Kultur- und Literaturwissenschaften

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Z serii: Kompendium DaF/DaZ #7
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1.1.4 Zusammenfassung

In dieser ersten Lerneinheit haben Sie gesehen, dass

 das Verständnis von Kultur ausschlaggebend für die Beschäftigung mit Vorstellungen und Denkweisen einer Sprechergruppe ist;

 Sprache und Kultur einerseits untrennbar, andererseits auch komplementär miteinander verbunden sind (Linguakultur);

 die Aneignung von Welt durch Sprache ein wichtiges Grundprinzip für den Wissenserwerb, auch den Erwerb von kulturellem Wissen, darstellt;

 die Einzelsprachen aus unterschiedlichen Weltsichten (Perspektivierungen) entstehen und somit durch sie auch unterschliche Zugriffe auf die außersprachliche Welt möglich sind;

 die teilweise sehr unterschiedlichen Perspektiven von Sprache und Kultur in sprachphilosophischen Schriften aufgrund ihrer Stereotypisierung und ihrer Gebundenheit an ein undifferenziertes Nationenkonzept auch kritisch betrachtet werden müssen;

 deterministische Ansätze von der (unbedingten) Bestimmung und nicht allein von der Beeinflussung der Weltanschauung durch Sprache ausgehen;

 kultursemiotische Ansätze sich mit dem symbolischen Charakter von Bedeutung befassen;

 Kultur kein statisches, sondern ein dynamisches Konzept darstellt, das auch Mischformen und Akkulturationsphänomene durch Mehrsprachigkeit und Kulturkontakt integriert;

 Landeskundevermittlung nicht auf Faktenvermittlung begrenzt sein kann, sondern die subjektiven Bedingungen der Bedeutungskonstruktion berücksichtigen muss;

 Lehrer und Lehrerinnen bei der Landeskundevermittlung auf eine Vielzahl von Perspektiven und Konzepten zurückgreifen können;

 dafür Methoden und didaktische Ansätze bereitstehen, die auf verschiedene theoretische Denkrichtungen zurückgehen.

1.1.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle

1 Warum beschäftigen sich Sprachphilosophen mit dem Zusammenhang von Kultur und Sprache?

2 Was ist die Grundidee des linguistischen Determinismus?

3 Welche Rolle spielt Mehrsprachigkeit in Humboldts Konzept von Weltsicht?

4 Welche Kulturbegriffe können voneinander unterschieden werden?

5 Welcher Zusammenhang besteht zwischen Landeskundevermittlung und dem ihr zugrunde liegenden Kulturverständnis?

6 Welche ersten Veränderungen lassen sich im aktuellen Landeskundeunterricht erkennen, die sich auf die Arbeit mit Texten und ihre Interpretation beziehen?

1.2 Kulturbegriffe und Kulturtheorien

Jörg Roche

Nachdem wir uns in der letzten Lerneinheit mit verschiedenen Konzepten von Kultur auseinandergesetzt haben, soll im Folgenden untersucht werden, welche für die Kulturvermittlung relevanten Modelle es gibt und welche Stärken und Schwächen diese jeweils in Bezug auf die Vermittlung von Sprache aufweisen. Dabei geht es nicht um die trennende Vermittlung „landeskundlichen“ Faktenwissens, denn bei diesem traditionellen Faktenwissen könnte man sich höchstens darüber streiten, welche Fakten man auswählt. Viel interessanter erscheint daher die grundlegende Vermittlung von Sprache und Kultur und ihrer gegenseitigen Bedingtheit. Es geht also um einen linguakulturellen Ansatz, der berücksichtigt, dass Sprache Kultur abbildet, aber gleichzeitig auch Kultur schafft. Damit aber stehen auch Fragen des Verhältnisses von Sprache und Denken im Mittelpunkt und gleichzeitig auch die Frage, wie ein moderner, offener Fremdsprachenunterricht für kulturelle Vielfalt und das gegenseitige Verstehen sensibilisieren kann. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, wie neuere Vermittlungsansätze und Landeskundemodelle berücksichtigen, dass die Zielkulturen inzwischen noch weiter weg von Homogenität sind, als sie es immer schon waren.

