Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren

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3.3 Ein menschenverachtendes System breitet sich aus

Dem Tiefpunkt menschenverachtender und mörderischer NS-Politik wird im dritten Kapitel mit der Darstellung des Konzentrationslagers Mauthausen in Oberösterreich mit seinen 50 Nebenlagern nachgegangen. Zehn davon befanden sich in Niederösterreich. Die unterirdische Flugzeugproduktion in der Seegrotte Hinterbrühl, das Frauenlager in Hirtenberg zur Patronenerzeugung und die Massenausbeutung von KZ-Häftlingen im KZ Außenlager Melk werden unter anderem ausgeführt. St. Pölten etablierte sich einerseits aufgrund von günstigen Bahnverbindungen sowie freien Bauflächen außerhalb des Stadtgebietes zur „Gauwirtschaftsstadt“ und andererseits durch Eingemeindungen zu „Groß-St. Pölten“. Weiters wird den Themen Reichsautobahnbau, Ende des jüdischen Lebens in St. Pölten sowie Widerstand und Kriegsende in St. Pölten nachgegangen. Im Abschnitt „Den Schwächsten blieb die Menschlichkeit verwehrt – Euthanasiemorde in Niederösterreich“ wird der Massenmord von Menschen aus Niederösterreich im Schloss Hartheim (OÖ) beschrieben. Auch Zwangssterilisation und die Phase der „wilden Euthanasie“ werden thematisiert. Die Frau als Trägerin der NS-Ideologie kam sowohl im ländlichen Sozialgefüge zum Ausdruck als auch in zugewiesenen und übernommenen Rollen wie Mutter, Industriearbeiterin und Täterin. Einblicke in das bäuerliche Leben in der NS-Diktatur mit den Tausenden von Zwangsarbeitskräften aus dem Ausland, die in der Landwirtschaft arbeiten mussten, zeigen die Bauern im Dienste der NS-Machthaber. An den Beispielen der Orte Berndorf, Pottenstein, Hirtenberg, Enzesfeld und Leobersdorf wird die Industriezwangsarbeit im Triestingtal veranschaulicht und der „Wert“ der Zwangsarbeiter*innen beleuchtet. (Vgl. Kainig-Huber & Vonwald 2018, 126–199)

3.4 Der Untergang und die Vernichtung des jüdischen Lebens

Das vierte Kapitel widmet sich in der Einleitung dem Alltagsleben jüdischer Menschen in Niederösterreich vor dem Jahre 1938, geht dem Raub der Menschenwürde und der schrittweisen Entrechtung nach. Übergriffe gegen die jüdische Bevölkerung, die gezielte Zerstörung von jüdischen Einrichtungen und die zwangsweise Auflösung jüdischer Gemeinden sowie der Zwangsarbeitseinsatz, die Deportation und der Mord von niederösterreichischen Jüdinnen und Juden werden thematisiert. Menschen, die jüdischen Menschen im Land halfen, und jene, die das Überleben im Untergrund beschrieben, kamen zu Wort. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrten nur einzelne jüdische Menschen ins Waldviertel zurück, nachdem durch die Nationalsozialisten der Lebensalltag der Jüdinnen und Juden im Waldviertel zerstört worden war. Noch 1930 hatten sich dort 786 Personen zum Judentum bekannt. Auch die Gewalt gegenüber jüdischen Menschen im südlichen Niederösterreich war enorm, wovon jüdische Schicksale aus dem Industrieviertel berichten. Rekonstruiert werden konnte ein ehemals blühendes Vereinsleben jüdischer Gemeinden in Baden, Mödling und Wiener Neustadt. Ortsspezifische Schwerpunkte der Forschung im Weinviertel sind „Arisierungen“ im Bezirk Gänserndorf, durch Nationalsozialisten geschändete jüdische Friedhöfe und verschwundene Synagogen im Nordosten Niederösterreichs sowie antisemitische Ausschreitungen im Marchfeld. Die Nationalsozialisten betrieben Raub an land- und forstwirtschaftlichen Gutsbetrieben und bereicherten sich an Sommer- und Zweitwohnsitzen jüdischer Familien, was neben berührenden Einzelschicksalen im Mostviertel gezeigt werden konnte. (Vgl. Kainig-Huber & Vonwald 2018, 200–297)

