Satellitenmeteorologie

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2.3.3 Strahlung von Lasern und Mikrowellensendern

Aufgrund von verbesserten technischen Möglichkeiten kommen zunehmend auch künstliche Strahlungsquellen bei der Satellitenmeteorologie zum Einsatz. Hierbei wird ein Signal vom Satelliten aus abgestrahlt und aus der Zeit, die bis zum Empfang der von der Atmosphäre zurückgestreuten oder am Boden reflektierten Strahlung vergeht, auf die Entfernung geschlossen. Damit ist eine höhenaufgelöste Untersuchung von Atmosphäreneigenschaften ebenso möglich wie die Bestimmung der Höhenlage des Bodens oder von Wolken. Weiter kann Information über die Rauigkeit des Bodens gewonnen werden, die in emittierter Strahlung nicht enthalten ist. Diese „aktive Fernerkundung“ ist jünger als die passive Satellitenmeteorologie, da die zusätzlichen Probleme der Energieversorgung und der Lebensdauer der Strahlungsquellen zu lösen waren. Hier ist in der Zukunft weiterer technologischer Fortschritt zu erwarten.

In einem breiten Spektralbereich, vom UV bis zum nahen Infrarot, werden „Laser“ als Strahlungsquelle eingesetzt. Das Wort Laser steht für „Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation“, auf Deutsch: „Lichtverstärkung durch stimulierte Emission von Strahlung“. Der Begriff wird aber nicht nur für den Prozess der Verstärkung verwendet, sondern auch für die Instrumente selbst – die Quelle der Strahlung.

Laser erzeugen quasi-monochromatische Strahlung, die extrem eng gebündelt als „Laserstrahl“ ausgesendet wird. Erzeugt wird diese Strahlung, indem in einem Kristall, einer Flüssigkeit oder einem Gas einzelne Schwingungs- oder Rotationszustände der Moleküle oder Elektronen in den Atomen durch sogenanntes „optisches Pumpen“ auf ein höheres Energieniveau gebracht werden. Durch eine stimulierte Emission wird dann quasi gleichzeitig die Energie aller zusammenpassenden angeregten Niveaus in Photonen überführt, die den Laser verlassen. Diese haben damit alle die gleiche Frequenz, Phase und Polarisation und es ergibt sich eine entsprechend intensive, monochromatische und linear polarisierte Strahlung. Durch Spiegel an beiden Enden des aktiven Mediums und einen optischen Schalter wird erreicht, dass das Photonenbündel mehrfach hin- und herlaufen muss und so wirklich alle angeregten Atome oder Moleküle zum Signal beitragen. Weiter wird dadurch gewährleistet, dass die ausgekoppelte Strahlung die Atmosphäre als enger Strahlungspuls durchläuft, der sich auf dem Weg nur geringfügig verbreitert. Das Fernerkundungsverfahren, bei dem Laserstrahlung genutzt wird, heißt „Lidar“ („Light Detection And Ranging“, auf Deutsch etwa „Lichterkennung und Entfernungsmessung“), weil aus der Laufzeit eines rückgestreuten Signals die Distanz zwischen dem Satelliten und dem streuenden oder reflektierenden Material bestimmt werden kann. Abbildung 2.14 zeigt das Lidar-Prinzip mit dem abstrahlenden Laser und dem Teleskop zum Erfassen der rückgestreuten Photonen. Neben der Laufzeit des Signals zu Bestimmung der Entfernung des rückstreuenden Materials, liefern Signalstärke und Polarisation Information über dessen Eigenschaften (Kap. 9.3).

Eine zweite Methode der Nutzung aktiver Strahlung, die in der Satellitenmeteorologie breite Anwendung findet, ist das „Radar“ („Radio Detection And Ranging“, auf Deutsch etwa „Erkennung und Entfernungsmessung mittels Funk“), das seit langem als Methode zur Entdeckung von Hindernissen im Schiffsverkehr genutzt wird. Hierbei wird Strahlung aus dem Bereich der Mikrowellen benutzt. Der prinzipielle Aufbau eines Radars entspricht dem eines Lidars (Abb. 2.14), nur wird statt eines Lasers eine Mikrowellenquelle genutzt und statt des Teleskops eine Antenne. Bei den großen energetischen Leistungen, die für die Fernerkundung von Satelliten aus notwendig sind, erfolgt die Erzeugung der Mikrowellen mittels Hohlraumresonatoren (Magnetron, Klystron), ähnlich wie bei Mikrowellenherden in der Küche. Auch bei der aktiven Fernerkundung mittels Mikrowellen kommen unterschiedliche Wellenlängen zum Einsatz, jeweils optimiert für die Fragestellung.


