Panitzsch

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Da sich durch die Ablösungen die regelmäßigen Einnahmen des Staates verminderten, wurde nach 1830 ein neues staatliches Abgabesystem geschaffen, zu dem das Gewerbe- und Personalsteuergesetz von 1834 mit einheitlicher Besteuerung gewerblicher Unternehmen und des persönlichen Einkommens sowie das Gesetz von 1843 zur Einführung eines neuen Grundsteuersystems gehörten. Das Grundsteuergesetz beseitigte alle bisherigen Steuersysteme und -befreiungen. Ausnahmen galten nur für Kirchen- und Gottesdienstgebäude, öffentliche Straßen und Plätze, für Ödlandflächen und für fließende Gewässer. Alle übrigen nutzbaren Grundstücke wurden zur einheitlichen Grundsteuer herangezogen. Zur Umsetzung des Gesetzes erfolgte eine Steuervermessung des Landes, in deren Ergebnis Flurkrokis sowie Flur- und Besitzstandsbücher erstellt wurden. Außerdem wurden Grund- und Hypothekenbücher eingeführt, die bei den zuständigen Gerichten anzulegen waren. Die bisher meist seit dem Ende des 18. Jahrhunderts vergebenen Brandkatasternummern pro Grundstück wurden durch die neuen Flurstücksnummern ersetzt bzw. in Verbindung beider Ziffernsysteme für die Identifizierung von Flächen und deren Eigentümern benutzt. Das Panitzscher Hypothekenbuch enthält unter den Flurnummern 1 bis 53 sowie 57 die privaten Grundstücke. Die Gemeindeschafhirtenwohnung folgt unter Nummer 54, das Gemeindehaus als Nummer 55, mit der Nummer 56 die Gemeindenachtwächterwohnung, mit den Nummern 58 und 59 die Kirche und die Pfarrwohnung sowie unter Nummer 60 die Schulwohnung. Zu dem neuen Steuersystem gehörte seit 1850 die Erhebung indirekter Steuern für Branntwein, Bier, Malz, Wein, Tabak oder die Schlacht- und Stempelsteuer. Die Aufgaben einer Ortssteuereinnahmestelle wurden Privatpersonen übertragen, so zum Beispiel zwischen 1905 und 1910 dem Gasthofbesitzer Hermann Graul.

1856 wurden in Sachsen die Stadt- und Patrimonialgerichte aufgehoben. Damit verlor der Rat der Stadt Leipzig seine Zuständigkeit für Panitzsch und Cunnersdorf. Die Gerichtsbarkeit übernahm das neu eingerichtete Gerichtsamt Taucha bzw. ab 1876 das Amtsgericht Taucha. Die Funktion der ehrenamtlichen Ortsrichter bzw. Gerichtsschöppen und deren Besetzung mit Panitzscher Gutsbesitzern blieben erhalten. So ist zum Beispiel überliefert, dass bis zum Herbst 1885 Karl Jakob sen. das Amt niederlegte und zu dessen Nachfolger der Gutsbesitzer Ernst Otto Karl Weiland ernannt wurde, der später auch als Gemeindevorstand fungierte. Bis in die 1940er Jahre ist die Funktion des Ortsrichters, zu der damals der Bürgermeister Haase ernannt wurde, belegt.

Auch in anderen Bereichen änderten sich die Rechtsgrundlagen. So wurde beispielsweise die seit 1775 geltende Dorffeuerordnung, die unter anderem Passagen zum Brandschutz bei der Errichtung und Ausstattung von Gebäuden enthielt, 1869 durch die Sächsische Baupolizeiverordnung abgelöst.

