Lateral führen an Hochschulen

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Teil 1: Grundlagentexte

Franziska Zellweger

Wer führt lateral? Mittleres Management an Hochschulen

Führen im Sandwich

Führung an Hochschulen ist ein ambivalentes Thema. Expertinnen und Experten verfügen in ihrem Feld über einen Wissensvorsprung und entziehen sich so einer fachlichen Führung. Zudem sind Strukturen und Kulturen an Hochschulen traditionsgemäß so ausgeprägt, dass eine wirksame zentrale Steuerung nur beschränkt möglich ist (vgl. den Beitrag von Thomann i. d. Bd.).

Im Zuge verschiedener Reformen und Veränderungen in der Hochschulumwelt erfahren Hochschulen jedoch eine Zunahme an Organisationstätigkeit. Dabei sind in der Hochschulforschung vor allem Fragen der Governance und Hochschulleitung im Blick. Damit einher geht jedoch auch eine Zunahme an Koordinations- und Führungstätigkeit in der Mitte von Hochschulen. An Schweizer Fachhochschulen übernehmen beispielsweise zahlreiche Personen auf dritter Hierarchiestufe Leitung und Personalverantwortung für Institute, Zentren oder Bereiche. An deutschen Hochschulen hat gerade die Neuordnung des Akkreditierungswesens in der Lehre zu einer Neustrukturierung hochschulischer Verantwortlichkeiten geführt (Reil & Wilbers, 2014). Gleichzeitig wird ein beeindruckendes Portfolio an Projekten bearbeitet, häufig mit Fragestellungen von bereichsübergreifendem Charakter, welche eine Koordination und Zusammenarbeit quer durch die Organisation erfordern. Etwa erfolgt eine Studiengangsentwicklung im Sandwich unterschiedlichster Ansprüche und Interessen, häufig ohne dass die Führung mit adäquaten Ressourcen und Kompetenzen ausgestattet ist.

Ziel dieses Beitrags ist eine Übersicht über Personen und ihre Aufgaben, welche in der Mitte von Hochschulen hierarchische oder laterale Führung übernehmen. Ausgangspunkt dabei ist eine Darstellung der Diskussion um mittleres Management in Unternehmen und relevante Parallelen und Differenzen zu den Entwicklungen im Hochschulbereich. Es folgt eine Übersicht über die Vielgestaltigkeit der Verantwortungsübernahme in der Mitte von Hochschulen.

Betriebswirtschaftliche Forschung zum mittleren Management

Wenn über Führungspraxis an Hochschulen nachgedacht wird, schwingt meist der Diskurs um moderne Unternehmensführung mit. Nicht selten ist festzustellen, dass Bilder und Konzepte, welche in der Managementlehre bereits wieder als überholt gelten, den Führungsalltag an Hochschulen prägen. Deshalb möchte ich als Erstes die Diskussion um Führung in der Mitte mit Bezug auf »klassische« Unternehmen nachzeichnen, bevor ich auf das mittlere Management an Hochschulen eingehe.

Definition und Aufgaben des mittleren Managements

Mittleres Management bezogen auf die Unternehmenshierarchie wird in der Literatur sehr unterschiedlich definiert (Wieser, 2014) und umfasst schätzungsweise 10 % der Mitarbeitenden eines mittelständischen oder großen deutschen Unternehmens (Hölterhoff et al., 2011). Die Mitte ist allgemein gesprochen das, »was nicht ganz ›oben‹ und nicht ganz ›unten‹ einzuordnen ist« (Stahl, 2005, S. 16), also ohne strategische Gesamtverantwortung und ohne Ansiedelung im operativen Kern.

Obwohl dieses mittlere Management als »zentrales Bindeglied zwischen strategischer Spitze und operativem Kern eines Unternehmens« bezeichnet wird, kommt dieser Funktionsgruppe im öffentlichen Diskurs wie auch in der betriebswirtschaftlichen Forschung nur geringe Aufmerksamkeit zu (Hölterhoff et al., 2011, S. 8). Diese mangelnde Aufmerksamkeit scheint gerade auch eine Empfindung vieler mittleren Führungskräfte zu sein, welche als »unsichtbare Leistungsträger« herausfordernde Rollen wahrnehmen, eher selten am Erfolg beteiligt, dafür häufig für Misserfolg verantwortlich gemacht werden (Hölterhoff et al., 2011, S. 19).