Abb. 2.14

Zum Prinzip einer Lidar-Messung. (nach ESA, 2008).

Ein wichtiger Vorteil der Fernerkundung mit Mikrowellen ist, dass diese durch kleine Wolkentropfen nicht gestört werden. Die dadurch gegebene Möglichkeit, Hindernisse auch bei Nebel erkennen zu können, war der Grund für die Entwicklung von Radar für die Schifffahrt. Diese Eigenschaft, Wolken ungestört zu durchdringen, ist aber auch bei der Satellitenmeteorologie ein positiver Effekt, da sie die Beobachtung des Bodens auch unter Wolken ermöglicht, was in den anderen Spektralbereichen nicht geht.

Zusammenfassung Kapitel 2

Alle satellitenmeteorologischen Verfahren basieren darauf, dass die am Satelliten zu messende Strahlung durch die Atmosphären- und Bodenparameter unterschiedlich und in charakteristischer Weise beeinflusst wird. Dies gilt für die Intensität, Polarisation und Richtungsabhängigkeit der Strahlung, und zwar jeweils wellenlängenabhängig. Die zu messende Strahlung wird durch die Menge und die spezifischen Absorptions- und Streu- und Reflexions-Eigenschaften der Materie in Atmosphäre und Boden bestimmt sowie durch die Temperatur der Strahlungsquelle, woraus die grundlegenden Möglichkeiten zur Invertierung resultieren. Allgemeingültige Grundlage für die spektrale Strahlung eines idealen strahlenden Körpers (Schwarzkörpers) als Funktion der Temperatur ist das Strahlungsgesetz von Planck, das vorher gefundene Gesetzmäßigkeiten mit einschließt.

Die zur Invertierung zu nutzende Strahlung am Satelliten ist immer eine Strahldichte, also die Energie pro Zeit in einem engen Strahlungsbündel aus einer Richtung. Zu ihrer Beschreibung wird der Raumwinkel benötigt, der zusammen mit dem Abstand des Satelliten von der Erde die Größe des entsprechenden Bildpunkts am Boden ergibt. Da die von einem Punkt der Erde in den Weltraum gelangende Strahlung richtungsabhängige Unterschiede aufweisen kann (Anisotropie), müssen diese bei der Invertierung auf den gesuchten Parameter berücksichtigt werden.

Die für die Fernerkundung nutzbare Strahlung stammt von der Sonne, von einer künstlichen Strahlungsquelle, oder sie wird von den Bestandteilen der Atmosphäre und des Bodens emittiert. Die von dem System Erde-Atmosphäre zum Satelliten gelangende solare Strahlung, im Bereich zwischen rund 0,2 und 4,0 μm, wird hauptsächlich durch die Streu- und Reflexionseigenschaften des zu untersuchenden Materials bestimmt, bei einigen Wellenlängen aber auch durch die spektrale Absorption von Gasen beeinflusst. In den Spektralbereichen, in denen die Strahlung durch die Emission irdischer Materie entsteht, kann die Streuung weitgehend vernachlässigt werden. Die Fernerkundungsinformation beruht hier auf Absorptions- und Emissionsprozessen. Resultierend aus unterschiedlichen Eigenschaften von Atmosphäre und Boden – sowie der für die Messungen genutzten Technologien – wird dieser Spektralbereich in den terrestrischen, auch thermisch genannten Bereich (rund 4 bis 50 μm) und den Mikrowellen-Bereich (rund 3 mm bis 60 cm) getrennt. Bei „aktiv“ genannten Verfahren wird die verwendete Strahlung künstlich im Satelliten erzeugt, sowohl im solaren (Lidar) als auch im Mikrowellen-Bereich (Radar).

