Mission

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1 Die Aussendung der Jünger vor Ostern

Dass die urchristliche Mission an Jesu Botschaft und Praxis anknüpft, führen zunächst die Überlieferungen von der vorösterlichen Aussendung der Jünger in den Evangelien vor Augen.3 Schon die Einsetzung der Zwölf durch Jesus erfolgt, „damit sie mit ihm seien und damit er sie aussende, zu verkünden und mit Vollmacht Dämonen auszutreiben.“ (Mk 3,14 f.) – Aus dem Mit-Sein mit Jesus und seinen Taten und Worten sollen sie lernen, um dann selbst seine Rolle übernehmen zu können. Noch deutlicher ist das in der Aussendung der Zwölf (Mk 6,6b–13; Mt 10,1.5–14; Lk 9,1–6) und der 72 Jünger (Lk 10,1–16)4, die drei Aufträge erhalten: (1) Verkünden: Die Jünger schließen sich Jesu Verkündigung an, dass die Zeit erfüllt und Gottes basileia nahe ist (Mk 1,14 f.). Am Anfang jeder Mission steht also Jesu Evangelium vom Reich Gottes: „[…] der Herr Jesus machte den Anfang seiner Kirche, indem er frohe Botschaft verkündete, nämlich die Ankunft des Reiches Gottes […].“5 (2) Dämonen austreiben: Dieser Auftrag ist verbunden mit der Zusage, dass die Jünger wie Jesus an der göttlichen Vollmacht bzw. Wirkkraft (exousia) partizipieren. (3) Kranke heilen (Mt 10,8: Tote erwecken!): Wie für Jesus sind für seine Jüngerinnen und Jünger Exorzismen und Heilungen, Erfahrungen des Heils und konkreter Heilung, Realsymbole des angebrochenen Gottesreiches.6 Die drei Aufträge sind mit dem Aufruf zu Mittellosigkeit und sozialer Wehrlosigkeit verbunden: Die Jünger sollen kein Geld und keine Vorräte mitnehmen und „wie Schafe unter Wölfen“ sein. Dadurch wird ihr Gottvertrauen offenbar und ihre Botschaft glaubwürdig. Das Bildwort von der Sendung der Arbeiter in die große Ernte (Mt 9,37 par. Lk 10,2) schließlich stellt die Aussendung der Jünger in einen hoffnungsvollen Horizont, ohne mögliche Ablehnung oder Verfolgung zu verschweigen.

2 Die „Missionsbefehle“ des Auferstandenen

Noch bedeutsamer als die Überlieferungen von der vorösterlichen Aussendung der Jünger sind für die Begründung der christlichen Mission die Missionsbefehle7, welche die Evangelien dem Auferstandenen zuschreiben. Ihnen liegt an der Kontinuität zwischen irdischem Jesus, Auferstandenem und dem Wirken der Jüngerinnen und Jünger.

2.1 Matthäus: Mission erweitert den Kreis der Jesus-Jüngerinnen und -jünger weltweit

Mit dem in die Zukunft weisenden Manifest Jesu Mt 28,16–208 stellt Matthäus Mission und Kirche in die Kontinuität des Handelns Gottes an seinem Volk und der Geschichte Jesu. Dies zeigen die Situierung der Szene in Galiläa und der Verweis auf Jesu Vollmacht (exousia: Mt 7,29; 9,6; vgl. 11,27). Die Adressaten der Mission sollen Schüler (mathetai) Jesu werden, wie auch vorösterlich seine Anhängerinnen und Anhänger genannt wurden. Durch die Mission wird der Kreis der Jesus-Jüngerinnen und -Jünger erweitert; es werden Kirche gebaut und Gemeinden geschaffen:9 „Wenn die Jünger die Menschen aus den Völkern ihrerseits zu Jüngern machen sollen, heißt das, dass sie in dieselbe Nähe zu Gott gelangen sollen wie sie selbst. Es gibt keine Jünger erster und zweiter Klasse. […] durch die Taufe erhalten alle Gläubigen vollen Anteil an der Gemeinschaft mit Gott […].“10 „Lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ streicht die Weisungen des messianischen Lehrers Jesus heraus. „Mission heißt ‚lehren‘, also das weiterführen, was der einzige Lehrer Jesus für seine Jünger tat. Inhalt der Missionsverkündigung sind die Gebote Jesu.“11 Mt 28,20 schließt mit der Zusage des dauernden Mit-Seins Jesu. Der Irdische wie der Auferstandene ist Immanuel: „Gott mit uns“ (Mt 1,23). „Seine Hilfe, seine Macht, seine Gebote und seine Lehre sind fortwährend Grundlage des Lebens.“12 – Bei all den Kontinuitätsfaktoren ist die Diskontinuität umso auffälliger. Jesu Vollmacht ist nach seiner Auferstehung entschränkt über Himmel und Erde. Der Missionsbefehl ist eine Wende: Gegenüber der bisherigen Beschränkung der Mission auf Israel (Mt 10,5; 15,21–28; 19,28) ist nach Ostern die universale Sendung der Jünger zu den Weltvölkern Programm.13

