Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

5. Resümee

Die Themenbereiche Anthropozän und Bildung für nachhaltige Entwicklung lassen sich anhand der Auseinandersetzung mit dem Heimatort im Unterricht der Primarstufe kindgerecht aufbereiten. Dabei steht die Beschäftigung mit dem Unmittelbaren, geprägt durch historisches Werden und zukünftiges Sein im Mittelpunkt, ohne dabei durch negative Berichterstattung den Kindern Ängste und Sorgen zu vermitteln. Der Ort Puchberg am Schneeberg diente in diesem Beitrag als Beispiel, wie diese Umsetzung gelingen kann. Durch die Covid-19-Krise im Schuljahr 2019/20 musste ein Teil dieses Projekts ins Distance Learning verlegt werden. Die Bearbeitung der Aufträge im ThingLink bildete dabei nur einen Teil des Projektes. Viele persönliche Gespräche in Videokonferenzen während der Schulschließungen und im Anschluss daran im Präsenzunterricht rundeten das Projektthema schließlich ab.


Abbildung 4: QR-Code zum ThingLink „Puchberg am Schneeberg“

Literatur

ThingLink „Puchberg am Schneeberg“: https://www.thinglink.com/scene/1298908375026761730

BR Wissen (28. August 2018). Anthropozän: Zeitalter des Menschen. (https://www.br.de/wissen/anthropozaen-erdzeitalter-mensch-geologie-100.html abgerufen am 21.2.2021)

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur (2012). Lehrplan der Volksschule. (https://www.bmbwf.gv.at/dam/jcr:b89e56f6-7e9d-466d-9747-fa739d2d15e8/lp_vs_gesamt_14055.pdf, abgerufen am 28.2.2021)

Bundesministerium für Bildung und Frauen (2014). Grundsatzerlass Umweltbildung für nachhaltige Entwicklung. Bundesministerium für Bildung und Frauen. Wien: Rundschreiben Nr. 20. (https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulrecht/rs/1997-2017/2014_20.html, abgerufen am 27.07.2021)

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (2017). Grundsatzerlass für Projektunterricht. Rundschreiben 44/2001. (https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulrecht/rs/1997-2017/2001_44.html, abgerufen am 20.2.2021)

Europäische Kommission (2018). ANHANG des Vorschlags für eine Empfehlung des Rates zu Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen. (https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:395443f6-fb6d-11e7-b8f5-01aa75ed71a1.0010.02/DOC_2&format=PDF abgerufen am 28.2.2021)

Henning, U. (2017). Interaktive Bilder mit ThingLink. (https://web2-unterricht.ch/2017/04/interaktive-bilder-mit-thinglink/abgerufen am 28.2.2021)

Künzli David, Ch., Bertschy, F., de Haan, G. & Plesse, M. (2008). Zukunft gestalten lernen durch Bildung für nachhaltige Entwicklung. Didaktischer Leitfaden zur Veränderung des Unterrichts in der Primarstufe. Berlin: Freie Universität Berlin, Programm Transfer-21. (http://www.transfer-21.de/daten/grundschule/Didaktik_Leifaden.pdf, abgerufen am 27.07.2021)

Möllers, N. (2014). Das Anthropozän: Wie ein neuer Blick auf Mensch und Natur das Museum verändert. In H. Düselder, A. Schmitt, & S. Westphal (Hrsg.), Umweltgeschichte. Forschung und Vermittlung in Universität, Museum und Schule (S. 217–229). Köln: Böhlau.

Mulley, U. & Zuliani, B. (2013). Ein Digitales Kompetenzmodell für die Volksschule. In P. Micheuz u.a. (Hrsg.), Digitale Schule Österreich. Eine analoge Standortbestimmung anlässlich der eEducation Sommertagung 2013 (S. 196–200) Wien: OCG.

National Competence Center eEducation Austria (2021). digi.komp4 – Das Kompetenzmodell (https://digikomp.at/index.php?id=542&L=0, abgerufen am 28.2.2021)

Stiftung Haus der kleinen Forscher (2018). Tür Auf! Mein Einstieg in Bildung für nachhaltige Entwicklung. Berlin: Stiftung Haus der kleinen Forscher.