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Peter Köpke

3 Was passiert mit der Strahlung bis zum Signal am Satelliten?

Elektromagnetische Strahlung wird von Materie emittiert, durch Kontakt mit Materie gestreut oder reflektiert und irgendwann wieder von Materie absorbiert. Bei der Satellitenmeteorologie wird Strahlung gemessen, das heißt Photonen werden von einem Detektor in einem Radiometer absorbiert und damit in ein interpretierbares Signal überführt. Aus unterschiedlicher Strahlungsintensität, also aus der unterschiedlichen Zahl von Photonen pro Zeit, kann darauf geschlossen werden, was diese auf ihrem Weg durch die Atmosphäre „erlebt” haben, und damit auf die Parameter, die sie beeinflusst haben.

Generell kann die Wechselwirkung des Strahlungsfeldes mit den Bestandteilen der Atmosphäre und des Bodens durch die Strahlungstransportgleichung (STG) beschrieben werden. Diese beinhaltet alle in der Atmosphäre und am Boden unter aktuellen Bedingungen vorkommenden Strahlungsprozesse und ist deshalb die Grundlage der Vorwärtsmodellierung, aber umgekehrt auch Grundlage für jede Invertierung. Die Prozesse, die elektromagnetische Strahlung beeinflussen, werden in diesem Kapitel besprochen.

3.1 Extinktionsgesetz
3.1.1 Extinktionskoeffizient und Transmission

Die Strahlung, die als Strahldichte von einem Satellitenradiometer gemessen wird, hat eine lange Vorgeschichte. Sie wurde auf ihrem Weg geschwächt, aber auch verstärkt. Die Schwächung auf ihrem Weg durch die Atmosphäre in Richtung zum Radiometer beruht auf Absorption und darauf, dass Strahlung aus der Beobachtungsrichtung herausgestreut wird, wie in Abbildung 3.1 gezeigt. Die Schwächung durch beide Prozesse zusammen heißt Extinktion, sie wird durch den Extinktionskoeffizienten σext beschrieben.


Abb. 3.1

Änderung einer Strahldichte L0 zur Strahldichte L auf dem Weg ds durch Streuung und Absorption.

Das Gesetz, das die Schwächung einer Strahldichte beim Durchgang durch Materie auf dem Weg ds beschreibt (Gl. 3.1), wird als Bouguer-Lambert – Gesetz, manchmal auch als Lambert-Beer – Gesetz bezeichnet, entsprechend den verschiedenen Wissenschaftlern, die bei seiner Erforschung beteiligt waren. Dabei ist L0 die ankommende Strahldichte, die auf ein extingierendes Material trifft, und L die Strahldichte nach dem Durchgang durch das streuende und absorbierende Medium.

 

Die Strahlung wird exponentiell geschwächt, proportional zu der Länge des Wegs ds, auf dem die Schwächung stattfindet, und zu dem Extinktionskoeffizienten σext, der die Eigenschaften des schwächenden Mediums wiedergibt und die Dimension 1/Länge haben muss. Dies ist nötig, damit der Exponent dimensionslos wird. Falls die Menge des schwächenden Materials in einer anderen Dimension gegeben ist, zum Beispiel Masse pro Volumen, muss entsprechend umgerechnet werden. Im Zusammenhang mit der Satellitenmeteorologie kann das Medium, für welches das Bouguer-Lambert-Gesetz gilt, nur ein Gas und im Raum verteilte Partikel sein, da durch eine Schicht mit fester Materie keine Strahlung hindurchgehen würde.

Die Schwächung von Strahlung auf einem Weg durch ein Volumen mit streuendem Material kann bei jedem wolkenlosen Sonnenuntergang beobachtet werden. Die Abnahme der Helligkeit der Sonnenscheibe mit sinkender Sonne resultiert aus der dabei zunehmenden Länge des Wegs durch die Atmosphäre und damit geringer werdender Transmission. Die dabei stattfindende Änderung der Farbe der Sonne in Richtung rot, d.h. zu längeren Wellenlängen, beruht auf der starken Abnahme des Streukoeffizienten der Luftmoleküle mit zunehmender Wellenlänge. Dieser Effekt verändert die spektrale Transmission bei langen Wegen stärker als bei kurzen (Gl. 3.1).

Das Verhältnis zwischen durchgehender und einfallender Strahlung wird als Transmission T bezeichnet.


Die Transmission wird durch den Exponentialterm in Gl. 3.1 bestimmt und kann so aus den Eigenschaften der Materie sowie der Länge des Wegs berechnet werden. Sie hat Werte zwischen 1, gleichbedeutend mit gar keiner Schwächung, und 0, wenn L = 0 ist, die Schwächung also so stark ist, dass keine Strahlung durch das Medium hindurchkommt.

