Sprachtherapie mit Kindern

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Aufbau einer Therapiestunde Die Therapiestunden sind stark strukturiert: Zunächst werden Wörter wiederholt, die in der letzten Stunde im Rahmen des Produktionstrainings genutzt wurden. Der zweite Schritt besteht aus einer auditiven Stimulation (auditory bombardment), bei der zehn bis 20 Wörter, die die Zielstruktur beinhalten, durch akustische Verstärkung (z. B. Mikrofon, Kopfhörer) angeboten werden. Laut Hodson (2007) dauert diese Phase eine halbe Minute. Die dritte Phase der Stunde beinhaltet das spielerische Produktionstraining, in dem zwei bis fünf Wörter stabilisiert werden sollen. Es werden Wörter verwendet, die das Kind phonetisch aussprechen kann. Die vierte Phase betrifft die Wortauswahl für die folgende Therapie, wobei dem Kind neue Zielwörter vorgelegt werden. Es werden für die nächste Stunde die Wörter ausgewählt, die das Kind am besten benennen kann. In der fünften Phase werden Übungen zur phonologischen Bewusstheit durchgeführt. In der sechsten Phase wird die auditive Stimulation aus Phase zwei wiederholt, bevor die siebte Phase, die Erläuterung der Hausaufgaben, die Therapiestunde abschließt.

Tabelle 8 verdeutlicht den Therapieablauf für einen Zyklus für ein Kind mit folgenden Prozessen: Plosivierung aller Frikative (100 %), Reduktion von Konsonantenverbindungen (80 %), glottale Ersetzung von / ʁ / (100 %), Vorverlagerung von / j / zu [l] (100 %).

Tab. 8: Exemplarische Durchführung eines Zykluses für ein Kind mit folgenden Prozessen: Plosivierung aller Frikative (100 %), Reduktion von Konsonantenverbindungen (80 %), glottale Ersetzung von / ʁ / (100 %),



Hild, U. (2008): Der Zyklische Therapieansatz – phonologische Behandlung für junge Kinder. Forum Logopädie 22, 22-27

Hodson, B. W. (2006): Identifying phonological patterns and projecting remediation cycles: Expediting intelligibility gains of a 7 year old Australian child. Advances in Speech-Language Pathology 8(3), 257-264

4.2.4 Minimalpaartherapie

Die Minimalpaartherapie wurde ursprünglich von Weiner (1981) konzipiert. Auf ihrer Basis wurden vielfältige Variationen, z. B. die „konventionelle Minimalpaartherapie“ (Barlow / Gierut 2002) oder die „Behandlung minimaler Oppositionskontraste“ (Gierut 1990) aber auch die „maximalen Oppositionen“ (Gierut 1989) oder die „multiplen Oppositionen“ (Williams 2006) entwickelt. Folgende drei gedankliche Säulen liegen allen Formen zugrunde:

1. Die strukturierte Veränderung einer Gruppe oder Gruppen von Lauten, die fehlerhaft produziert werden.

2. Das Hervorheben von Merkmalskontrasten statt akkurater Lautproduktion.

3. Die Betonung liegt auf der Verwendung von Lauten zu kommunikativen Zwecken.

Auch Hacker und Wilgermein (2003) beziehen sich für die deutsche Sprache auf die Originaltherapie nach Weiner (1981).

Anbieten von Minimalpaaren Ziel der Behandlung ist es, dem Kind über das Anbieten von Minimalpaaren, die sich nur durch ein Phonem unterscheiden, zu verdeutlichen, dass unterschiedliche Phoneme für die jeweilige korrekte Wortbedeutung ausschlaggebend sind. Dabei werden die Minimalpaare so ausgewählt, dass sie sich in dem Phonem unterscheiden, das durch einen phonologischen Prozess als Kontrast nicht realisiert wird. In einem ersten Schritt werden diese Kontraste der Wortbedeutung rezeptiv erarbeitet. Anschließend wird das Kind aufgefordert, die Kontraste selber zu realisieren. Sollte die Produktion der Ziellaute nicht gelingen, werden diese mithilfe motorischer Therapieansätze (Kap. 4.1) angebahnt. Gelingen die Wortproduktionen korrekt, werden die Minimalpaare auf Satzebene stabilisiert. Für das Deutsche ergibt sich die Schwierigkeit, dass es nur wenige abbildbare und dem kindlichen Wortschatz entsprechende Wortpaare für die einzelnen Prozesse gibt. Daher muss die Therapie, wie im Original vorgeschlagen, deutlich modifiziert werden, damit sie durchführbar ist (Tab. 9).

