Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft

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1.1.2Typologien von Mediensystemen

Kommunikations- und Medienpolitik (im oben erwähnten Sinne) sind in aller Regel »getragen von normativ getränkten Denkmustern, was Medien leisten sollen, wie sie organisiert sein sollen und welche Entwicklung sie nehmen sollen« (Vowe 2007, S. 76). Unter Mediensystemen versteht man »die Gesamtheit von Ordnungen und Strukturen, die Medien in einem definierten Raum – zumeist ein Staat – charakterisieren« (Kleinsteuber 2005, S. 275). Es gibt einige (mehr oder weniger überzeugende) Versuche, Mediensysteme zu klassifizieren bzw. zu typologisieren.

Ulrich Saxer z. B. modifizierte die von Frederick Siebert et al. (1956) entwickelte Typologie (Saxer 2002; siehe auch Jarren/Meier 2002). Sie enthält vier idealtypische Grundformen der Institutionalisierung von Medien: die (wirtschafts-)liberale, die demokratisch-kontrollierte, die autoritäre sowie die totalitäre (Saxer 2002, S. 1–14, insbesondere S. 4–13). Die einzelnen (nicht immer trennscharf voneinander abzugrenzenden) Typen werden anhand der fünf Parameter Eigentumsverhältnisse, Steuerung und Kontrolle, Ziele der Medien, normative Erwartungen an Medien sowie institutionelle Rechtfertigung der Medien charakterisiert (siehe dazu Jarren/Meier 2002, S. 13; vgl. auch Künzler/Jarren 2010, S. 224). Der Typologie zufolge kann das Mediensystem der Bundesrepublik Deutschland zwischen ›wirtschaftsliberal‹ und ›demokratisch kontrolliert‹ eingeordnet werden: Es gibt u. a. neben privatwirtschaftlich organisierten auch öffentlich-rechtliche Medien mit festgelegten Funktionsaufträgen. Das Mediensystem der DDR (1949–1989) erscheint rückblickend dem totalitären Typ zuordenbar.

Daniel Hallin und Paolo Mancini (2004) unterscheiden zwischen dem Polarized Pluralist Model, dem Democratic Corporatist Model sowie dem Liberal Model und ordnen Länder der westlichen Industrienationen jeweils einzelnen Modellen zu (Hallin/Mancini 2004; vgl. auch Hallin/Mancini 2003, S. 11ff; siehe Künzler/Jarren 2010, S. 225f). Jens Tenscher (2008) fügte diesen drei Modellen das transformatorische bzw. osteuropäische Modell hinzu, um auch die zur Demokratie transformatierten Länder des ehemaligen sozialistischen Ost- und Südosteuropas einordnen zu können. Deutschlands Mediensystem findet sich bei Hallin/Mancini unter dem demokratisch-korporatistischen Modell. Autoritäre und totalitäre Mediensysteme, wie es sie z. B. im Nationalsozialismus sowie in kommunistischen bzw. sozialistischen Ländern gab (und gibt), können den Typologien von Hallin/Mancini (2004) und Tenscher (2008) nicht zugeordnet werden.

Eine noch weiter ausdifferenzierte Typologie stammt von Roger Blum (2005) in seinen Bausteinen zu einer Theorie der Mediensysteme. Sein pragmatischer Differenz-Ansatz unterscheidet zwischen sechs Medienmodellen (Blum 2005, S. 9–10): dem atlantisch-pazifischen Liberalismus-Modell (z. B. USA); dem südeuropäischen Klientel-Modell (z. B. Italien); dem nordeuropäischen Service-Public-Modell (z. B. Deutschland); dem osteuropäischen Schockmodell (z. B. Russland); dem arabisch-asiatischen Patriotenmodell (z. B. Ägypten); sowie dem asiatisch-karibischen Kommandomodell (z. B. China). Die umfassende Publikation »Lautsprecher und Widersprecher« (Blum 2014) konnte hier nicht mehr berücksichtigt werden.

