Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren

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3.1.2 Fachdidaktische Anknüpfungspunkte

Die Charakteristika und Unterschiede der beiden Protagonisten lassen sich in einem identitätsorientierten Dreischritt (vgl. Frederking 2010) herausarbeiten, indem die Kinder in einer Phase subjektiver Annäherung zunächst dazu aufgefordert werden, die für sie interessantere Hauptfigur auszuwählen und ihre Auswahl zu begründen2.

Ausgehend von dieser Auswahl sind in der Phase der objektivierenden Erschließung Figurenkonstellationen für beide Werke zu erstellen, in denen die Einbindung der Protagonisten in die jeweiligen Zusammenhänge deutlich wird. Zentral ist hierbei, dass Jack im Umgang mit den beeinträchtigten und teilweise fantastischen Lebewesen als Helfer fungiert, während Fausto als Gegenspieler der vermenschlichten Naturelemente auftritt (Figurenverstehen, Niveaustufe I). Davon ausgehend können grundlegende Eigenschaften wie Hilfsbereitschaft vs. Machtwille sowie die positive Entwicklung von Jack vs. die negative Entwicklung von Fausto erschlossen und in einer Sicherung einander gegenübergestellt werden (Figurenverstehen, Niveaustufe II; vgl. Abb. 2). Um sich darüber hinaus in die Gedankenund Gefühlswelten der Figuren zu versetzen, können die Kinder in dieser Phase z.B. einen Dialog zwischen Jack und seinem Vater während des Ausflugs schreiben oder eine Denkblase von Fausto in dem Moment füllen, als er merkt, dass das Meer sich ihm nicht unterwirft. Dies trägt zur Empathiebildung im Sinne Spinners bei (vgl. Spinner 2006, 10).


Abbildung 2: Erhobene Faust als Bekräftigung des Versprechens bzw. der Drohung (l.: Jack, r.: Fausto)

In der Phase der personalen und sozialen Applikation lassen sich den Figurenkonstruktionen entsprechend unterschiedliche Schwerpunkte setzen, die eine Positionierung herausfordern (Figurenverstehen, Niveaustufe III). So können die Kinder Jacks Entscheidungen im Laufe der Handlung sowie seine Handlungsabsichten für die Zukunft kommentieren, ihm weitere Vorschläge machen, um Müll zu reduzieren, oder mit ihm Versprechen formulieren, um das „Schicksal des Meeres“ in die Hand zu nehmen, wie es das Ende der Geschichte nahelegt. Für Fausto bietet es sich an, mit ihm an einer selbst gewählten Stelle in Interaktion zu treten, um sein Schicksal in eine andere Richtung zu lenken oder einen Nachruf auf ihn zu schreiben, in dem ebendieses Schicksal rückblickend bewertet wird.

3.2 Baustein Handlungslogik: das Verschwinden als Ausgangs- oder Endpunkt der Geschichte

Anders als das Figurenverstehen, das trotz seiner Relevanz im Literaturunterricht im österreichischen Lehrplan keine explizite Erwähnung findet, ist für die Erschließung der Handlungsebene die Rahmenvorgabe formuliert: „Handlungszusammenhänge erleben und erkennen; einfache Handlungsabfolgen richtig wiedergeben“ (Bundesministerium 2003, 15). Dass „für kompetentes literarisches Verstehen die Herstellung innertextlicher Bezüge wichtig ist“ und die „literarische Welt […] aus dem Textzusammenhang erschlossen werden“ muss (Spinner 2006, 10), hebt Spinner sogar als grundlegend für literarische Lernprozesse hervor. Diese übergreifenden Zielsetzungen werden im Bochumer Modell literarischen Verstehens in konkrete Arbeitsschritte übersetzt, die von der Reproduktion/Reorganisation von Inhalten über die Erarbeitung von Kausalzusammenhängen bis hin zur Bewertung und Antizipation von Handlung reichen. Diese stringente Erarbeitung von Handlungslogik kann Grundlagen für die BNE-Teilkompetenz „vorausschauend denken und handeln“ schaffen, da auch dafür zunächst ein Status quo erfasst, in Zusammenhänge eingeordnet werden und eigenständig weitergedacht werden muss. Die episodische Struktur der beiden ausgewählten Erzählungen bietet dabei die Möglichkeit, über die wiederholende Mikrostruktur eine Systematik zu erkennen und sich darüber auch der Makrostruktur des Problemnarrativs anzunähern.