3.5 Terror, Leid und Befreiung – der Weg zum Frieden

Im fünften Kapitel wird im Besonderen auf die Verschleppung und die Ermordung ungarischer Jüdinnen und Juden 1944/45 auf niederösterreichischem Gebiet eingegangen, welche die zeitgeschichtliche Forschung als „Endphasenverbrechen“ bezeichnet. In Strasshof befand sich ein sogenanntes Durchgangslager (Dulag) für Kriegsgefangene, Zwangsverschleppte und für ungarische Jüdinnen und Juden. Die rücksichtslose Ausbeutung und die Unmenschlichkeit beim Bau des Südostwalls bei Engerau und Bruck an der Leitha, ungarische Jüdinnen und Juden im Zwangsarbeitslager in Gmünd, Todesmärsche durch niederösterreichische Orte und fanatische Morde im Steinbruch Tasshof bei Sulzbach (Triestingtal) sowie die Erschießungen von Jüdinnen und Juden im Schliefaugraben bei Randegg werden dokumentiert. Danach wird das Kriegsende in Niederösterreich behandelt, wobei einerseits auf die Not der Kinder im Land eingegangen wird und andererseits die Rolle der sowjetischen Soldaten als Befreier und/oder Besatzer thematisiert wird. Bilder von zerstörten Brücken, Dörfern und Städten geben Einblicke in das Kriegsende in unserem Land. Mit dem administrativen Umgang der Entnazifizierung in Niederösterreich (Verbot der NSDAP, Nationalsozialistengesetz 1947, Kriegsverbrecherprozesse an den Volksgerichten) und mit NS-Täterprozessen in Verbindung mit den „Endphasenverbrechen“ sowie mit der Bedeutung der sowjetischen Besatzungsmacht im Zusammenhang mit der Entnazifizierung beschäftigt sich der vorletzte Abschnitt. „Erinnern für die Zukunft“ nennt sich der Ausklang des Buches, dabei wird Orten der Erinnerung und dem Wandel von Erinnerungsorten nachgegangen und postuliert, dass Erinnerungsorte einerseits „verunsichernde Orte“ und andererseits Orte des Lernens sein können. Eine bildliche Auswahl von Kriegerdenkmälern in Niederösterreich zeigt die Veränderung des historischen Bewusstseins von der Ehrung der Helden bis zur Erinnerung an die Gefallenen und Vermissten auf. (Vgl. Kainig-Huber & Vonwald 2018, 299–381)

4. Handreichung mit Anregungen zur Quellensuche und Verarbeitung

Die 2019 fertiggestellte Handreichung Wege der Erinnerung in Niederösterreich – Schattenseiten des kulturellen Erbes in der Zeit von 1938–1945 basiert auf den bisherigen Forschungen im Rahmen des vorliegenden Projektes zum Schwerpunkt Nationalsozialismus in Niederösterreich und beinhaltet Anregungen für den Zeitgeschichteunterricht (vgl. Vonwald & Kainig-Huber 2019). Die Hilfestellungen für das Erforschen der regionalen Zeitgeschichte umfassen sowohl Informationen zur Quellensuche als auch zur Verarbeitung der Quellen. Die Akten der Bezirkshauptmannschaften und Vereine, die „Entschuldungs- und Aufbauaktion“ in der NÖ Land- und Forstwirtschaft, die Akten zum Vermögensentzug („Arisierung“) und Restitution jüdischer Besitzungen, die Lageberichte und Erinnerungen 1941–1945 sowie die Bestände der Bezirksbauernkammern stellen die umfangreichsten Quellensammlungen des Landes Niederösterreich dar und können neben Pfarr-, Schulund Gemeindearchiven beim Erforschen von zeit- und regionalgeschichtlichen Themen sehr hilfreich sein. Weiters erleichtern Websites wie die Topothek, „erinnern.at – Nationalsozialismus und Holocaust: Gedächtnis und Gegenwart“ und das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes die zielgerichtete Recherchearbeit. Das Aufsuchen von „Orten der Erinnerung“ und somit das Aufbereiten von sichtbaren und unsichtbaren Lernorten, die Gestaltung eines Film- oder Audiobeitrages, Biografien im Zusammenhang mit der Lokalgeschichte rekonstruieren und darstellen sowie bestehende Rad- oder Wanderwege mit zeitgeschichtlichen Informationen versehen, sind mögliche Darstellungsformen der Forschungsergebnisse.