Lernziele

In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie

 die gängigsten Ansätze der Kulturvermittlung benennen können, die landläufig als Landeskunde bezeichnet werden;

 erkennen können, dass die meisten dieser Ansätze von statischen und homogenen Annahmen ausgehen, die in modernen Gesellschaften so gar nicht (mehr) gegeben sind und im Übrigen kaum geeignet sind, transkulturelles Verstehen zu fördern;

 erkennen können, warum der traditionelle Landeskundebegriff und viele seiner Konzepte überholt und für eine moderne linguakulturelle Vermittlung ungeeignet sind;

 die wichtigsten Elemente einer auf tanskulturelles Verstehen ausgerichteten angewandten Kulturwissenschaft verstehen und nutzen können.

1.2.1 Modelle der Kulturvermittlung

Die verstärkten Migrationsbewegungen haben einen demographischen Wandel verursacht, der einerseits die Vielfalt in den Zielkulturen erhöht, andererseits auch Transkulturationsprozesse auslöst und erfordert, die den Umgang mit der Vielfalt regeln können. Für die Kulturvermittlung im Fremdsprachenunterricht bedeutet dies zum einen mehr und direkte Verbindungsmöglichkeiten zwischen den Ausgangs- und Zielkulturen, zum anderen auch die zwingende Notwendigkeit, sich mit den Prozessen des Sprach- und Kulturverstehens explizit auseinanderzusetzen. Angesichts der mehrkulturellen und mehrsprachigen Realität heutiger Gesellschaften sollte angenommen werden, dass moderne Ansätze der Kulturvermittlung in besonderer Weise Prozesse der TranskulturationTranskulturation bereits thematisieren und nutzen. In Wirklichkeit geschieht dies aber bisher nur rudimentär. Perspektiven, die Kulturen nicht als fixierte und mehr oder weniger monolithische Konstrukte betrachten, zeichnen sich in der Landeskunde nämlich erst ansatzweise ab. So bleiben viele Aussagen zur Verarbeitung multi-, inter- und transkultureller Erscheinungen zur Vermittlung und Vermittelbarkeit transkultureller Lernziele im Unterricht allgemein unvollständig oder münden in rein bildungspolitische, aber nicht umgesetzte Wunschvorstellungen. Bildungssystemen kann allgemein der Vorwurf gemacht werden, dass sie Bildung vorwiegend oder ausschließlich aus einer monokulturellen und monolingualen Perspektive konzipieren und betreiben. Auch in mehrsprachigen und mehrkulturellen Kulturen gelingt die Verbindung transkultureller Perspektiven und die Behandlung von Verstehensprozessen bisher kaum. Allenfalls werden parallele Strukturen aufgebaut, die nebeneinander existieren, aber kaum Austausch miteinander haben.

In der Diskussion, der Verarbeitung, Vermittlung und Entwicklung inter- und transkultureller Lern- (und auch Integrations-)Ziele wird unter anderem zu wenig berücksichtigt, dass der kompetente Zugang zu einer fremden Kultur nicht ohne sprachliche Kenntnisse und der kompetente Erwerb einer fremden Sprache nicht ohne einen kompetenten Zugang zu der dazugehörigen fremden Kultur erfolgen kann. Viele Arbeiten zur Landeskunde behandeln die Interdependenz von Sprache und Kultur als nachgeordnetes Thema der Umsetzung und nicht im Kontext der gemeinsamen Verarbeitung durch das gleiche kognitive System. Wegen des gemeinsamen Systems ist aber davon auszugehen, dass es zu dynamischen Austauschprozessen zwischen Sprache und Kultur kommt. Die unauflösliche Interdependenz dieser Prozesse lässt sich sehr gut unter dem Begriff der bereits in der Lerneinheit 1.1 angesprochenen Linguakultur fassen.