3.2.1 Sachanalytische Zugänge

Die zentralen Handlungselemente und ihre Zusammenhänge lassen sich mit dem durch Leubner & Saupe etablierten Komplikationsmodell (vgl. Leubner & Saupe 2009, 48f.; Leubner & Saupe 2016, 95) übersichtlich erschließen und einander gegenüberstellen.

Als zentrale Komplikation kann demnach in Der Tag, an dem das Meer verschwand die Schädigung der Figur Jack durch das Verschwinden des Meeres benannt werden. Scheint der Faktor der Komplikation zunächst Jacks Trinkhalm zu sein, entfaltet sich das Ausmaß der Meeresverschmutzung erst im Lauf der einzelnen Episoden, in denen Jack freigelegte Müllberge entdeckt, sechs Möwen aus ihrer Gefangenschaft in einer Getränkepackung befreit, eine Meerjungfrau aus verhedderten Fischernetzen löst, auf einen Plastiktüten ausstoßenden Wal trifft und schließlich einen Berg aus Plastikstrohhalmen besteigt, an dessen Spitze er auch seinen eigenen im Nasenloch einer Schildkröte wiederfindet. Mit der Rückkehr des Meeres wird die Komplikation positiv aufgelöst, obwohl die Müllberge im Meer verbleiben. Faktor dafür ist Jacks Rücknahme seines eigenen Trinkhalms sowie sein Versprechen, in Zukunft weniger Plastik zu verbrauchen und mehr zu recyceln. Dass es ihm auf diese Weise gelingt, das Meer zurückzuholen, wirkt in Anbetracht der weitreichenden anthropozänen Spuren zunächst zu einfach und harmonisierend, setzt aber letztlich niedrigschwellig an den realen Gestaltungsspielräumen der Rezipierenden an. Denn wie Jack verfügen sie weder über Macht noch über Mittel, die bisher entstandenen Schäden zu beseitigen. Wie Jack können sie dennoch aktiv dazu beitragen, diese Schäden künftig in Grenzen zu halten.

Im Gegensatz dazu ist in Die Fabel von Fausto die Schädigung der Natur durch Faustos Inbesitznahme als zentrale Komplikation auszumachen. Diese wird mit Faustos Verschwinden im Meer insofern positiv aufgelöst, als die Natur sich wieder selbst überlassen bleibt und regenerieren kann. Die Faktoren für Komplikation und Auflösung liegen in Faustos Bestreben, sich die Welt zu eigen zu machen, der damit einhergehenden Selbstüberschätzung sowie der Erhabenheit der Natur über den Menschen. Auch wenn die Einordnung von Faustos Untergang als „positive Auflösung“ also durchaus in einem schlüssigen kausalen Zusammenhang zur anthropozänen Schädigung steht, ist die daraus resultierende radikale Moral der Verzichtbarkeit des Menschen zumindest diskussionswürdig und lässt sich durch eine alternative Anwendung des Modells relativieren. So kann als zentrale Komplikation auch ein Mangel Faustos konstatiert werden, dessen Faktor innerhalb der Handlung eine Leerstelle bleibt. Dieser Mangel kann letztlich nicht kompensiert werden, was zu einer negativen Auflösung der Komplikation führt. Der Faktor für diese negative Auflösung besteht darin, dass Fausto beim Versuch, den Mangel durch die Aneignung der Naturelemente zu kompensieren, das Wesentliche aus dem Blick verliert. Die Moral weist hier also nicht in Richtung Eliminierung des Menschen, sondern eher in Richtung Achtsamkeit und Umweltbewusstsein. Solche verschiedenen Varianten in den Unterricht einzubringen, ist sinnvoll, um die Deutungsspielräume zu veranschaulichen, die sich selbst bei der kriteriengeleiteten Handlungsanalyse ergeben, und damit auch die Unabschließbarkeit des Sinnbildungsprozesses (vgl. Spinner 2006, 12) zu fördern.