Tab. 9: Exemplarische Durchführung der Minimalpaar-Therapie am Beispiel des Prozesses der vollständigen Plosivierung


PhaseEbeneDurchführung
Phase I (Vorbereitungsphase)Metaphonologie1. Prozessauswahl aufgrund phonologischer Prozessanalyse (Plosivierung) 2. Heraussuchen eines entsprechenden Minimalpaares (MP) (Plosiv-Frikativ, z. B. /v/-/k/) Phonemkontrast kann mit Kind zuvor verbalisiert und gemeinsam erarbeitet werden.
Phase II (Repräsentations- = Therapiephase)
MetaphonologieWortbedeutung klären (Wanne-Kanne)
rezeptiv• rezeptive Diskrimination von Minimalpaaren• Therapeut spricht MP in willkürlicher Reihenfolge vor und Kind muss passende Zuordnung (z. B. Handlung) durchführen
produktiv• Produktion von Minimalpaaren• Rollentausch zu vorherigem Schritt
produktiv• Transfer• Rollenspiele/Bildbeschreibung, um Erlerntes auf weitere Minimalpaare des Prozesses zu übertragen


Baker, E. (2010): Minimal Pair Intervention. In: Williams, A. L., McLeod, S., McCauley, R. J. (Ed.): Intervention for speech sound disorders in children. Paul Brookes, Baltimore, 41-72 (inklusive Video)

Hacker, D., Wilgermein, H. (2003): Aussprachestörungen bei Kindern. Ernst Reinhardt, München / Basel

4.2.5 Evidenzen zur Therapieeffektivität

Laut internationaler Literatur gehören funktionelle Aussprachestörungen zu den logopädischen Störungsbildern, für die bis 2017 der umfangreichste Nachweis positiver Behandlungseffekte erbracht wurde (Law et al. 2010, Baker / McLeod 2011). Dennoch liegen bis heute nur sehr wenige randomisierte Kontrollstudien vor, so dass die vielfältig existierenden Wirksamkeitsnachweise (Einzelfall- oder Kleingruppenstudien) im Cochrane Review nicht berücksichtigt werden können (Law et al. 2010).

Baker / McLeod (2011) beschreiben in ihrem narrativen Review, dass zahlreiche Studien zwar die Wirksamkeit eines Ansatzes belegen möchten, dies allerdings ohne den Vergleich mit einer Kontrollgruppe oder einem anderen Therapieansatz. Zu beachten ist, dass sich sowohl der Cochrane Report als auch der genannte narrative Review ausschließlich auf Therapiestudien in der englischen Sprache beziehen. Bis 2017 gibt es keine internationale Veröffentlichung, die darstellt, ob die für die englische Sprache konzipierten Therapieverfahren auch in anderen Sprachen wirksam sind. Fox-Boyer et al. (2014b) stellten erstmalig die Evidenzlage für die in Deutschland am häufigsten angewendeten Therapieverfahren bei Aussprachestörungen zusammen und beachteten dabei sowohl Evidenzen für die englische Sprache, aber insbesondere auch vorliegende Evidenzen für das Deutsche.

4.3 Therapie der inkonsequenten phonologischen Störung

Zielgruppe Die Inkonsequenz-Therapie (Fox-Boyer 2016a) und die Kern-Vokabular-Therapie (Dodd et al. 2004) richten sich an Kinder, die inkonsequent in ihrer Wortrealisation sind (Inkonsequenzrate > 40 %) und deren Imitationsleistungen deutlich besser als ihre spontanen Sprechleistungen sind (Abgrenzung zur VED in Kap. 2.3.5).