Nicht fehlen soll hier der Hinweis darauf, dass solche Typologien eher statisch sind und den Wandel von Mediensystemen wenig berücksichtigen (können) (vgl. Künzler/Jarren 2009). Insofern ist die vergleichende Mediensystemforschung (siehe u. a. Thomaß 2007; Künzler/Jarren 2009; Kleinsteuber 2005) eine wichtige Aufgabe der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft; dies v. a. auch infolge der Dynamik, die das Internet auch in die Mediensysteme und -strukturen bringt. Die Transformation der ehemals sozialistischen Länder nach der großen Wende im Osten und Südosten Europas 1989/91 bot damals ein besonders reichhaltiges und interessantes Forschungsfeld (vgl. u. a. Thomaß/Tzankoff 2001; Hadamik 2004; Stegherr/Liesem 2010).

1.1.3Organisationsformen von Massenmedien

Je nach Einbindung der Massenmedien in das politische System sind auch unterschiedliche Organisationsformen (nicht Rechtsformen) der klassischen Massenmedien vorzufinden. In den pluralistischen Demokratien haben sich im Wesentlichen zwei Grundmodelle herausgebildet, nämlich das wirtschaftliche Konkurrenzmodell sowie das administrative Kooperationsmodel (vgl. Kepplinger 1994, S. 119).

Privatwirtschaftlich operierende Medien

»Beim wirtschaftlichen Konkurrenzmodell bieten private Unternehmer Informationen, Meinungen, Unterhaltung zum Kauf an. Der Käufer [Leser, Hörer, Zuschauer, User – Ergänzung H. P.] entscheidet mit seiner Kaufentscheidung über den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmers und regelt so über die Nachfrage das Angebot. Das Angebot kann, weil es sich an der Nachfrage orientieren muss, als Spiegel der Interessen, Meinungen und Einstellungen in der Bevölkerung betrachtet werden« (Kepplinger 1994, S. 119). Dieses wirtschaftliche Konkurrenzmodell liegt (von Ausnahmen wie Betriebs-, Kunden- und Verbandszeitschriften etc. abgesehen) allen privatwirtschaftlich verfassten Medien zu Grunde. Sie agieren und funktionieren wie andere kommerziell geführte Unternehmen auch (Angebot und Nachfrage entscheiden über Erfolg oder Misserfolg), und daher ist oft von privat-kommerziellen Medienunternehmen die Rede. Von den genannten wenigen Ausnahmen abgesehen ist der gesamte Printmedienmarkt in Deutschland privatwirtschaftlich verfasst. Seit 1984 gibt es auch privat-kommerziell organisierte Hörfunk- und Fernsehveranstalter. Es wird allgemein angenommen, dass viele Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen sowie zahlreiche privat-kommerzielle Hörfunk- und Fernsehveranstalter mit ihren vielfältigen Produkten und Programmangeboten Garanten für ein außenplurales Medienangebot, für publizistischen Wettbewerb und für Meinungspluralismus sind. Andererseits ist nicht zu übersehen, dass privatwirtschaftlich organisierte Medien infolge des zunehmenden Wettbewerbs zu publizistischer und/ oder ökonomischer Konzentration sowie crossmedialer Verflechtung (Print/Radio/Fernsehen/Online) tendieren: dadurch kann Vielfalt wieder eingeschränkt werden. Über diese Verflechtungen bundesdeutscher Medien geben in regelmäßigen Abständen erscheinende Veröffentlichungen z. B. in der Zeitschrift Media Perspektiven Auskunft (vgl. z. B. Röper 2012; Vogel 2012). Durch immer wieder wechselnde Beteiligungsverhältnisse ist es schwierig, den jeweils aktuellen Stand solcher Verflechtungen zu vermitteln. Für das Rundfunkwesen weist die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) die Beteiligungsverhältnisse sowie medienrelevante Märkte aus. Sie sind dem Onlineauftritt der KEK zu entnehmen (www.kek-online.de; zu wichtigen Merkmalen privat-kommerzieller Medienunternehmen, siehe Pürer 2014, Kap. 4.3.4, sowie Pürer 2015, Kap. 1.4).