3.1.2 Absorptions- und Streukoeffizient

Die Wirkungen von Absorption und Streuung, die im Begriff Extinktion zusammengefasst sind, sind ganz unterschiedlich, wenn nicht nur die Schwächung der Strahlung sondern auch die Prozesse beachtet werden, die zu einer Verstärkung der Strahldichte am Satelliten führen. Statt des Extinktionskoeffizienten wird deshalb bei Strahlungsmodellierung getrennt der Absorptions- (σabs) und der Streukoeffizient (σstr) berücksichtigt, die als Summe den Extinktionskoeffizienten ergeben:


Wie gesagt, ist für die Schwächung der Strahlung, die mit dem Bouguer-Lambert-Gesetz beschrieben wird, die Extinktion verantwortlich, also der Gesamteffekt durch Streuung und Absorption. Das kann praktisch gezeigt werden mittels zweier transparenter Glasschalen, die eine gefüllt mit Tusche und die andere mit Milch, die auf einen Overheadprojektor stehen (Abb. 3.2). Beide Flüssigkeiten lassen von dem Licht des Projektors nach oben fast nichts hindurch. Die sich ergebende geringe Transmission ist bei beiden Flüssigkeiten gleich, die Ursache ist aber verschieden: Im Fall der Milch wird die Extinktion in erster Linie durch Streuung hervorgerufen und im Fall der Tusche durch Absorption.


Abb. 3.2

Tusche und Milch: gleiche Transmission, aber unterschiedliche Absorption und Streuung.

Wenn verschiedene Substanzen gleichzeitig in einem durchstrahlten Volumen vorhanden sind, wie das in der Atmosphäre immer der Fall ist, so addieren sich deren Absorptions- und Streukoeffizienten und damit auch die Extinktionskoeffizienten (Gl. 3.4). Dies gilt für jede Wellenlänge, sodass die spektralen Unterschiede verschiedener Substanzen zwar überlagert werden, aber prinzipiell erhalten bleiben.


Die Streu- und Absorptionskoeffizienten sind abhängig von der Menge und Art der im Volumen enthaltenen Substanzen, i, wie verschiedene Gase, Aerosolteilchen und Wolkentröpfchen. Wie bereits gesagt, müssen für die saubere Modellierung eines Strahlungsfeldes (Vorwärtsrechnung) die Menge, Eigenschaften und Verteilung aller Substanzen bekannt sein. Umgekehrt ergibt die Abhängigkeit des Strahlungsfelds von den Substanzen die Möglichkeit der Invertierung, die Möglichkeit aus den Strahldichten am Satelliten und ihren spektralen Unterschieden auf die Substanzen in der Atmosphäre zu schließen.

Eine weitere Größe, die zur Kennzeichnung der Eigenschaften von Aerosolpartikeln Verwendung findet, ist die sogenannte „Single Scattering Albedo“, für die üblicherweise das Symbol ω verwendet wird, aber auch SSA als Kürzel vorkommt.


Auf Deutsch wäre der Name mit „Einfachstreualbedo“ zu übersetzen, ein Begriff der aber nicht verwendet wird. Das „Scattering“ im Namen resultiert daraus, dass die Größe angibt, wie groß der Anteil der Streuung an der Extinktion ist. Mit (1 – ω) wird umgekehrt der relative Anteil der Absorption an der Extinktion angegeben. Für Teilchen die nur streuen und gar nicht absorbieren ergibt sich ω = 1. Dies gilt im sichtbaren Spektralbereich zum Beispiel für Seesalz oder Schwefelsäureteilchen, durchaus häufig vorhandene Aerosolkomponenten. Umgekehrt gilt für rein absorbierendes und gar nicht streuendes Material ω = 0. Dieser Wert kommt aber nicht vor, da Aerosolpartikel immer streuen, selbst bei sehr starker Absorption wie bei Rußpartikeln. Hierfür können sich im sichtbaren Spektralbereich Werte bis zu ω = 0,3 ergeben, aber auch dieser Wert kommt für natürliches Aerosol nicht vor, da es keine atmosphärischen Bedingungen gibt, bei denen alle Aerosolteilchen aus Ruß bestehen. Die „Single Scattering Albedo“ ist nicht nur vom Material und der Größe der Aerosolteilchen abhängig sondern, wie bei allen materialabhängigen Strahlungseigenschaften, wieder auch von der Wellenlänge.

