Tatort Garten

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Der Kommissar erschauderte. War das ein nackter Fuß, der da gerade unter dem Tisch seine Wade berührte und anfing, sich daran zu reiben? »Das Lamm hätte etwas Knoblauch vertragen«, meinte er, um irgendwas zu sagen.

»Die Wirkung dieser Knolle wird gemeinhin überschätzt.« Zu Fahlenstein klatschte in die Hände. Das Geschirr wurde abgetragen, der Butler schenkte roten Bordeaux ein.

Belladonna trank ihr Glas in einem Zug aus und zwinkerte Küps zu. Ihre Zehen krabbelten seinen Unterschenkel empor.

»Chilischärfe ist gut fürs Blut?«, fragte Brandeisen nachdenklich und betrachtete den Kommissar, als sei er ein Versuchskaninchen.

»Gerinnungshemmend. Keine Bröckala.« Küps wusste nicht wohin mit seinen Beinen, also ließ er sie da, wo sie waren. Eine kleine Massage konnte nicht schaden.

Der nächste Gang wurde gebracht, Bluttaube auf Habañero-Reis. Eine Spezialität des Hauses, wie der Freiherr anmerkte.

Brandeisen verneigte sich. »Merci beaucoup. Sie haben uns sehr geholfen.«

»Vampire, also ich muss schon sagen!«

»Nur eine Hypothese.«

»Bleiben Sie, so lange Sie wollen. Dann können wir die langen Winterabende dazu nutzen, uns an intellektuellen Gesprächen zu erbauen.« Zu Fahlenstein senkte seine Nase ins Glas und prüfte versonnen das Bouquet des Weines. »Die langen dunklen Abende. So viele dunkle Winter.«

Küps machte sich über die Taube her. Dabei führte er das Messer ein wenig zu forsch. Die Klinge glitt an der Kruste ab und ritzte seinen Zeigefinger. Ein paar Blutstropfen quollen hervor.

Es war, als ginge ein gefallener Engel durch den Raum.

Belladonnas Augen weiteten sich wie unter Drogen. Brunfelsias gestrenger Blick schmolz zu einem unbändigen Sehnen. Barbiturata erwachte aus ihrer Lethargie und fixierte den verletzten Finger. Ihre Schleier umflatterten sie wie die Schwingen einer Fledermaus.

Der Freiherr streckte seine Hand aus, schien sich aber gerade noch beherrschen zu können und bedeckte die Wunde des Kommissars mit einer Serviette. »Sie sollten vorsichtiger sein!«

Brandeisen erhob sich. »Ich fürchte, wir müssen auf den Nachtisch verzichten.«

»Was soll das heißen?«

»Leider können wir auch nicht übernachten.« Er zerrte Küps vom Stuhl hoch. »Nun kommen Sie schon!«

»Warum dieser überstürzte Aufbruch?«, fragte zu Fahlenstein überrascht. »Nicht so hastig, meine Herren. Festina lente!«

»Eile mit Weile«, raunte Brandeisen dem Kommissar zu. »Das ist der Wahlspruch von Graf Dracula. Nichts wie weg!«

Doch die Saaltür wurde von dem Butler und seinem buckligen Adlatus bewacht. Ihre grauen Gesichter wirkten abweisend und feindlich, eine Hellebarde befand sich in Griffweite. Der Staatsanwalt war sich sicher, dass die untoten Schergen den Ausgang mit ihrem Leben – oder was davon übrig geblieben war – verteidigen würden.

»Dann eben durchs Fenster.« Brandeisen schubste Küps vor sich her und gab ihm einen kräftigen Stoß. Das Bleiglas zersplitterte, und der Kommissar schoss wie eine Kanonenkugel nach draußen. Brandeisen hechtete hinterher.

Sie rutschten über die abschüssige Dachfläche und landeten auf dem Verdeck der Kutsche, wodurch der Sturz abgefedert wurde. Als sie wieder auf die Beine kamen, rannte der Staatsanwalt zu seinem Citroën und startete den Motor.

»Die Zugbrücke!«, rief er.

Neben dem Tunnelgewölbe befand sich ein Kasten mit einem großen roten Knopf. Küps drückte darauf und sprang in den Wagen.

Unendlich langsam senkte sich die Brücke. Im Rückspiegel tauchten zu Fahlenstein und seine Nichten auf. Brunfelsias Finger streckten sich ihnen wie Krallen entgegen. Belladonna bewegte sich wie ein Panther, bereit zum Sprung. Barbituratas Schleier wehten im Nachtwind, als wollte sie sich in die Lüfte erheben.

Der Staatsanwalt gab Gas.