5. Wege der Erinnerung – Projektpartner blicken zurück

Die vorliegenden sieben Projektbeiträge tragen zur Entwicklung von Kompetenzen für den Lernbereich Globale Entwicklung bei, indem der sachgerechte Umgang mit historischen Quellen, der kritische Umgang mit der Darstellung von Geschichte und die Einsichten und Arbeitsweisen von Historiker*innen berücksichtigt werden.

Es geht im 21. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Bewusstseinsbildung über die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten nicht nur um ein „Nie wieder“, sondern darüber hinaus um eine Sensibilität für kulturelle Identitäten, einen aktuellen Informationsstand über Konfliktlagen und Friedensbemühungen sowie ein reflektiertes Bewusstsein über Vorurteile und eurozentrische Wertvorstellungen. Der Geschichtsunterricht kann zur nachhaltigen Entwicklung durch Förderung folgender Teilkompetenzen beitragen: Quellenorientierung, Gegenwartsbezug, historische Alterität, Multiperspektivität, Kontroversität und Multikausalität. Erkennen, Bewerten und Handeln kann auf den verschiedenen Ausbildungsebenen gefördert werden, sodass das historische Denken zum Lernbereich globale Entwicklung maßgeblich beitragen kann. (Vgl. Erdmann, Kuhn, Popp & Ultze in Engagement Global 2017, 17–19)

5.1 Volksschulkinder begeben sich in Wiener Neustadt auf Spurensuche

Barbara Kreutmayer verfasste eine Bachelorarbeit mit dem Titel „Über Geschichte stolpern? Mit Volksschulkindern auf Spurensuche zum jüdischen Leben in Wiener Neustadt“. Sie dokumentierte, dass es heute nur noch wenige Plätze im öffentlichen Raum von Wiener Neustadt gibt, die an das einstige Leben jüdischer Menschen erinnern. Ziele der Arbeit waren einerseits die geschichtswissenschaftliche Beschäftigung mit der Thematik und mit „Stolpersteinen“, die in Wiener Neustadt an jüdische Opfer erinnern, und andererseits die Erstellung von Materialien inklusive eines Glossars für ein kindgerechtes Lernen über den Holocaust.

Die Grundlage für den didaktischen Teil bildet das Konzept der pädagogischen Abteilung der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Dabei wird die Beschäftigung mit Einzelschicksalen Überlebender in den Fokus des didaktischen Handelns in der Primarstufe vor, während und nach dem Holocaust gestellt. „In Berücksichtigung dieses Konzeptes wählte die Verfasserin nur ‚Stolpersteine‘ aus, die das Weitererzählen von Lebensgeschichten auch nach dem Ende des Nationalsozialismus ermöglichen. Die Biografien wurden eingebettet in ein Projekt, das aus sieben Bausteinen zusammengesetzt ist.“ (Kreutmayer 2020, 87) Das von Kreutmayer entwickelte Portfolio „Wenn Steine Geschichten erzählen. Auf den Spuren jüdischer Familien in unserer Stadt“ begleitet die jungen Lerner*innen während der projektorientierten Beschäftigung mit der Thematik. Im zweiten Baustein erfolgt ein Sammeln erster Gedanken der Schüler*innen zu einem ausgewählten „Stolperstein“ in Gruppenarbeit. Die Gedanken werden anschließend ausgetauscht und auftretende Fragen durch die Lehrperson kindgerecht beantwortet, bevor eine detaillierte Beschäftigung mit verschiedenen Lebensgeschichten, an welche die „Stolpersteine“ in Wiener Neustadt erinnern, stattfindet.

 

Der letzte Baustein unterstützt die Lernenden mithilfe des Kinderbuchs Papa Weidt. Er bot den Nazis die Stirn dabei zu erkennen, dass es innerhalb der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft unterschiedliche Handlungsspielräume gab. Kreutmayer fasst reflektierend zusammen: „Das Projekt eröffnete die Möglichkeit, einen Zugang zur Geschichte der Stadt und ihren jüdischen Bürgerinnen und Bürger zu finden, der aus einer leidvollen Vergangenheit in eine positivere Gegenwart führt und die Lernenden (und auch mich) in die Lage versetzt, aus den Lebensgeschichten der Überlebenden etwas mitzunehmen, das stärkt. Einer emotionalen Überforderung und Abwehrhaltung in der Befassung mit dem Nationalsozialismus kann dadurch vorgebeugt werden und an deren Stelle ein ‚zärtliches‘ und nachhaltiges Erinnern an ehemals hier lebende Wiener Neustädter und Wiener Neustädterinnen treten.“