1.2.2 Ansätze traditioneller Kulturvermittlung

Inwiefern die Dynamik transkultureller und linguakultureller Prozesse in gängigen Modellen der Kultur- und Landeskundevermittlung tatsächlich abgebildet wird, soll im Folgenden dargestellt werden. An Versuchen, das Fremdverstehen für die fremdsprachige Kulturvermittlung zu operationalisieren, mangelt es schließlich nicht. Die Vermittlungsansätze lassen sich in unterschiedlichem Maße zwischen den Polen Rekonstruktion und Wiedergabe von enzyklopädischem Wissen und Konstruktion von eigenen Einstellungen der Lerner verorten und in Bezug auf ihre linguakulturelle Orientierung klassifizieren. Zu den wichtigsten landeskundlich relevanten Ansätzen gehören:

 Komparatistische (oft multikulturelle) Verfahren in den Sprach- und Literaturwissenschaften. Bezugsdisziplinen sind die kontrastive Linguistik, die komparative Literaturwissenschaft, die Ethnologie und die Anthropologie sowie andere vergleichende Verfahren der Kunst-, Musik- und Kulturwissenschaften. In der Sprach- und Kulturvermittlung ist die Ausrichtung dieser Disziplinen eher auf die Rekonstruktion von Wissen ausgelegt. Konstruktivistische Aspekte der Bezugswissenschaften werden für Vermittlungszwecke meist eher eingeebnet. Linguakulturelle Aspekte werden disziplinabhängig unterschiedlich betrachtet und gewichtet.

 Interkulturelle Trainings und die Verfahren der Beschreibung kulturspezifischer Parameter, Deutungsmuster, Orientierungen und Dimensionen. Sie sind vor allem auf die Rekonstruktion der fremden Kulturen durch Betrachterinnen und Betrachter beziehungsweise Lerner ausgelegt. Sprachliche Elemente erscheinen verbreitet als Artefakte zugrundeliegender Dimensionen und Muster.

 Die interkulturell ausgerichtete Fachdidaktik mit partiellen, meist komparativ ausgerichteten unterrichtsmethodischen Verfahren, die vorwiegend auf die Rekonstruktion des Fremden und seine wohl dosierte Abbildung in linguakulturellen Strukturen abzielt.

 Kulturkonstruktivistische Ansätze wie die Behandlung von Erinnerungskulturen und die explizite Thematisierung von Transkulturationsprozessen. Linguakulturelle Aspekte spielen eine sekundierende Rolle.

 

 Hauptanwendungsbereich der interkulturellen Hermeneutik sind literaturwissenschaftliche Themen. Ihre Grundlage ist die Annahme der kompensatorischen, optimierenden und maximierenden Wirkung mangelnden Wissens. Marquard (1981) bezeichnet die Zielsetzung der interkulturellen Hermeneutik als Inkompetenzkompensationskompetenz. Auf diese wird noch ausführlicher in Lerneinheit 1.3 eingegangen. Interkulturelles Verstehen ist zielgerichtet und – in den Unterrichtsverfahren – vor allem rekonstruierend auf Innen- und Außenperspektiven ausgerichtet. Das Erreichen einer übergeordneten (harmonisierenden transkulturellen) Perspektive im Dritten Ort ist ein theoretisches Desiderat. Hierüber bestehen konzeptuelle Verbindungen zu einem (bisher nicht ausgearbeiteten) Modell einer transkulturellen Landeskunde. Die skeptische Hermeneutik betont dagegen die Normalität und katalytische Bedeutung des Erhalts von Fremdheit. Linguakulturelle Aspekte sind konstitutiv.

 Die interkulturelle Sprachdidaktik. Sie versucht, das Sprach- und Kulturverstehen auf der Grundlage interkulturell hermeneutischer Verfahren als kohärentes linguakulturelles System abzubilden und dieses mit erwerbslinguistischen, kultur- und literaturwissenschaftlichen sowie lernpsychologischen und didaktischen Aspekten in Einklang zu bringen. Sharifian (2007) fordert dafür die Entwicklung einer angewandten kulturellen Linguistik. Die interkulturelle Sprachdidaktik verbindet rekonstruktive Aspekte des perspektivischen Verstehens mit konstruktiven Transkulturationsprozessen, die sich auch in kreativen Lernerproduktionen manifestieren.