Das Bouguer-Lambert-Gesetz findet Anwendung in der Satellitenmeteorologie, wenn die Strahldichte in einem durchstrahlten Volumen nur geschwächt wird. Diese Bedingung ist bei Beobachtung der direkt von der Sonne kommenden Strahlung annähernd erfüllt. Da deren Intensität außerhalb der Atmosphäre bekannt ist, kann die Messung ihrer Transmission bei verschiedenen Wellenlängen genutzt werden, um die spektralen Extinktionskoeffizienten der durchstrahlten Atmosphäre zu bestimmen (Kap. 10). Daraus lässt sich die Menge der im Volumen enthaltenen Substanzen (wie Aerosolpartikel oder absorbierende Gase) ermitteln, wobei zu deren Trennung spektrale Unterschiede genutzt werden.

3.2 Strahlungstransportgleichung
3.2.1 Strahlung mit Schwächung und Verstärkung

In der Atmosphäre kann eine Strahldichte bei dem Durchgang durch ein mit Gas und Partikeln gefülltes Volumen nicht nur geschwächt sondern auch verstärkt werden. Eine solche Verstärkung kann durch Photonen erfolgen, die von der Materie in dem betrachteten Volumen emittiert werden. Weiter gilt aber, dass in der Atmosphäre jedes Volumen, dessen Strahlung untersucht wird, in benachbarte Volumina eingebettet ist, in denen ebenfalls Streuprozesse stattfinden. Die hierdurch aus den Nachbarvolumina herausgestreuten Photonen werden zum Teil auf das betrachtete Volumen fallen. Dort können diese Photonen in Richtung zum Empfänger gestreut werden, was ebenfalls eine Verstärkung der Strahlung bewirkt, die den schwächenden Prozessen überlagert ist (Abb. 3.3).


Abb. 3.3

Änderung einer Strahldichte L0 zur Strahldichte L auf dem Weg ds durch Streuung aus und in das Volumen, Absorption und Emission.

Zur Modellierung der Strahlungsübertragung in der Atmosphäre müssen alle diese Prozesse berücksichtigt werden. Dies geschieht durch die Strahlungstransportgleichung, STG, auch Strahlungsübertragungsgleichung, SÜG, im Englischen „Radiative Transfer Equation“, RTE, genannt. In ihrer allgemeinen Form besteht sie aus dem Bouguer-Lambert-Gesetz, mit dem die Schwächung berücksichtigt wird, ergänzt durch „Quellterme“ für die in das Volumen hinein gestreute und für im Volumen selbst emittierte Strahlung (Gl. 3.9). Diese Quellterme tragen zur finalen Strahldichte L bei, die das Volumen verlässt und gemessen werden kann. Natürlich bestimmen die Eigenschaften der im durchstrahlten Volumen enthaltenen Gase, Teilchen und Tröpfchen, wie stark diese Quellterme sind, wie sie zum Signal beitragen. Dies gilt direkt für die Emission, die von der Temperatur und Art der Materie im Volumen abhängt. Es gilt aber auch für den Beitrag der hinein gestreuten Strahlung, da die Streueigenschaften der Partikel im Volumen bestimmen, wie die hinein gestreute Strahlung absorbiert und weiter gestreut wird und so zu der interessierenden, final zu messenden Strahldichte beiträgt. Kompliziert wird das Ganze dadurch, dass Photonen mehrfach gestreut werden können und dass die in das Volumen hinein gestreute Strahlung wiederum von den Streueigenschaften der benachbarten Volumina abhängt. Damit können sich diese Volumina gegenseitig beeinflussen und die hier stattfindenden Strahlungsprozesse müssen berücksichtigt werden. Weiter wird das Strahlungsfeld auch durch die Bedingungen an den Rändern der Atmosphäre beeinflusst. Am Oberrand der Atmosphäre ist dies die Strahlung von der Sonne oder eine mögliche Hintergrundstrahlung aus dem Weltraum. Am Boden ist es reflektierte und emittierte Strahlung, was bedeutet, dass die Reflexions- und Emissionseigenschaften des Bodens bei der Strahlungsmodellierung berücksichtigt werden müssen.