Öffentlich-rechtlich organisierte Medien

Das administrative Kooperationsmodell liegt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu Grunde: »Beim administrativen Kooperationsmodell werden auf der Grundlage von rechtlichen Regelungen Kontrollorgane geschaffen, in denen alle relevanten sozialen Gruppen entsprechend ihrer gesellschaftlichen Bedeutung vertreten sind. Kontrollorgane haben u. a. die Aufgabe, darüber zu wachen, dass die Berichterstattung ein Mindestmaß an Ausgewogenheit besitzt. Auch in diesem Fall kann man die Berichterstattung als Spiegel der Interessen, Meinungen und Einstellungen der Bevölkerung betrachten« (Kepplinger 1994, S. 119f). Ausführungen über Einrichtung und Organisationsmerkmale öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten sowie über deren Finanzierung sind Pürer (2014, Kap. 4.3.4, sowie 2015, Kap. 1.4 und 3.2) zu entnehmen.

Der dem Gemeinwohl und zum Binnenpluralismus verpflichtete öffentlich-rechtliche Rundfunk, wie es ihn im gesamten deutschen Sprachraum und in anderen Ländern gibt, hatte als Medientyp in Europa die 1927 errichtete British Broadcasting Corporation (BBC) zum Vorbild. Der Grundgedanke war damals, das Rundfunkwesen einer öffentlichen Anstalt zu überantworten, die gleichsam treuhänderisch nationale Interessen wahrnimmt, einer öffentlichen Daseinsvorsorge (»Public Service«) dient und daher mit einem kulturellen Programmauftrag ausgestattet wurde. Bei der Wiedererrichtung des Rundfunks in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg standen durchaus verschiedene Modelle zur Disposition (vgl. Bausch 1980). Schließlich wurde nach der Übergabe der von den Besatzungsmächten errichteten Rundfunkanstalten an die deutsche Hoheitsverwaltung dem öffentlich-rechtlichen Modell der Vorzug eingeräumt. Die 1950 gegründete »Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland« (ARD) sowie das 1961 gegründete (und 1963 in Betrieb gegangene) »Zweite Deutsche Fernsehen« (ZDF) sind typische, öffentlich-rechtlich verfasste Medienbetriebe. Sie unterscheiden sich voneinander dadurch, dass die ARD eine föderalistische Binnenstruktur aufweist (mit derzeit neun Landesrundfunkanstalten), das ZDF hingegen (Standort Mainz) eine zentralistische (lediglich mit Landesstudios in den Bundesländern). Das private Fernsehen mit seinen massenattraktiven Programmen stellt eine zweifellos ernste Konkurrenz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dar. Dieser hält mit allen seinen TV-Programmen seit Jahren einen Marktanteil von über 40 Prozent am gesamten TV-Markt in Deutschland (siehe Zubayr/Gerhard 2013). Öffentlich-rechtliche Radiosender werden vergleichsweise stärker genutzt (Tagesreichweite Montag bis Sonntag 36,67 Mio. Hörer) als Privatradios (32,06 Mio. Hörer) (Gattringer/Klingler 2012, S. 422). Die (medien-)politische Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird in Zukunft davon abhängen, ob es ihm gelingt, in der Gunst des Publikums weiter zu bestehen, ohne seinen genuin öffentlich-rechtlichen Auftrag zu vernachlässigen.

 

Freie (nichtkommerzielle) Medien

Neben privaten und öffentlich-rechtlich organisierten Medien gibt es in pluralistischen Systemen einen Medientyp, der in gängige Organisationsmodelle kaum einzuordnen ist. Gemeint sind vorwiegend lokale Kleinmedien, die von allen jenen politischen und ökonomischen Zwängen frei sein wollen, durch die privat-kommerzielle oder öffentlich-rechtliche Medien gekennzeichnet sind. Diese »freien Medien« sind vorwiegend als sog. »freie Radios« bekannt geworden, aber auch Teile der alternativen Zeitschriftenpublizistik sind zu ihnen zu zählen, sofern es sie noch gibt. »Freie Medien« beanspruchen für sich Unabhängigkeit von gesellschaftlicher Kontrolle und ökonomischen Interessen. Sie sind daher auch nicht gewinnorientiert, sondern finanzieren sich etwa aus Mitgliedsbeiträgen, Abonnements, Veranstaltungen, Spenden sowie aus »unverdächtiger Werbung«. »Freie Medien« fordern für ihre Finanzierung Unterstützung durch die öffentliche Hand, ohne dass daraus jedoch Abhängigkeiten resultieren. Um Unabhängigkeit zu gewährleisten, organisieren und verwalten sich »freie Medien« selbst. Ihr gesellschaftspolitisches Ziel ist es, Hilfsmittel für die Artikulation und Selbstorganisation politischer, gesellschaftlicher, sozialer und kultureller Interessen zu sein (vgl. Weichler 1987; Osterchrist 1994).