In einer älteren Untersuchung deutscher Industrieunternehmungen fasst Walgenbach (1994) die Funktion des mittleren Managements wie folgt:

Sie führen auf Basis überragender Fachlichkeit und berufen sich eher weniger auf ihre hierarchische Position. Die fachliche Qualifikation ist denn auch für die Rekrutierung in solche Positionen entscheidend, weniger die Qualifikation zur Führungsarbeit.

Sie sorgen für reibungslose Abläufe in ihrem Bereich und klären auch allfällige Konflikte mit anderen Abteilungen.

Ihre Entscheidungskompetenz ist beschränkt, inneres Unternehmertum würde mehr Freiheiten bedingen.

Sie sind zentrale Wissensträger und Vermittler, verfügen über großes organisationales Erfahrungswissen und kennen die Prozesse zur Problemlösung im Detail.

Sie spielen eine zentrale Rolle in der Bewältigung von organisationalem Wandel und sind Träger von zentralen Kundenkontakten (Hölterhoff et al., 2011).

Die Bedeutung und auch Belastung des mittleren Managements ist vor allem von Interesse in Prozessen des strategischen Wandels (Wiesner, 2014). Während Studien wie jene von Hölterhoff et al. (2011) für den Wert des mittleren Managements sensibilisieren möchte, gilt ihm auch Kritik. So sprach Siemens-Chef Peter Löscher 2008 plakativ von einer »Lehmschicht«. Diese sei erstarrt und undurchlässig und behindere Wandel (Löhr, 2010). Das mittlere Management ist denn auch manchenorts drastisch reduziert worden.

Mittleres Management und die Bewältigung von organisationalem Wandel

Floyd und Lane (2000) verstehen strategischen Wandel von Organisationen nicht als rational vorab geplante Schrittfolge, sondern als evolutionären, graduell voranschreitenden, politischen Prozess. Dem mittleren Management weisen sie dabei eine besondere Bedeutung zu in der Übersetzung von oben nach unten sowie von unten nach oben. Dabei erfüllen sie einerseits eine integrierende Funktion und vertreten andererseits auch abweichende Positionen, um die Fähigkeit zur Anpassung an den Markt sicherzustellen.


Nach oben gerichtete Einflussnahme Nach unten gerichtete Einflussnahme
Divergent Sich für strategische Alternativen stark machen (Champoining Strategic Alternatives) Anpassungsfähigkeit des Unternehmens gewährleisten (Facilitating Adaptability)
Integrativ Informationen synthetisieren (Synthesizing Information) Strategie implementieren (Implementing Delibarate Strategy)

Tabelle 2 Strategische Rolle des mittleren Managements nach Floyd & Wooldridge, 2000, S. 117 ff. zit. in Wilbers (2015)

Im Prozess der Entwicklung neuer Kompetenzen wird auf der operativen Ebene experimentiert. Die Informationen werden vom mittleren Management synthetisiert (›synthesizing‹). Es setzt sich beim Topmanagement für Erfolg versprechende Alternativen ein (›championing‹). Das mittlere Management eröffnet nach unten Spielräume (›facilitating‹), um sich auf der operationalen Ebene überhaupt anpassen zu können, d. h., es gewährleistet ein mehr oder weniger großes Abweichen von der Strategie. Die Ziele und Vorgaben der Führung werden zudem durch das mittlere Management heruntergebrochen (›implementing‹) und die operationale Ebene richtet ihr Handeln an diesen Vorgaben aus. Je nachdem wie gut diese Übersetzungsleistungen gelingen, wird das mittlere Management eher als »Transmissionsriemen« oder als »Lehmschicht« wahrgenommen.

Herausforderungen des mittleren Managements

Entsprechend zahlreich sind die Herausforderungen des mittleren Managements, wie diese Hölterhoff et al. (2011, S. 16) in einer Expertenbefragung eruierten.