Die Panitzscher Kommunalgarde 1848

Im Rahmen der bürgerlichen-demokratischen Revolution 1848/1849 konnten für Panitzsch keine besonderen Ereignisse ermittelt werden. Aber die Kunde von den Unruhen in Leipzig erreichte auch das Leipziger Land. Am 21. Mai 1848 wurde zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Ruhe und Ordnung in Panitzsch eine Kommunalgarde errichtet. Zum Dienst waren 20 männliche Einwohner vom 21. bis zum 50. Lebensjahr verpflichtet, die „unbescholtenen Rufes“ sein mussten. Eine Dienstbefreiung konnte nach den Rechtsvorschriften nur erlangen, wer erkrankt war. Nicht zum Dienst zugelassen waren Personen, gegen die gerichtliche Untersuchungen liefen. Den Kommunalgardenausschuss bildeten fünf Personen (Gemeindevorsteher August Klas sowie Gottlob Kinne, Gottlob Schmidt, Wilhelm Brauer als Kommandant und August Rödler). Die Kommunalgarde unterstand dem Generalkommando beim Sächsischen Ministerium des Innern in Dresden, von dem der Ausschuss seine Befehle erhielt. Im April 1849 trat die Althener Kommunalgarde der Panitzscher Garde bei. Die Leitung bei den gemeinsamen Exerzierübungen für die nun insgesamt 60 Gardisten lag weiter beim Panitzscher Kommandanten. Die zeitlich letzten Dokumente zur Kommunalgarde sind für April 1849 überliefert. Daten der Auflösung liegen bisher nicht vor.

Am Deutsch-Französischen Krieg (Reichseinigungskrieg) 1870/71 nahmen 13 Panitzscher teil, von denen zwei Soldaten gefallen sein sollen.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs die Einwohnerzahl in Panitzsch von 514 Bewohnern im Jahr 1871 (Cunnersdorf 19 Einwohner in zwei bewohnten Gebäuden) auf 700 im Jahr 1900 an. Zu dieser Zeit verzeichnete die Gemeindeverwaltung 97 bewohnte Gebäude in Panitzsch. Im Ort gab es seit 1894 eine Kaiserliche Postagentur. Ab 1913 war die Postagentur an den Fernsprechbetrieb angeschlossen.

Panitzsch nach 1900

Aus dem „Handbuch für den Verwaltungsbereich der Königlichen Amtshauptmannschaft Leipzig“, das 1909 erschien, lassen sich folgende Angaben entnehmen: Panitzsch lag als selbständige Gemeinde im Zuständigkeitsbereich der Amtshauptmannschaft Leipzig und hatte 740 Einwohner. Als Gemeindevorstand fungierte der Gutsbesitzer Ernst Otto Carl Weiland, sein Stellvertreter war der Gutsbesitzer Wilhelm Emil Mahler, Gutsbesitzer in Panitzsch. Zu dieser Zeit bestand für Panitzsch ein eigenes Standesamt. Als Standesbeamter war ebenfalls Mahler tätig. Panitzsch bildete mit dem Rittergut Cunnersdorf einen eigenen Schulbezirk, dem Pfarrer Hoffmann gleichzeitig als Vorsitzender des Schulvorstandes und Ortsschulinspektor vorstand. Pfarrer Hoffmann oblag des Weiteren die Leitung des Parchochialbezirkes Panitzsch mit dem Rittergut Cunnersdorf sowie der Tochterkirche in Althen. Für alle Impfangelegenheiten und staatlichen Gesundheitsaufgaben war der Tauchaer praktische Arzt Karl Adam Fischer zuständig. Der zuständige Tierarzt Emil Oskar Richard Fünfstück kam ebenfalls aus Taucha, wo sich außerdem die nächstgelegene Apotheke befand.

Einzelne Aufgaben wurden innerhalb der Amtshauptmannschaft von Beamten oder Beauftragten für verschiedene Gemeinden durchgeführt. So gab es im Bereich der ordnungspolizeilichen Verwaltung einen Gendarmen, der neben Panitzsch und Cunnersdorf für mehrere Orte um Umfeld der Stadt Taucha zuständig war. Als Amtsstraßenmeister fungierte ein in Sellerhausen wohnhafter Baumeister. Da in Panitzsch keine Hebamme ansässig war, übernahm dies aufgrund der örtlichen Nähe die Borsdorfer Hebamme, zu deren Einzugsgebiet außerdem Althen und das Rittergut Cunnersdorf gehörten.

Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts veränderte sich das ursprünglich ländliche geprägte Ortsbild mit den Höfen, Stallungen und angrenzenden Ackerflächen. Durch den Verkauf von vormaligen Ackerflächen und deren Umwidmung zum Bauland begann ab 1912 die Errichtung einer „Villenkolonie“ an der Borsdorfer und an der Neuen Straße. Die Bauarbeiten kamen durch die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges allerdings zum Stillstand.

Zum Kriegsdienst eingezogen waren in der Zeit von 1914–1918 192 Panitzscher. An die 40 Gefallenen erinnert der Gedenkstein der Gemeinde auf dem Friedhof.



Gedenkstein für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs.