2.2 Lukas: Gottes Heilsplan erfüllt sich in der Verkündigung des Heils an alle Völker

Wie Mt 28,16–20 betont auch das lukanische Doppelwerk mit den Scharnierstücken Lk 24,36–49 und Apg 1,1–11 die Kontinuität zwischen irdischem Jesus, Auferstandenem und dem Wirken der Jüngerinnen und Jünger und die Mission unter allen Völkern. Ein besonderer Aspekt ist bei Lukas die heilsgeschichtliche Sicht der Mission. In der Verkündigung des Heils an alle Völker kommt das Heilsgeschehen zu seiner Erfüllung.

2.2.1 Lk 24,36–49 hebt die Kontinuität zwischen irdischem und auferstandenem Jesus mit Hinweis auf seine „leibliche Identität“ (V. 36–43) und die Identität der Botschaft hervor (V. 44–49).14 Diese Kontinuität ist eingebettet in ein größeres Kontinuum: den Heilswillen Gottes, der in Israels Schriften zum Ausdruck kommt und sich in Leiden und Auferstehung Christi erfüllt. Mehr noch – und das ist für unseren Zusammenhang bemerkenswert: „Das Heilsgeschehen, von dem die Schrift spricht, kommt […] nicht etwa schon mit Tod und Auferstehung des Messias zum Abschluss, sondern erst mit der Verkündigung des Heils an alle Völker (V. 47).“15 Lukas ordnet Mission in einen heilsgeschichtlichen Zusammenhang ein: Gottes Heilswille kommt dadurch ans Ziel, dass das Evangelium alle Völker zur Umkehr (metanoia) ruft und durch solch umfassende Neuorientierung Vergebung der Sünden, d. h. ein intaktes Gottesverhältnis ermöglicht. Die Verse 44–47 sind kein expliziter Missionsbefehl – „alles muss in Erfüllung gehen“ (V. 44) weist auf das Entscheidende: die göttliche Initiative. Der eigentliche Missionsbefehl ist denn auch denkbar kurz (V. 48): „Ihr seid Zeugen dafür.“ Die Apostel waren „von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes“ (Lk 1,2), verlässliche Zeugen des christlichen Kerygmas.16 Sie „sollen jetzt Zeugnis ablegen für das in Jesus erschienene Heil und sollen es durch ihre Predigt allen Völkern zugänglich machen.“17 Das ist nur mit der Kraft aus der Höhe möglich, die Jesus ankündigt (V. 49). Die Gabe des Geistes (Apg 2) als Agens der Mission kommt in den Blick.