Rauscher, E. (2020). Unswelt als Wirwelt. Anthropozän – Herausforderung für Schulleitungshandeln. In C. Sippl, E. Rauscher & M. Scheuch (Hrsg), Das Anthropozän lernen und lehren (S. 181–202). Innsbruck, Wien: Studienverlag.

Scheuch, M. & Sippl, C. (2019). Wasser lernen im Anthropozän. Fächerverbindender Unterricht in der Primarstufe. R&E-Source, S14 (https://journal.ph-noe.ac.at/index.php/resource/article/view/659, abgerufen am 20.2.2021)

Traub, S. (2012). Projektarbeit – ein Unterrichtskonzept selbstgesteuerten Lernens? Eine vergleichende empirische Studie. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. (https://www.pedocs.de/volltexte/2017/14078/pdf/Traub_2012_Projektarbeit.pdf, abgerufen von am 20.2.2021)

Wiesner, C., Schreiner, C. & Brandhofer, G. (2020). Die Transformation durch Digitalisierung im Anthropozän. Digitale Kompetenz als anthropozäne Kulturressource. In C. Sippl, E. Rauscher & M. Scheuch (Hrsg), Das Anthropozän lernen und lehren (S. 333–346). Innsbruck, Wien: Studien-verlag.

Abbildungen

Abbildung 1: Hintergrundbild ThingLink

Abbildung 2: Arbeitsauftrag Kurpark

Abbildung 3: Arbeitsauftrag Burg Losenheim

Abbildung 4: QR-Code zum ThingLink „Puchberg am Schneeberg“ Alle: Eigene Darstellung

Simone Breit
Das Bilderbuch als kulturelle Repräsentation von Nachhaltigkeit
Eine Analyse ausgewählter Werke zum Thema Lebensmittel für die Elementarstufe
1. Nachhaltigkeit und Bildung für Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit als „Umgang mit den Ressourcen sowie deren gerechte Verteilung“ (Grundmann 2017, 24) ist als gesellschaftliches Thema allgegenwärtig. Da eine nachhaltige Entwicklung eine Änderung von Denk- und Handlungsweisen erfordert, spielt Bildung für diesen Prozess eine entscheidende Rolle (UNESCO 2014). Lernende sollen die Möglichkeit erhalten, „sich das Wissen, die Fähigkeiten, Werte und Einstellungen anzueignen, die erforderlich sind, zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen“ (UNESCO 2014, 34).

Im pädagogischen Kontext hat man mit dem Konzept Bildung für nachhaltige Entwicklung auf diese Zielsetzungen reagiert. Bildung für nachhaltige Entwicklung „befähigt Lernende, informierte Entscheidungen zu treffen und verantwortungsbewusst zum Schutz der Umwelt, für eine bestandsfähige Wirtschaft und einer gerechten Gesellschaft für aktuelle und zukünftige Generationen zu handeln und dabei die kulturelle Vielfalt zu respektieren. Es geht um einen lebenslangen Lernprozess, der wesentlicher Bestandteil einer hochwertigen Bildung ist. […] Ihr Ziel/Zweck ist eine Transformation der Gesellschaft.“ (UNESCO 2014, 12). Dieser Definition entsprechend versteht sich eine derartige Bildung als ganzheitlich, sie berücksichtigt die Lernumgebung, die methodisch-didaktische Gestaltung sowie Lerninhalte und -ergebnisse gleichermaßen und will transformativ wirken.

In der Bildungsagenda 2030 wurde die Zielsetzung formuliert, dass bis 2030 „alle Lernenden die für nachhaltige Entwicklung notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, u.a. durch Bildung für nachhaltige Entwicklung, für nachhaltige Lebensweise, für Menschenrechte, für Gleichberechtigung der Geschlechter, durch Förderung einer Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit, durch Global Citizenship Education und Wertschätzung kultureller Vielfalt und durch den Beitrag der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung“ (Deutsche UNESCO-Kommission 2017, 19).

Niebert (2016, 4) plädiert dafür, die Konzepte Nachhaltigkeit und Nachhaltige Entwicklung voneinander zu unterscheiden, wobei nachhaltige Entwicklung als Konzept zur Verbesserung der Lebensqualität im Einklang mit den Belastungsgrenzen des Erdsystems für jene Länder beschrieben wird, in denen Grundbedürfnisse wie ausreichend Nahrung, sauberes Wasser, Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung nicht oder unzureichend erfüllt sind. Nachhaltigkeit als Begriff und Konzept verwendet er in Bezug auf solche Länder, in denen für den Großteil der Bevölkerung die Grundbedürfnisse erfüllt sind und für welche die Etablierung eines Wirtschaftens und Lebens im Einklang mit den planetarischen Belastungsgrenzen das Ziel ist. In weiterer Konsequenz spricht Niebert im Kontext von OECDStaaten von Bildung für Nachhaltigkeit.