Im Zuge der Novemberrevolution 1919 fanden in Panitzsch Wahlen zu einem Arbeiter- und Bauernrat statt. Auf der Grundlage einer Verfügung des Sächsischen Ministeriums des Innern vom 13. März 1919 versammelten sich am 16. März 1919 im Gasthof Panitzsch 30 Personen in einer angeordneten „Vollversammlung“. Diese wählte vier Personen als Arbeiterräte sowie vier weitere als Bauernräte. Die Bauernräte waren Vertreter aus der Gruppe der Gutsbesitzer, unter ihnen der damalige Gemeindevorstand Max Jacob. Welche Aufgaben der Arbeiter- und Bauernrat tatsächlich wahrnahm, ist nicht überliefert. Schon im Juni 1920 waren diese Gremien in ganz Deutschland wieder aufgelöst worden.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurden die Bauarbeiten in der Villenkolonie wieder intensiviert, stagnierten allerdings nochmals Ende der 1920er Jahre im Zuge der Weltwirtschaftskrise. Ende 1920 entstand durch die Wohnbebauung auf bereits vorhandenen Gartenbauflächen auf Panitzscher Flur die „Dreiecksiedlung“. Der Name ergab sich durch die drei, im Dreieck zusammenlaufenden Straßen, die das Gebiet umsäumten: die Sommerfelder, die Engelsdorfer und die Dresdner Straße. Heute verläuft durch die Dreiecksiedlung der ökumenische Pilgerweg, gekennzeichnet durch eine gelbe Muschel auf blauem Grund als Wegweiser für jeden Jakobspilger.

Anfang 1920 wurden nicht nur die neuen Straßen im Bebauungsgebiet, sondern auch die bisher gebräuchlichen Straßennamen in Panitzsch offiziell mit Namen versehen. Durch den Zuzug von Außerhalb stieg die Zahl der Einwohner von 833 um 1913/1914 auf über 1.000 Personen in 310 Haushaltungen im Jahr 1919 weiter an. Schon 1911 wurde der Ort vom Gemeinde-Elektrizitätverband Oetzsch mit Elektrizität versorgt. Auch die Ortsstraßen erhielten eine elektrische Beleuchtung.

Erst seit dem 1. April 1920 wurde die Gemeinde durch einen hauptamtlichen Bürgermeister geleitet. Diese Funktion übernahm Eduard Friedrich Haase (geb. am 24. Januar 1894 in Deuben als Sohn eines Friseurmeisters). Die Gemeindevertreter wählten ihn 1925 für eine weitere Amtszeit von zwölf Jahren, die vom 1. April 1926 bis zum 1. April 1938 andauerte. Als Vertreter des Bürgermeisters wurden aus dem Gemeindevorstand jeweils zwei Stellvertreter gewählt. Im Mai 1920 erhielt die Gemeinde Panitzsch die Genehmigung der Amtshauptmannschaft Leipzig zur Durchführung öffentlicher Gemeinderatssitzungen. Das Gemeindeamt, das Standesamt und die 1921 eingerichtete Girokasse befanden sich 1926 in der Hauptstraße 62 c und 48, die Postagentur in der Hauptstraße 95.

 

Das von Panitzsch aus zwei Kilometer östlich gelegene Cunnersdorf wurde 1921 infolge der Auflösung der bisher selbstständigen Gutsbezirke in Sachsen nach Panitzsch eingemeindet und damit unter die Verwaltung der Gemeinde Panitzsch gestellt.


Werbung der Girokasse 1937.

Ursprünglich gab es beim Gemeindevorstand keine Aufgabenteilung. Dies änderte sich jedoch im Lauf der Jahrzehnte, denn durch die wachsenden Einwohnerzahlen erhöhte sich der Verwaltungsaufwand. Deshalb bildete der Gemeinderat mehrere Ausschüsse zur Durchführung von Einzelaufgaben, in die er Vertreter verschiedener Organisationen oder Parteien, aber ebenso einzelne Bürger berief. 1924 bestanden beispielsweise folgende Gremien: Finanz- und Verwaltungsausschuss, Schätzungsausschuss, Wohlfahrts- und Fürsorgeausschuss, Bauausschuss, Feuerlöschausschuss, Kreditausschuss der Girokasse, Wohnungsausschuss, Schulausschuss oder Schlachtviehausschuss. Die Ausschüsse wurden allerdings alle von Bürgermeisterei Haase persönlich geleitet.