Nach ein paar Kilometern fand der Kommissar die Sprache wieder. »Und was sollte das jetzt?«

»Haben Sie nicht gesehen, wie diese sogenannten Nichten Sie angestarrt haben? Wir sind in ein Vampirnest geraten.«

»Lesen Sie jetzt Heftchenromane?«

»Den Damen ist bei Ihrem Anblick das Wasser im Munde zusammengelaufen.«

»Ich habe eben eine gewisse Wirkung auf Frauen.« Küps zupfte Glassplitter von seinem Anzug und dachte an Belladonnas gelenkige Zehen.

»Die hätten Sie völlig ausgesaugt. Ein wahres Festmahl wären Sie geworden, wegen der Blutverflüssigung. In den Augen eines Vampirs sind Sie so etwas wie ein menschliches Partyfass.«

»Meinen Sie wirklich?«

»Zu Fahlenstein wirkt zivilisierter. Vermutlich hat er jahrzehntelang ›vegetarisch‹ gelebt, um nicht aufzufallen. Er ernährte sich von Juraschafen und verirrten Touristen – bis diese Furien seine Ruhe störten. Brunfelsia ist der Kopf des Ganzen. Sie dürstet nach reinem Blut, wie es früher in Transsylvanien verfügbar war. Deshalb überfiel sie den Fahrradkurier. Die Informationen in seiner Tasche waren unbezahlbar. Nie mehr x-beliebige Teenager im Hain aussaugen, die vielleicht nur Blutgruppe Null haben. Oder Sandkerwaleichen mit jeder Menge Aperol Sprizz in den Adern. Der Nachgeschmack muss entsetzlich sein.«

Küps begriff. »Dann haben die sich ganz gezielt die Vermissten geschnappt. Drei junge Männer für die Nichten. Und das Mädchen für den Freiherrn.«

»Ein Schmankerl, damit der alte Gourmet wieder auf den Geschmack kam. AB Rhesus negativ ist quasi der Chateau Pétrus unter den Blutgruppen.«

»Schön, so fürsorgliche Nichten zu haben.«

»Papperlapapp!«, wies Brandeisen ihn zurecht. »Wir sind gerade noch einem schrecklichen Schicksal entronnen.«

Der Kommissar starrte eine Weile in die Dunkelheit. Sie fuhren schnell, die Bäume eines lichtlosen Tals wischten schemenhaft vorbei.

»Wenn die mich gebissen hätten, wäre ich also zum Vampir geworden?«, überlegte er laut.

»Ein Freifahrschein in die ewige Verdammnis.«

»Na und?« Er zuckte mit den Schultern. »Als erstes hätte ich mich pensionieren lassen, wegen Burn-out. Dann wäre ich im Schloss eingezogen. Der Freiherr braucht bestimmt einen Gärtner – genau der richtige Job für mich. Ich hätte mir einen hübschen Sarg gezimmert, für tagsüber. Und nachts … Diese Belladonna scheint anlehnungsbedürftig zu sein.«

»Sie kapieren es immer noch nicht«, sagte Brandeisen. »Die zu Fahlensteins halten sich für etwas Besseres, Adelsgesocks, um mit Ihren Worten zu sprechen. Die sehen auf Leute wie Sie herab. Entweder man hätte Sie behandelt wie einen Leibeigenen, oder Sie wären gleich als Blutwurst geendet. Wahrscheinlich ist es den vier Vermissten so ergangen.«

»Blutwurst?«

»Komplettverwertung. Wenn Vampire vom Blutrausch übermannt werden, etwa nach langer Abstinenz, lassen sie von ihren Opfern keinen Bissen übrig. Gehen Sie nicht ins Kino?«

Blutwurst war das Stichwort. Küps kam zur Besinnung. Er bat den Staatsanwalt, auf dem Rückweg nach Bamberg in einem Landgasthof zu halten. Nach diesem Vampirmenü brauchte er etwas Anständiges im Magen.

Es wurde ein opulentes Nachtmahl. Der Kommissar tat sich an einem Schäuferla gütlich. Brandeisen entschied sich für einen Karpfen und trank sogar ein Bier mit.

»Was die wohl mit Ihnen gemacht hätten, wenn Sie ein Vampir geworden wären?«, fragte Küps und züllte den Knochen der Schweineschulter ab. »Bei Ihrer Bildung!«

»Die drei Grazien studieren ja noch. Aber diese Blutsaugerei stelle ich mir extrem zeitraubend vor. Man muss die Opfer ausfindig machen und auf eine günstige Gelegenheit warten. Da kommt es leicht zu Überlastungen. Bestimmt hätte ich ihre Doktorarbeiten schreiben müssen.«

»Ist das nicht verboten? Plagiat und so?«

»Vampire und Freiherren nehmen es da nicht so genau.«

In der Morgendämmerung des folgenden Tages ging Brandeisen frisch ans Werk. Irgendjemand musste der Plage ein Ende bereiten. Er spitzte einen Satz Holzpflöcke an und packte seinen Campinghammer ein, des Weiteren Knoblauchzöpfe, Kruzifixe und Weihwasser. Aus der Stadtbücherei holte er die Vampirromane einer jungen amerikanischen Autorin, vor denen sogar Vlad, dem Pfähler, gegraut hätte.