Abbildung 1 Spezifische Probleme des mittleren Managements (nach Hölterhoff et al., 2011, S. 16)

Aus dieser Übersicht werden erste Parallelen zur Diskussion im Hochschulumfeld sichtbar, etwa bezüglich der erlebten Rollenkonflikte (vgl. die Beiträge von Fröhlich Luini und Rutz i. d. Bd.) oder aus Sicht der Personalentwicklung (den Beitrag von Stäuble i. d. Bd.)

Zur Herkunft des Konzepts der lateralen Führung

Im 2012 erschienenen Sammelband »Führung der Zukunft« (Grote, 2012) ist vom mittleren Management kaum die Rede. Die Hierarchie verliert vielerorts an Bedeutung. Im Fokus sind zunehmend die Flexibilität von Organisationen, der Umgang mit Unsicherheit, die wachsende Heterogenität der Belegschaft und die Bedeutung von Arbeit in Teams und Projekten. Für Führungsarbeit bedeutet dies, Ziele und Aktivitäten mit den Mitarbeitenden immer wieder an neue Gegebenheiten anzupassen, unter Zeitdruck bei oft unsicherer oder widersprüchlicher Informationslage zu entscheiden und dabei zunehmend diverse und wechselnde Teams auf ein Arbeitsziel hin zu motivieren.

 

In dieser Entwicklung steht auch die wachsende Popularität des Konzepts der lateralen Führung (z. B. Kühl, Schnelle & Tielmann, 2005; Radatz, 2008). Bereits Anfang der 1990er-Jahre machte Wunderer mit Konzepten der Führung von unten auf die Funktion der Einflussnahme von der Seite (lateral) wie auch von unten zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben aufmerksam (Wunderer, 1992). Führung von unten wurde in diesem Kontext verstanden als »zielorientierte, wechselseitige und aktivierende soziale Einflussnahme auf Personen einer höheren Hierarchiestufe zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben« (Wunderer, 2003, S. 254).

Wunderer identifiziert zentrale Strategien einer Führung von unten (mit sinkender Popularität): 1. Begründung, 2. Freundlichkeit, 3. Bestimmtheit, 4. Koalition, 5. Höhere Autorität und 6. Verhandlung.

Dabei ist interessant, dass sich die präferierten Strategien mit jenen der Führung von oben in den ersten vier Punkten deckten. Es kehrte sich lediglich die fünfte und sechste Strategie in der Reihenfolge. Als siebter und unpopulärster Punkt war das Ergreifen von Sanktionen als ausschließliches Mittel hierarchischer Führung angesprochen. Hierarchische und laterale Führung dürften sich in Schönwetterzeiten nur mäßig voneinander unterscheiden.

Gelingende laterale Führung wird häufig in Verbindung gebracht mit überragenden Persönlichkeitsmerkmalen (z. B. Eggenberger, 2014). Eine Gefahr besteht in der Vorstellung, dass Unzulänglichkeiten des Systems durch fachkompetente, integre und motivierende Personen mit Autorität kompensiert werden können. Gomez & Rüegg-Stürm (1997) hingegen verstehen laterale Führung als systemisches Phänomen. So stellt sich die Frage, welche Rahmenbedingungen es beispielsweise zur Entwicklung der Fähigkeit von Teams braucht, damit diese sich mit Blick auf neue Aufgaben immer wieder neu konstituieren und rasch eine Arbeitsfähigkeit erlangen können. In diesem Sinne orientieren wir uns in dieser Publikation an einem weiten Verständnis von lateraler Führung, welches auch organisationale Aspekte in den Fokus rückt (vgl. die Einführung und den Beitrag von Stäuble i. d. Bd.).

Mittleres Management an Hochschulen

Chancen und Grenzen eines Transfers

Während das Problemempfinden mittlerer Führungskräfte, wie in der Unternehmensliteratur beschrieben, eine hohe Ähnlichkeit mit jenem von Verantwortungsträgern in der Mitte von Hochschulen aufweist, zeigen sich auch wesentliche Unterschiede. Laterale Führung steht im betriebswirtschaftlichen Diskurs im Kontext von Flexibilisierung und Abbau von hierarchischer Führung. Laterale Führung in Hochschulen wird zum Thema im Zusammenhang mit der höheren Autonomie und verstärkter Organisationstätigkeit im Zuge von Verwaltungsreformen (New Public Management). Im Schweizer Fachhochschulsystem führte auch das Schaffen von größeren Einheiten (Mehrspartenfachhochschulen) zu einem Aufbau von Führungskapazität in der Mitte.