3.2.2 Fachdidaktische Anknüpfungspunkte

Die episodische Struktur beider Erzählungen bietet sich ebenfalls für ein identitätsorientiertes Setting an, das auf der Auseinandersetzung mit den Protagonisten aufbauen kann, aber nicht muss. Dabei können für die Phase der subjektiven Annäherung aus beiden Werken alle Begegnungen von Mensch und Naturelementen (bei Jack mit Möwen, Meerjungfrau, Wal und Schildkröte, bei Fausto mit Blume, Baum, Schaf, See, Berg und Meer) an der Tafel angebracht und den Kindern zur Auswahl gestellt werden.

Um trotz dieser individuellen Auswahl zu gemeinsamen Ergebnissen zu gelangen, eignen sich in der Phase der objektivierenden Erschließung Arbeitsaufträge, welche die Besonderheiten der jeweiligen Episode in den Fokus rücken und im Rahmen einer gemeinsamen erneuten Lektüre beider Werke in einem Episodenpuzzle zusammengetragen werden können. Für Der Tag, an dem das Meer verschwand ist der Fokus dabei vor allem auf die Variation in der wiederkehrenden Struktur zu legen, indem die Kinder das Problem des angetroffenen Lebewesens benennen (Handlungslogik, Niveaustufe I), die unterschiedlichen Plastikgegenstände (Möwen-Getränkepackung, Meerjungfrau-Fischernetz, Wal-Plastiktüten, Schildkröte-Trinkhalm) als Ursache des Problems identifizieren (Handlungslogik, Niveaustufe II) und Jacks Lösungsstrategien erörtern (Handlungslogik, Niveaustufe III). Indem die Kinder der Chronologie der Geschichte folgend ihre Bearbeitung der Einzelepisoden präsentieren, lassen sich Parallelen und Entwicklungen zwischen den Episoden nach und nach erschließen, bevor die Rahmung der Episoden durch das Verschwinden und die Rückkehr des Meeres abschließend in ihrer Funktion in der gesamten Klasse zur Diskussion gestellt wird. Für Die Fabel von Fausto bietet es sich hingegen eher an, das zentrale Naturelement und seine Markierung vor und nach Faustos Verschwinden in den Blick zu nehmen (Handlungslogik, Niveaustufe I), seine Bedeutung für Fausto in der Besitzreihenfolge einzuordnen (Handlungslogik, Niveaustufe II) und die dargestellten Machtverhältnisse auf die eigene Lebenswelt zu übertragen (Handlungslogik, Niveaustufe III). Die Präsentation der Ergebnisse kann demnach entgegen der symmetrischen Struktur der Geschichte von deren Höhe- und Wendepunkt ausgehen und die Konsequenzen menschlicher Anwesenheit und Abwesenheit vom mächtigsten zum machtlosesten Naturelement offenlegen.

 

In der Phase der personalen Applikation lässt sich daran anknüpfen, indem die Kinder für das bearbeitete Werk eine eigene Episode nach dem erarbeiteten Muster (Problem-Lösungs-Abfolge bei Jacks Begegnungen, Vorher-Nachher bei Faustos Begegnungen) ergänzen und diese individuell inszenieren.