Organisatorisch sind bei »freien Medien« u. a. Genossenschaftsmodelle bekannt, bei denen man Anteile erwerben kann, sowie basisdemokratische Modelle, bei denen die Mitglieder die Inhalte und die Programmpolitik entscheiden sowie den publizistischen Betrieb koordinieren. Technischer und journalistischer Standard der »freien Medien«, ob Radios oder Zeitschriften (bzw. vereinzelt auch Fernsehen), sind im Regelfall nicht immer sonderlich hoch, da ihre Inhalte bzw. ihr Programm u. a. auch von journalistischen Laien geplant, gestaltet und produziert wird. In sog. »Offenen Kanälen« sind Radio- und Fernsehprogramme zu sehen, die von Bürgern gestaltet werden. Sie werden von den Landesmedienanstalten eingerichtet (vgl. die landesmedienanstalten/Bürgermedien 2014; siehe auch bok.de).

Exkurs: Totalitär organisierte Medien

Totalitär organisierte Medien sind im deutschen Sprachraum historisch aus dem Nationalsozialismus sowie aus der DDR bekannt. Sie waren jeweils Teil des Herrschaftssystems, stellten also den verlängerten Arm von Partei und Staat dar. Folgende Gemeinsamkeiten können für totalitär organisierte Medien benannt werden (vgl. Kepplinger 1994; Wilke 1994; Holzweißig 1989, 1991, 1997; Abel 1968; Pürer/Raabe 2007, S. 82ff und S. 173ff; Geißler 1986; Frei/ Schmitz 1989; Kirkamm 1992):

• Sie sind in das Prinzip der Gewaltenkonzentration eingebunden und von den Exekutivorganen weisungsabhängig (Kepplinger 1994; Wilke 1994; Geißler 1986).

• Sie stellen Führungs- und Kampfinstrumente dar und nehmen nach innen Steuerungsfunktionen, nach außen Repräsentationsaufgaben wahr (Kepplinger 1994; Wilke 1994; Geißler 1986).

• Nachrichten werden in totalitär organisierten Mediensystemen zentral gelenkt und über Presseanweisungen von Regierung und Partei (oft über staatliche Nachrichtenagenturen) an die Medien weitergeleitet (Kepplinger 1994; Wilke 1994, 2007; Holzweißig 1991, 1997).

• Die Ausbildung der Journalisten sowie der Berufszugang zu den Medien sind staatlich geregelt bzw. kontrolliert. Die Medienschaffenden sind der Partei bzw. der Regierung gegenüber verpflichtet (Blaum 1980; Holzweißig 1989; Frei/Schmitz 1989; Kirkamm 1992).

• Totalitär organisierte (Print-)Medien unterliegen der staatlichen Lizenzpflicht (die es im Nationalsozialismus nicht gab) sowie der Kontingentierung von Papier-, Satz- und Druckkapazitäten (diese erfolgte im Nationalsozialismus erst im Krieg). In sozialistischen Systemen hat die staatliche Post zudem in aller Regel das Beförderungsmonopol für Printmedien (Holzweißig 1989; Pürer/Raabe 2007; Wilke 1994).

• Totalitär organisierte Medien verfolgen eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Der Nationalsozialismus berief sich dabei auf seine Rasse und den dem (deutschen) Volk angeborenen Führungsanspruch, der Sozialismus (bzw. Kommunismus) verfolgte die Egalisierung der ökonomischen Verhältnisse und die damit verbundene Aufhebung der Klassenunterschiede (Glotz/Pruys 1981).