Bereits in der frühen Kindheit kann Bildung für Nachhaltigkeit einen besonderen Beitrag zu einer „Kultur der Nachhaltigkeit“ (Forum Frühkindliche Bildung 2020, 5) leisten, die auf einer Sorge für die menschliche und nicht-menschliche Mitwelt fußt. Von entscheidender Bedeutung ist es, Kindern „altersangemessen und lebensweltbezogen Themen und Herausforderungen der Nachhaltigkeit nahe zu bringen. Es soll ihnen möglich sein, selbst Lösungen zu finden und Veränderungen mitzugestalten. Dabei sollten die Selbsttätigkeit des Kindes sowie berührende Erlebnisse und Erfahrungen im Vordergrund stehen, die für Fragen einer nachhaltigen Entwicklung sensibilisieren und denen die Kinder im Sinne eines ko-konstruktivistischen Lernverständnisses zunehmend Bedeutung beimessen. Dabei lernen Kinder einen achtsamen Umgang mit Ressourcen und erleben gleichzeitig Freiräume zum Ausprobieren“ (Forum Frühkindliche Bildung 2020, 5). Die Voraussetzungen dafür sind in der frühen Kindheit gegeben, da Fähigkeiten wie Empathie, moralisches Handeln und pro-soziales Verhalten bereits in den ersten Lebensjahren grundgelegt werden.

 

Elementare Bildungseinrichtungen fungieren als Lernorte mit Vorbildfunktion und bieten „Lernanlässe für zukunftsorientiertes Denken und Handeln“ (Forum Frühkindliche Bildung 2020, 14). Dieser Funktion wird der Kindergarten beispielsweise gerecht, wenn Aufgabensegmente wie Kochen und Verpflegung auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind. Darüber hinaus werden Bildungsangebote so gestaltet, dass sie den Anforderungen der Bildung für Nachhaltigkeit entsprechen. Folgende Leitfragen aus dem Referenzrahmen (Forum Frühkindliche Bildung 2020) können der Qualitätseinschätzung dienen:

• Inwieweit werden in Bildungsangeboten gesellschaftliche Themen erörtert, die einen Bezug zur Nachhaltigkeit haben?

• Wodurch erhalten Kinder Gelegenheit, sich ganzheitlich und eigeninitiativ mit Themen der ökologischen und sozialen Mitwelt auseinanderzusetzen?

• Wie unterstützen und begleiten Pädagog*innen Kinder, die Interesse an Themen der Nachhaltigkeit zeigen?

• Welche Möglichkeiten haben Kinder, um sich Grundlagen für nachhaltiges Denken und Handeln durch entdeckend-forschendes Lernen und durch das selbsttätige Ausprobieren und Anwenden anzueignen?

• Inwieweit erfahren Kinder im pädagogischen Alltag und in Projekten, dass ihr Handeln Konsequenzen hat, dass sie Sachverhalte alleine oder in Gemeinschaft beeinflussen und auf diese Weise selbstwirksam sein können?

Bildung für Nachhaltigkeit unterstützt also Kinder bereits auf der Elementarstufe darin, „Probleme nicht-nachhaltiger Entwicklung im nahen Umfeld aber auch entfernten Weltregionen [sic!] zu reflektieren, Wertvorstellungen vor dem Hintergrund von Gerechtigkeitsprinzipien zu hinterfragen sowie Visionen alternativer Zukünfte zu entwickeln“ (Forum Frühkindliche Bildung 2020, 5).

2. Das Bilderbuch als kulturelle Repräsentation

Da jede Art der Thematisierung von Nachhaltigkeit immer kulturell vermittelt wird (Rippl, 2019), greift dieser Beitrag das Medium Bilderbuch als kulturelles Gut auf.