Die Inkonsequenz-Therapie ist für Kinder ab dem Alter von 2;8 Jahren geeignet. Laut Schäfer / Fox (2006) ist dies der Zeitpunkt, zu dem Kinder, die mit deutscher Muttersprache aufwachsen, die physiologische Phase der inkonsequenten Wortrealisation, ausgelöst durch das schnelle Wortschatzwachstum, definitiv überwunden haben. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass diese Form der Therapie mit Kindern gegen Ende des zweiten Lebensjahres durchführbar ist (Fox 2000). Für die Kern-Vokabular-Therapie finden sich in der Literatur keine Altersangaben.

Zielsetzung Ziel der Therapie ist es, den Kindern eine konsequente Wortrealisation zu ermöglichen, was bedeutet, dass sie dasselbe Wort immer gleich aussprechen und dass sich dadurch ihre Verständlichkeit deutlich erhöht. Während Dodd et al. (2006) davon ausgehen, dass mithilfe des Kern-Vokabular-Ansatzes nicht nur das Erreichen der konsequenten Wortrealisation, sondern auch einer symptomfreien Aussprache möglich ist, ist die Inkonsequenz-Therapie (Fox-Boyer 2016a) mit dem Ziel konsequenter Wortrealisation nur als Therapieeinstieg anzusehen. Mithilfe dieses Ansatzes wird in der Regel keine Symptomfreiheit erreicht, so dass die Behandlung mithilfe weiterer Ansätze fortgeführt werden muss.

 

4.3.1 Inkonsequenz-Therapie

zeitlicher Rahmen Die Inkonsequenz-Therapie nach Fox-Boyer (2016a) wird zehn Stunden lang durchgeführt. Anschließend wird der Inkonsequenz-Test wiederholt. Liegt die Inkonsequenzrate dann weiterhin über 40 %, wird die Inkonsequenz-Therapie weitere zehn Stunden durchgeführt. Sobald die Inkonsequenzrate unter 40 % liegt, ist die Inkonsequenz-Therapie beendet und die Behandlung der Aussprachestörung wird mithilfe anderer Therapieverfahren, z. B. P. O.P. T. (Kap. 4.2.1), fortgesetzt.

Ziele Im Rahmen der Inkonsequenz-Therapie werden zwei Ziele verfolgt: Zum einen soll die Aufmerksamkeit des Kindes auf die Anzahl und Reihenfolge von gehörten Lauten gelenkt werden. Hierbei gibt der Therapeut auditive Stimuli vor, bei denen das Kind nicht nur entscheiden soll, um welche Laute es sich handelt, sondern auch, in welcher Reihenfolge diese gehört wurden. Hierbei ist eine Hierarchie an Steigerungsmöglichkeiten beschrieben (Tab. 10; Fox-Boyer 2016a).

Das zweite Ziel der Therapie befasst sich mit der Eigenkontrolle des Kindes. Drei verschiedene Übungsformen werden vorgeschlagen, bei denen die Produktionen des Kindes sofort kommentiert, d. h. auch korrigiert, werden (Tab. 10).

Tab. 10: Struktur der Inkonsequenz-Therapie nach Fox-Boyer (2016a)


Rezeptives Arbeiten zum Thema Laut- und Lautabfolge-IdentifikationProduktives Arbeiten zum Thema Eigenkontrolle
Erarbeiten von Lautsymbolen für die zehn bis 15 Laute (/m t r a z b f/ etc.) Wechselseitiges Identifizieren und in gehörter Reihenfolge Ablegen der Laute:1. zwei mit Abstand voneinander vom Therapeut vorgemachte Laute (z. B. /f/-/t/)2. zwei zusammen gesprochene Laute (z. B. /ft/)3. drei mit Abstand voneinander vorgemachte Laute (z. B. /f/-/a/- /t/)4. drei zusammengesprochene Laute (/fat/)- Kind soll vom Therapeuten vorgemachte Laute und Laufolgen (zunächst nur CV, später auch VC, CVCV, CVC, VCV, CVCVC) korrekt imitieren.- Silbensegmentieren mit begleitendem Sprechen- Wortspiel: Pro Übung wird ein Wort ausgewählt, das während der Übung erläutert und hochfrequent gehört und produziert werden muss. Dieses Wort muss immer korrekt ausgesprochen werden.