Im August 1923 trat in Sachsen eine neue Gemeindeordnung in Kraft, die die Selbstverwaltung der Kommunen stärkte und die Amtszeit der Bürgermeister auf sechs Jahre bzw. bei Wiederwahl bis auf zwölf Jahre festlegte. Schon seit den ersten Jahren der Bildung einer eigenen Gemeindeverwaltung zeigte sich, dass es nicht möglich war, alle Verwaltungsaufgaben eigenständig in Panitzsch durchzuführen. Im Laufe der Jahrzehnte bildete die Gemeinde deshalb einen gemeinsamen Kirchen-, Schul- und Armenverband mit dem Rittergut Cunnersdorf. Ein anderes Beispiel ist die Bildung eines gemeinsamen Knaben- und Mädchenfortbildungsschulverbandes mit der Stadt Taucha seit 1923 sowie die Berufsschulpflicht für die Panitzscher Schüler in Taucha. Derartige Zweckverbände waren in der Gemeindeverordnung von 1923 ausdrücklich gefordert worden.

Enge Kontakte bestanden neben Taucha insbesondere zur benachbarten Gemeinde Althen. Nach verschiedenen Vorabsprachen beschlossen die Panitzscher Gemeindevertreter am 28. September 1932, einer Verwaltungsgemeinschaft zwischen den Gemeinden Panitzsch und Althen grundsätzlich zuzustimmen. Nach Prüfung verschiedener Formalien, insbesondere der Höhe der finanziellen Verbindlichkeiten Althens, übernahm der Panitzscher Bürgermeister Haase in Personalunion die Amtsgeschäfte der damals 490 Einwohner zählenden Nachbargemeinde. Panitzsch bildete nun mit Althen einen zusammengesetzten Standesamtsbezirk. Panitzsch mit Cunnersdorf zählte zu dieser Zeit insgesamt 1.320 Einwohner.

Zwischen 1934 und 1936 entstanden in Panitzsch neue Häuser in der Querstraße. Die Einwohnerzahl erhöhte sich nochmals um fast 40 Bewohner und lag 1935 bei 1.350 Einwohnern in rund 400 Haushaltungen. Die Gemeinde war Eigentümer von drei Wohngebäuden mit insgesamt 15 Wohnungen. Zu dieser Zeit betrug die Gemeindefläche 2.000 sächsische Acker (rund 1.100 Hektar). Die Ortsstraßen wiesen eine Länge von insgesamt fast 17 Kilometern auf. 1934 betreute die Girokasse in Panitzsch rund 300 Konten mit einer Einlage von über einer Million Reichsmark. In einem Bericht an die Amtshauptmannschaft Leipzig im Juli 1935 kennzeichnete Bürgermeister Haase die Gemeinde Panitzsch mit folgenden Worten: „Sie trägt den Charakter einer Arbeiterwohnsitzgemeinde, hat starken Durchgangsverkehr und wird auch als Ausflugsort von Leipzig aus sehr besucht.“

Politische Verhältnisse im Gemeinderat während der Weimarer Republik

Seit den 1920er Jahren gehörten Mitglieder der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der späteren (Vereinigten) Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) als gewählte Vertreter dem Panitzscher Gemeinderat an. Beide Arbeiterparteien hatten Ortsvereine in Panitzsch und leisteten offensichtlich eine erfolgreiche politische Arbeit. Bei den Gemeindeverordnetenwahlen 1923 erhielten die SPD und eine weitere Arbeiterliste über 35 Prozent aller abgegebenen Wählerstimmen und besetzten fünf Sitze im Gemeindeverordnetengremium. Die Stimmenmehrheit erzielte allerdings eine gemeinsame Liste der „Bürgerpartei“, so dass dieser acht Sitze bei den Gemeindeverordneten zustanden. Bei der Reichspräsidentenwahl am 29. März 1925 waren in Panitzsch 734 Personen wahlberechtigt. Bemerkenswert ist, dass für den Kandidaten der KPD, Ernst Thälmann, 46 Personen stimmten, Erich Ludendorff für die Deutschvölkische Freiheitspartei jedoch nur drei Stimmen erhielt. Die Mehrheit der Panitzscher Stimmen fiel allerdings mit Dr. Karl Jarres auf einen Vertreter der rechtskonservativen Deutschnationalen Volkspartei.