5.2 Eine Klasse der Mittelschule Deutsch Wagram gestaltet Beiträge für eine Gedenkveranstaltung

An der Mittelschule Deutsch Wagram waren eine Beschäftigung mit dem Durchgangslager Strasshof, dem Nationalsozialismus in Deutsch-Wagram und ein Zeitzeugengespräch unter der Leitung von Katja Rebernig mit einer achten Schulstufe geplant. Als Beitrag für die jährliche Gedenkveranstaltung am Erinnerungsmal in Strasshof bereiteten Schüler*innen Texte vor. Rebernig fasst zusammen: „Im Homeschooling haben wir per Video-Unterricht das Durchgangslager Strasshof behandelt. Niemand in der Klasse wusste, dass es dort ein Lager gab. Das in Strasshof errichtete Erinnerungsmal kannten sie auch nicht.“

5.3 Durch „Fenster der Erinnerung“ blicken Schüler*innen in die Vergangenheit von St. Veit an der Gölsen

Johann Gastegger leitete an der Mittelschule St. Veit/Gölsen im Rahmen des Schwerpunktfaches „Entdecken und Forschen“ das Projekt „Fenster der Geschichte/der Erinnerung. Wir blicken zurück in die St. Veiter Vergangenheit“. Die 15 teilnehmenden Schüler*innen einigten sich im Zuge des Projektes darauf, in Dreiergruppen fünf Fenster zu folgenden Themen zu gestalten: Jüdisches Leben in Wiesenfeld, Widerstand in Rainfeld, ein Priester mit Zivilcourage, Schule im Nationalsozialismus und ein Soldatenschicksal.

Zunächst wurden die „historischen Fenster“ in drei Schritten für die Präsentation vorbereitet. Parallel dazu erfolgten die Recherchen zu den Themen mithilfe von Archivalien und Literatur. Die Schüler*innen wählten Quellenmaterial aus, welches sie für die Ausstellung aufbereiteten. Nach der Gestaltung der Fenster der Geschichte/der Erinnerung ist geplant, diese auszustellen und auch bei Schulveranstaltungen sowie Elternsprechtagen zu präsentieren. Gastegger freute sich besonders darüber, „dass sich einige Schülerinnen und Schüler für die Geschichte unserer Gemeinde, ihrer Familien zu interessieren begonnen haben.“ Er berichtet weiters: „Wichtig war auch die Erfahrung, dass Geschichte nicht so ‚weit weg‘ ist, sondern direkt auch bei uns passiert sowie die Erkenntnis, dass Radikalität in jeder Form längerfristig ins Verderben führt.“

5.4 Jugendliche der Mittelschule Ternitz beschreiten „Wege des Erinnerns“

Marlies Fally hatte sich bereits im Studienjahr 2017/18 in ihrer Bachelorarbeit mit der Thematik „Nationalsozialismus in Ternitz“ beschäftigt und fachspezifische regionalgeschichtliche Lernarrangements für die Sekundarstufe I entwickelt. Nachdem sie an der Mittelschule Ternitz angestellt wurde, entwickelte sie ihre regionalgeschichtlichen Unterrichtsmaterialien im Rahmen des vorliegenden Projektes weiter.

Ihr Folder „Wege des Erinnerns“ bietet den Schulen in und um Ternitz die Möglichkeit, sich auf Spurensuche beginnend mit der Zwischenkriegszeit zu begeben. Es stehen zwei verschiedene Routen und Informationsmaterialien zur Vorbereitung auf die Lehrausgänge zur Verfügung, die sowohl zu sichtbaren als auch unsichtbaren Orten der Erinnerung führen. Auf einer Website werden die Stationen der beiden Routen detailliert beschrieben, didaktisch aufbereitet und Bildmaterial wird zur Verfügung gestellt.