Zum einen werden Nachsprechübungen durchgeführt, bei denen das Kind auditiv wahrgenommene Laute und Lautkombinationen (Fox-Boyer 2016a) nachsprechen muss. Zum anderen werden Übungen zum Silbensegmentieren initiiert. Die letzte Übungsform umfasst die Aufgabe, ein spezifisch ausgewähltes Wort pro Übung immer korrekt auszusprechen.

Dieser Anteil ist an das Kernvokabular-Konzept von Dodd et al. (2004) angelehnt. Die beiden Ziele werden in jeder Stunde angesprochen, was bedeutet, dass sowohl Übungen im Bereich des Arbeitsgedächtnisses als auch Übungen zur eigenen Kontrolle des Sprechens durchgeführt werden.


Fox-Boyer, A. (2016a): Die Therapie der inkonsequenten phonologischen Störung. In: Fox-Boyer, A. (2016a): Kindliche Aussprachestörungen. Schulz-Kirchner, Idstein, 277-284

4.3.2 Kern-Vokabular-Therapie

Die Kern-Vokabular-Therapie wurde von Dodd et al. 2004 als Konzept publiziert. Dodd et al. beschreiben das Vorgehen genauer (2010).

zeitlicher Rahmen Die Kern-Vokabular-Therapie wird zweimal wöchentlich über einen Zeitraum von acht Wochen als Einzeltherapie durchgeführt (Crosbie et al. 2005). Im Anschluss wird eine Therapiepause angesetzt, die zu einer Generalisierung des Erlernten führen soll. Dies wird überprüft, und bei Bedarf wird noch eine zweite oder weitere Therapiephase(n) gleichen Ablaufs durchgeführt (Crosbie et al. 2005, McIntosh / Dodd 2008).

Ziele Vor dem Fernziel der symptomfreien Aussprache steht folgendes primäres Ziel: Die erreichte Wortrealisationskonsequenz bei der bestmöglichen Produktion eines Minimums von 50 Wörtern soll sich auf unbehandelte Wörter übertragen. Dabei wird unter bestmöglicher Produktion eine konsequente, aber nicht notwendigerweise phonetisch und phonologisch korrekte Produktion der Wörter verstanden. Es werden daher noch altersgemäße phonologische Prozesse, wie z. B. die Vorverlagerung von / k / bei einem dreijährigen Kind, als korrekte Produktion akzeptiert. Auch phonetische Abweichungen wie der Sigmatismus werden hierbei ignoriert.

Zu Beginn der Therapie werden im Minimum 50 Wörter zusammen mit dem Kind, den Eltern und eventuell weiteren Bezugspersonen (Erziehern) ausgewählt, die eine große funktionelle Relevanz für die Alltagssprache des Kindes haben. Das primäre Ziel für jede Stunde ist, dass das Kind die Zielwörter bei jedem Versuch der Benennung immer exakt auf die gleiche Weise produziert. Pro Woche finden zwei Therapieeinheiten statt, die immer auf die gleiche Weise konzipiert sind (Tab. 11).

Tab. 11: Inhalte der Kern-Vokabular-Therapie nach Dodd et al. 2004


Therapieeinheit 1: Erarbeitung der ZielwörterEs findet eine willkürliche Auswahl von fünf bis zehn Wörtern aus der erstellten Wortliste statt. Der Logopäde „unterrichtet“ jedes einzelne Wort. Dazu werden das Silbensequenzieren, Imitation und unterstützte Artikulation (cued articulation) eingesetzt. Für jedes Wort wird zunächst jede Silbe erarbeitet, d. h., sie wird Laut für Laut erläutert und vorgemacht. Das Kind soll das Erlernte produzieren und erhält bei Bedarf kinästhetische Hilfen. Sobald jede Silbe eines Wortes erarbeitet wurde, wird das Wort zusammengesetzt. Es soll nun vom Kind mindestens fünfmal produziert werden. Gelingt eine 90%-ige „korrekte“ Produktion, wird zum nächsten Wort übergegangen.
Therapieeinheit 2 : Training der Zielwörter

4.3.3 Evidenzen zur Therapieeffektivität

Im Hinblick auf Evidenznachweise für die Therapie der inkonsequenten phonologischen Störung liegen für die deutsche Sprache nur wenige veröffentlichte Fallbeispiele vor, die zeigen konnten, dass mithilfe der Inkonsequenz-Therapie eine konsequente Wortrealisation innerhalb von ein bis zwei Durchläufen erreicht werden konnte (Fox-Boyer 2016a).