Der gesamte Strahlungstransport in der Atmosphäre, die Lösung der STG für das gesamte System, ergibt eine Menge von gekoppelten Integro-Differentialgleichungen, die nicht analytisch lösbar sind. Das heißt, die Gleichungen können nicht nach einer gesuchten Unbekannten aufgelöst werden. Die Berechnung des Strahlungsfelds erfolgt damit in der Regel iterativ, wozu mehrere komplexe Algorithmen entwickelt wurden. Dabei werden verschiedene mathematische Verfahren zur Lösung der STG angewendet (Discrete Ordinate Method, Matrix Operator Method, Successive Order of Scattering).

Die mathematischen Verfahren zur Lösung der STG sind so gut, und die Kapazität der Computer ist so groß, dass bei der Berechnung eines Strahlungsfelds Fehler durch die numerischen Methoden praktisch vernachlässigbar sind (mit der kleinen Einschränkung, dass keine Raman-Änderungen der Wellenlänge berücksichtigt werden, Kap. 2.1.2). Für jede interessierende Wellenlänge erfolgt eine getrennte Modellierung, da ja bei der Strahlungswirkung eines jeden Parameters die spektralen Eigenschaften zu berücksichtigen sind. Voraussetzung für die Modellierung der „richtigen“ Strahldichten ist, dass die „richtigen“ aktuell gültigen Werte der Menge, räumlichen Verteilung und strahlungsrelevanten Eigenschaften aller Substanzen in der Atmosphäre und am Boden benützt werden. Aus ungenau bekannten Parametern können in der Praxis Abweichungen des modellierten zum wirklichen Strahlungsfeld resultieren. Da in der Praxis niemals alle aktuelle Größen bekannt sind, müssen Annahmen gemacht und Vereinfachungen angenommen werden. Die Invertierung von bekannten Strahldichten auf die Eigenschaften und die Verteilung von Substanzen, durch die sie hervorgerufen werden, ist damit meist nicht eindeutig (Kap. 1.3.2), sondern mit Unsicherheiten behaftet. Aber die Invertierung ist machbar, wie in den folgenden Kapiteln zur praktischen Nutzung der Satellitenmeteorologie an vielen Beispielen gezeigt wird, und zwar mit einer Qualität, die einen enormen Erkenntnisgewinn ergibt.

 

In der Literatur zu den Strahlungsprozessen in der Atmosphäre kommen häufig drei Größen vor, die hier vorgestellt werden sollen:

Die erste ist der Kosinus des Zenitwinkels, üblicherweise mit dem Symbol μ gekennzeichnet, statt des Zenitwinkels θ selbst. Durch die Verwendung von μ vereinfacht sich die Schreibweise von Strahlungsgleichungen und der Winkelabhängigkeit der Weglängen in einer Schicht.


Eine zweite wichtige Größe ist die optische Dicke, (optische Tiefe, Optical Depth, Optical Thickness) τ. Manchmal wird für die optische Dicke das Symbol OD verwendet, da bei einigen Autoren τ als Symbol für die Transmission genutzt wird. Die optische Dicke einer Schicht ist kennzeichnend für deren optische Wirkungen und steht nicht für ihre geometrische Dicke. Anschaulich können Atmosphären mit verschiedenen optischen Dicken mit Farbgläsern mit unterschiedlich starker Pigmentierung verglichen werden. Diese bewirkt, dass – bei gleicher geometrischer Dicke der Gläser – deren optische Wirkung verschieden ist. Die optische Dicke ist gegeben als das Integral über die Extinktionskoeffizienten einer Schicht zwischen den Höhen sa und se in der Atmosphäre.


Dabei kann sich der Extinktionskoeffizient mit der Höhe, das heißt auf dem Weg s, durchaus ändern, so wie das in der Atmosphäre in verschiedenen Höhen häufig der Fall ist. Auch für die optische Dicke gilt, dass ihr Wert – in Abhängigkeit von den mikrophysikalischen Eigenschaften der Atmosphäre – mit der Wellenlänge variiert. Bei Trennung der optischen Dicke in die Beiträge verschiedener beteiligter Substanzen werden die Teilbeiträge, die sich zur gesamten optischen Dicke summieren, durch entsprechende Indices ergänzt.