• Totalitär organisierte Medien unterliegen der Aufsicht durch Partei und Staat. Medienlenkung erfolgt durch täglich ergehende detaillierte Inhaltsdirektiven, strenge Sprachregelungen sowie durch Anweisungen für Aufmachung, Platzierung, Illustration und Gestaltung der Beiträge in Print- wie in Funkmedien (Wilke 2007; Abel 1968; Holzweißig 1991, 1997; Pürer/ Raabe 2007).

• Totalitäre Medien werden vom Staat finanziell direkt oder indirekt unterstützt. Zeitungsabonnements und Rundfunk-Teilnehmerentgelte sind nicht teuer, um ihren Bezug bzw. ihren Empfang jedem Bürger zu ermöglichen und um optimale Verbreitungsbedingungen für die staatlich gesteuerte Information zu schaffen (Wilke 1994; Holzweißig 1989; Pürer/Raabe 2007).

Totalitär organisierte Medien folgen einem politischen Willen und lassen kaum Informations- oder Meinungspluralismus zu (am ehesten noch in politikfernen Bereichen der Berichterstattung). Durch bis ins Detail geregelte, von den Medienschaffenden strikt einzuhaltende Presseanweisungen (vgl. Wilke 2007) erübrigen sich weitgehend Maßnahmen der Vor- und Nachzensur (vgl. Holzweißig 1991 und 1997). Die in den Dienst von Partei und Staat gestellten Medien stellen Vollzugsorgane dar und dienen nicht nur der Festigung, sondern v. a. der Aufrechterhaltung des politischen Systems. Der ideologische Kampf wird nicht nur über Informationsinhalte ausgetragen, sondern erstreckt sich auf alle Bereiche der Berichterstattung, insbesondere auch auf bildende und kulturvermittelnde Medienangebote sowie – oftmals in subtiler Weise – auch auf den Bereich der medienvermittelten Unterhaltung. Art und Weise der Medienlenkung im Nationalsozialismus (Drittes Reich) und im Kommunismus (DDR) waren ideologisch zwar unterschiedlich begründet, wiesen in der politischen Praxis jedoch teils Ähnlichkeiten auf. Dies galt insbesondere für den Modus der Presse- bzw. Medienanleitung und die dazu benutzten Kanäle (vgl. Pürer/Raabe 2007, S. 82ff, S. 182ff; vgl. auch Wilke 2007).

Die Medienlenkung erfolgte im Dritten Reich im Wesentlichen über vier Ebenen (vgl. Hale 1965; Abel 1968; Frei/Schmitz 1989; Pürer/Raabe 2007, S. 82ff): eine institutionelle, eine rechtliche, eine wirtschaftliche sowie eine inhaltliche. Auf der institutionellen Ebene ist das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda zu erwähnen. Es verschaffte sich über die Reichskulturkammer, einer Zwangsorganisation, der auch Print- und Funkjournalisten angehörten, Durchgriff auf Presse und Rundfunk. Auf der rechtlichen Ebene reglementierte das Schriftleitergesetz die Tätigkeit der Medienschaffenden (Journalisten, Programmgestalter, Verleger), die auf den Staat verpflichtet wurden. Über wirtschaftliche Maßnahmen verschaffte sich die NSDAP das Monopol im Bereich der Presse, von der zuerst die Linkspresse, dann die sonstige Parteipresse sowie schließlich die konfessionelle Presse (und die Generalanzeigerpresse) aus- bzw. gleichgeschaltet wurde. Die inhaltliche Anleitung der Medien (vgl. Wilke 2007) erfolgte über tägliche Pressekonferenzen der Reichsregierung mit genau festgelegten und von den Medienschaffenden strikt zu beachtenden inhaltlichen und formalen Direktiven. Die Medienlenkung verlief fernschriftlich und fernmündlich über eine staatliche Agentur, das »Deutsche Nachrichtenbüro« (DNB). Wichtige Informationen zur Anleitung der Massenmedien in der Deutschen Demokratischen Republik finden sich u. a. bei Pürer/Raabe 2007, S. 182ff; Pürer 2014, S. 230f; Fiedler/Meyen 2011, S. 9ff; Bobsin 2013; Fiedler 2014.