3.3 Baustein Sprache: Achtsamkeit als explizites oder implizites Credo

In der Genese des Terminus „literarisches Lernen“ ist die sprachliche Gestaltung bereits vor der Veröffentlichung von Spinners einschlägigem Aufsatz als leitgebend benannt worden. So hält beispielsweise Waldt fest: „Literarisches Lernen wird verstanden als die bewusste Auseinandersetzung mit dem Besonderen der literarischen Sprache.“ (Waldt 2003, 101) Eine ähnliche begriffliche Engführung nimmt auch Kruse vor: „Literarisches Lernen beginnt dort, wo die erste Begegnung mit literarisch geformter Sprache erfolgt.“ (Kruse 2007, 2) Spinner führt die aufmerksame Wahrnehmung sprachlicher Gestaltung als dritten seiner elf Aspekte an, wobei ihm vor allem „[w]ichtig ist, dass dabei die Funktion für die ästhetische Wirkung erkannt und erfahren wird.“ (Spinner 2006, 9) Dies differenzieren Boelmann & König in die beiden Niveaustufen Identifikation und Deutung sprachlicher Mittel aus (vgl. Boelmann & König 2021, 120) und schließen die Bildsprache insbesondere in der Primarstufe mit ein. Anders als beim Figurenverstehen und der Handlungslogik wird auf eine dritte Niveaustufe verzichtet, obwohl diese über das produktive Erproben sprachlicher Strukturen oder die Bewertung der Versprachlichung analog zu den anderen beiden Grundkompetenzen abzudecken wäre.

Das Verstehen sprachlicher Mittel ist Grundvoraussetzung dafür, die Konstruktion von Figuren und Handlung und letztlich die Gemachtheit literarischer Welten insgesamt zu durchdringen. Somit knüpft dieser Aspekt literarischen Lernens an die oben benannten BNE-Teilkompetenzen an, geht gleichzeitig aber darüber hinaus, da die globalen Problemlagen auch im Rahmen von Nachhaltigkeitsdiskursen immer wieder neu versprachlicht und dabei auch mit verschiedenen Konnotationen verbunden werden. Um im Sinne der Gestaltungskompetenz aus „Gegenwartsanalysen und Zukunftsstudien Schlussfolgerungen [...] ziehen“ zu können, ist es unabdingbar, deren Sprache und die damit verbundene Perspektivierung analytisch zu erfassen. Dies lässt sich an geschlossenen literarischen Welten gezielt anbahnen, denn „der literarische Text wird in der literatursprachorientierten Didaktik als Denkaufgabe verstanden, als intellektuelle Herausforderung, als ein sprachliches Problem, das Lösungsarbeit verlangt“ (Paefgen 1999, 27). In den beiden ausgewählten Geschichten kommen Text- und Bildsprache sowie deren Kombination auf sehr unterschiedliche Weise zum Einsatz, sodass die Denkaufgabe und Lösungsarbeit ein breites Spektrum abdecken kann.

