Kultur- und Literaturwissenschaften

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Z serii: Kompendium DaF/DaZ #7
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2.1.3 Konvergenz und Divergenz im Kulturkontakt

Kulturkontakt steht bekanntlich im Spannungsfeld von Ablehnung und Skepsis auf der einen Seite und Glorifizierung und Romantisierung auf der anderen. Auf der skeptischen Seite des Feldes ergibt sich gelegentlich der Verdacht, Kulturkontakt könne Interferenzen in den beteiligten sprachlichen und kulturellen Systemen erzeugen, die sich in unterschiedlichen hybriden Erscheinungen ausdrücken. Das Verdachtsspektrum reicht von der Angst vor Konturenverlust aller oder eines der beteiligten Systeme (doppelte Halbsprachigkeit beziehungsweise doppelte Halbkulturalität) über die Angst vor Identitätsverlust der beteiligten Personen und die Angst vor Beliebigkeit und Auflösung von Kulturen bis hin zu der Angst vor pathologischen Erscheinungen und geistigen Verwirrungen, wie sie in segregierenden und totalitären Systemen propagiert werden (Rassenwahn, Apartheit, ethnic cleansing).

Auf der anderen Seite des Spannungsfeldes stehen dagegen Multikulturalismus- und Toleranzkonzepte, die sich als gesellschaftliches Ideal einer One World-Philosophie verstehen. Diese Konzepte basieren auf einem idealisierten Verständnis von der Machbarkeit eines multikulturellen Nebeneinanders, das sich unter anderem in der Zielsetzung Globalisierung und den daraus resultierenden bildungspolitischen (Lehr-)Zielsetzungen ausdrückt (world citizens, global village). Dieses idealisierte Verständnis funktioniert leicht auf folkloristisch-kulinarischer Ebene, scheitert aber in der übrigen Lebenspraxis meist am mangelnden Diskurs über den Austausch der Kulturen. Die Folge sind kulturelle Spannungen – unter und auf der Oberfläche – sowie gesellschaftspolitische Fehleinschätzungen der Abwehrreaktionen. Es stellt sich also die Frage, inwieweit sich die kulturellen Differenzen durch Maßnahmen der interkulturellen Vermittlung überwinden oder vereinbaren lassen, beziehungsweise inwieweit Differenzen bestätigt, gepflegt oder betont werden müssen, damit Gesellschaften funktionieren. Zwei Paradigmen bieten sich dafür an: einerseits Konvergenz der Kulturen herzustellen (KonvergenzhypotheseKonvergenzhypothese), andererseits Divergenz zwischen ihnen bestehen zu lassen (DivergenzhypotheseDivergenzhypothese). In der gesellschaftspolitischen Praxis markieren diese beiden Paradigmen jedoch nur scheinbar gegenläufige Strömungen: Konvergente Kommunikations- und Handlungssysteme sind eine elementare Grundlage für die Umsetzung wirtschaftlicher und politischer Interessen, erfordern aber gleichzeitig – zur Wahrung des sozialen Friedens – Freiräume für die Toleranz des Fremden. Damit wird die Divergenzbetonung über den Toleranzbegriff zu einem konstitutiven Teil von Konvergenzverfahren. In dieser Funktion läuft sie aber Gefahr, multikulturelles Beiwerk mit Wohlfühlcharakter zu bleiben (heritage cultures, heritage languages, multiethnic workforce, diversity, Folklore). Das dominant folkloristische Verständnis interkultureller Begegnungen in Veranstaltungen von öffentlichen Institutionen und Kulturverbänden, bei Preisverleihungen und in der Werbung (vor allem die Darstellung kultureller Vielfalt durch Metaphern der Farbigkeit in Essen, Tanz, Aussehen und Kleidung) belegt diese Gefahr genauso wie der oberflächliche Eingang, den interkulturelle Lehrziele im Geist der Globalisierung und Integration in Lehrpläne und die Sprachenpolitik vieler industrialisierter Länder gefunden haben. Mit der Globalisierung wird das Lehrziel und Toleranzkriterium interkulturelle Kompetenz daher auch zu einem nach innen gerichteten Mittel der Integration in eine Gesellschaft, die sich interethnische Spannungen weder ökonomisch noch aus Gründen internationaler Öffentlichkeit leisten kann (diversity management).