2.2.2 Apg 1,1–11 schließt an die heilsgeschichtliche Perspektive des Lukasevangeliums an und spannt räumlich und zeitlich den Horizont der Mission und Kirche auf. Das Vorwort Apg 1,1–3 verweist auf das erste Buch, auf alles, „was Jesus anfing zu tun und zu lehren“18. Damit wird deutlich, dass es auch im zweiten Buch – der Apostelgeschichte – darum geht, was Jesus als der Auferstandene tut und lehrt, dass er immer noch am Werk ist, und zwar durch seine Apostel. Apg 1,2–8 drückt das vielfältig aus: Jesus erwählte die Apostel durch den Geist und gab ihnen Weisung, erschien ihnen als der Lebendige und knüpfte – ein besonderer Kontinuitätsfaktor – an seiner Reich-Gottes-Botschaft an.19 Wie in Lk 24,47–49 kündigt Jesus den Aposteln die Kraft des Heiligen Geistes an, damit sie seine Zeugen sein können. Als sie nach der Wiederherstellung Israels fragen, weitet Jesus den Blick auf ihre Zeugenschaft „bis an die Grenzen der Erde“. Wie Lk 24,47 von der Verkündigung an alle Völker spricht, spannt der Missionsbefehl Apg 1,8 den Horizont bis ans Ende der Welt, es ist also „von vornherein die Heilsbezeugung für die Heiden mit im Blick“20. Dass auch der zeitliche, ja eschatologische Horizont anklingt, wird in Apg 1,9–11 deutlich. Selbst in der Erfahrung der Diskontinuität, nach Jesu Hinaufnahme in den Himmel, vermitteln zwei Deuteengel Kontinuität: Jesus wird „[…] wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen“. Wie er auf Wolken in den Himmel ging, so wird er auf Wolken – als der Menschensohn (vgl. Dan 7,13–14) – am Ende der Welt wiederkommen. Wie Jesu Himmelfahrt den Beginn der Mission markiert, so seine Wiederkunft den Endpunkt. Ein zeitlicher Horizont wird aufgespannt: Die Zeit der Kirche als Zeit der kontinuierlichen Zeugenschaft für den Auferstandenen, der durch den Geist in den Seinen am Werk ist.21

2.3 Johannes: Der Auferstandene überträgt seine Sendung an die Jüngerinnen und Jünger

Auch das Johannesevangelium kennt einen Missionsbefehl (Joh 20,19–23): Am Osterabend kommt Jesus in die Mitte der Jünger, die hinter verschlossenen Türen sitzen. Er überwindet die Barrieren der Angst und Trauer, gibt sich zu erkennen und schenkt den Seinen bleibend Frieden und Freude.22 Sein Missionsauftrag „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21) gewinnt durch die Verbindung mit der johanneischen Sendungschristologie hohes theologisches Gewicht: Die Jüngerinnen und Jünger sind vom Auferstandenen gesandt, wie er vom Vater gesandt ist. In johanneischer Sprache wird Kontinuität zwischen dem Wirken Jesu und dem seiner Gesandten ausgedrückt. Jesus „überträgt seine Sendung an die Jünger und stärkt sie dafür mit dem Heiligen Geist. Dass der Geist durch Anhauchen übertragen wird, […] erinnert […] an das Einblasen des Lebensatems bei der Schöpfung. Der Geist, den Jesus gibt, ist die Kraft des ewigen göttlichen Lebens.“23 In dieser Kraft sollen die Jünger Jesus „in der Welt präsent machen und sein Heilswirken fortsetzen“24. Als Repräsentanten Jesu haben sie die Vollmacht der Sündenvergebung, d. h. der Zuwendung des Heils, das Jesus gewirkt hat.25

3 Die Entwicklung zur Heidenmission nach der Apostelgeschichte
3.1 Heidenmission als Aspekt der Diskontinutität – und doch legitim

Wie sich zeigte, ist das Anliegen der Missionsbefehle, Kontinuität zwischen Jesu Wirken und dem seiner Gesandten aufzuweisen. Umso mehr fällt ein Aspekt der Diskontinuität auf: Wenn Jesus sich, von Ausnahmen abgesehen (v. a. Mk 5,1–20; 7,24–30 parr.; 7,31–37), mit seiner Mission nur an Israel wandte, wie kommt es, dass der Auferstandene die Seinen beauftragt, zu allen Völkern zu gehen? Die Erklärung dafür ist, dass die Missionsbefehle durchsichtig für nachösterliche Erfahrungen sind, die der Abfassung der Evangelien 80–90 n. Chr. vorangingen: Sie setzen „die bereits Faktum gewordene ‚heiden‘-missionarische Öffnung der neutestamentlichen Gemeinde […] voraus. Theologisch wird das nachösterliche heilshafte Wirken der Gemeinde von der Vollmacht des Auferstandenen und der Bemächtigung durch den Geist abgeleitet.“26