Immer wieder wird mit dem Stichwort der Expertenorganisation die Andersartigkeit von Hochschulen betont (vgl. auch den Beitrag von Thomann i. d. Bd.) Scott (1966) beschreibt Konflikte bei der Beschäftigung von Spezialistinnen und Spezialisten in Organisationen. Diese gehören zwei Systemen an – der Berufsgruppe/Profession und der Organisation. Spezialisten sind im Unternehmen verantwortlich für anspruchsvollere umfassende Aufgaben. Dafür durchlaufen diese längeren Ausbildungen, in welchen sie auch Normen und Standards der Profession internalisieren (vgl. den Beitrag von Baitsch i. d. Bd.). Wenn Akademikerinnen und Akademiker in Führungspositionen gelangen, erleben sie Ambivalenzen zwischen unterschiedlichen Identitäten (als Führungsperson der Organisation, als Fachexperte der Profession verpflichtet) (vgl. auch Floyd & Dimmock, 2011).

Zur Erklärung von Hochschulgovernance wird das Konzept der »professional bureaucracy« herangezogen. Mitarbeitende verfügen über ein hohes Maß an eigener Kontrolle über ihre Arbeit. Entscheidungen werden dezentral gefällt. Es ist die Rede von einer losen Koppelung der Teilbereiche des Systems. Ausgeprägte Prozesse der Selbstverwaltung spielen eine zentrale Rolle (Kezar & Ekel, 2004).

Diese Form der Führung von Hochschulen ist seit längerem herausgefordert durch den hohen Anpassungsdruck vonseiten der Politik und Gesellschaft. In einer Wissensgesellschaft hat die Zahl der Hochschulstudierenden massiv zugenommen und grundsätzliche Fragen zur Funktion von Hochschulen und der Effizienz des Mitteleinsatzes stehen im Raum (Kezar & Ekel, 2004). Im Zuge von veränderten Steuerungskonzepten (New Public Management) wurde die Autonomie der Hochschulen und damit die Gestaltungsmacht der Hochschulleitungen ausgebaut (Lange, 2008).

Wenn im Rahmen dieser Veränderungen in der Führung von Hochschulen die Verantwortungsübernahme in der Mitte gewollt und gefördert werden soll, dann bedingt dies eine Klärung der Führungsgrundsätze an Hochschulen. Bezugnehmend auf die Profilierung einer mittleren Ebene an Berufsschulen in Deutschland fordert Wilbers (2015) als Voraussetzung entsprechend klare Ziele und Aufgaben. Dies mag auch für die Diskussion an Hochschulen gelten.

Wo ist die Mitte in der Hochschule?

Zuerst stellt sich jedoch die Frage, wo es sie gibt, solche zentralen Bindeglieder an Hochschulen, welche zwischen strategischer Spitze und operativem Kern produktiv übersetzen und manchmal auch als »Lehmschicht« Entwicklung zu behindern vermögen.

Die hier vorgestellten Überlegungen haben Hochschulen im deutschsprachigen Raum im Blick, sowohl Universitäten als auch Fachhochschulen. Tätigkeitsprofile sind im Kontext gewachsener Strukturen und Kulturen zu verstehen. Diese unterscheiden sich in der Bezeichnung nach Hochschultyp, Land, ja sogar innerhalb von Fakultäten oder Departementen/Abteilungen einer Hochschule. Anhand von vier Beispielen versuche ich in Tabelle 3 im Ansatz diese Mitte zu fassen.