So ausgerüstet fuhr er zu Küps. Das Radio lief.

Eine Eilmeldung. Das Verschwinden der mutmaßlichen Mordopfer hatte sich aufgeklärt. Die jungen Leute waren spontan zu einem mehrtägigen Rockfestival in Duisburg gefahren. Sie hatten einige Tage Amsterdam drangehängt und waren inzwischen wohlbehalten zurückgekehrt.

Die Lippen des Staatsanwalts bebten. Wieder ein Fall für die Außer-Spesen-nichts-gewesen-Statistik. Dabei war er sich dieses Mal so sicher gewesen!

Er überquerte die Markusbrücke. In der Nacht hatten sich wieder Vandalen an den Blumenkästen zu schaffen gemacht und die Geranien rausgerupft. Schande!

Und all die parkenden Autos in der Markusstraße, einige mit ortsfremdem Kennzeichen. Die hatten bestimmt keinen Anwohnerausweis.

Weiter zum Markusplatz. Ein Radler zischte gefährlich nahe an dem Citroën vorbei und überfuhr die rote Ampel.

Das war zu viel. Brandeisen nahm die Verfolgung auf.

Nina George – Der beste Dünger

Es ist ein perfekter New Yorker Sommertag, an dem Fotos für Bildbände geschossen werden, für die Hochzeits­-Seiten der Times und für die Sexanzeigen von craigs­list.com; »Kavaliere bevorzugt in Mid­town« (rotes Höschen auf minderjähriger Haut), »Sonn­tagmorgen­lie­bhaber in Soho« (purpur­schwarze Erektion vor weißer Kachel), »Nasser als nass in Queens«. Salzwässrige Tropfen auf einem gespreizten Etwas, das Amy Bishop an den Kelch einer violetten Calla denken lässt.

Die Calla. Geburtsname Zantedeschia. Symbol von Ewigkeit, Liebe und Tod. Für immer dein, verspricht sie, auch nach allem Ende.

 

»Vulvatränen auf Todesblume. Oh, Jack«, flüstert Amy.

Sie tippt auf den Link der Anzeige »Nasser als nass in Queens«. Ihr Mann Jack muss das Inserat im Verlauf des Sonntagsfrühstücks entdeckt haben, wäh­rend er vor­gab, auf dem iPad die Times zu lesen, die mit den Gartenmorden aufmachte. Seit Jahren werden junge Huren tot in New Yorker Gärten ge­funden. »Blü­hendes Ableben« nennt die Times den elften Serienmord in drei Jahren.

Amy hatte Kaffee gebrüht und Jack von der alleinstehenden Nach­barin erzählt (»Pam ist schwan­ger, mit 44!«), von Matthew (»unser Sohn will Weih­nach­­ten nicht nach Hause kommen«), von sich (sie hatte Zucchini gesät), während er sich heimlich mit der feuchten Königin von Queens ver­ab­redet hatte. Jack hatte zwar an den pas­senden Gesprächsstellen zustimmend gebrummt, sich aber ver­mutlich vor­gestellt, wie »Nasser als nass« oberhalb der lila Blüte aussieht. Dann war er auf­ge­brochen, mit dem Crossbike. In Rad­ler­hosen sieht Jacks Jack aus wie eine mopsige Baumfrucht.

Jackfrucht vögelt falsches Schweins­ohr, denkt Amy. Alche­milla, Belamcanda, Zantedeschia, die haben es gern feucht; es kommt ständig vor, Männer betrügen Frauen mit jungen Huren und halten das für keine große Sache. Jack ist 51. Herbstzeitloser, manche blühen erst im Lebensoktober auf, Indian Summer Man.

Amy liebt Bildungskurse. Computer, Chemie, Literatur. Blumen.

»Und was bringen dir die Blumenschwuchteln so bei?«, hatte ihr Mann gefragt, als Amy begonnen hatte, jeden Sonntag bei den Daisygays, den Blu­men­­schwuchteln, wie Jack Bishop die Brook­lyner Garten­architekten Grahame und Phil von Plant Specia­lists gutmütig bezeichnet, im Gardening Course zu verbringen. Während Jack durch die Gegend radelt und frische Blumen pflückt. Dieser verfluchte …!