Mitglieder der KPD und der SPD besetzten in der Folgezeit zeitweise sechs oder sieben von insgesamt 13 Gemeindeverordnetensitzen. So saßen 1926 jeweils drei Kommunisten und drei Sozialdemokraten im Gemeinderat, während die „Bürgerpartei“ sieben Sitze inne hatte. In der Wahlperiode zwischen 1926 und 1929 veränderte sich die Zusammensetzung der Gemeindevertreter leicht, da ein KPD-Mitglied in die SPD übergetreten war.

1927 wählten die Gemeindeverordneten den Schriftgießer Paul Lippmann (SPD) zu ihrem Vorsteher, 1928 zum ersten Stellvertreter. Ab 1928 bekleidete nach Abstimmung der Gemeindeverordneten Bürgermeister Haase das Amt des Gemeindeverordnetenvorstandes in Personalunion selbst. Die beiden Stellvertreter des Vorstandes, der Bankbeamte Otto Prinz und der Gutsbesitzer Paul Polter, gehörten einer bürgerlichen Partei an. 1931 und 1932 wurde Paul Lippmann erneut als 2. Stellvertreter des Gemeindeverordnetenvorstehers gewählt, Otto Prinz blieb 1. Stellvertreter.



Stimmzettel der Arbeiterparteien zur Gemeindeverordnetenwahl 1923

Ergebnisse der Gemeindeverordnetenwahlen 1923 bis 1933


Wahldatum Abgeg. Stimmen (Sitze) Abgeg. Stimmen (Sitze) Abgeg. Stimmen (Sitze) Abgeg. Stimmen (Sitze) Abgeg. Stimmen (Sitze)
Bürgerl. Einheitsliste SPD Arbeitervertreter KPD NSDAP
13.01.23 327 (8) 121 (3) 84 (2) --- ---
14.11.26 324 (7) 144 (3) --- 105 (5 ---
17.11.29 378 (8) 194 (4) --- 66 (1) ---
13.11.32 353 (8 bzw. 7) 215 (4) --- 152 (2) ---
01.04.33 --- 222 (3) Andere Parteien --- 429 (7)

Für das Jahr 1933 entstand eine neue Konstellation bei den Gemeindeverordneten. Der Arbeiter Franz Rudolph (KPD) wurde als Vorsteher der Gemeindeverordneten gewählt, als 1. Stellvertreter Paul Lippmann und der Arbeiter Friedrich Kretzschmar (KPD) als zweiter Stellvertreter. Es ist nicht überliefert, inwieweit die Vertreter der „Bürgerlichen Einheitsliste“ sich dem widersetzen. Obwohl der Gendarmerieposten Engelsdorf am 25. Januar 1933 darauf hinwies, dass Kretzschmar führendes Mitglied der Ortsgruppe der KPD war und bei „Versammlungen hetzerische Reden“ hielt, bestätigte die Amtshauptmannschaft Leipzig zu diesem Zeitpunkt seine Wahl.

Nach Korrektur der Stimmenauszählung der Wahl vom November 1932 wurde die Wahlliste der Gemeindeverordneten im Januar 1933 berichtigt. Die bürgerliche Einheitsliste verlor eine Stimme an die KPD. Dadurch erhielt mit der Hausfrau Gertrud Peucker erstmals eine Frau überhaupt in Panitzsch ein öffentliches Amt als Gemeindevertreter. Dies sollte allerdings bis nach 1945 so bleiben. Allerdings konnten die KPD-Mitglieder aufgrund der politischen Radikalisierung ihre Ämter nicht mehr ausüben.

Interessant ist, dass nicht nur während der Zeit der Weimarer Republik, sondern über 1933 hinaus, beim Standesamt Panitzsch eine relativ hohe Zahl von Kirchenaustritten registriert wurde, wie an wenigen Beispielen gezeigt werden soll: 1921=93, 1925=44, 1936=2 und 1939=18 Personen. Dies ist vermutlich mit dem Zuzug von Arbeitern, aber außerdem mit der Zunahme der NSDAP-Mitglieder im Ort allgemein sowie vor allem in der antikirchlichen Politik und Propaganda des NS-Regimes begründet.