1.1.4Die Kommunikationsgrundrechte

Die verfassungsrechtliche Ordnung der meisten demokratischen Staaten, so auch jene der Bundesrepublik, orientiert sich an unumstößlichen Grundwerten. Als oberster Wert gilt die Würde des Menschen, die im Zentrum des Menschenrechtskerns steht. Zu ihm gehören die Freiheit der Persönlichkeitsentfaltung, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, die Freiheit der Person, das Prinzip der Gleichbehandlung aller Individuen, die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit sowie nicht zuletzt die Informations- und Meinungsfreiheit. Alle diese Grundrechte stellen Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat dar und sollen die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt schützen (vgl. Fechner 2012, S. 22; vgl. Maaßen/Decker 1983). Neben Informations- und Meinungsfreiheit sowie Pressefreiheit (vgl. Fechner 2012, S. 19ff) gehören des Weiteren die Versammlungsfreiheit und das Demonstrationsrecht, die Vereinigungsfreiheit sowie das Petitionsrecht zu den Kommunikationsgrundrechten. Dazu im Einzelnen:

Informations- und Meinungsfreiheit

Oberste Kommunikationsgrundrechte sind in der Informations- und Meinungsfreiheit zu sehen. In der Bundesrepublik Deutschland sind sie in Art. 5 des Grundgesetzes festgehalten und haben damit Verfassungsrang. Dort heißt es:

»1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre.

3) Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung«.

Die durch die Verfassung geschützte Informations- und Meinungsfreiheit umfasst zunächst zwei wichtige Komponenten, nämlich: eine gebende und eine nehmende:

Die gebende Komponente besteht darin, dass der Einzelne die Möglichkeit hat, seine Meinung frei zu äußern, zu vertreten, zu verbreiten sowie weiterzugeben. »Der Schutz der Meinungsfreiheit soll […] nicht nur dem Einzelnen grundsätzlich die aktive Teilhabe am Prozess der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung ermöglichen, sondern auch gleichzeitig einen freien Austausch und die Auseinandersetzung der Meinungen in der freiheitlichen Demokratie gewährleisten. Insofern ist ›Meinungsfreiheit‹ als umfassende Rede- und Mitteilungsfreiheit zu verstehen« (Pürer/ Raabe 1996, S. 264 mit Bezugnahme auf Branahl 1992, S. 17). Dieser Schutz der Meinungsfreiheit umfasst insbesondere auch Meinungsäußerungen im Sinne wertender Stellungnahmen, wie sie z. B. v. a. in Presse und Rundfunk in Form von Glossen, Kommentaren oder Leitartikeln, in Leserbriefen, Flugblättern und Flugschriften ihren Ausdruck finden (vgl. Branahl 1992, 2006). In der Onlinekommunikation erleichtern und ermöglichen, wie erwähnt, Chats, Foren, Blogs und Tweets Möglichkeiten des Einzelnen, an der Meinungsfreiheit aktiv teilzuhaben.

Die nehmende Komponente ist in dem Recht zu sehen, »sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten« (Art. 5 GG, Abs. 1). Dies bedeutet nicht nur, »frei und ungehindert Informationen anderer entgegennehmen zu können, sondern auch, sich durch das Aufsuchen von Informationsquellen aktiv zu informieren« (Pürer/Raabe 1996, S. 265 mit Bezugnahme auf Gädeke 1990, S. 139). Das Recht der Informationsfreiheit steht, wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, jeder Person, also auch ausländischen Mitbürgern zu. Es hat eine individuelle und eine demokratische Komponente. Informationsfreiheit ermöglicht es dem Einzelnen, seinen Wissensdurst zu stillen, ohne vom Staat daran gehindert zu werden (individuelles Abwehrrecht). Die Informationsfreiheit schafft aus demokratietheoretischer Sicht »zugleich mit der Meinungsfreiheit die Voraussetzung dafür, dass ein rational fundierter Prozess öffentlicher Meinungs- und Willensbildung möglich wird« (Branahl 1992, S. 19; Branahl 2006). Diese nehmende Komponente hat durch das 2006 in Kraft getretene Informationsfreiheitsgesetz eine besondere Stärkung erhalten (Fechner 2012, S. 45–48).