»Wir lernen, dass Blumen wie Menschen sind«, hatte Amy geant­wortet. Es gibt Festkraller. Spätblüher. Verführer und Sklaven.

»Blumen haben Charakter«, hatte Grahame doziert. »Sie werden nach ihrem Geltungsdrang, ihrem Streben nach Freiraum, Macht und Licht unterschieden. Es gibt Herrscher, die keinen neben sich dulden, wie Amaryllis oder Rohrkolben. Eine Lady mit mittlerem Geltungsdrang ist die Calla – sie ist kein Chef­typ, eher die ge­sellige Edeldame. Es gibt kokette Prunk­stücke wie die Rose, ver­bindliche Seelen wie die Margerite und Kriechtypen, die nur dafür leben, Herrscher-, Prunk- und Edelformen zu unterstreichen. Efeu, Heide und Gräser, etwa.«

»Wenn ich der Rohrkolben bin: was bist du dann? Kriech­efeu oder Windende Quitte?« Jack hatte gelacht, Amy auch, sie kann das, doch. Nach zwanzig Ehejahren, einem Sohn, Hunderten Spazier­gängen, Hand in Hand durch Brooklyn Heights, kann Amy noch lachen. Und außerdem meinte es Jack bestimmt nicht so.

Sie hat ihm nie gesagt, dass es Mörder unter den Blumen gibt. Meist sind es die Schönheiten. The Beauty is a Beast. Tulpen, Narzissen, Hortensien: Reizende Totmacherinnen, die einem den Darm perforieren. Oder Schnee­glöck­chen – wahre Mist­stücke, die auf den Gräbern ihrer Giftopfer neckisch mit den Köpfchen wip­pen. Die Becherprimel, ein rachsüchtiges Ding, gleicht ihr harm­loses Aussehen mit einem Drüsensekret aus, das einem die Haut von den Knochen schält. Wie aus dem Ei gepellt, oh, ja.

Es ist ein herrlicher Tag, Luft wie Seide, Amy schafft es ins Bad. Sie schlägt sich die Knie auf den Fliesen auf, und was ihr heiß die Speiseröhre nach oben und ins WC schießt, schmeckt nach Omelett mit Bärlauch und Parmesan von Cheese of the World, Austin St. Und den Zucchini, die sie auf dem Balkon erntet, schier seit Monaten.

Jedes Jahr dasselbe: Wohin mit all den Zucchini?

Die feuchtfröhliche Calla aus Queens ist nicht die Erste, auf die die Jackfrucht trifft; Jack pflückte schon Wildrosen, Orchi­deen, Mohn­blumen. Im Computerkurs hat Amy gelernt, Webspione zu instal­lieren. Sie weiß, wohin ihr Mann surft. Am liebsten zu craigslist.

Jack und sein lüsterner Garten. Für einen Cop ist er nicht sehr gut im Verstecken. Captain Bishop, Hurenbock Department.

Amy denkt an Jacks Hände auf ihrem Bauch, wenn er zwischen ihren Schenkeln liegt und sie leckt; er hat eine Art, sie mit den Fingern zu kneifen, im selben Takt wie seine Zunge arbeitet.

Aus ihrer Kehle ringt sich ein Stöhnen, es bricht entzwei auf dem Weg nach draußen. Tränen fallen in das parfümierte WC-Wasser.

Amy kotzt, sie denkt an ihren Sohn Matthew, er ist so jung.

Dann putzt sie sich die Zähne, das Bad.

Nein. Keine Scheidung.

Im Gartenkurs haben sie mal über eine Welt ohne Männer gere­det. Phil erklärte, welche Blumen Kerle in Dünger verwandeln. Sie hatten alle gelacht. Und mitgeschrieben.

Amy nimmt die Crosstown Line zu Phils und Grahames Town­house am Vernon Boule­vard. Sie ist dreißig Minuten zu spät, die anderen sind noch bei der Theoriestunde auf der Terrasse mit Blick auf Queensboro Bridge und Midtown Manhattan, bei Hendrick’s Gin Tonic mit daumendicker Gurkenscheibe. »Heil- und Küchenkräuter in urbanen Mauer­gärten« lautet das heutige Thema.

»Zwergmispel, Edelgamamba, Drachenmaul, die sind mit Ritzenplätzen zufrieden. Krallen sich fest, und geben ihren Platz, so klein und gedrungen er sein mag, nicht mehr her«, doziert Phil, er sitzt halb auf Grahames Stuhlarmlehnen.

»Wie du, mein Drachenmäulchen«, murmelt Grahame, »in jedem Lebensgarten ist Platz für ein kleines Monster.«

Alle lachen. Phil mit geschlossenen Lippen.