Gleichschaltung der Kommunalverwaltung von 1933 bis 1945

Bis Ende der 1920 Jahre übten Vertreter der bürgerlichen Parteien im Gemeinderat die Stellvertreterfunktion für den Bürgermeister aus. Doch Anfang der 1930er Jahre änderten sich hier ebenfalls die politischen Verhältnisse. Der Schriftgießer Paul Lippmann (SPD) übernahm zeitweise die Funktion des ehrenamtlichen zweiten, später des ersten Stellvertreters. Kurz nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ am 30. Januar 1933 traten neue Rechtsvorschriften wie die Verordnung über die Neubildung der Gemeindekörperschaften vom 6. April 1933 in Kraft. Im Vorfeld erging am 11. März 1933 eine Mitteilung der Amtshauptmannschaft Leipzig an alle Bürgermeister, in der angedroht wurde, „Gemeindeleitern und ihren Stellvertretern mit marxistischer Weltanschauung die Polizeigewalt zu entziehen, da sie keine Gewähr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ böten. Zunächst meldete Bürgermeister Haase, dass er dem „Opferring der NSDAP“ angehöre. Sein Stellvertreter, der Schriftgießer Paul Lippmann gehöre der SPD an, sei aber bereits in der Nacht vom 12. auf den 13. März 1933 geflohen. Der 2. Stellvertreter, der Arbeiter Friedrich Kretzschmar, sei Mitglied der KPD und befinde sich wegen des angeblichen Diebstahls eines Strohballens in „Schutzhaft“. Über das weitere Schicksal der Beiden ist bisher nichts bekannt. In den Gemeinderat wurden an ihrer Stelle zwei „Personen mit nationaler Gesinnung“, der Bankbeamte und NSDAP-Ortsgruppenleiter Otto Prinz sowie der Buchhändler Paul Böhme gewählt.

Wenige Tage später teilte Bürgermeister Haase an die Amtshauptmannschaft Leipzig mit, dass „... sämtliche hier beschäftigte Beamte und Angestellte sowie der Wegewart ...deutschnationaler bezw. nationalsozialistischer Gesinnung (seien). Es erübrigt sich daher, Dienststrafverfahren auf Dienstentlassung einzuleiten. Ebenso sind sämtliche Lehrer der hiesigen Volksschule ganz national gesinnte Leute.“ Am 29. April 1933 versicherten neben Bürgermeister Haase die bei der Gemeinde Beschäftigten (Kassierer Alfred Klas, Kassenangestellter Walter Eckelt, Kanzleiangestellter Johannes Feidecke, Gemeindewachtmeister Louis Lindner und Wegewart Wilhelm Walter), dass sie jederzeit für den Nationalen Staat eintreten werden und vorher nicht Mitglied einer kommunistischen oder sozialdemokratischen Partei bzw. deren Hilfs- oder Nebenorganisation waren.

Bei der Neubildung der Gemeindeverordneten im April 1933, die ohne separate Wahl, sondern ausschließlich nach dem Ergebnis der Reichstagswahl vom 5. März 1933 erfolgte, erhielt die bis dahin bei Wahlen nicht in Erscheinung getretene NSDAP mit 429 Stimmen das höchste Ergebnis und erreichte sieben Sitze. Der SPD gelang es trotz politischer Repressalien mit 222 gewonnenen Stimmen immerhin noch drei Gemeindevertreter aufzustellen. Auf der Liste der NSDAP findet sich eine Vielzahl von Namen aus der vorherigen „Bürgerlichen Einheitsliste“, unter ihnen Beamte, Angestellte, Lehrer, Gärtner, Landwirte, Landarbeiter und Gutsbesitzer. Die übrigen für die Reichstagswahl zugelassenen Parteien erlangten in Panitzsch nur geringe Stimmenanteile und damit keinen Gemeindeverordnetensitz.

 

Im Juni 1933 teilte Bürgermeister Haase der Amtshauptmannschaft Leipzig mit, dass „im Zuge der Gleichschaltung die drei SPD-Mitglieder ihre Sitze niedergelegt hatten ...“ Durch die veränderten politischen und rechtlichen Bedingungen „verzichtete“ die SPD auf eine Listennachfolge. Die freien Sitze wurden nicht mehr besetzt, so dass sieben NSDAP-Mit-glieder allein in der Gemeindevertretung verblieben.


Im Rahmen der Vorbereitung der Olympischen Spiele 1936 in Berlin wurden in Panitzsch die Verwaltungen und Organisationen erfasst, die im weitesten Sinne mit dem Sport verbunden waren.