Tabelle 3 Das »mittlere Management« an Hochschulen

Dabei stoße ich auf strukturelle Unterschiede:

Hochschulen weisen immer eine doppelte Organisationslogik auf. Sie folgen einerseits in ihrem Aufbau einer fachlich-disziplinären Orientierung, andererseits bedarf es einer Koordination in den unterschiedlichen Leistungsbereichen, dominant in Forschung und Lehre. Die Pädagogische Hochschule Zürich (PH Zürich) ist im Vergleich zu den meisten Departementen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) primär entlang der Leistungsbereiche strukturiert (Lehrgänge, Forschung, Weiterbildung), die fachliche Vernetzung/Koordination dazu erfolgt quer in Fachbereichen. In Universitäten dominierte die fachlich-disziplinäre Orientierung als primäres Organisationsmerkmal.

Die Größe der Hochschulen hat einen Einfluss auf die Zahl der Führungsebenen. Die PH Zürich oder auch die Universität St. Gallen können durch ihre fachliche Fokussierung für den entsprechenden Hochschultyp als relativ klein bezeichnet werden. In einer voll ausgebauten Universität, d. h. einschließlich technischer und medizinischer Fakultät, wie der Universität Erlangen-Nürnberg, finden sich vergleichbare Strukturen.

Querschnittsaufgaben dienen unterschiedlichen, meist übergeordneten Bereichen der Organisation. Aufträge dafür erteilen Führungskräfte übergeordneter Ebenen. Im Fall der Universität St. Gallen sind die Schools verantwortlich für die Durchführung von Studienprogrammen. Dozierende sind in der Regel den Instituten zugeordnet, welche in relativ hoher Autonomie eigenständige Ziele verfolgen.

Nicht mitgedacht ist die Verwaltung, deren Aufbauorganisation nochmals unterschiedlichen Logiken folgen. Gleichwohl ist die Verwaltungsleitung auf den unterschiedlichen Ebenen in der Regel auch Teil der Führungsstruktur.

Welche Aufgaben fallen an?

In Anlehnung an das St. Galler Management-Modell lassen sich auch an Hochschulen Prozesse in drei Kategorien einteilen, nämlich in Kernprozesse, Supportprozesse sowie Management- und Führungsprozesse (Rüegg-Stürm, 2002). Aus diesen Prozessen ergeben sich für die Mitglieder von Hochschulen Aufgaben, die in drei Kategorien fallen:

Aufgaben in den Kernprozessen der Forschung und Lehre an Hochschulen

Die Kernaufgaben in Forschung und Lehre sowie Kompetenzerwartungen an Hochschulmitarbeitende sind strukturell und kulturell tief verankert. Leitend sind etwa Vorstellungen der Einheit von Forschung und Lehre.

Aufgaben in Supportprozessen

Unterstützt werden diese Aktivitäten im Bereich der Kernprozesse herkömmlich durch die Hochschulverwaltung, welche die Infrastruktur bereitstellen und interne Dienstleistungen erbringt, die notwendig sind, dass die Kernprozesse effizient und effektiv vollzogen werden können. Traditionellerweise werden zahlreiche Supportaufgaben wie Personalentwicklung oder das Qualitätsmanagement von Personen ausgeführt, die »eigentlich« für Forschung und Lehre zuständig sind. Eine Ausdifferenzierung der Kernprozesse führt dazu, dass zunehmend sogenannte Hochschulprofessionelle solche Aufgaben übernehmen (Kehm et al., 2010).

Aufgaben in Prozessen des Managements und Führung

Rüegg-Stürm et al. (2002) fassen in diesem Bereich sowohl normative Orientierungsprozesse, strategische Entwicklungsprozesse wie auch operative Führungsprozesse. Im Zuge der höheren Autonomie, welche Hochschulen heute gewährt wird, wie auch im Zusammenhang mit der Differenzierung und Profilierung von Hochschulen in einer globalen Hochschulwelt sind die Anforderungen an das Management und die Führung von Hochschulen gestiegen.

Im Rahmen dieser Aufgaben entwickeln Mitglieder von Hochschulen Schwerpunkte oder Profile. Von besonderem Interesse sind an dieser Stelle Profile, in welchen jenseits der Kernprozesse Verantwortung für Aufgaben im Bereich der Support und Managementprozesse übernommen wird.