Die zuvor beschriebene Spannungslage lässt sich mit den dargestellten Konvergenz- und Divergenzverfahren – wie gezeigt – temporär verdrängen, aber nicht nachhaltig bewältigen. Solange die „Therapie“ der Spannungen aber nicht die Wurzeln einschließt, wird sie kaum über symptomorientierte Erfolge hinausreichen. Taylor (1992) fordert aus diesem Grund einen entideologisierten, offenen und direkten Umgang mit fremden Kulturen, der die Realitäten der begrenzten Erkenntnisfähigkeiten akzeptiert – und konstruktiv nutzt.

We only need a sense of our own limited part in the whole human story to accept the presumption. It is only arrogance, or some analogous moral failing, that can deprive us of this. But what the presumption requires of us is not peremptory and inauthentic judgments of equal value, but a willingness to be open to comparative cultural study of the kind that must displace our horizons in the resulting fusions. What it requires above all is an admission that we are very far away from that ultimate horizon from which the relative worth of different cultures might be evident. This would mean breaking with an illusion that still holds many ‘multiculturalists’ – as well as their most bitter opponents – in its grip. (Taylor 1992: 73; für die deutsche Übersetzung siehe Taylor 1997)

Die Abkehr von illusorischen Konvergenz- und Divergenzmaßnahmen ergibt sich für Taylor aus der Komplexität der erforderlichen Normenveränderungen, die aus der Aufgabe der Vereinbarung nicht mehr kontrollierbarer Uneindeutigkeiten, Brüche und Grenzüberschreitungen resultieren, die die Multikulturalität moderner Gesellschaften und die Globalisierung charakterisieren. Für die Transformation der Normen verweisen sie im Sinne interkulturell-hermeneutischer Ansätze auf die Erkenntnispotenziale der Horizonterweiterung und auf das organische Wachstum des Horizontes im Laufe der Erkenntnisgewinnung. Dass eine direkte Auseinandersetzung mit kultureller Diversität notwendig ist, stellt eine allgemeine Entwicklung zu einem kritischen Multi- und Interkulturalismusdiskurs dar, angefangen bei der postmodernen Aufhebung und Auflösung kommunikativer Idealisierungen (vergleiche Deleuze 2000; Foucault 1976; Derrida 1972) bis hin zu den durch Lyotard (1979) ausgelösten Reflexionen gesellschaftlicher Pluralisierungen in der Soziologie und den vielfältigen Parallelen im amerikanischen postkolonialen Multikulturalismusdiskurs.

We learn to move in a broader horizon, within which what we have formerly taken for granted as the background to valuation can be situated as one possibility alongside the different background of the formerly unfamiliar culture. The ‘fusion of horizons’ operates through our developing new vocabularies of comparison, by means of which we can articulate these contrasts. So that if and when we ultimately find substantive support for our initial presumption, it is on the basis of an understanding of what constitutes worth that we couldn’t possibly have had at the beginning. We have reached the judgement partly through transforming our standards. (Taylor 1992: 67; für die deutsche Übersetzung siehe Taylor 1997)