In dieser Lerneinheit und in Lerneinheit 1.3 werden diese Ansätze der operationalisierten Sprach- und Kulturvermittlung genauer betrachtet. Im Anschluss daran wird die Rolle der Fremdheit als Bedingung und Element kognitiver Prozesse dargestellt und es wird ein Vorschlag skizziert, mit dem mehrsprachige und mehrkulturelle Dynamiken in einem ökologischen Transkulturationsmodell für die Sprach- und Kulturvermittlung angemessen zusammengeführt werden können. Ausführlicher lesen Sie in der Lerneinheit 4.3 über den Unterschied von Transkulturalität und Transkulturation.

1.2.3 Kultur- und Landeskunde

Mit der kommunikativen Didaktik und ihrem Blick auf die Alltagskulturen rückte neben der faktenbasierten Landeskunde die Beschäftigung mit dem Kontext der Kommunikation stärker in den Fokus der Landeskunde. Ellis und Roberts (1987) führen dazu die Unterscheidung von drei Arten von Kontext ein: einen sprachlichen, einen sitationsbezogenen und einen interaktiven Kontext (vergleiche auch Ellis 1992). Diese Klassifikation wurde in der Folge von Kramsch (1993) um eine kulturelle und intertextuelle Komponente erweitert.

Zur Kontextualisierung der Alltagskommunikation gesellen sich seitdem Ansätze, die über die klassischen, aus den Bereichen der Alltagssprache und der Literaturvermittlung stammenden Themenbereiche hinausgehen. Der Begriff Kontext ist offen für alle denkbaren Interessensgebiete und Disziplinen. Die Charte des Langues Vivantes (1980) fordert aus diesem Grunde bereits früh, stellvertretend für viele Lehrpläne, ein Überdenken des Sprachunterrichts und explizite sprachdidaktische Verbindungen zu allen Disziplinen, unter anderem durch die Sprachreflexion in Verbindung mit der Muttersprache und der Mathematik, durch die Entwicklung des persönlichen Ausdrucks in Verbindung mit dem Literatur- und Kunstunterricht und durch die Öffnung auf die Welt in Verbindung mit der Geschichte, der Geographie, der Wirtschaft und den Naturwissenschaften:

À l’intérieur de la scolarité obligatoire, l’enseignement des langues doit être repensé, dans sa spécificité propre et en liaison avec l’ensemble des disciplines (réflexion sur le langage, en liaison avec la langue maternelle et les mathématiques, développement de l’expression personnelle en liaison avec les enseignements littéraires et artistiques, ouverture sur le monde en liaison avec l’histoire, la géographie, l’économie, les sciences […]). (Charte des Langues Vivantes 1980)

Auch die CLIL-Initiative (Content and Language Integrated Learning) steht in dieser Tradition (Europäische Kommission 2012). Bemerkenswert ist, dass das inhaltsbezogene Lernen nicht erst mit der kommunikativen Didaktik oder der späteren CLIL-Initiative entdeckt wurde, sondern schon lange zu den grundlegenden Prinzipien der Sprachvermittlung gehört (siehe hierzu Krueger & Ryan 1993). Eine Inhaltsorientierung schlägt bereits Comenius vor und sie findet auch in der traditionellen Orientierung des Fremdsprachenunterrichts auf literar-historische Themen und in einer Reihe weiterer Ansätze statt. Die industrielle Revolution und die explosionsartige Entwicklung der Naturwissenschaften führten im 19. Jahrhundert schließlich zu einem größeren Bedarf an technischen Themen- und Arbeitsbereichen im Sprachunterricht. Schon 1880 fragte daher der französische Sprachpädagoge Gouin: „Warum sollte der Physik- oder Geschichtsunterricht nicht als Thema des Deutsch- oder Französischunterrichts dienen?“