Tätigkeitsprofile an Hochschulen

Das klassische akademische Tätigkeitsprofil

An Universitäten ist das klassische Profil charakterisiert durch eine Verbindung von Forschung und Lehre, ein Grundprinzip des humboldtschen Universitätsmodells. Da diese Einheit sich nur durch die Angehörigen selbst kontrollieren lässt, wird daraus das Prinzip der akademischen Selbstverwaltung abgeleitet. Bestimmend sind zudem klare Karrierepfade (up or out). Diese Karrierepfade sind für die Einzelperson mit hoher Unsicherheit verbunden und befinden sich vielerorts im Umbruch.

An Universitäten ist eine Profilierung außerhalb der Kernprozesse, wenn überhaupt, meist nur temporär möglich. Eine solche Profilierung gilt im Verfolgen der Karrierepfade als wenig förderlich, wenn nicht sogar hinderlich. So sehen Personen, die sich vor allem über die Kernprozesse in der Forschung und Lehre definieren, die Gefahr, dass sie durch eine verstärkte Tätigkeit außerhalb der Kernprozesse – etwa durch zurückgehende Forschungsleistungen – Einbußen in der weitere Karriere hinnehmen müssen (Preston & Price, 2012). Die Identifikation über Kernprozesse korrespondiert mit karriererelevanten Bewertungen, etwa im Rahmen von Berufungsprozessen.

Etwas weniger klar konturiert ist dieses akademische Profil an den noch jungen Schweizer Fachhochschulen: Diese nehmen einen vierfachen Leistungsauftrag wahr (Ausbildung, Weiterbildung, Forschung, Dienstleistung). Durch die Tertiarisierung der Ausbildung zahlreicher Professionen erfolgt eine Annäherung an das universitäre Aufgabenprofil. Damit tut sich ein Spannungsfeld bezüglich der Wertigkeit zwischen Forschung und Lehre auf.

Noch nicht abgeschlossen ist die Klärung von Laufbahnmodellen (vgl. Stäuble i. d. Bd.). Welche Erwartungen bestehen an eine Fachhochschulprofessur? Darf es eine Laufbahn mit einem Schwerpunkt in der Lehre geben? Damit verbunden ist auch die grundsätzliche Frage nach den erforderlichen Kompetenzen an das Fachhochschulpersonal und die Idee von differenzierten Profilen im Sinne eines Teamkompetenzansatzes (Böckelmann, 2009).

 

Neue Tätigkeitsprofile als Folge gestärkter Führung an Hochschulen

Im Zug der Hochschulreformen haben die Hochschulleitungen deutlich mehr Entscheidungsmacht und Verantwortung übertragen bekommen. Dies gilt sowohl für das Rektorat wie auch für Fakultäts- oder Institutsleitungen, welche dezentral Ergebnisverantwortung tragen.

Diese neuen Governance-Strukturen sind Gegenstand von politikwissenschaftlicher Forschung und zeigen deutlich, dass für den deutschsprachigen Kontext das Verhältnis von Politik und Hochschulführung noch nicht abschließend geklärt ist (z. B. Baschung et al., 2009). Auch Beobachtungen aus der Praxis weisen darauf hin, dass viel Aufmerksamkeit der Gestaltung und Klärung dieses Verhältnisses beikommt, ganz im Gegensatz zu Fragen geeigneter Führungsstrukturen in der Mitte.

Vor allem im angelsächsischen Raum besteht seit längerem ein Diskurs um die Leitung von Fakultäten und Departementen (2. Ebene) (z. B. Wolverton et al., 2001; Gallos, 2003). Diese Positionen, traditionell im Rotationsprinzip besetzt, haben sich bezüglich des Aufgabeumfangs, der Gestaltungsmacht und finanziellen Verantwortung massiv verändert und durchlaufen einen Prozess der Professionalisierung. Wie Baitsch (vgl. den Beitrag i. d. Bd.) beschreibt, werden solche Positionen mehrheitlich mit akademischem Personal besetzt, welches die eigene Führungsrolle mitunter mit gemischten Gefühlen betrachtet. Floyd & Dimmock (2011) in der Analyse von department heads im britischen System beschreiben persönliche Strategien im Aushalten von konfligierenden Identitäten und Widersprüchen in dieser Rolle.