Die durch Pluralismus ermöglichte Horizontverschmelzung, die Sie bereits in der Lerneinheit 1.3 in diesem Band kennengelernt haben, besteht demnach nicht in der Assimilation im Sinne einer Überschreibung, Verwässerung oder Eliminierung verschiedener Horizonte, sondern in der hermeneutischen Produktivität ihrer – allerdings aufzulösenden – Distanz. Im Prozess der Horizontverschmelzung bilden sich gebrochene oder zumindest modifizierte, wechselnde Positionen des Eigenen und des Fremden, also auch modifizierte Positionen der Wahrnehmung des Eigenen durch das Fremde und des durch das Eigene wahrgenommenen Fremden, die gesellschaftlichen Normen, individuellen Dispositionen und der Interaktion aus beiden geschuldet sind. Auf Grundlage welcher kognitiven Mechanismen und Prozesse diese Produktivität erreichbar ist, ist damit jedoch noch nicht geklärt. Institutionelle Dokumente erläutern bisher wenig, wie das verarbeitende Individuum diese verschiedenen Positionen nebeneinander organisieren kann und soll. Das aber ist die eigentliche und schwierige Aufgabe im Kulturkontakt.

2.1.4 TranskulturalitätTranskulturalität und kulturelle FigurationFiguration

Mit dem Konzept TranskulturalitätTranskulturalität soll der Prozesscharakter der Begegnung von Kulturen von der Binarität und Statik multi- und interkultureller Konzepte abgelöst werden. Offenheit, Flexibilität und Dynamik sind die entscheidenden Merkmale des begonnenen Paradigmenwechsels.

Das viel zitierte Transkulturkonzept von Welsch (2005), das diesen Paradigmenwechsel markieren soll, ist in neuerer Zeit selbst stärker in die Kritik geraten, weil sich hinter den Begriffen der transkulturellen Identitätsbildung und der transkulturellen Identitätsmuster der Begriff der Kultur als Einzelkultur verberge (Merz-Benz 2007: 200f).

Den konzeptuellen Widerspruch, TranskulturalitätTranskulturalität als Zustand abzubilden (etwa in „transkulturelle Gesellschaft“) und nicht als kontinuierlichen Prozess zu verstehen, kann das etablierte Transkulturkonzept in der Tat nicht auflösen. Ein erreichter transkultureller Zustand kann konsequenterweise nur ein kurzzeitiges Ergebnis sein, das zum Ausgangspunkt für weitere Prozesse der transkulturellen Entwicklung werden muss, wenn es nicht im Sinne von Merz-Benz (2007) zu einer Einzelkultur erstarren soll. Die darin implizierte Statik des Kulturbegriffs vermeidet der von Ortiz (1995 [1947]) eingeführte Begriff Transkulturation, indem er den Prozesscharakter der Kulturentwicklung und -konstruktion betont. Transkulturation wird damit als Konstruktion und Aushandlung individueller Bedeutungen von Kulturen verstanden. Mit Onuki und Pekar können Kulturen somit als Figurationen und Defigurationen von sich prozessual konstituierenden (figurierenden) Einheiten verstanden werden, die sich zugleich in einer ständigen Veränderungsbewegung befinden. Veränderbarkeit und Dynamik sprengen die Grenzen gängiger, auch transkultureller Kulturkonzepte (Onuki & Pekar 2006a).

 

Und weil sich zum anderen, in Hinsicht auf unsere eigene kulturelle ‚Verortung‘ (oder auch ‚Ortlosigkeit‘), jede spezifische Kultur selbst als eine ‚Figuration‘ begreifen lässt, d.h. als eine prozessual sich konstituierende Einheit, die sich jedoch in einer ständigen Veränderungsbewegung befindet. Die Rede von ‚Figuration‘ (kultureller Figuration) soll darauf aufmerksam machen, daß sich jede Kultur in einem permanenten und unaufhebbaren Spannungsfeld von De- und Refiguration befindet. Dieser besondere zeitlich-dynamische Aspekt unterscheidet im übrigen ‚Figuration‘ am klarsten von Begriffen wie Struktur, Gestalt, Form etc. (Onuki & Pekar 2006a: 9)