Die dicke Priscilla aus Harlem fängt an, über die Hurenmorde zu klatschen.

»Das FBI tippt ja auf Weiß, Mittel­klasse-Auto – und verheiratet! Es könnte jeder sein, sagt das FBI. Sogar du, Grahame!«

»Meine Güte, Schätzchen, du solltest nicht so viel facebooken«, sagt Grahame, »außerdem würde ich NIE einen Ford Taurus fahren!«

Auflachen, nachgießen.

Auch die anderen wissen Bescheid.

»Er tötet nur im Som­mer.« –

»Kein Wunder, im Winter ist der Boden zum Umgraben zu hart!« –

»Und er ist sozial kompetent, intelligent, freundlich, sagt das FBI.« –

»Also, meine Liebe, das KANN nicht JEDER sein! Und Clooney wohnt gar nicht mehr in der Stadt …«

Noch mehr Gelächter.

»Er hat sie alle über craigslist kennengelernt. Die Klein­an­zeigen, wisst ihr? Da inserieren ja auch … so welche«, flüstert Priscilla.

Amy nimmt sich einen doppelten Hendrick’s GT. Craigslist, ja?

»Ach, da findest du aber wirklich alles«, meint Phil. »Hier, diese Keramikschüsseln aus Utah …«

Grahame tätschelt Phils Wange, väterlich.

»Der Serienkiller ist vertraut mit modernen Ermittlungstechniken.« Sabrina aus dem Village hat studiert und zeigt es gern. »Hinter­lässt keine Spuren. Manche sagen, dass der Nutten­killer ein Cop ist. Wer sonst könnte Cops so gut täuschen?«

Raunen.

Amy friert auf einmal.

Phil beginnt, den Aufbau einer Schottertrocken­mauer zu erläutern. Dann fahren alle zum Socrates Sculpture Park, um mit den Händen in der Erde zu wühlen, mit zehn nackten Fingern. Jede hat dort ein eigenes Stück Gartenland, das sie betreut.

Amy pflanzt Zucchini, Kürbis, Kohlrabi. Niemals Blumen.

Sie verschenkt das Gemüse an Obdachlose. Phil drängt sie, sich den edleren Künsten zu widmen. »Amy-Sweetheart, schöne Anblicke nähren den Geist. Auch der muss satt werden. Pflanz doch mal etwas, was nur hübsch ist, nicht essbar!«

Sie verabschiedet sich am Nachmittag zusammen mit Priscilla, sie nehmen die Crossline ein Stück zusammen. Jack ist bestimmt schon zu Hause, geduscht, frisch. Entspannt.

»Ist dein Mann nicht auch bei der Polizei?«, fragt die Dralle.

»Ja. Er ist einer von den GUTEN!«, sagt Amy, ihre Stimme schnellt hoch.

»Natürlich ist er das. Aber, ich meine … was hält er von der ganzen Gartenmord-Sache? Seit drei Jahren kriegen sie den Mistkerl nicht, ich mein, das FBI und das NYPD hat 125 Leute auf den Fall angesetzt, 125! Hast du gehört, dass jedes Opfer überwuchert war mit Gras und Blumen?« Priscillas Augen sind gierig. »Die Dinger blühten die Leichen wie irre zu! Organischer Dünger, du weißt ja, was Phil darüber erzählt!« Sie kichert. Wer weiß, zu welchen Kursen Priscilla sonst noch geht, nur um solche Sätze zu sagen, wie »Das NYPD sagt … Menschen­dünger ist der beste.«

»Wir reden zu Hause nicht über Jacks Beruf«, sagt Amy, »ich will all diese Gewalt nicht in meinem Haus haben.«

Priscilla ist nicht zufrieden.

Amy weiß, die Morde begannen in den Jahren, in denen sie dank­bar gewesen ist, einen pubertierenden Sohn zu haben. Kein Mäd­chen, das sich auf craigslist anbietet, um was zu erleben. Jahre, in denen Matthew erwachsen wurde, zu Hause auszog und Amy begann, im Sommer die Gartenkurse zu besuchen.

Jack hat sich vor drei Jahren das Rad gekauft; es passt in den Koffer­raum ihres Ford Taurus. Ein Mittelklassewagen. Ihr Mann radelt jeden Sommersonntag, ist schlanker geworden, hat Farbe von der frischen Luft bekommen, wirkt … präsenter.

Sie haben öfter miteinander geschlafen. Meist Sonntag­abend. Zärtlich ist er dabei. Captain Jack Hurenbock Bishop.