Eine echte Lücke in der systematischen Reflexion besteht bezüglich Verantwortungsträgern, welche unterhalb dieser ersten beiden Führungsstufen (Hochschulleitung, Dekane/Departementsleitung) im Sandwich tätig sind. Im Fokus sind an dieser Stelle sowohl hierarchische Funktionen, die sich in der Ausdifferenzierung von Führungsarbeit etwa an Fachhochschulen etablieren (z. B. Bereichsleitende, Forschungsgruppenleitende [vgl. Böckelmann, 2012]) wie auch laterale Führungspositionen (z. B. Stabsmitarbeitende, Projektleitende, Studiengangsleitende ohne Personalführung). Nicht selten werden Letztere auch dem sogenannten Third Space zugeordnet.

Laterale Führung im Third Space

Ein neueres und zurzeit breit diskutiertes Phänomen unter dem Stichwort Third Space sind »wissenschaftlich qualifizierte Personen an Hochschulen, die selbst nicht primär in Kernprozessen der Forschung und Lehre tätig sind, aber Entscheidungen des Managements sachkundig vorbereiten, Dienstleistungen etablieren und die Kernprozesse der Hochschulen – Forschung, Lehre und Studium – aktiv mitgestalten« (Kehm, Merkator & Schneijderberg, 2010, S. 26). In einer empirischen Studie in Deutschland werden als größte Gruppe Personen angeführt, die in Studienberatung und Studienservice (21 %) tätig sind, gefolgt von Fachbereichsreferent/-innen/-management/-leitung/geschäftsführung/-assistenz (17 %) sowie »Leitung/Geschäftsführung (außer Fachbereich)« (9 %) (Kehm, Merkator & Schneijderberg, 2010, S. 26). Diese Personen profilieren sich dauerhaft außerhalb der Kernprozesse und leisten häufig zentrale Arbeit an Schnittstellen.

Whitchurch bezeichnet diese neuen Hochschulprofessionellen als Angehörige eines Third Space (Whitchurch 2008a; S. 32 ff.; Whitchurch 2008b), der sich als dritter Ort zwischen der klassischen Verwaltung und der akademischen Gemeinschaft auftut. Damit liefert sie eine Identifikationsfolie für viele Personen »in between« und diagnostiziert eine Problemzone bezüglich der Verantwortung in der Mitte.

Allerdings grenzt Whitchurch dabei diesen Third Space ab von einem vermeintlich stabilen, klaren, mitunter veralteten Bild der Akademia einerseits und der Verwaltung andererseits (z. B. Stratmann, 2013).


Abbildung 2 Third Space an Hochschulen (Zellweger & Bachmann, 2010, in Anlehnung an Whitchurch, 2008a)

Dieser Third Space bildet ein Sammeltopf für unterschiedlichste Profile, die sich in ihrer Herkunft, Aufgaben und Funktion stark unterscheiden. Die Stärke des Konzepts liegt in der Sensibilisierung für eine zentrale Entwicklung, weniger im Aufzeigen von Lösungsansätzen für eine vermeintlich homogene Gruppe von Personen. Vordringlicher ist ein besseres Verständnis für eine zeitgemäße Hochschulverwaltung und Governance.

Verwaltung im Wandel

Vor allem die neuere Steuerungslogik im Zuge der Entwicklungen von New Public Management verändert auch die Rolle der Hochschulverwaltung im Zusammenwirken mit der politischen Trägerschaft. Auch wenn die Funktionslogik der Verwaltung stark geprägt ist durch den Vollzug klarer Regelungen und Normen, verändert sich ihre Rolle vom verlängerten Arm des Ministeriums hin zu einem internen Dienstleister.

Nickel (2012) beschreibt das Verhältnis der Hochschulsubsysteme Akademia und Administration als auf das Wesentliche reduziert. Diese lose Koppelung wird für die Vergangenheit als funktional bewertet. Flexibilität und Innovationskraft der einzelnen Teile waren möglich, während sich das Gesamtsystem in seiner Funktionsweise durch hohe Stabilität auszeichnete. Die gestiegenen Anforderungen an interne Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse wie sie z. B. im Rahmen der Umsetzung der Bolognavorgaben notwendig wurden, erforderten diese distanzierte Beziehung neu zu definieren. Durch diese Brille sind auch neu entstandene Aufgabenprofile im Third Space zu betrachten.