Pressefreiheit

Während bei Informations- und Meinungsfreiheit (Art. 5, Abs. 1, Satz 1) das Gewicht eher auf der individualrechtlichen Seite liegt, steht bei der in Art. 5, Abs. 1, Satz 2 des Grundgesetzes gewährleisteten Freiheit der Massenmedien der demokratiepolitische Aspekt im Vordergrund: Die Freiheit der Massenmedien ist für den sozialen und politischen Prozess freiheitlich-demokratischer Ordnungen konstitutiv. Durch die Pressefreiheit soll sichergestellt werden, dass die Massenmedien ihre Rolle als Medium und Faktor im Prozess der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung wahrnehmen können. Somit kommt den Massenmedien eine dienende Funktion zu. Ihre wesentlichen Aufgaben sind (hier nach Pürer/Raabe 1996, S. 167 in Anlehnung an Gädeke 1990, S. 234):

 

• »die Bildung öffentlicher Meinung zu ermöglichen und damit gleichzeitig die Voraussetzung für die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte zu schaffen;

• ihre Kontrollfunktion gegenüber Staat, Regierung und deren ausführenden Organen wahrzunehmen sowie

• zwischen den Bürgern und den Trägern staatlicher Zuständigkeit als Vermittler zu wirken« (Hervorhebung i. Orig.).

Damit sind bereits wichtige Leistungen der Massenmedien in demokratischen Systemen angesprochen. Voraussetzung für ihr Funktionieren ist, dass die Massenmedien staatsunabhängig organisiert sind und in ihnen nach Möglichkeit alle gesellschaftlichen Gruppen und geistigen Richtungen zu Wort kommen. Im Wesentlichen ist diese Vielfalt in der Bundesrepublik Deutschland durch die binnenplurale Organisation öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten sowie durch die außenplurale Vielfalt im ausdifferenzierten Presse- und Rundfunkwesen privatwirtschaftlicher Natur gegeben (auch wenn, wie erwähnt, bei den privat-kommerziellen Medien sowohl im Print- wie auch im Funkmedienbereich eine unübersehbare Tendenz zur Bildung marktbeherrschender Konzerne feststellbar ist). Das Internet eröffnet durch seine vielfältigen Publikationsmöglichkeiten dem Einzelnen in besonderer Weise, von allen diesen Rechten Gebrauch zu machen – wiewohl das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Differenziertere Auskunft über die hier erwähnten Rechte sind u. a. Fricke (2010) und Fechner (2012) zu entnehmen.

Weitere Kommunikationsgrundrechte

Dem Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit sowie der verfassungsrechtlich garantierten Pressefreiheit sind weitere Kommunikationsgrundrechte zur Seite gestellt, die für die Verwirklichung politischer Meinungs- und Willensbildung unerlässlich sind. Es sind dies, wie erwähnt, die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG) sowie das Petitionsrecht (Art. 17 GG).

Mit der Versammlungsfreiheit wird dem Bürger das Recht garantiert, an Versammlungen und Demonstrationen teilzunehmen. Das bedeutet zugleich auch die Möglichkeit, die Vermittlungsinstanz der Massenmedien zu umgehen, die eigene Meinung unmittelbar in die öffentliche Diskussion einzubringen und sich direkt ein Urteil zu bilden. Geschützt wird durch die Versammlungsfreiheit auch die mit der Teilnahme an einer Versammlung oder Demonstration zum Ausdruck gebrachte Haltung (vgl. Maaßen/ Decker 1983, S. 56).

Die Vereinigungsfreiheit garantiert das Grundrecht, Vereine zu bilden. Vereine zeichnen sich im Unterschied zu Versammlungen durch das Kriterium der Dauerhaftigkeit sowie durch die organisierte Willensbildung aus. »Vereine bzw. Vereinigungen dienen i. d. R. dazu, politische oder andere für die Gemeinschaft relevante Meinungen und Interessen zu bilden (bzw. zu artikulieren), zu verbreiten und sie auch der Gesellschaft oder staatlichen Organen gegenüber zu vertreten« (Pürer/Raabe 1996, S. 266 in Anlehnung an Maaßen/Decker 1983, S. 57).