Fally plant weiters, den gestalteten Folder an die Schulen des Bezirkes auszusenden und Lehrkräfte dadurch zu motivieren, ebenfalls die Wege der Erinnerung mit ihren Klassen zu beschreiten. „Den Schülerinnen und Schülern wurde im Rahmen des Projektes bewusst, dass Ternitz während des Zweiten Weltkrieges direkt betroffen war. Die Beschäftigung im Unterricht hilft, das ‚sichtbare und unsichtbare Erbe‘ einzuordnen. Der Geschichtsunterricht kann einen wichtigen Beitrag zum historischen Gedächtnis leisten, auch wenn noch keine Erinnerungszeichen in einer Gedenklandschaft vorhanden sind.“

5.5 Eine Schülerin des Gymnasiums Berndorf schreibt über das Triestingtal in ihrer Vorwissenschaftlichen Arbeit

Lilian Mrasek vom Gymnasium Berndorf erforschte „Die Auswirkungen des Nationalsozialismus auf das jüdische Leben im Triestingtal von 1938–1945“ im Rahmen einer Vorwissenschaftlichen Arbeit. Als Quellen benutzte sie historische Zeitschriften, regionalhistorische Literatur und Online-Archive. Es gelang ihr die antisemitische Stimmung an ausgewählten Orten im Triestingtal darzustellen und Biografien betroffener jüdischer Menschen zu rekonstruieren.

Mrasek reflektiert über ihre Forschung: „Die Schicksale der jüdischen Menschen im Triestingtal und die Geschehnisse in der NS-Zeit sind viel greifbarer geworden und wenn diese schon zuvor so schrecklich und unglaublich wirkten, so wurde mir erst beim Verfassen meiner Arbeit bewusst, wie absolut furchtbar und tiefgreifend der Antisemitismus war und dass man nie vergessen darf, was passierte und dass sich dies nie wiederholen darf.“

5.6 Eine Oberstufenklasse aus Gänserndorf beschäftigt sich mit Archivalien und erforscht ausgewählte Opferbiografien

Thomas Gaida leitete eine siebente Oberstufenklasse des Konrad Lorenz Gymnasiums in Gänserndorf zur Erforschung der Auswirkungen des Opferfürsorgegesetzes im Bezirk Gänserndorf und des Personenkreises, der darauf Anspruch hatte, an. Dazu wurden 26 Akte des Niederösterreichischen Landesarchives in St. Pölten verschiedene Personen betreffend von Gaida ausgehoben. Darüber hinaus dienten den Schüler*innen der „Schlussbericht der Historikerkommission der Republik Österreich zum Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich“ sowie Fachliteratur zum Opferfürsorgegesetz als Quellen.

Zunächst fand eine Bearbeitung der Sekundärliteratur statt und es folgte eine vertiefende Beschäftigung mit den Archivalien die Opfer im Bezirk Gänserndorf betreffend. Zusätzlich zur geplanten Präsentation der Ergebnisse war von der Projektgruppe die Erstellung einer dauerhaften Homepage mit Aktenmaterial angedacht. Gaida erklärt auf die Frage, ob das Projekt zur Entwicklung des Bewusstseins einer Erinnerungskultur beigetragen habe: „Durch die Ausarbeitung und die Beschäftigung der Schülerinnen und Schüler mit den einzelnen Personen wurde in jedem Fall eine Erinnerung möglich gemacht, die die Ausarbeitenden ebenfalls betroffen [gemacht] hat. Durch die Beschäftigung mit dieser Zeit, den Schicksalen und Geschichten der Menschen und den Folgen, die sie durch die Herrschaft der Nationalsozialisten direkt erlitten haben, ist eine sehr starke Besinnung in Form des Gedenkens an diese Menschen und ein Willen der Erinnerung und des Mahnens an diese schrecklichen Zeiten entstanden.“

5.7 Einen nachhaltigen Beitrag zur Erinnerungskultur in Baden entwickelte eine Studierende der PH NÖ im Zuge ihrer Bachelorarbeit