Das Bilderbuch gilt als eine spezielle Gattung der Kinder- und Jugendliteratur (Abraham & Knopf, 2019), die sich durch die Verzahnung und Durchdringung der beiden Ebenen Text und Bild auszeichnet, wobei sich textliche und bildliche Formen des Erzählens auf komplexe Weise zu einer Gesamtaussage zusammenfügen (Thiele 2011).

Wenngleich das Bilderbuch nicht mehr ausschließlich Kinder adressiert, so nimmt es in der frühen Kindheit dennoch einen zentralen Stellenwert in der Welterschließung ein. Bilderbücher ermöglichen nach Thiele (2011) in fiktionaler Form Fragen, Themen und Probleme der kindlichen Lebenswelt aufzugreifen (erzählendes Bilderbuch) bzw. mit Bild und Text Themen aus Natur, Technik und Umwelt zu veranschaulichen (Sachbilderbuch).

Das literarische Bilderbuch stellt ein „semiotisch sehr komplexes Erzählmedium“ (Staiger 2019, 14) dar, da Bilder und Schrifttext auf verschiedene Weisen kommunizieren. Die Gesamtheit erschließt sich aus dem Zusammenspiel von bildlichen und verbalen Codes und die Lektüre erfolgt in einem stetigen Pendeln zwischen Bild- und Schrifttext. Beim Lesen und Hören soll das Kind innere Bilder erzeugen und zu einer logischen Folge verknüpfen (Schönauer-Schneider 2012, 241). Ab etwa vier Jahren können zunehmend Bilderbücher mit komplexerem Inhalt dialogisch gelesen, betrachtet und besprochen werden. Charakterisierend für das jeweilige Buch sind Handlung, Figuren, Themen und Motive, der Raum, die Zeit ebenso wie Schrifttext und sprachliche Gestaltung, Bildtext in Form von Stil, Farbe und Komposition sowie auch die Typografie und das Verhältnis von Bild- und Schrifttext.

Während das erzählende Bilderbuch in fiktionaler Form Fragen, Themen und Probleme der kindlichen Lebenswelt aufgreift, veranschaulicht das Sachbilderbuch Themen aus Natur, Technik und Umwelt (Thiele 2011), indem es sich mit „Gegenständen der empirisch erfahrbaren Welt“ befasst (Steitz-Kallenbach 2004, 115). „Sachbücher vermitteln Kindern Wissen über die Welt und das Handeln in der Welt“ (Steitz-Kallenbach 2004, 117), wobei der begründeten Auswahl von Inhalten in Anbetracht der Informationsvielfalt besonderes Augenmerk zukommt. Außerdem nimmt die didaktische Reduktion eines komplexen Inhalts hohe Bedeutung ein, da die Inhalte zugleich wissenschaftlich korrekt dargestellt werden müssen. Meist werden für die Wissensvermittlung szenische Darstellungen gewählt, um „auch auf angenehme Weise [zu] unterhalten (Hollstein & Sonnenmoser 2017, 79). Motivierende Elemente und Stimulanzien wie Klappen, Folien und dergleichen dienen als anregende Zusätze (Hollstein & Sonnenmoser 2017, 83–90).

Bilderbücher erfüllen daher sowohl die Funktion des Erzählens wie auch des Zeigens, wobei die dialogische Betrachtung sowie die Anschlusskommunikation zwischen Kind und Erwachsenen im Mittelpunkt stehen. Dies veranschaulicht unter anderem Halbey in seinem Kommunikationsmodell zur Bilderbuchbetrachtung (zit. nach Schönauer-Schneider 2012, 244), das die Wechselwirkung zwischen dem Medium Bilderbuch, dem*der Empfänger*in und dem*der Vermittler*in zum Ausdruck bringt, wobei Autor*in bzw. Illustrator*in als Gestalter*innen des Mediums in Form der*des Senderin*Senders Auslöser*in jeglicher Kommunikationsprozesse sind.

