung größerer Gemeinden haben wir etliches verändert, unter anderem unsere Leitungsstruktur und Kultur. Zum Beispiel haben wir Uwe Knoblauch nicht als klassischen Pastor angestellt, sondern als Church Manager, der mir als leitendem Pastor in vielem den Rücken in Sachen Management freihält. Wir haben auch eine größere Diversität an Anlässen aufgebaut, und etliches mehr. Trotz der Veränderungen wachsen wir zahlenmäßig im Moment kaum. Menschen bekehren sich und werden Teil der Gemeinde, was zahlenmäßig kompensiert für jene, die wegziehen oder in die Ewigkeit abberufen werden. Wir gehen zurzeit diese Fragen nochmals an, weil wir einen Durchbruch in die nächste Gemeindegröße von etwa 300-400 Gottesdienstbesuchern erleben möchten.

Unsere Vision: Gemeinschaftszentrum

In zehn Jahren wollen wir ein neues Gemeinschaftszentrum haben, in dem in großer Selbstverständlichkeit soziales und kirchliches Dienen nebeneinander stattfinden! Das ist unser großer Wunsch, denn so kann die Vision der Jüngerschaft und das Versprühen von Hoffnung und Liebe noch viel mehr Wirkung entfalten! In diesem neuen Gemeinschaftszentrum werden unsere Sozialangebote Seite an Seite mit den Angeboten der Gemeinde gelebt. Wir teilen unsere Büros und Begegnungszonen. Die Menschen dieser Stadt erfahren die Güte Gottes ohne die Bedingung, dass sie sich religiös für den Glauben interessieren müssen. Gleichzeitig leben wir als Gemeindeglieder als Jünger von Jesus und begleiten viele in die Nachfolge von unserem Herrn. Die junge Generation gibt Vollgas für Jesus und die ältere Generation unterstützt sie dabei. Menschen, die gescheitert sind, finden neue Hoffnung, Liebe und Kraft für das Leben, das Gott ihnen gibt und zumutet. Inmitten aller sozialen und politischen Veränderungen und Unruheherden werden Menschen von Jesus angezogen, weil er das Licht der Welt ist und wiederkommt!

GEMEINDEPORTRÄT

Chrischona-Gemeinde Frauenfeld, 400 Prozent-Stellen, drei Vollzeit-Pastoren mit mehreren Teilzeit-Angestellten, Gottesdienstbesuch 250 Erwachsene und 80 Kinder, Netzwerk mit vier anderen Chrischona-Gemeinden.

 

Kontakt: info@chrischona-frauenfeld.ch, www.chrischona-frauenfeld.ch, www.ik-thurgau.ch, www.salemfrauenfeld.ch, www.wetterbaum.ch.


BIOGRAFISCHES

Paul Bruderer, Jahrgang 1972, ist mit Heather verheiratet. Sie haben drei Kinder im Schulalter. Paul Bruderer ist der leitende Pastor der Chrischona-Gemeinde in Frauenfeld. Nach seinem Studium zum Diplom-HTL-Ingenieur hat er in England einen Bachelor und Master in Missionstheologie absolviert.

Kontakt: paul.bruderer@chrischona.ch.

3 »Familie und Gemeinde gemeinsam für die nächste Generation«, siehe auch www.orangeleben.ch.

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