Im Rahmen ihrer Bachelorarbeit „Schule in Niederösterreich während der NS-Zeit – Wie hat sich die Erziehung und der Unterricht in der Schule durch den Nationalsozialismus verändert?“ führte Anna Schütz zwei Gespräche mit Zeitzeuginnen aus Baden bei Wien durch. Eine der Interviewpartnerinnen wurde 1936 in Baden geboren und besuchte während des Krieges die Volksschule am Pfarrplatz. Sie berichtete im Gespräch vom Schulalltag in der NS-Zeit und den Auswirkungen des Krieges auf das Schulleben. Die andere Interviewpartnerin, Jahrgang 1929, war Schülerin des Mädchengymnasiums Frauengasse von 1939 bis 1947. Diese Zeitzeugin erinnerte sich im Gespräch mit Schütz außerdem an das jüdische Leben in Baden vor 1938 und an Schikanen, denen jüdische Menschen am Pfarrplatz nach der nationalsozialistischen Machtergreifung ausgesetzt waren. In Form eines Podcast wurden diese Erzählungen aufbereitet. Sie können dadurch in der Primarstufe nachgehört werden und tragen zur Sensibilisierung für eine politische Indoktrination sowie altersgerechte Friedenserziehung bei. Dadurch kann eine nachhaltige Erinnerungskultur bei jungen Lerner*innen gefördert werden.

Literatur

Bergmann, Klaus & Rohrbach, Rita (2005). Kinder entdecken Geschichte. Theorie und Praxis historischen Lernens in der Grundschule und im frühen Geschichtsunterricht. Schwalbach: Wochenschau Verlag.

Erdmann, Elisabeth, Kuhn, Bärbel, Popp, Susanne & Ultze, Regina (2017). Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung. Teilausgabe Geschichte. In Engagement Global. Service für Entwicklungsinitiativen (Hrsg.). Bonn.

Erll, Astrid (2008). Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. In Ansgar Nünning & Vera Nünning (Hrsg.), Einführung in die Kulturwissenschaften. Theoretische Grundlagen – Ansätze – Perspektiven (S. 156–185). Stuttgart, Weimar: Metzler.

Fally, Marlies (2018). Nationalsozialismus in Ternitz. Baden: Bachelorarbeit PH NÖ.

Hockerts, Hans Günter (2002). Zugänge zur Zeitgeschichte: Primärerfahrung, Erinnerungskultur, Geschichtswissenschaft. In Konrad H. Jarausch & Martin Sabrow (Hrsg.), Verletztes Gedächtnis. Erinnerungskultur und Zeitgeschichte im Konflikt (S. 39–73). Frankfurt/M.: Campus.

Kainig-Huber, Margarethe & Doria, Rita (2015). Notrationen. Weltwirtschaftskrise, Ständestaat, Nationalsozialismus und Nachkriegszeit im Triestingtal. Berndorf: Kral Verlag.

Kainig-Huber, Margarethe & Vonwald, Franz (2018). Schreckensherrschaft in Niederösterreich 1938–1945. Alltag in der nationalsozialistischen Zeit. Berndorf: Kral Verlag.

Kammerstätter, Johannes & Diesenberger, Nina (2019). Das Erbe lebt. Trotz traumatisierter Familien und deformierender Geschichtsbilder. Band 4. Wieselburg: Eigenverlag.

Kreutmayer, Barbara (2020). Über Geschichte stolpern? Mit Volksschulkindern auf Spurensuche zum jüdischen Leben in Wiener Neustadt. Baden: Bachelorarbeit PH NÖ.

Meissner, Renate S. (Hrsg.) (2014). Erinnerungen. Lebensgeschichten von Opfern des Nationalsozialismus. Wien: Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus.

Reeken, Dietmar von (2012). Historisches Lernen im Sachunterricht. Eine Einführung mit Tipps für den Unterricht. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

Reiter, Margit (2006). Die Generation danach. Der Nationalsozialismus im Familiengedächtnis. Innsbruck: Studienverlag.

Schütz, Anna (2019). Schule im Nationalsozialismus während der NS-Zeit. Wie haben sich die Erziehung und der Unterricht in der Schule durch den Nationalsozialismus verändert? Baden: Bachelorarbeit PH NÖ.

Toman, Hans (2015). Historisches Lernen in der Grundschule und Sekundarstufe 1. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

Vonwald, Franz & Fritthum, Gerhard (2015). Gegen das Vergessen. Lebenserinnerungen aus Ramsau bei Hainfeld/1930–1950. Berndorf: Kral Verlag.

 

Vonwald, Franz & Kainig-Huber, Margarethe (2019). Wege der Erinnerung in Niederösterreich – Schattenseiten des kulturellen Erbes in der Zeit von 1938-1945. Anregungen für den Zeitgeschichteunterricht. Baden: PH NÖ.