113 Jahre später machen Krueger und Ryan (1993) mit Blick auf den nordamerikanischen Fremdsprachenunterricht eine bemerkenswert ähnliche Feststellung:

If, on the other hand, languages are never used in any courses other than literature, this sends a clear signal that they really have no other important use. (Krueger & Ryan 1993: 7)

Der deutsche Didaktiker Viëtor publizierte 1882, von seiner eigenen Sprachlernerfahrung in London beflügelt, ein kritisches Pamphlet zu den damals vorherrschenden Unterrichtsverhältnissen, das er mit dem (auch heute noch aktuellen) Titel Der Sprachunterricht muß umkehren versah. Der auch dort geforderte themenspezifische, inhaltsbasierte Sprachunterricht ist in der Folge in den bilingualen Modellen weiterentwickelt worden. Dazu gehören auch Immersionsprogramme und ‑schulen, die sich darum bemühen, den Inhalt und den Kontext der Zielkultur möglichst authentisch in der Sprachvermittlung abzubilden. Die französischsprachigen Immersionsprogramme und -schulen, die 1965 ihren Ausgang in St. Lambert in Québec nahmen, gehören zu den bekanntesten Vertretern dieser Unterrichtsmodelle. Eine Reihe weiterer Modelle, die fachspezifische Inhalte im Sprachunterricht – oder umgekehrt sprachliche Elemente im Fachunterricht – berücksichtigen, sind seitdem vorgeschlagen und erprobt worden. Zu den wichtigsten gehören die Content-Based Instruction und die Discipline-Based Instruction in Nordamerika und die bereits genannte Content and Language Integrated Learning-Initiative (CLIL) in Europa. Auch im Foreign Laguages Across the Curriculum- (FLAC) oder Foreign Lanuages in the Curriculum-Programm (FLIC), manchmal auch Foreign Laguage-Enriched Content Instruction genannt (Allen, Anderson & Narvaez, zitiert bei Wesche 1993: 59), wird in der Fremdsprache unterrichtet. Bei diesen FLIC- / FLAC-Programmen ist der Fokus anders als im immersiven Sprachunterricht: Hier werden fremdsprachige Ressourcen in den Fachunterricht integriert, nicht der Fremdsprachenunterricht mit fachlichen Inhalten durchgeführt. Dabei kann es sich um spezifische Aufgaben wie fachliche Recherchen, die Konstruktion von Gegenständen oder Plänen oder die Durchführung von Experimenten in der Fremdsprache handeln (siehe Jurasek 1993: 86ff; Metcalf 1993: 114f).

Die Einbeziehung von Fachsprachen in den Fremdsprachenunterricht steht ebenfalls in der Tradition der Inhaltsorientierung. Durch die fachspezifische Orientierung auf Inhalte und die Nutzung des fachlichen Vorwissens der Lerner lässt sich gerade bei fachkompetenten Lernern eine wesentliche Lernerleichterung und -beschleunigung erzielen (Roche 2008: 18; Meißner & Burk 2001; Buhlmann & Fearns 2000). Wichtige didaktisch nutzbare Faktoren in diesem Verfahren sind die Ausnutzung bereits erworbenen Fachwissens und bereits erworbener Fachkompetenzen und das verbundene erhöhte Interesse (die Motivation) der Lerner.