 

Es lohnt sich nachzuzeichnen, wie die Apostelgeschichte aus der Perspektive der dritten christlichen Generation „für die theologische Legitimität des Heidenchristentums“ und der Heidenmission plädiert, indem sie „auf den Weg zurückblickt, den Gott die Kirche geführt hat“27. Vom Gedanken der Kontinuität der Heilsgeschichte ausgehend, entfaltet Lukas eine reflektierte narrative Theologie der Mission.

3.2 Pfingsten: Die Sendung des Geistes als Voraussetzung der Mission

Der Geist als „Ersatz für die leibliche Gegenwart des Geistträgers Jesus“ ist im Konzept der Apostelgeschichte die bestimmende Wirklichkeit der Kirche. Er ermöglicht prophetische Rede, d. h. Zeugnis von Jesus, und bestimmt den Weg der Kirche an kritischen Wendepunkten.28 Die Geistsendung zu Pfingsten (Apg 2) erfüllt alttestamentliche Verheißungen (Joel 3,1–5; Jes 32,14 f.; Ez 36,26): Das für Israel angekündigte erneuerte Gottesverhältnis mit seiner unmittelbaren Nähe zu Gott ist verwirklicht. Es kann nicht auf die kleine Gruppe der Jesusjünger beschränkt bleiben: „Es greift aus nach dem gesamten Gottesvolk und, darüber hinaus, auf die jetzt noch außerhalb Israels stehenden Heiden. Die Apostelgeschichte beschreibt deshalb den mit Pfingsten einsetzenden Prozeß der sichtbaren Sammlung des Gottesvolkes als ein Geschehen, das in zwei Phasen […] abläuft: der Sammlung Israels folgt die Sammlung der Heiden.“29

3.3 Die Sammlung Israels mit dem Umkehrruf zum Messias Jesus

Die Sammlung Israels schildert Lukas in Apg 2–6. Sie nimmt mit in Jerusalem wohnenden Diasporajuden (Apg 2,5) ihren Anfang, deren Herkunft die Völkerliste nennt (2,9–11).30 Sie erscheinen als Vertreter des über viele Weltgegenden verbreiteten Judentums, vorausschauend auch als Repräsentanten der Weltvölker. Die Predigten des Petrus zu Pfingsten (2,14–36), am Tempelplatz (3,12–26) und vor dem Hohen Rat (4,9–12; 5,29–32) sind Umkehrpredigten an die Angehörigen seines Volkes mit einem dreiteiligen Schema:31 Der Unheilstat der Tötung Jesu wird die Heilstat seiner Auferweckung durch Gott gegenübergestellt32 und daraus folgend die Möglichkeit der Umkehr eröffnet: „Diese besteht in der Einsicht, daß Gott das Unheilshandeln des Volkes, das zur Kreuzigung Jesu führte, durch sein Eingreifen zum Heil gewendet hat, indem er Jesus von den Toten auferweckte und zum messianischen Herrscher Israels in der Nachfolge Davids einsetzte (2,23–34).“33 Lukas erzählt, dass – abgesehen von den Anführern – wesentliche Teile Israels dem Umkehrruf folgten (2,41; 4,4; 5,14; 6,1.7). So repräsentiert „die Jerusalemer Urgemeinde am Ende ihrer Gründungsphase […] die Erfüllung der Verheißung der Erneuerung Israels […]“34.

3.4 Die Sammlung der Heiden – wichtige Etappen der Heidenmission

Nachdem die Phase der Sammlung Israels in Jerusalem für Lukas zu einem gewissen Abschluss gekommen ist, schildert er ab Apg 6,1 ausführlich die Sammlung der Heiden und plädiert damit im Rückblick für die Legitimität der Heidenmission.