Für die Kernvokabular-Therapie gibt es bislang keine Nachweise einer Wirksamkeit in der deutschen Sprache. Alle veröffentlichten Studien entstammen dem angloamerikanischen Raum. Neben einer randomisierten Kontrollstudie (Broomfield / Dodd 2011) existieren eine experimentelle (Crosbie et al. 2005) und quasi-experimentelle Studien (McIntosh / Dodd 2008, Dodd / Bradford 2000). Sie alle belegen die Wirksamkeit der Kernvokabular-Therapie für die spezifische Gruppe der Kinder mit inkonsequenter phonologischer Störung. Sie zeigen auch, dass andere phonologische oder motorische Therapieansätze für diese Gruppe nicht wirksam sind. Letzteres konnte auch von Forrest et al. (1997, 2000) nachgewiesen werden.


Crosbie, S., Dodd, B., Holm, A., McIntosh, B. (2010): Core Vocabulary Intervention. In: Williams, A. L., McLeod, S., McCauley, R. J. (Ed.): Intervention for speech sound disorders in children. Paul Brookes, Baltimore, 117-136 (inklusive Video)

4.4 Therapie der verbalen Entwicklungsdyspraxie

In der Literatur findet sich eine Anzahl von Therapieansätzen für die verbale Entwicklungsdyspraxie, die in der Regel für die englische Sprache konzipiert wurde. Insgesamt liegen nur sehr wenige Nachweise über die Wirksamkeit der Konzepte vor, was auch daran liegen kann, dass bis 2017 keine allgemein gültigen Diagnosekriterien vorliegen.

Der Cochrane Report (Morgan / Vogel 2009) weist einen erheblichen Mangel an kontrollierten Studien zur Wirksamkeit von Behandlungsmethoden nach und geht davon aus, dass keine Rückschlüsse darüber gezogen werden können, welche Therapiemethoden am effektivsten sind.

Zielgruppe Kinder, bei denen eine verbale Entwicklungsdyspraxie diagnostiziert wurde (Kap. 3.9), stellen die Zielgruppe für die im Folgenden kurz genannten Ansätze dar. In der Regel sind diese Ansätze ab dem Alter von drei Jahren anwendbar.

Zielsetzung Das Therapieziel für Kinder mit VED besteht in der Fähigkeit, alle Phone der Muttersprache willkürlich produzieren und diese in Wörtern in korrekter Reihenfolge verwenden zu können. Eine möglichst symptomfreie Aussprache wird angestrebt.

4.4.1 VEDiT

Der Therapieansatz VEDiT (VED-Intensiv-Therapie) wurde von Schulte-Mäter 2010 veröffentlicht. Es handelt sich dabei um einen stark strukturierten Therapieansatz, der im Gegensatz zu anderen Therapieansätzen immer über das Sprechen und nicht über motorisches nichtsprachliches Training erfolgt. Nicht reproduzierbare Laute werden immer in Kombination mit Handzeichen (Phonem bestimmtes Manualsystem – PMS) und Graphemen erarbeitet. Er ist der einzige Ansatz, der spezifisch für die deutsche Sprache konzipiert wurde, und baut auf vier Grundprinzipien auf:

1. Multisensorielle Assoziationstheorie: Ein Maximum an multisensoriellen Hilfen soll helfen, Programme für Artikulationsgesten anzulegen, abzuspeichern und abrufbar zu machen (assoziatives Lernen).

2. Erarbeitung motorischer Programme: Die Wiederholungsrate der jeweiligen Übungsinhalte muss extrem hoch sein, um die Automatisierung von Sprechbewegungsabläufen zu erreichen (intensiver Drill).

3. Sukzessive Approximation: Wörter und Phrasen werden über gelenkte phonemische Simplifikationen erarbeitet (Erleichterung der Sprechbewegungsplanung und -durchführung).

4. Erarbeitung eines Kernvokabulars: Kommunikativ bedeutsame Aussagen haben Vorrang vor dem Benennen von Gegenständen (Erhöhung der Motivation).