Grundsätzlich haben Bilderbücher eine vielfältige Funktion in der frühen Kindheit, die den Erwerb eines breiten Spektrums von Kompetenzen unterstützen (Schönauer-Schneider 2012, 243):

• Sprachliche Kompetenzen, insbesondere im lexikalisch-semantischen wie syntaktischen Bereich

• Kommunikative Kompetenzen wie Dialogführung oder Gesprächsusancen

• Kognitive Kompetenzen, z.B. Aneignen von Sachwissen und -kenntnissen, Herstellen von Zusammenhängen, Verstehen von Prozessabläufen, Bilden mentaler Repräsentationen, Verknüpfen des medial Vermittelten mit der eigenen Lebenswelt

• Motivational-emotionale Kompetenzen wie Sprechfreude, Neugierde, Interesse, Empathie

• Ästhetisch-literarische Kompetenzen: Förderung der Fantasie und Kreativität

• Entwicklungsangemessene Arbeitshaltungen durch Förderung von Konzentration und Ausdauer.

Sippl (2020b) hat sich bereits aus einer literaturdidaktischen Perspektive mit der Frage befasst, wie das Bilderbuch in der Primarstufe als Lernmedium im Kontext der komplexen Mensch-Natur-Beziehung eingesetzt werden kann.

3. Ausgewählte Bilderbücher zum Thema Lebensmittel

In diesem Abschnitt werden ausgewählte Bilderbücher zum Thema Lebensmittel (stellvertretend für eine Vielzahl von Themen rund um Nachhaltigkeit wie Mobilität, Müllvermeidung, -trennung und -wiederverwertung, Schutz und Erhalt von Lebensräumen oder Konsumverhalten und seine Konsequenzen1) beschrieben und mit Blick auf die frühe Kindheit mithilfe interdisziplinärer Modelle (Hollstein & Sonnenmoser 2017; Kurwinkel 2017; Staiger 2019) analysiert. Dabei wird neben einer sprach- und literaturdidaktischen vor allem eine entwicklungspädagogische Perspektive eingenommen, um die alters- und entwicklungsangemessene Darstellung des Themas sowie die pädagogische Qualität des Mediums zu beurteilen. Auf der Elementarstufe sind insbesondere die Rezeptionsfähigkeiten und -bedürfnisse der Kinder zu berücksichtigen.

3.1 Woher kommt unser Essen und wie weit ist es gereist?

Die Herkunft unseres Essens wird im erzählenden Bilderbuch Können Fischstäbchen schwimmen? von Sabine Rahn und Günther Jakobs, das 2020 im Gabriel Verlag erschienen ist, sowie im Sachbilderbuch Das weiß ich schon über unser Essen von Hanna Schmitz mit Illustrationen von Bille Weidenbach, das 2020 bei Loewe verlegt wurde, thematisiert.

Die Hauptcharaktere im erzählenden Bilderbuch sind Mathis und Lola, zwei Kindergartenkinder, sowie deren Eltern (vgl. Abb. 1 und 2). Inhaltlich geht es darum, dass im Kindergarten ein Erntedankfest geplant wird, zu dem die Kinder etwas mitbringen sollen. Dieses Ereignis bietet der Familie Anlass, um die Herkunft von Lebensmitteln bzw. die Lebensmittelproduktion zu thematisieren und Verarbeitungsabläufe beim Kochen oder Backen zu erläutern. Die Orte des Geschehens sind dabei das Zuhause der Kinder, wo sie gemeinsam


Abbildungen 1 und 2: Können Fischstäbchen schwimmen? von Sabine Rahn und Günter Jakobs (Gabriel Verlag 2020): Cover und Seiten 4–5

Nudeln herstellen und kochen, ein Bauernhof, zu dem die Familie fährt und wo sie mehr über Landwirtschaft, Obstanbau und -verarbeitung, Herstellung von Milchprodukten und Imkerei erfahren, sowie der Kindergarten, in welchem am Ende das Erntedankfest gefeiert wird.

Die Illustrationen sind im realistischen Stil dargestellt, zeigen Figuren, Objekte und Räume proportional zueinander und enthalten auch Details wie Emotionen im Gesichtsausdruck. Der Bildtext erstreckt sich jeweils über beide Seiten einer Doppelseite und es dominieren warme Farbtöne in Grün, Gelb und Rot. An manchen Stellen verdeutlichen Pfeile in den Illustrationen Abläufe (vgl. Abb. 2). Der Text erfüllt zwei Funktionen: Zum einen führt er parallel zu den Bildern die Erzählung aus, wobei viele direkte Reden zum Einsatz kommen. Pro Doppelseite umfasst der Text, der im Präsens verfasst ist, zwischen 4 und 25 Zeilen. Zum anderen enthält das Bilderbuch kurze Erklärtexte in kleiner Schriftart, wobei Abläufe der Lebensmittelproduktion und -verarbeitung in kurzen Sätzen – häufig in Passivkonstruktion – beschrieben werden.