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass ein radikal konstruktivistisches Modell der Subjektkonstitution, wie es gerne zur Begründung eines autonomen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Handelns herangezogen wird, im Konflikt mit dem ebenfalls angestrebten gesellschaftlichen Ziel Transkulturalität steht, weil das Selbst in diesem Modell als abgeschlossenes, auf sich selbst bezogenes (selbstreferenzielles) Subjekt verstanden werden müsste. Bei dieser Subjektorientierung könnte Verstehen nur durch Rekurrenz auf das Eigene erklärt werden. Es entstünde eine pluralistisch-relationale Einstellung, die nur eine reduzierte Auseinandersetzung mit der Außenwelt ermöglichen würde und damit der Transkulturation abträglich wäre.

Kultur ist kein autopoietisches System, das in ausschließlicher Selbstbezüglichkeit die eigenen Elemente selbst produziert und in diesem Prozessieren die konstitutive System / Umweltgrenze affirmiert und perpetuiert, sondern ein prozessuales Produkt der Interaktion von Systemen, deren Grenzen freilich erst in diesem Austauschvorgang gezogen und beständig revidiert werden. (Lösch 2005: 33)

Die Austauschvorgänge der Transkulturation erfordern ein dynamisches Subjekt, das sich (im Sinne des sozial-interaktionistischen Konstruktivismus) im Wechselspiel mit der Umwelt weiterentwickelt.

Kultur ist demzufolge als die denotative Bedeutungsebene von sozialer und sprachlicher Interaktion zu definieren. Sozialisations-, Akkulturations-, und Integrationsprozesse sowie letztlich auch Individuationsprozesse im Sinne soziokultureller Selbstwahrnehmung beruhen auf der Viabilisierung konnotativer Bedeutungen in gesellschaftlichen Kontexten. (Wendt 2002: 42)

Die Bereitstellung denotativen Wissens alleine, zum Beispiel durch die Kontrastierung von Bekanntem und Neuem kann diesen Austausch nicht ersetzen, weil sie den Selbstbezug nicht durchbricht. Wie aber kann das Wechselspiel mit dem Neuen beziehungsweise Fremden in der Umwelt aussehen, wenn die Präsentation denotativen Wissens nicht genügt?

2.1.5 Die Normalität des Fremden in der skeptischen Hermeneutik

Schon sehr früh und nachdrücklich wehrt sich Hunfeld gegen alle Versuche, Fremdheit zu verharmlosen, zu verwaschen oder auflösbar zu machen und plädiert dagegen für ein Konzept der Affirmation und des Erhalts (Normalität) des Fremden. Bewusst distanziert sich dieser Ansatz von jeder „optimistischen Verstehenslehre“ (Hunfeld 2004: 487), die davon ausgeht, dass man den Fremden verstehen könne, wenn man nur sorgfältig seine Sprache und Kultur lernte.

Diese einfache Grunderkenntnis der Hermeneutik widerspricht der gängigen Euphorie, die der Sprache zutraut, sie könne zwischen allen alles vermitteln (Hunfeld 1998: 85).

Diese Normalität des Fremden erfordere eine neue Haltung, die den fremden Anderen in seiner Eigenheit wahrnehme und anerkenne, zugleich aber eine respektvolle Nähe und Distanz ermögliche und so die Bedingungen für einen interkulturellen Dialog schaffe, der von gleichwertigen Partnern und Partnerinnen geführt werde. „Solange das Fremde noch auffällig ist, wird es nicht als Normalität wahrgenommen“ (Hunfeld 2004: 488). Die Schwierigkeiten des Fremd-Verstehens führt Hunfeld unter anderem auf folgende traditionelle und weiter in die Gegenwart wirkende Tendenzen zurück:

 die Inbesitznahme des Fremden aus der eigenen Interessensperspektive;

 die Neigung, Fremdes in die je eigenen Verstehensbegriffe überzuführen;

 die Fiktion, das Fremde vom Eigenen her abzubilden;

 die Befangenheit im a priori als richtig verstandenen Urteil über den Anderen;

 die Eingeschränktheit in der eigenen Wahrnehmung;

 die Unfähigkeit, das Andere als Anderes gelten zu lassen;

 das autoritäre Sprechen mit dem Fremden, das zu seiner Verstummung führt. (vergleiche Hunfeld 2004: 45)