3.4.1 Die Hellenisten: Wegbereiter der Heidenmission

Die Hellenisten waren Rückwanderer aus der griechischsprachigen Diaspora, die sich in Jerusalem der Urgemeinde anschlossen.35 Nach dem Martyrium des Stephanus wurden sie in verschiedene Regionen zerstreut (8,1b–4) und missionierten Randsiedler des Judentums: Philippus wandte sich mit seiner Mission an die Samaritaner (8,5–13) und an einen Sympathisanten des Judentums aus Äthiopien (8,26–40). Einige Hellenisten kamen nach Antiochia, wo sie Juden, aber auch anderen Hellenisten, d. h. griechisch sprechenden heidnischen Einwohnern, das Evangelium verkündeten (11,19 f.).36 So begann in Antiochia die Heidenmission, ja die Gemeinde wurde zu ihrem Zentrum, wo auch Paulus einige Jahre wirkte (11,25 f.).37 Fragt man nach dem theologischen Grund, warum sich die Hellenisten mit ihrer Mission Heiden zuwandten, findet man in der Anklage gegen Stephanus den entscheidenden Hinweis. Es heißt dort, er habe Kritik an Tempel und Gesetz geübt (Apg 6,13 f.).38 Als Hintergrund dieser Kritik ist die Überzeugung der Hellenisten anzunehmen, dass nicht mehr Tempel und Tora Heil vermitteln, sondern Jesus durch seinen Sühnetod der entscheidende Heilsmittler, Ort der Gegenwart Gottes und Zeichen seiner Bundestreue ist und das Ostergeschehen den endzeitlichen Tempel der Jesusgemeinschaft konstituiert. Entscheidend ist nun für Juden und Nichtjuden, sich im Glauben Jesus anzuschließen.39

3.4.2 Petrus: Heidenmission als „Chefsache“

Für den Beginn der Heidenmission spielt in der Apostelgeschichte neben den Hellenisten Petrus die entscheidende Rolle. Für Lukas ist er sogar der erste Heidenmissionar, vor der Ankunft der Hellenisten in Antiochia. Petrus tauft den römischen Hauptmann Kornelius, der gottesfürchtig, d. h. Sympathisant des Judentums ist (Apg 10,1–11,18).40 Eindrucksvoll führt die Erzählung die Legitimität der Heidenmission vor Augen: Die „göttliche Regie“ zeigt sich in Visionen, die Petrus und Kornelius zusammenführen, und in der Sendung des Geistes auf Kornelius und seine Angehörigen, noch bevor Petrus sie tauft. Als Petrus das alles der Gemeinde in Jerusalem berichtet, bricht sich auch dort die Einsicht Bahn, dass Gott „den Heiden die Umkehr zum Leben geschenkt“ habe (11,18).

3.4.3 Paulus: „Auserwähltes Werkzeug“ der Heidenmission

Nach dem „Pfingsten der Heiden“, dem Geistempfang des Kornelius und seiner Familie (Apg 10,44–47), „kann die Heidenmission beginnen, wie nach dem Pfingsten in Jerusalem die Judenmission begonnen hatte“41. Der Protagonist steht schon bereit: Apg 9 hatte die Bekehrung des Paulus vom Christenverfolger zum Christusverkündiger und seine Berufung zum auserwählten Werkzeug Gottes erzählt, der seinen Namen „vor Völker und Könige und die Söhne Israels tragen“ solle (9,15). Paulus wird dieser Berufung gerecht: Er ist im Auftrag der antiochenischen Gemeinde, dann als selbstständiger Missionar unterwegs. Nach der Apostelgeschichte predigt er immer zuerst in den Synagogen. Als er dort auf Abweisung und Widerstand stößt, wendet er sich den Heiden zu (vgl. Apg 13,46), die sich freuen (13,48), dass Gott ihnen die Tür des Glaubens öffnet (14,27).42 Die Hinwendung zu den Heiden bedeutet, dass Paulus – wie die Missionspredigt in Lystra (14,15–17) und die Areopagrede (17,22–31) zeigen – zuerst zum Glauben an den einen Gott und Schöpfer hinführen muss, bevor er die Christusverkündigung entfalten kann.43