In einem der Psychologiekurse an der Open School hat Amy gelernt, dass Männer Fehltritte »ungültig« machen, indem sie innerhalb von zwölf Stunden nach einem Seitensprung mit der eigenen Frau schlafen. Irgendwo anders hat sie gelesen, dass es Männer erregt, wenn sie töten. Dass sie deswegen gern rohes Fleisch grillen. Blut, das zischend verraucht. »Du hast gewonnen. Du lebst, ich nicht. Iss mich!«

»Wie bitte?« Priscilla ist irritiert.

»Nichts.«

Amy ist froh, dass Priscilla aussteigen muss.

Dann weint sie ein bisschen. »Oh, Jack«, flüstert sie.

In einem Hinterhofgarten in Queens wird drei Wochen darauf die zwölfte Frauenleiche gefunden. Ihr Name ist Tina Fox, auch sie ist eine craigslist-Hure, sie annoncierte unter der Chiffre »Nasser als nass«. Tina Fox ist über und über mit Vergissmeinnicht und Efeu überwuchert. Der Som­mer ist warm, die Blüten nisten satt auf ihrem toten Körper. Jack wirkt nervöser, findet Amy. Wachsam.

Sie hat das Gefühl, dass er unruhiger schläft. Erst als Tina Fox nach ein paar Tagen aus den Nachrichten verschwindet, hört auch Jack auf, sich nachts herumzuwälzen oder blicklos aus dem Fenster zu starren und auf Amys Fragen nur mit einem »Hm? Entschuldige, was?« zu antworten.

Ob er fähig wäre, sie zu beseitigen? Seine eigene Frau?

Als sie ihm vorschlägt, ihr ein Rad zu kaufen, um ihn bei seinen Sonntagsausflügen zu begleiten, wirkt Jack wenig erfreut.

»Die Straßen sind nicht gut, das macht dir keinen Spaß, Liebes.«

»Aber die Bike Lane ist neu und führt durch halb Queens!«

Jacks Mundwinkel bebt bei dem Wort Queens.

»Die Abgase und der Verkehr … das ist zu gefährlich. Ich wäre da nicht entspannt, wenn ich dauernd auf dich achtgeben müsste.«

»Ich glaube, Jack, du willst mich gar nicht dabeihaben. Fährst du etwa jeden Sonntag zu deiner Geliebten?«

»Nicht jeden Sonntag, Dummerchen. Jeden dritten.« Er fängt sich. Er lacht. Amy lacht auch.

In ihrem Psychokurs wurde gesagt, dass Menschen die Wahrheit geschickt wie einen absurden Witz klingen lassen, sodass niemand sie je entlarvt.

Manchmal denkt sie, das Einfachste ist, wenn sie sich umbringt.

Einfach auf der Brooklyn Bridge vom Fußgängerweg hinunter in den rollenden Verkehr fallen lassen. Es würde furchtbar sein, am Anfang. Wenn sie sich einen Truck aussucht, der nicht mehr aus­weichen kann. Er würde ihren Körper überrollen, und mit den Reifen hin- und herschubsen wie eine fleischige Flipperkugel.

Dann erlöst sie Jack. »Schon gut. Du weißt, ich grab lieber am Sonntag im Dreck herum. Und treffe meine Liebhaber, Phil, Grahame und den Riesenkürbis.«

Captain Bishop droht ihr scherzhaft mit dem Finger: »Vorsicht, junge Dame! Sonst muss ich dich doch noch übers Knie legen!«

»Das willst du wohl gern!«

»Wer weiß?« Er zwinkert ihr zu.

Amy fragt sich, ob Jack das mit den Huren gemacht hat. Ob er sie gern auf seinen Knien hat. Oder auf ihren, kriechend, auf allen vieren. Nackt.

»Ich würde dabei jedenfalls meine Gartenknieschoner tragen«, murmelt sie. Das Weinen gibt sie auf.

Wenn sie ihren Mann beim Frühstück von hinten umarmt (und sich überwinden muss, es zu tun!), bedeckt Jack das iPad mit seiner großen Hand. Stattdessen beginnt er, ihr zuzuhören, nach­zu­fragen. Nach Pams Schwangerschaft. Nach Matthew. Und den Zucchini. Amy fragt sich, ob er ahnt, dass sie ihm nicht traut. Er bringt ihr Schokolade mit, manchmal Zeitschriften. Selten Blumensamen.

 

An einem Sonntag, als Jack aufs Rad steigt, streift Amy sich Gartenhandschuhe über und öffnet Jacks Zweitaller­heiligs­tes, den Birzman-Werk­zeugkasten, den sie ihm vorletzte Weihnachten geschenkt hat (das Heiligste ist Jacks Carbon-Crossbike). Dieser Werkzeugkasten ist keiner von den nostal­gischen, die wie zwei gebrochene Arme auseinanderklappen; sondern aus schwarz­mattiertem Edelstahl, mit neongrünen, flachen Schubladen, deren drei schlanke Fächer lautlos auf Kugellagern nach vorne gleiten.