3.3.1 Sachanalytische Zugänge

Der Tag, an dem das Meer verschwand setzt mit einer anschaulichen Beschreibung des Sonnenaufgangs über dem Meer ein, der „die Wasseroberfläche orange, rot und golden färbte und glitzern ließ wie einen Piratenschatz“ und in entsprechend warmen Farben und weiten Perspektiven ins Bild gesetzt wird. Diese sich gegenseitig ergänzende Hommage an die Schönheit des Meeres bildet nach dessen Verschwinden die Vergleichsfolie für die zurückbleibende Tristesse. Diese wird auf der Bildebene durch den fast identischen Bildausschnitt, in dem nur noch Pfützen und eine hinter Wolken verborgene Sonne zu sehen ist, und auf der Textebene durch Negationen verdeutlicht: „Nicht eine einzige glitzernde Welle, nicht eine schillernde Farbe war da zu sehen.“ Stehen während Jacks Suche nach dem Meer im Text vor allem wiederkehrende Dialogstrukturen im Fokus, manifestiert sich die Vielfalt der Begegnungen auf den Bildern in unterschiedlichen Farbnuancen und wechselnden Perspektiven. So zeigen sie den Protagonisten in der Weite der Müllberge aus der Vogelperspektive, sein Entsetzen über die aneinanderhängenden Möwen aus der Froschperspektive, seine Rettung der Meerjungfrau aus der Nahen und sein Gespräch mit dem Wal aus der Totalen, um Größenverhältnisse und die damit einhergehende Wirkungsmacht bzw. Wirkungslosigkeit zu unterstreichen. Das langwierige Erklimmen des Berges wird in mehreren aufeinanderfolgenden, immer kleiner werdenden Abbildungen der Figur eingefangen und durch die schräg nach oben verlaufende Typografie verdeutlicht. Auch an anderen Stellen dient die Schrift durch Fettdruck und Größe der Hervorhebung zentraler Erkenntnisse wie „Es war einfach überall. Plastik. Plastik. Plastik.“ und Botschaften wie „In den Händen von Kindern wie dir.“ Während die Grundstruktur der Handlung und die Kontrastierung der Welt mit und ohne Meer auch über die Bilder nachvollzogen werden können, kommt dem Text also zusätzlich die Funktion zu, Jacks Gedanken zu explizieren und teilweise moralisierende Plädoyers auszuformulieren. Dies setzt sich im Paratext in vorgefertigten Versprechen fort.

An die Stelle weitläufiger Bildsprache und ausschmückender Textsprache tritt in Die Fabel von Fausto minimalistische Reduktion. Die weißen Doppelseiten enthalten teilweise nur wenige Sätze ohne Bilder oder mit kleineren Bildelementen wie einem einzelnen Blatt. Auch die Figuren sind fast durchweg auf weißem Hintergrund abgebildet, was die mit Faustos Machtwillen einhergehende Dekontextualisierung von Mensch und Natur unterstreicht. Weitläufigere Ausgestaltungen des Raums finden sich lediglich in den Situationen, in denen Fausto auf Widerstand stößt, und nehmen erst ab der Begegnung mit dem Meer die Bildfläche zunehmend ein. An dieser Stelle wird auch die bis dahin in Braun und Neonrosa gehaltene Kolorierung durch das Blau des Meeres und das Gelb des Regenmantels abgelöst und die im Text wiederkehrende Grundstruktur von Besitzanspruch, Besitzzugeständnis und Genugtuung endgültig aufgebrochen. Die Anreicherung des Textes durch die Bilder wird insbesondere in der Darstellung von Faustos sich steigernden Wutausbrüchen sichtbar. Während der Text lediglich andeutet, dass Fausto dem See „zeigte […], wer hier das Sagen hatte“ oder „[an]fing […] zu toben, wie es die Welt noch nicht gesehen hatte“, offenbart das Bild zunächst eine erhobene Faust und schließlich einen „schreiend offenen Mund unter dem mächtigen Schnurrbart, die Augen scheinen Fausto aus dem Kopf zu treten, die Iris im selben Neonrosa koloriert wie die Hände und Teile des Donnerwetters aus Spiralen, Blitzen und Krikelkrakel, das über seinem Haupt tobt.“ (Küchemann 2021) Der vorwiegend beschreibende und sachliche Duktus bleibt auch nach Faustos Tod erhalten und verzichtet auf eine Bewertung oder explizite Moralisierung.