Während die klassische Landeskunde die Zielkultur als faktenbasierte Kunde der fremden Kultur behandelt, verschiebt sich der thematische Schwerpunkt mit der kommunikativen Didaktik zunehmend auf sozio-geographische, historische, wirtschaftliche und andere gesellschaftspolitisch relevante Informationen, aber das einbahnartige Prinzip der Präsentation von Inhalten der fremden Kultur bleibt, ähnlich wie bei der Vermittlung der Grammatik, weitgehend das gleiche. Byram charakterisiert es als

the listing and learning of ‘typical’ differences, of haphazard facts about daily life in some conflict-free, leisure-laden, lower-to-middle class family, supplemented by a simplistic geography and history of the country in question. (Byram 1989: 20)

Als Folge dessen wird Kultur im Unterricht häufig als (fakultatives) Landeskunde-Zusatzangebot betrachtet, das sich meist auf Nützliches und Relevantes, Überholtes und Stereotypes beschränkt. Welcher Erkenntniswert sich aus vereinfachenden und stereotypen Feststellungen ergibt und wie die Lerner damit auf authentische Kulturbegegnungen vorbereitet werden, ist nicht belegt. Meist sagt die Charakterisierung mehr über den Autor beziehungsweise die Autorin und die Betrachter und Betrachterinnen als über die fremde Kultur aus, die damit vermeintlich beschrieben wird.

Für diese Art der faktenbasierten, größtenteils dekontextualisierten Kultur- beziehungsweise Landeskunde hält Byram daher den Begriff background studiesbackground studies für symptomatisch und repräsentativ. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Stern (1991: 342) in Bezug auf den Umgang mit fremdsprachiger Literatur im Unterricht. Die vier wichtigsten Typen der traditionellen Landeskunde-Präsentation beschreibt sie in Introduction to Cultural Context, Culture Aside, Culture Capsule, Group Work on Culture.

Als Hintergrundinformationen werden in der Landeskunde-Präsentation typische, oft stereotype Informationen angeboten, aber auf die Rezeptionsbedingungen des Lerners wird kaum Rücksicht genommen. Das folgende Beispiel illustriert, wie in Kulturecken (culture capsulesculture capsules) und dergleichen Landeskunde segregiert präsentiert wird.


Abbildung 1.3: Segregierte und limitierte Kulturvermittlung in Treffpunkt Deutsch (Widmaier & Widmaier 2000: 23)

Das Konzept von Landeskunde entspricht in diesem Lehrwerk dem traditionellen, auf reduktionistische Fakten begrenzten. Dieses Konzept schließt nicht mit ein, dass Landeskunde auch in der Thematik sowie in den Kommunikationsmitteln ihren Ausdruck findet. Repräsentativ ist ferner der ethnozentrische Ausdruck der Ausgangsperspektive der Autoren, wie sich in Bezug auf die Präsentation französischer Landeskunde ganz besonders gut illustrieren lässt. Ausgehend von der civilisation als der ‚Gesamtheit der Eigenschaften einer Gesellschaft‘, ist der Bildungsbegriff culture als Teil der civilisation zu verstehen (zur Inhaltsorientierung und dem kollektiven Bilungsstand in der französischen Landeskundevermittlung siehe Venohr 2007: 73–76). Das fremde Universitätsleben wird in Abbildung 1.3 kontrastiv (als negatives Gegenstück) zu den schulischen Kriterien der (amerikanischen) Hochschulkultur dargestellt. In dieser Hochschulkultur sind Kriterien wie Aufsicht und Anleitung, Anwesenheitspflicht und Klausuren wichtiger, als sie es im deutschen Hochschulsystem im Jahre 2000 noch waren. So wird einem stereotypen Bild der Zielkultur Vorschub geleistet, das durch das begleitende Foto noch verstärkt und damit von kritischen Zugängen abgeschirmt wird. Studentinnen und Studenten in Deutschland, die das Hochschulsystem vor der Bolognareform gekannt haben, werden sich in dieser selektiven Darstellung ihres Universitätslebens kaum wiederfinden können.

Mit multikulturellen Lehrplänen, multidisziplinären beziehungsweise multinationalen Kulturkursen und ‑programmen, mit der Identifizierung von Kontaktzonen und der Definition von Kultur als fünfter Fertigkeit (cultural proficiencycultural proficiency) wird versucht, Typisierungen und Reduktionen entgegenzuarbeiten. Es geht vorwiegend um die Rekonstruktion besseren Wissens. Die unterschiedlichen Ansätze werden hier skizziert.