In einem vierten, versteckten Fach, das sich auf der Unterseite der obersten Schublade verbirgt, liegt ein billiges Silberkettchen mit einem Namens­anhänger. Tina.

Nasser-als-nass-in-Queens-Tina-Fox?

Amy greift tiefer hinein. Fördert einen Büchereiausweis hervor. Brit Sabback. Und einen Schwimm­­­clubpass. Viola Satorius.

Amy erinnert sich an die Bilder in der New York Times: Brit war in einem Feld wogender roter Tulpen gefunden worden, Viola in einem Nest aus Katzenminze.

Blumen sind keine Veganer, No Sir. Du hast gewonnen. Iss mich!

Amy spürt den Kotzreiz, aber diesmal hat sie ihn im Griff.

Sie schiebt die vierte, geheime Schub­lade wieder zu, den Birzman in die Ecke, die Rollräder gleiten zurück in die Teppich­mulden. Amy kontrolliert die Schublade, ob da ein durchsichtiges Stück Tesa klebt, das zerrissen ist und ihr Herumgewühle verrät.

Sie wischt mit geruchlosem Reiniger über den Edelstahl, beseitigt die schwachen Fetttupfer ihrer Daumenkuppen. Sie ist sich sicher, keine Spuren hinterlassen zu haben. Ziemlich sicher.

Amy weiß genau, wann sie begonnen hat, ihre Fährten zu verwischen; als sie verliebt war in den Nachbarsjungen Craig. Und weil sie auch einen Cop als Vater hatte und sich als Backfisch Strategien überlegen musste, seinen Kontrollen zu entgehen, hatte sie begonnen, hinter sich selbst herzuräumen. Nie hat Dad Amy beim Rauchen, Trinken oder Träu­men erwischt. Nicht beim Küssen. Lügen. Und in dem Tagebuch, das sie führte, schrieb sie Geschichten nur für seine Augen.

Ihr echtes Tagebuch bewahrte sie außerhalb des Hauses auf.

Wie stolz ihr Cop-Dad war, als sie einen Cop heiratete!

Am Abend sehen sie und Jack fern. Amy kann die ganze Zeit an nichts anderes denken als an die Ausweise in dem Birzman.

Was soll sie tun? Ein anonymer Hinweis ans FBI, und der Rest … wäre nicht mehr ihre Sache. Jack würde leugnen, natürlich, aber die Ausweise, seine Dates mit den Nutten, das Kettchen: Jedes Geschworenengericht wäre sich über seine Schuld einig.

Sie stellt sich die Vernehmung vor.

»Aber Sie müssen doch etwas gespürt haben, Mrs. Bishop!«

»Nein, Detective, nichts … ich habe ihm doch vertraut. Immer. Er ist mein Mann. Er ist ein Cop!«

Sie würden das Haus und ihr Leben auf links drehen. Matthew: völlig verstört. Amy: auf ewig die Frau des psychopathischen Killercops. New York: traumatisiert! Wem soll die geschundene Stadt denn trauen, wenn nicht den Männern des NYPD?

»Ist alles in Ordnung mit uns?«, fragt Jack.

»Natürlich, Jackman«, sagt sie.

»So hast du mich lange nicht genannt.« Seine Hand kriecht über das Sofa zu ihrer. Sie möchte sie wegziehen, aber sie will sich nicht verraten.

Seine Hand umschließt ihre. Warm. Vertraut. Er küsst ihre Hand.

Es werden immer wieder Frauen in Blumenbetten gefunden werden, so lange, bis Jack nicht mehr kann.

»Oh, Jack!«

All diese jungen Frauen … Amy bricht es das Herz, dass sie sich wegwerfen, für schwitzende Männer die Beine breit machen.

»Oh, Amy …«, seufzt Jack, er küsst sie, seine Zunge öffnet ihre zusammengebissenen Zähne. Stößt und wühlt.

Amy beschließt, ihren Mann zu töten.

Zu ihrem 21. Hochzeitstag bringt Jack Blumen mit.

Purpurne Calla.

Während des Essens – Matthew lässt sich kurz blicken –, Spazierengehens und des Hochzeitstag­bei­schlafes, bei dem Jack ihre Handgelenke etwas zu fest in das Laken links und rechts neben ihrem Kopf drückt, formuliert Amy in Gedanken diverse craigslist-Anzeigen.

Sie denkt an tödliche Blumen. Wie sie verlocken mit ihren lieblichen Gesichtern, ihrem Duft, ihrer Sanftheit.