„Wenn das Fremde in der gewährten Nähe das Verschiedene bleiben kann“, werde der Tendenz vorgebeugt, es „vollständig in das eigene Verständnis zu bekommen“ (Hunfeld 1998: 60). Damit komme es auch nicht zu der oft befürchteten Auflösung der Perspektiven in transkulturellen Prozessen.

Hunfelds darauf aufbauendes Konzept der skeptischen Hermeneutik betont die nicht auflösbare Begrenztheit des Verstehens. Verstehen erfordere demnach eine mühsame Verstehensübung, die diese Begrenztheit beachte, denn das Nichtverstehen sei konstitutiver Bestandteil jeder Anstrengung des Verstehens (siehe Hunfeld 2004: 45).

Kapumba Akendas Entwurf des Modells eines ethischen Universalismusethischer Universalismus (2004), der wie Hunfelds skeptische Hermeneutikskeptische Hermeneutik von einer praktischen, Verstehensgrenzen überschreitenden Anerkennung von Pluralität, Ungleichheit und Dissens ausgeht, hebt hervor, dass diese Anerkennung keinen Verzicht auf das Verstehen als Ziel, sondern einen Verzicht auf das Verstehen als Bedingung interkulturellen Handelns darstelle.

Sie kommt ohne eine theoretische und argumentative Homogenisierung aus und erzeugt dadurch eine Gleichheit der Bedingungen für ungleich verstandenes und kulturbezogenes Handeln (Kapumba Akenda 2004: 284).

Der Normalfall des Nichtverstehens besteht nach Kogge (2002) folglich darin, dass zwischen dem Aufkommen eines Zweifels bis zu seiner Beseitigung konstruktive Verstehensprozesse ausgelöst werden. Der skeptischen Hermeneutik geht es in diesem Sinne nicht um die Auflösung oder Verwässerung unterschiedlicher Positionen oder eine vordergründige Kompromissbereitschaft (Toleranz), sondern gerade um die Wahrung des Rechts auf, und die Betonung der Notwendigkeit von Differenz und Dissens. Folgerichtig entwickelt die skeptische Hermeneutik aus der Affirmation von Differenz und Dissonanz auch für den Unterricht die Forderung, Fremdheit als Lernimpuls aktiv nutzen zu sollen, anstatt sie auflösen zu wollen. Ein anderes Verständnis von Verstehen führe nicht wirklich zu einer Anerkennung der Andersartigkeit. Will man diesen Ansatz im Fremdsprachenunterricht produktiv umsetzen, genügt es folglich nicht mehr, in der Landeskunde fixierte Normen vorzugeben, nachzustellen oder zu deuten.

2.1.6 Zusammenfassung

 Anhand verschiedener Bereiche der Jugendsprache konnte gezeigt werden, wie soziale Identität in der Kommunikation konstituiert wird und dass die sprachlich konstituierten Gruppenzugehörigkeiten zudem der sozialen Sanktionierung bedürfen.

 Die unterschiedlichen Rollen, zwischen denen Menschen in der Kommunikation hin- und herwechseln, lassen sich durch unterschiedliche Zugehörigkeiten zu größeren und kleineren Kollektiven erklären.

 Allerdings lässt sich durch diese Zuschreibungen nicht erklären, in welchem Wechselverhältnis die unterschiedlichen Kollektive sich beeinflussen.

 Kritisch reflektiert wurden zudem die Konvergenz- und Divergenzhypothese im Kontext der transkulturellen Kommunikation.

 Um die inhärente Statik und Binarität dieser Hypothesen und anderer Konzepte zu überwinden, die die interkulturelle Kommunikation beherrschen, wurde der Begriff der Transkulturation als Prozessbegriff erläutert.