3.3.2 Fachdidaktische Anknüpfungspunkte

Da die text- und bildsprachlichen Mittel zur Inszenierung von Figuren und Handlung beitragen, scheint es sinnvoll, diesen Baustein in die Bausteine Figurenverstehen und/oder Handlungslogik zu integrieren. So lässt sich die in der zweiten Phase des Figurenverstehens vorgesehene Figurenkonstellation durch eine direkte Gegenüberstellung der jeweils ersten Sätze „Jack liebte das Meer.“ und „Einst lebte ein Mann, der glaubte, ihm gehöre alles.“ vorbereiten, in der die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachten Eigenschaften extrahiert werden (Sprachverstehen, Niveaustufe I). Dies lässt sich in einem Wortcluster fortsetzen, in dem die Kinder alle Formulierungen oder Bildelemente aufschreiben, die den ausgewählten Protagonisten innerhalb der Geschichte charakterisieren und diese Versprachlichung auch im Vergleich der Werke reflektieren (Sprachverstehen, Niveaustufe II). Im Übergang von der objektivierenden Erschließung können wiederum die ‚Schicksalssätze‘ „Jack wusste, dass das Schicksal des Meeres in seinen Händen lag.“ sowie „Denn das Schicksal des Fausto hatte für sie keine Bedeutung.“ und ihre jeweiligen Bebilderungen zur Diskussion gestellt werden, weil sich davon ausgehend die Erkenntnisse zu den Figurenkonstellation zuspitzen und gleichzeitig die Positionierungen zu den Figuren einleiten lassen (Sprachverstehen, Niveaustufe I&II).

Ähnlich kann in der zweiten Phase des Handlungsverstehens die eingeplante Mikroanalyse durch Fragen nach Perspektive, Farbgebung, Text-Bild-Verhältnis erweitert werden, sodass die Kinder in der Präsentation der Ergebnisse nicht nur für Variationen in der wiederkehrenden Handlungsstruktur, sondern auch in deren Versprachlichung in Text und Bild sensibilisiert werden (Sprachverstehen, Niveaustufe I & II). Dies lässt sich in der dritten Phase in der Ergänzung einer eigenen Episode produktiv verinnerlichen, indem die Kinder die sprachlichen Besonderheiten wie parallel aufgebaute Dialoge sowie unterschiedliche Perspektiven in den Bildern auch in ihren Entwürfen berücksichtigen (Sprachverstehen, Niveaustufe III3).

3.4 Baustein Symbolik/Metaphorik: das Meer als Indikator für Irreversibilität oder Bedeutungslosigkeit des Menschen

Das Verstehen von Symbolik und Metaphorik als einen eigenen Aspekt literarischen Lernens zu konzipieren und nicht unter das Verstehen sprachlicher Mittel zu subsumieren, begründet Spinner damit, dass Metaphern und Symbole nicht nur als Stilfiguren zu begreifen sind, sondern „in einem Text die Verbindung zwischen zwei semantischen Feldern oder Isotopien, die einen Text durchziehen, herstellen“ (Spinner 2015, 191). Die Herstellung solcher Bezüge beschreiben Boelmann und König für die Primarstufe als „große Herausforderung, da dieses Konzept keine Entsprechung in ihrer Alltagswelt findet“ (Boelmann & König 2021, 117) und sich damit grundlegend von Handlungs- und Figurenverstehen unterscheidet. Ähnlich wie das Verstehen sprachlicher Mittel scheint das Verstehen von Symbolen und Metaphern weniger einzelnen BNE-Teilkompetenzen als vielmehr der Gestaltungskompetenz insgesamt zuträglich, da „[b]edeutungs- und sinnkonstituierende Lern- und Interpretationsprozesse […] auf der Verwendung von Metaphern [basieren]. Sie sind nicht nur vorläufige und überholungsbedürftige übertragene Rede, sondern unhintergehbares Prinzip menschlichen Denkens und Sprechens“ (Combe & Gebhard 2007, 26). Dieses unhintergehbare Prinzip menschlichen Denkens und Sprechens schlägt sich in wirkungsmächtigen Bildern wie dem Fieber des Planeten oder dem Eisbären als Verkörperung des Klimawandels nieder. Die ausgewählten Bücher eignen sich insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Mehrfachcodierung des Meeres sowie aufgrund der Polyvalenz von Naturelementen, Lebewesen, Plastikbestandteilen und Farben, um symbolisches Verstehen zu initiieren.