Es ist ein Anwachsen von Organisationstätigkeit in der ganzen Organisation Hochschule festzustellen. Management wird zur Querschnittsaufgabe. Während »Academic Managers« die Zunahme als Belastung empfinden, welche sie von der Tätigkeit in Forschung und Lehre abhält, nehmen New Professionals in der Verwaltung ihre Schnittstellenfunktion als Chance wahr (Winter, 2009). Hier besteht gemäß Nickel (2012) eine Gefahr der Fehlentwicklung in Richtung Überbürokratisierung. Das produktive Gestalten dieser Schnittstelle bedingt eine Reflexion alter Muster, um den Weg für neue Formen der Kooperation frei zu machen.

Führungskapazität in der Mitte von Hochschulen

Die Verantwortungsübernahme in der Mitte ist vielgestaltig und von großer Relevanz für das Funktionieren von Hochschulen auch in Zeiten von Veränderungen. Sowohl die temporäre als auch die permanente Führung von primär fachlich-disziplinär orientierten Teams, Leistungsbereichen oder Projekten mit oder ohne Personalverantwortung dient der engeren Koppelung und Koordination von Expertentätigkeit an Hochschulen. Mit dem Denkzugang »Laterale Führung« stellt sich weniger die Frage nach dem gestiegenen Maß an Führung in der Mitte von Hochschulen, sondern mehr nach der Art und Form.

Die Komplexität, in welcher sich Führungstätigkeit bewegt, wie auch Spezifika von Führung in Expertenorganisationen wird im nachfolgenden zweiten Grundlagentext von Geri Thomann thematisiert.

Im Bewusstsein der unterschiedlichen Tätigkeitsprofile konkretisiert Christof Baitsch im dritten Grundlagentext das laterale Führungshandeln, worauf im dritten Teil Beiträge mit konkretem Anregungscharakter wesentliche Aufgabenbereiche lateraler Führung vorstellen.

Literatur

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Böckelmann, C. (2009). Arbeitsplatz Hochschule: Vom Allrounder-Anspruch zum kompetenzbasierten Personalmanagement. Münster: Waxmann.

Böckelmann, C. (2012). Profil und Perspektiven: Arbeitssituation und Laufbahnperspektiven von Führungspersonen auf der dritten und vierten Führungsebene an Pädagogischen Hochschulen der Schweiz. Beiträge zur Lehrerbildung, 29(3), 387–398.

Eggenberger, S. (2014, 20. Sept.). Als Chef gesehen werden, ohne Chef zu sein. Erfolgsfaktoren lateraler Führung. In: Alpha, Beilage zum Tagesanzeiger.

Floyd, A. & Dimmock, C. (2011). ‹Jugglers›, ‹copers› and ‹strugglers›: academics’ perceptions of being a head of department in a post-1992 UK university and how it influences their future careers. Journal of Higher Education Policy and Management, 33(4), 387–399.

Floyd, S. W. & Lane, P. J. (2000). Strategizing throughout the organization: Managing role conflict in strategic renewal. Academy of Management Review, 25(1), 154–177.

Gallos, J. V. (2003). The Dean’s Squeeze: The Myths and Realities of Academic Leadership in the Middle. Academy of Management Learning and Education, 1(2), 174–185.

Gomez, P. & Rüegg-Stürm, J. (1997). Teamfähigkeit aus systemischer Sicht – zur Bedeutung und den organisatorischen Herausforderungen von Teamarbeit. In R. G. Klimecki & A. Remer (Hrsg.). Personal als Strategie (S. 136–157). Neuwied: Luchterhand.

Grote, S. (Hrsg.) (2012). Die Zukunft der Führung. Heidelberg: Springer Gabler.

Hölterhoff, M., Edel, F., Münch, C. & Jetzke, T. (2011). Das mittlere Management. Die unsichtbaren Leistungsträger. Köln: Dr. Jürgen Meyer Stiftung.

Kehm, B. M., Merkator, N. & Schneijderberg, C. (2010). Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 5(4), 23–39.

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