Bis 2016 lagen keine veröffentlichten Studien zur Evidenz von VEDiT vor. Schulte-Mäter (in Fox-Boyer et al. 2014b) beschreibt positive Entwicklungsverläufe von acht Kindern einer Gruppe von 31 Kindern im Alter von 3;4 und 5;8 Jahren.


Schulte-Mäter, A. (2010): Verbale Entwicklungsdyspraxie und der Therapieansatz VEDiT. In: Wahl, M., Stahn, C., Hanne, S., Fritzsche, T. (Hrsg.): Spektrum Patholinguistik (Bd. 3). Universitätsverlag, Potsdam, 35-44

 

4.4.2 PROMPT / TAKTKIN

Die PROMPT-Therapie nach Chumpelik (1984; Hayden et al. 2009; deutsche Version TAKTKIN® nach Birner-Janusch 2001, 2013), die ursprünglich speziell für Kinder mit Verbaler Entwicklungsdyspraxie entwickelt wurde, ist ein taktil orientierter Therapieansatz, der auf sensomotorischen und kognitiv-linguistischen Interventionsmodellen basiert.

Sprechmotorische Parameter werden durch taktile Hinweisreize im Gesicht und am Mundboden des Kindes angezeigt, um Sprechbewegungen zu stimulieren. Die Therapie beruht auf einem siebenstufigen Konzept, das sowohl oromotorisches Training als auch die Stimulation der Phone beinhaltet. Zudem werden Wortproduktionen mithilfe von taktilen Hinweisreizen durch den Therapeuten gegeben.

Obwohl der PROMPT-Ansatz spezifisch für Klienten mit verbalen Dyspraxien entwickelt wurde, liegen bis 2017 keine Therapiestudien für Kinder mit diagnostizierter verbaler Entwicklungsdyspraxie vor. Zwei Studien beschreiben Therapieerfolge mithilfe von PROMPT bei insgesamt elf Kindern, die eine sehr unverständliche Aussprache (keine verbale Entwicklungsdyspraxie) hatten und bei denen andere Therapieformen nicht wesentlich erfolgreich waren (Square et al. 2000, Houghton 2003). Dodd und Bradford (2000) konnten allerdings zeigen, dass bei je einem Kind mit einer inkonsequenten und einer konsequenten phonologischen Störung PROMPT nicht erfolgreich angewendet werden konnte.

4.4.3 Assoziationsmethode nach McGinnes (1939)

Die Assoziationsmethode nach McGinnes wurde von der Autorin in ihrer Doktorarbeit 1939 zur Behandlung von Kindern mit „angeborener Aphasie“ vorgestellt (McGinnes 1939).

Das Kernelement dieser Methode ist die Verknüpfung von Lauten mit ihren Graphemen sowie mit Bildkarten, auf denen zunächst visuelle Darstellungen von Lippen- und Zungenstellung jedes Lautes und später Verben oder Nomen abgebildet sind, die zu dem jeweiligen Laut eine Assoziation herstellen sollen. Laut McGinnes (1939) stellen die Vergrößerung der Aufmerksamkeitsspanne für Reihenfolgen von oralen Mustern bzw. Lautfolgen, die Verlängerung der Gedächtnisspanne für diese Reihenfolgen, eine Verbesserung des willkürlichen Abrufs und der assoziativen Fähigkeiten die zentralen Therapieziele dar. Bis auf wenige (z. T. unveröffentlichte) Fallstudien bzw. -berichte liegen keine Nachweise zur Wirksamkeit der Methode vor.

Zusammenfassung

Da Aussprachestörungen von Kindern unterschiedliche Störungsebenen im Sprachverarbeitungsprozess betreffen können, ist es notwendig, auf diese Störungsebenen in der Therapie direkt einzugehen. Dies bedeutet, dass je nach betroffener Störungsebene ein anderer Therapieansatz auszuwählen ist. Das vorliegende Kapitel führte die verschiedenen therapeutischen Möglichkeiten, die es für deutschsprachige Kinder mit Aussprachestörungen gibt, und deren Wirksamkeitsnachweise auf. Es konnte gezeigt werden, dass Sprachtherapeuten heute ein breites Spektrum an Therapieansätzen kennen müssen, um Kinder effizient und effektiv versorgen zu können.