Das Petitionsrecht schließlich gesteht dem Bürger die Möglichkeit zu, »sich einzeln oder in Gesellschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden« (so der Wortlaut in Art. 17 GG). Es räumt allen Bürgern die Möglichkeit ein, sich ohne Zwischenträger – z. B. mit einem offenen Brief oder eben einer Petition – unmittelbar an die Verantwortlichen im Staat zu wenden (Maaßen/Decker 1983, S. 57). Zu diesen und anderen Grundrechten siehe Epping 2015.

Grenzen und Schranken der Kommunikationsgrundrechte

Aus Art. 5 des Grundgesetzes geht auch hervor, dass die Informations- und Meinungsfreiheit nicht grenzenlos ist. Sie findet gemäß Art. 5 Abs. 2 GG »ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre«. Das bedeutet, dass es Rechtsgüter gibt, die mit der Pressefreiheit kollidieren können. Im Einzelfalle ist daher durch eine sorgfältige Güterabwägung der zu schützenden Interessen gewissenhaft zu prüfen, welchem Recht – hier öffentliches Interesse, dort z. B. schutzwürdige Interessen einer Person (Persönlichkeitsschutz) – der Vorzug einzuräumen ist. Bei inkriminierten Verstößen der Pressefreiheit gegen gleichwertige (oder höhere) Rechtsgüter liegt es an den Gerichten, Recht zuzuerkennen.

Schutzwürdige Rechtsgüter gegenüber der Pressefreiheit können neben allgemeinen Gesetzen v. a. sein (vgl. zusammenfassend Pürer/Raabe 2007, S. 340–342; siehe auch Branahl 2006; Fricke 2010; Fechner 2012):

• Gemeinschaftsinteressen wie: der Schutz der äußeren Sicherheit des Staates; der Schutz des inneren Friedens; der Schutz der öffentlichen Sicherheit; die Gefährdung des demokratischen Staates durch Propaganda für rechtswidrige Organisationen oder die Verunglimpfung des Staates und seiner Organe.

• Im Weiteren gibt es der Pressefreiheit gegenüber zu schützende Individualinteressen wie: den Persönlichkeitsschutz und das Recht der persönlichen Ehre; den Schutz religiöser Gesinnung oder Weltanschauung sowie den Schutz der Gesundheit, der Sittlichkeit und der Moral.

• Mit den Bestimmungen zum Schutz der Jugend sollen schließlich Gefahren abgewendet werden, wie sie entstehen können, wenn Gewalttaten oder Verbrechen glorifiziert werden, Rassenhass provoziert und Krieg verherrlicht sowie z. B. sexuelle Vorgänge in grob schamverletzender Weise dargestellt werden (Pornografie) und zu Fehlentwicklungen führen können.

• Der Schutz der persönlichen Ehre gegenüber der Informations- und Meinungsfreiheit wird hergeleitet aus dem Schutz der Würde des Menschen, die, wie erwähnt, im Zentrum des Menschenrechtskerns steht. Gemäß Art. 1 GG ist sie unantastbar, und alle staatliche Gewalt ist verpflichtet, sie zu achten und zu schützen. Dies gilt insbesondere auch für Geisteskranke und ebenso für Personen, die sich schwerer Gesetzesverletzungen schuldig gemacht haben (vgl. Hubmann 1967).

Das Recht der Massenmedien

Die Rechtsgrundlagen der Massenmedien sind in zahlreichen demokratischen Staaten, so auch in der Bundesrepublik Deutschland, auf eine große Zahl von Gesetzesmaterien verteilt (vgl. Fechner 2012). In Deutschland ist dies u. a. auch bedingt durch die föderale Struktur der Bundesrepublik. Zu den wichtigsten nationalen Gesetzen, anderen Rechtsmaterien sowie rechtsähnlichen Übereinkünften gehören u. a.:

• das Grundgesetz

• Urteile des Bundesverfassungsgerichts

• die Verfassungen der einzelnen Länder

• die Landespressegesetze

• die Landesrundfunkgesetze (öffentlich-rechtlicher Rundfunk)

• die Landesmediengesetze (privater Rundfunk)

• Staatsverträge der Länder in Rundfunkangelegenheiten

• Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien

• das Telemediengesetz (TMG)

• das Telekommunikationsgesetz (TKG)

• medienrelevante zivil- und strafrechtliche Bestimmungen