Bürgermeister Haase übernahm bis 1935 wieder den Vorstandssitz in diesem Gremium. Erster und zweiter Stellvertreter wurden Otto Prinz und der Kaufmann Otto Sicker. Bürgermeister Haase versicherte gegenüber der Amtshauptmannschaft Leipzig am 18. Mai 1933, dass „sämtliche Herren … nationalsozialistischer Gesinnung“ waren. Von Mai 1933 bis Mai 1936 übte der Ortsgruppenleiter der NSDAP, der Bankbeamte Otto Prinz, außerdem das Amt des 1. Stellvertreters des Bürgermeisters aus. Prinz meldete sich 1941 freiwillig zum Dienst in der Wehrmacht und wurde deshalb am 12. Juli 1941 von seinem Amt als Gemeinderat entbunden.

Die Deutsche Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 vereinheitlichte das Kommunalrecht in ganz Deutschland. Zwar blieb de jure die kommunale Selbstverwaltung erhalten, jedoch erfolgte die Festlegung der Befugnisse und Stellung des „Gemeindeleiters“ nicht nur im Sinne des Zentralstaates, sondern im Sinne des Führerprinzips. Die Leiter der Gemeinden wurden als Bürgermeister nicht mehr gewählt, sondern berufen. Die Funktion der bisherigen Stellvertreter wurde beibehalten, aber in „Beigeordnete“ umbenannt. Die beiden Beigeordneten waren künftig wie die Gemeinderäte immer NSDAP-Mitglieder. Zum 1. Beigeordneten wählten die Gemeinderäte im Mai 1936 den Gutsbesitzer Arthur Achilles, der gleichzeitig Ortsbauernführer war.

1938 wurde Haase auf Vorschlag des NSDAP-Kreisbeauftragten durch den Leipziger Amtshauptmann für weitere 12 Jahre als Bürgermeister ernannt. Seine Dienstzeit hätte dann bis zum 1. April 1950 gedauert. Als Haase sich Ende 1941 aus privaten Gründen nach seiner Scheidung als Amtskommissar „zur Aufbauarbeit nach Polen“ meldete, berief der Gemeinderat den Verwaltungsobersekretär Walter Eckelt als ständigen stellvertretenden Bürgermeister, der allerdings im März 1944 ebenfalls zum Kriegsdienst einberufen wurde. Bis Haase Mitte 1944 nach Panitzsch zurückkehrte, nahm ein Beamter aus Taucha die Amtsgeschäfte in Panitzsch wahr. Haase beging am 1. April 1945 zwar noch sein 45-jähriges Dienstjubiläum im Ort, wurde allerdings zum Kriegsende abgesetzt und „verzog nach Westdeutschland“.

Auch in Panitzsch kam es während der NS-Diktatur zur Strafverfolgung und -verurteilung politisch Andersdenkender, zu Verdächtigungen und Denunziationen wie die folgenden Beispiele zeigen. Aus einer Mitteilung des Amtsgerichts Taucha an die Gemeinde Panitzsch vom 27. September 1933 geht hervor, dass der Arbeiter Friedrich Ernst Paschi, geb. 7. Juli 1915 in Panitzsch, wohnhaft in Panitzsch, Sehliser Str. 56, wegen „Zusammenhaltens eines aufgelösten marxistischen Verbandes ...“ am 20. Juli 1933 zu einem Monat Haft verurteilt wurde, die in eine Bewährungsstrafe bis zum 1. August 1935 umgewandelt wurde. Verurteilt wurde ebenso der Arbeiter Willy Wilhelm Friedrich Book (geb. 29. Januar 1906 in Priester), damals wohnhaft in der Langen Straße 33 in Panitzsch. Seine Strafe wurde ebenfalls auf Bewährung ausgesetzt. Über das weitere Schicksal dieser Personen ist bisher nichts bekannt. Die seit 1929 in Panitzsch tätige und engagierte Ärztin Dr. Margarete Blank wurde denunziert und am 28. Februar 1945 in Dresden hingerichtet. Die nationalsozialistische Propaganda führte sogar soweit, dass im Herbst 1944 in Panitzsch eine Tochter ihren eigenen Vater wegen des Abhörens feindlicher Sender im Radio anzeigte.