 Schließlich ging es darum zu zeigen, wie sich die ständigen Austauschprozesse von Eigenem und Fremdem mit der skeptischen Hermeneutik („Normalität des Fremden“) als didaktischem Ansatz des Fremdsprachenunterrichts umsetzen lassen.

2.1.7 Aufgaben zur Wissenskontrolle

1 Wie verhält sich Languaging zu Kreolisierungsprozessen?

2 Welche Auswirkungen hat die Divergenzhypothese in Bezug auf sprachliche Förderprogramme und Sprachenpolitik?

3 Inwiefern unterscheiden sich die Konzepte Transkultur und Transkulturation?

4 Wie beschreibt Hunfeld die wichtigsten Schwierigkeiten des Fremd-Verstehens?

2.2 Transdifferenz

Jörg Roche

Wie Sie bereits an mehreren Stellen sehen konnten, ist interkulturelle Kommunikation weitaus mehr als die Beschäftigung mit Alterität und die Überwindung von vermeintlich kulturellen Unterschieden. Auch kann es nicht nur um ein toleranzbasiertes Verständnis im Sinne von Akzeptanz des Fremden gehen, wenn dieses Bedingung für die interkulturelle Begegnung und nicht Ergebnis von Verstehensprozessen sein soll. Es geht vielmehr um die Sichtbarmachung – und Nutzung – teilweise unbewusster Verstehensprozesse von Menschen in mehrkulturellen und mehrsprachigen Gesellschaften und um den produktiven Umgang mit dem Fremden. Dabei geht es nicht um einzelne Bereiche einer mehr oder weniger definierbaren Kultur, sondern um den grundsätzlichen Umgang mit Wissen. Es ist davon auszugehen, dass unser gesamtes Wissen nicht in statischen Schubladen (oder Speichern) abgelegt ist, sondern sich vielmehr dynamisch organisiert und daher ständig in verschiedenen Akkomodations- und Assimilationsprozessen verändert. Bemerkenswert ist, dass trotz aller Dynamik auch ältere Wissensbestände (Einstellungen, Werte, Meinungen, …) weiterhin zugänglich bleiben und unser Handeln unterschiedlich beeinflussen können. So kommt es oft auch zu widersprüchlichen Einstellungen und Handlungen bei derselben Person. Statt also von statischen Konzepten von Wissen und Kultur auszugehen, empfiehlt es sich, dynamische Konzepte zugrunde zu legen und entsprechend künftig auch passende Begriffe dafür zu verwenden. Die Begriffe Inter- und Transkultur stehen dagegen im Verdacht, im Grunde doch statische Zustände von Kulturen abzubilden. Dagegen versucht der Begriff Transdifferenz die ständige Veränderung mentaler Modelle und Schemata und ihre wechselseitigen Einflüsse zu fassen. Damit werden Begriff und Konzept von Transdifferenz gerade für den Umgang mit einer Literatur nutzbar, die unterschiedliche Kultur- und Perspektivenwechsel zu behandeln versucht.

Lernziele

In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie

 die Entwicklung des Konzepts von Transdifferenz kennenlernen;

 die kritische Perspektive auf schwammige Begrifflichkeiten im Kontext von Kulturkontakten vertiefen;

 den Zusammenhang zwischen skeptischer Hermeneutik und dem Transdifferenzansatz herstellen können;

 die Veränderungsprozesse und Beziehungen kognitiver Schemata und Modelle verstehen, beschreiben und auf den Kulturkontakt beziehen können;

 die Verbindung von theoretischem Ansatz und einer praktischen Aufgabenorientierung im Unterricht nachvollziehen und nutzen können;

 die Veränderungen von Einstellungen und Perspektiven im Kulturkontakt in literarischen Texten nachvollziehen, erklären und im Unterricht umsetzen können.