3.4.4 Das Aposteltreffen: Anerkennung der gesetzesfreien Heidenmission

Durch die paulinische Heidenmission, wie sie mit der ersten Missionsreise (Apg 13–14) ihren Ausgang nahm, kam es zu einer Konsolidierung heidenchristlicher Gemeinden. Dadurch wurde die „grundsätzliche Anerkennung einer gesetzesfreien Heidenmission und eines nicht mehr an die jüdischen Kult- und Speisegesetze gebundenen Lebens der Christen notwendig […]“44. Beim Aposteltreffen (Apg 15) heißen die Jerusalemer Autoritäten die Einbeziehung von Heiden in die Kirche als Heiden gut, d. h. ohne vom Judentum geforderte Verpflichtungen, vor allem ohne Beschneidung. Die Jakobusrede fasst programmatisch die Mission aus lukanischer Sicht zusammen (15,13–18): Es ist Gottes Heilsplan, nach der Aufrichtung der verfallenen Hütte Davids (vgl. Am 9,11 f.), d. h. nach der Sammlung Israels, aus den Heiden ein Volk für seinen Namen zu gewinnen.45 Deshalb soll man den Heiden, die sich bekehren, keine Lasten aufbürden. Die Jakobusklauseln (15,20) nennen nur rituelle Minimalforderungen, welche die Tisch- und Lebensgemeinschaft von Juden- und Heidenchristen ermöglichen sollen. Nicht zufällig steht das Aposteltreffen in der Mitte der Apostelgeschichte, denn es bedeutete eine Weichenstellung für die Heidenmission. Es ging um „das Zentrum der christlichen Botschaft […], daß die Menschen durch nichts anderes als ‚durch die Gnade des Herrn Jesus gerettet werden‘ (V 11)“46.

4 Paulus: Ein Heidenmissionar in Selbstzeugnissen

Während die Apostelgeschichte über die frühchristliche Mission aus der Perspektive der dritten christlichen Generation erzählt, haben wir in den Paulusbriefen Selbstzeugnisse eines der frühesten christlichen Missionare vor uns. Ein Blick in drei seiner Briefe soll exemplarisch zeigen, wie er seine Rolle als Missionar sieht, welche Inhalte ihm wichtig sind und wie er Mission betreibt.47

4.1 Galaterbrief: Berufen, Gottes Sohn unter den Völkern zu verkünden

Im Galaterbrief erzählt Paulus, wie er durch die Christusvision vor Damaskus vom Christenverfolger zum Missionar Christi wurde: „[…] Gott aber gefiel es, der mich schon im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen hat, in mir seinen Sohn zu offenbaren, damit ich ihn unter den Völkern verkünde.“ (Gal 1,15 f.) – Der Apostel sieht sich wie Jeremia (Jer 1,5) und der jesajanische Gottesknecht (Jes 49,5 f.) von Mutterleib an zum Propheten bzw. Licht für die Völker berufen. Gott selber hat in ihm seinen Sohn „enthüllt“ (apokalyptein), ihm die tiefe christologische Einsicht vermittelt, dass Jesus, der Gekreuzigte und Auferweckte, Gottes Sohn ist. Ihn soll Paulus den Heiden (Nichtjuden) als gute Nachricht verkünden (euangelizein) (vgl. Gal 2,9).48 Für die Adressaten seiner Mission ist entscheidend, diese neue Offenbarung Gottes in Christus anzunehmen, wie Abraham zu glauben, Gott zu vertrauen, seinem Walten Raum zu geben (vgl. 3,6–18).49 „Werke des Gesetzes“ hingegen – Identitätsmerkmale des Judentums wie Beschneidung, Sabbatgebot und Speisevorschriften50 – sind nicht notwendig, um gerecht zu sein, also im rechten Verhältnis zu Gott zu stehen: „Wir wissen, dass der Mensch nicht aus Werken des Gesetzes gerecht wird, sondern aus dem Glauben an Jesus Christus.“ (2,16) Diesen „Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (2,20), und die bleibende Verbindung mit Christus (In-Christus-Sein: 3,28) legt der Missionar Paulus seinen Gemeinden in Galatien ans Herz.

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