Während der Zeit der NS-Diktatur etablierten sich in Panitzsch verschiedene NS-Organisationen und -gruppierungen. Diese Gremien waren besonders intensiv in die Vorbereitung und Durchführung des ersten Heimatfestes „1267 – 1937. Panitzsch“ vom 17. bis 19. Juli 1937 eingebunden, das ganz im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung stattfand. Die sechsmonatige Vorbereitung lag in der Hand eines Hauptausschusses (Vorsitzender Bürgermeister Haase) und verschiedener Arbeitsausschüsse wie Wirtschaft/Vierjahresplan, Ortsschmückung, Platzorganisation, parteiliche Veranstaltungen, Werbung bei Handel und Gewerbe und musikalische Ausgestaltung. Unter maßgeblicher Ägide der Funktionäre der nationalsozialistischen Organisationen wie NSDAP, SS, SA, HJ, BDM, Ortsbauernschaft und dem Vorsitzenden des Sportvereins wurde das Festprogramm erstellt sowie die Schmückung des Ortes mit „Illuminationslämpchen“, Dauergirlanden und Hakenkreuzfähnchen bindend festgelegt.


Titelseite des Festprogramms des Heimatfestes 1937.

Zur Verschönerung des Ortsbildes sollten die Panitzscher ihre Zäune reparieren und schadhafte Stellen an Gehwegen ausbessern. Hauptveranstaltungsorte waren die Heimatfestwiese und die Festhalle (Reithalle). Im Rahmen des Festumzuges am dritten Festtag waren 34 gestaltete Bilder aus der Panitzscher Ortsgeschichte zu sehen. Am Abend führte die Panitzscher Laienspielgruppe das Singspiel „Auf Befehl des Königs“ aus der Zeit Friedrichs des Großen auf. Die Sportwettkämpfe waren zum Teil militärisch geprägt wie der 20-km-Gepäckmarsch, den die Tauchaer SA gewann. Obwohl die Große Leipziger Straßenbahn während der Festwoche aus Kostengründen keinen Omnibusanschluss einrichtete, konnte Panitzsch doch tausende Besucher anziehen. Das von Heinz Quirin, einem damaligen Geschichts- und Geografiestudenten an der Universität Leipzig, im Rahmen des Reichsberufswettkampfes 1936/37 gestaltete „Heimatbuch“ mit historischen Abhandlungen wurde ebenso gut verkauft wie die Werbepostkarten, wie der Rechnungsabschluss des Hauptausschusses gegenüber der Gemeinde 1940 belegte. Am 20. Dezember 1938 wurde in der Panitzscher Schule eine NS-Gemeindebücherei mit einem Bestand von 150 Bänden eingerichtet, die an Sonntagvormittagen geöffnet hatte.


Aufnahme aus dem Festzug 1937

Kriegsauswirkungen 1939 bis 1945

Nach dem Kriegsbeginn im September 1939 zeichneten sich in Panitzsch erst allmählich Veränderungen im Alltag ab. Der Bürgermeister wurde mit einer Flut von Anfragen und Festlegungen der NSDAP-Kreisleitung sowie der Kreisverwaltung konfrontiert, zu denen in der Regel kurzfristige Meldungen zu erfolgen hatten. Dazu gehörte selbst die scheinbar lapidare Antwort des Bürgermeisters Haase an den Landrat vom 4. Juni 1940, die „keine Juden in der Gemeinde“ vermeldete. Ob die Benennung von Sprachkundigen als Dolmetscher und Übersetzer im Dezember 1940, von denen einzelne Panitzscher Englisch, Polnisch, Französisch, Spanisch und Neugriechisch beherrschten, tatsächlich zum Einsatz für kriegswichtige Aufgaben führte, ist nicht überliefert. Im November 1941 musste die Bronzeglocke der Volksschule Panitzsch mit einem Gewicht von 35 kg abgenommen und der Metallsammlung zugeführt werden. Sogar eine Arrestzelle für entwichene Kriegsgefangene und Ausländer war im Juli 1942 einzurichten. Polnische Zwangsarbeiter arbeiteten nicht nur auf dem Rittergut Cunnersdorf oder beim Gutsbesitzer Achilles in Panitzsch, sondern bei mehreren anderen Bauern und Gärtnern im Ort. Im Panitzscher Betriebsteil der Mechanischen Weberei Altstadt GmbH, Filiale Panitzsch, waren Griechen beschäftigt, in der Obstverwertung Engelhardt zeitweise englische Kriegsgefangene.

Für die Errichtung von mehreren Behelfsheimen und von 30 „Volkswohnungen“ hatte die Gemeinde schon 1940 ca. 10.000 Quadratmeter Fläche am ehemaligen Sportplatz erworben.


Standardisierte Zeichnung für den Bau eines Behelfsheims.