Für die STG wird die optische Dicke so gezählt, dass sie am Oberrand der Atmosphäre mit dem Wert 0 beginnt und mit der Tiefe zunimmt, weshalb auch von der „optischen Tiefe“ gesprochen wird. Am Boden erreicht sie den Wert der optischen Dicke der ganzen Atmosphäre. Es ist aber durchaus auch üblich, von der optischen Dicke einer Wolke zu sprechen. Die Verwendung der optischen Tiefe als Höhenkoordinate in der STG ist sinnvoll, da die höhenabhängige Variation der Extinktionskoeffizienten die höhenabhängige Änderung des Strahlungsfelds bewirkt. Natürlich ist die optische Dicke für verschiedene Atmosphären, zum Beispiel mit verschiedenem Aerosol oder unterschiedlichen Wolkenschichten, verschieden. Damit kann die optische Tiefe nicht als absolute Höhenkoordinate genommen werden, nicht allgemeingültig in eine geometrische Höhe überführt werden, wie das für den Luftdruck gilt.

Die optische Dicke steht immer für den Weg senkrecht durch die Atmosphäre, da sie ja deren eigentliche Eigenschaften wiedergeben soll, das heißt unabhängig sein muss von einer aktuellen Richtung einer betrachteten Strahlung. Die Verlängerung eines Wegs durch die Atmosphäre mit zunehmendem Zenitwinkel wird durch die „relative Luftmasse“ (Relative Air Mass, mit den Kürzeln ml oder AM) angegeben. Hierbei handelt es sich aber nicht um eine Masse, sondern eben um die relative Verlängerung des Wegs. Den Zusammenhang zwischen Winkel und relativer Luftmasse zeigt Gleichung 3.8.


Durch diese Wegverlängerung wird berücksichtigt, dass die Wirkung einer Schicht mit gegebenem Extinktionskoeffizienten zunimmt, wenn diese Schicht schräg durchstrahlt wird. Für θ = 0° ist ml = 1, wie gewünscht. Mit zunehmendem Zenitwinkel verlängert sich der Weg, bis ml = ∞ für θ = 90°, als Resultat der Annahme, dass die durchstrahlte Atmosphäre eine horizontal parallele Schicht darstellt, also nicht gekrümmt ist. Diese Annahme gilt für die Erdatmosphäre annähernd, wegen des großen Erdradius im Vergleich zur Höhe der Atmosphäre. Bei großen Zenitwinkeln müsste die Erdkrümmung zwar berücksichtigt werden, aber in der Satellitenmeteorologie werden Beobachtungen unter sehr großen Zenitwinkeln generell vermieden, weil damit alle Unsicherheiten zunehmen.

Die „relative Luftmasse“ ist keine Masse, sondern die Bezeichnung für einen Faktor, der die relative Verlängerung des direkten Wegs der Strahlung durch die Atmosphäre beschreibt, wie sie durch eine Vergrößerung des Zenitwinkels der Strahlungsquelle hervorgerufen wird.

Wenn der Extinktionskoeffizient und die Länge des Wegs nach Gleichung 3.7 zur optischen Dicke τ zusammengefasst werden, wie das für Strahlungsprozesse in der Atmosphäre üblich ist, ergibt sich für den senkrechten Weg durch die Schicht für die Transmission T nach Gleichung 3.1 der exponentielle Zusammenhang


und bei schrägem Weg durch die Atmosphäre, bedingt durch den längeren Weg,


Mit den Größen μ und τ bekommt die STG die allgemeingültige Form:


Durch τ ist hierbei die relative Höhe in der aktuellen Atmosphäre gegeben, in der die Strahldichte betrachtet wird, und μ und φ beschreiben deren Richtung, da μ für den Zenitwinkel steht. Bei der Modellierung im solaren Spektralbereich wird die Azimutrichtung zur Sonne mit φ = 0° angesetzt, während in den anderen Spektralbereichen eine azimutale Abhängigkeit nicht berücksichtigt werden muss. L in Gleichung 3.11 beschreibt die Strahldichte, die geschwächt wird, und Jstr und Jem die Quellterme, die die Strahldichte durch Streuprozesse und Emission verstärken. Die Vorzeichen deuten das Gegenteil an, ergeben sich aber durch die Definition von τ mit der Zunahme von oben nach unten.

Für tatsächliche Rechnungen wird die Gleichung in mehrere Gleichungen aufgetrennt, die es erlauben, die nach oben und unten gehenden Strahlungsströme getrennt zu beschreiben sowie die Randbedingungen zu berücksichtigen.