Schachblume, blüht im April. Giftpflanze. Delirium, Tollwut, Angst vor Wasser führt zum Verdursten. Busenfreundin der Dichter-Narzisse, deren Zwiebel devitalisierende Darm­koliken auslöst. In Bratkartoffeln vielleicht, oder auf Salat? Oder Bilsenkraut, als Rauch eingeatmet führt es zum Atemstillstand; keltische Priester haben es benutzt, um sich high zu räuchern.

»Jack, ich glaube, ich möchte jetzt lieber schlafen.«

Er ist enttäuscht. Gleichzeitig sieht sie in seinem Blick Genug­tuung; als habe er jetzt endlich wieder einen guten Grund, im Web zu surfen. Wenn sie nicht will, dann …

Für einen Moment hat sie das Gefühl, er wollte wirklich tapfer sein. Aber das kleinste Zeichen ihres Desinteresses führt zum sofortigen Trotz. Er wird es wieder tun. Fremdgehen. Und dann …

Am nächsten Tag schickt Amy 24 Anzeigen in den craigslist-Orbit. Von »Love me tender in Chinatown« über »Auf den Knien in Staten Island« und »Versohl meinen strammen Hintern in Harlem« bis hin zu »Iss meine Buttercremetorte!, Financedistrict« ist alles dabei. Als Fotos benutzt sie Google-Bilder. Sie weiß, dass sie das iPad danach entsorgen muss, für immer.

Sie weiß auch, dass Jack den Account bikemanbrook69 benutzt; so kann sie die anderen Freier aussortieren. Der Zulauf ist enorm. Es scheint, als verabrede sich halb New York über craigslist. Sucht irgendjemand noch so etwas Altmodisches wie eine Bar auf, um eine Frau aufzureißen?

Bei manchen liest Amy in die Chatmails hinein, bevor sie sie löscht; sie ist erschrocken über die Rechtschreib­abnormitäten.

Vielleicht schreiben die Typen einhändig?

Und über die Brutalität der Antworten; die meisten Männer schreiben genau, wie sie es haben wollen, und nichts davon liest sich, als ob es entspannend für die beteiligte Dame wäre.

Jack – bikemannbrook69 – springt an einem Samstagabend an.

Amy ist allein oben im Schlafzimmer, während Jack unten die Zusammenfassung der League-Spiele sieht. Beziehungsweise … während er so tut, als interessiere er sich für die Spiele. Er schreibt auf ihre Anzeige »Versohl meinen Hintern in Harlem«, ob sie ein »schlimmes Mädchen« sei, das sich »Hand oder Rohrstock« wünsche? Und das vielleicht gleich am Sonntagvormittag, so gegen halb zwölf, er brächte Croissants mit?

Ihre Finger tippen. Tränen tropfen auf die Tastatur.

»Leg mich übers Knie, Großer, ich war ein SEHR schlimmes Mädchen. Erst die Hand, dann den Stock. Oder bring ein Lineal mit, so ein langes mit Stahlkante. Und Butter, nicht nur für die Crossanks.«

Sie baut ein paar mehr Tippfehler ein, bevor sie es abschickt.

»Zeig mir vorher, was du Schlimmes machst«, kommt sofort retour. »Stell dir vor, ich schau dir durch das Schlüsselloch zu und …«

Amy spürt ihren Puls im Gaumen, sauren Geschmack. Sie hat E-Mail-Sex mit ihrem eigenen Mann; und es könnte kein fremderer sein. Wieder wird ihr übel. Nie hat er so mit ihr gesprochen.

Sie fertigt ihn charmant ab, die Verabredung steht. Sie hat ihn in ein leer stehendes Haus an der Lafayette Av. bestellt.

Amy wäscht sich lange das heiße Gesicht, bevor sie runtergeht ins Wohnzimmer. Jack schaut die Spiele, sein iPhone auf dem Couch­tisch neben den Chips ist dunkel. Er hat den obersten Knopf seiner Hose geöffnet. Alles ist wie immer. Er lächelt, als er sie kommen sieht. »Ich bin so froh, dass wir uns haben«, sagt Jack.

Am nächsten Tag steht Amy früh auf und verabschiedet sich von ihm. »Wir haben ein Gartenfest im Socrates«, behauptet sie. »Kommst du später da vorbei in deinen schicken Radlerhosen?«

Jack nickt schläfrig.

»Iss dein Omelett«, sagt sie noch. »Ich habe heute etwas mehr Zwiebeln, Käse und Bärlauch hineingetan, das gibt Kraft.«

Das Haus in der Lafayette Av. ist groß, still und leer. Im obersten Stockwerk richtet Amy das Bett her, stellt Kerzen auf.

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