Das Bilderbuch hat einen Gesamtumfang von 24 Seiten und richtet sich an Kinder ab vier Jahren. Der Bezug zur Lebenswelt ist durch die sozialen Räume Kindergarten und Familie gegeben und die Illustrationen regen zum Gespräch an, z.B. durch den als Frage formulierten Titel sowie die Darstellung von Fischstäbchen mit Flossen und Augen auf dem Titelumschlag (siehe Abb. 1), aber auch durch den Vorsatz, der Lebensmittel (Obst- und Gemüsesorten, Brot, Milchprodukte) zeigt. Das Werk ist in die Kategorie der realistischen Bilderbücher einzuordnen. Es knüpft an Themen aus der Lebenswelt von Kindern in der Elementarstufe an und bietet durch die beiden Protagonist*innen im Kindergartenalter Identifikationsmöglichkeiten.


Abbildungen 3 und 4: Das weiß ich schon über unser Essen von Hanna Schmitz und Bille Weidenbach (Loewe Verlag 2020): Cover und Seiten 3–4

Das Sachbilderbuch Das weiß ich schon über unser Essen stellt einen Buben und ein Mädchen mit deren Eltern als wiederkehrende Akteure dar (vgl. Abb. 3 und 4). Die Lebenswelt der Kinder wird über Situationen aus dem kindlichen Tagesablauf dargestellt und im Kontext des Themas Lebensmittel aufgegriffen: Frühstück zu Hause, Situationen aus dem Kindergartenalltag, Mittagessen mit der Familie, Obst- und Gemüse-Ernte im Garten, Einkauf am Wochenmarkt sowie im Supermarkt. Das Buch verfügt über einen sehr hohen Bildanteil, da sich ein Bild immer über eine Doppelseite erstreckt und im unteren Bereich zwischen sieben und zehn Objekte bzw. Objektgruppen separat präsentiert werden. Während zum Hauptbild ausschließlich links oben eine Frage gestellt wird, werden die Details im unteren Bereich mit einem oder mehreren kurzen Sätzen beschrieben. Dabei werden unterschiedliche Themen aufgegriffen: gesunde Ernährung, Geschmack, Saisonalität von Obst und Gemüse, Herkunft und Verarbeitung von Lebensmitteln. Die Texte beschreiben, wo und wie Obst bzw. Gemüse wächst und wie es geerntet wird, woher Fleisch und Tierprodukte kommen, wie Nudeln oder Brot gemacht werden, wie Ketchup, Öl oder Dosennahrung hergestellt werden. Diese Informationen werden in kurzen Sätzen beschrieben und vereinfacht erklärt, sodass sie auch Kleinkinder verstehen können.

 

Die Illustrationen sind hinsichtlich Gestalt und Farbgebung realistisch und zeigen die Lebensmittel detailliert (z.B. Tomatenstrauch mit Blättern, Blüten und reifen Früchten). Gleichzeitig unterhalten die szenischen Darstellungen auch durch liebevolle und witzige Zusätze (z.B. Tiere, die ihre Zunge rausstrecken; Hunde, die eine Karotte stibitzen oder einem Schmetterling nachjagen). Das große Bild fungiert als eine Art Wimmelbild, das zum Betrachten und Verbalisieren einlädt. Der Text ist dem Bild untergeordnet, wobei das gedruckte Wort neben dem Gesprochenen Impulse bietet.

Das Sachbilderbuch eignet sich aufgrund seiner Gestaltung als Pappbilderbuch bereits für den Einsatz mit Kindern ab zwei Jahren. Neben Sachwissen wird insbesondere auch der Wortschatz der Kinder zum Themenfeld Lebensmittel gefördert: „Die Milch wird erhitzt, um Keime abzutöten“ (Schmitz & Weidenbach 2020, 15). Der Bezug zu regionalen und saisonalen Produkten sowie nachhaltigem Konsumverhalten wird u.a. bereits mit dem Umschlag hergestellt, auf dem ein Wochenmarkt abgebildet ist. Interesse an Schrift und Schreibkultur wird durch Beschriftungen, Etiketten und Schautafeln unterstützt.