Jahrbuch der Baumpflege 2021

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4 Aspekte der Stadtplanung

Wurzelschäden an Abwasserkanälen führen zu hohen Kosten für die öffentlichen Kassen. Auch neue Abwasser rohre sind nicht wurzelfest. Es ist nicht immer möglich, Konflikte zwischen Stadtbäumen und Abwasserkanälen zu vermeiden, denn Städteplaner wollen zum einen städtebaulich attraktive Straßen mit Bäumen und viel Grün, gleichzeitig aber auch eine funktionierende Kanalisation (ORVESTEN et al. 2003).

Was ist zu tun? Müssen wir auf das eine oder andere verzichten – d. h., entweder keine Straßenbäume mehr pflanzen oder keine unterirdischen Leitungen mehr verlegen?

Auch in heutigen Bebauungsplänen für urbane Bereiche werden Bäume noch häufig nach ihrer ästhetischen Form ausgesucht und z. B. in von Pflaster umschlossene, nur 1,2 × 1,2 m große Pflanzlöcher eingesetzt, die höher liegen als die umliegenden Flächen und mit Holz- oder Metallgittern versehen werden. Gleichzeitig werden ohne Rücksicht auf bestehende oder zukünftige Vegetation unterirdische Leitungen geplant. Dieses Verhalten führt zu erschwerten Lebensbedingungen für Stadtbäume, was wiederum zu Wurzeleinwuchs und nachfolgend zu Schäden an der unterirdischen Infrastruktur führt.

Planer und Architekten sollten bei ihrer Arbeit mehr Augenmerk darauf richten, gleichermaßen gute Bedingungen für Bäume und für die technische Infrastruktur, in diesem Fall für das Abwassersystem, zu schaffen, so dass ein Konflikt erst so spät wie möglich auftritt; im Idealfall erst zum Ablauf der technischen Lebensdauer der Rohrleitungen. Die technische Lebensdauer eines Abwassersystems beträgt etwa 100 Jahre – und dies sollte auch für einen Baum gelten!

Nach heutigem Wissensstand wird der Zeitpunkt, zu dem Baumwurzeln in ein Kanalsystem eindringen, von folgenden Faktoren bestimmt:

 Welche Baumspezies gibt es an dem betreffenden Standort?

 Wie wird der Baumstandort vorbereitet?

 Wie groß ist der Abstand zwischen Baum und Rohrleitung?

 Welche Präventivmaßnahmen gegen Wurzeleinwuchs werden ergriffen?

 Welcher Rohrtyp, welches Rohrmaterial, welches Verlegeverfahren wird gewählt?

Der Städteplaner bzw. Architekt kann also großen Einfluss darauf nehmen, wann das Problem Wurzeleinwuchs auftritt, indem er beispielsweise folgende Präventivmaßnahmen ergreift:

 Planung von Bäumen nur an Standorten, an denen geeignete Bedingungen herrschen oder geschaffen werden können. Andernfalls Plan aufgeben!

 Geeignete Baumarten nach ihren artspezifischen Anforderungen auswählen.

 Die Baumscheibe bzw. die Pflanzgrube entsprechend den Anforderungen der ausgewählten Baumart gestalten.

 Präventive Maßnahmen vorsehen, wie z. B. Wurzelsperren, um zusätzlich Wurzeleinwuchs zu verhindern, wobei die alleinige Verwendung von Wurzelsperren nicht ratsam ist, da es zum „Blumentopf-Effekt“ kommen kann.

Es konnte nachgewiesen werden, dass der Zeitpunkt des Auftretens von Wurzelschäden verzögert werden kann, wenn der Stadtplaner/Architekt die oben beschriebenen Präventivmaßnahmen an den anfälligsten Stellen des Abwassersystems umsetzt (ORVESTEN et al. 2003).

5 Fallbeispiel: Folgen von Wurzeleinwuchs bei unterschiedlichen Planungsvarianten von Bäumen und Abwasserleitungen (Auszug aus ORVESTEN et al. 2003)

Das folgende Fallbeispiel hat nicht zum Ziel, exakte Maße und Daten zu liefern, vielmehr soll es ein vollständigeres Bild davon geben, welche finanziellen Konsequenzen Planungsentscheidungen, wie Baumwahl oder Standortwahl haben können.

Die vorliegende Analyse der Folgekosten von Wurzeleinwuchs basiert auf einer Kostenkalkulation, die für das Gebiet Vanåsgatan in Malmö, Schweden, erstellt wurde. Wir möchten darauf hinweisen, dass den dargestellten Kurven keine wissenschaftliche Datenbasis zugrunde liegt und dass die verzögernden Wirkungen der unten aufgezeigten Präventivmaßnahmen Schätzwerte darstellen.


Abbildung 10: Der hier abgebildete Baum wurde direkt über einer Regenwasserleitung gepflanzt: Der Rohrdurchmesser ist klein und das Rohr verläuft in einer Tiefe von 2,5 m; die Distanz zwischen Boden des Pflanzbettes und Oberseite des Kanalbetts beträgt nur 1,2 m; das Kanalbett besteht aus lockerem und leicht durchwurzelbarem Substrat (nach ORVESTEN et al. 2003).

Folgende Daten wurden für das Beispiel zu Grunde gelegt:

Pflanzstandort: Horizontale Distanz zwischen Baum und Rohrleitung verändert (s. u.)

Baumumfeld: Gepflasterte Umgebung mit kleinem Pflanzgrubenvolumen (ca. 4 m3)

Baumart (Beispiel): Baumart mit geringer Wurzelenergie (z. B. Holländische Linde (Tilia × europaea)) Geschätzte Baumlebensdauer: 150 Jahre

Rohrtyp: Regenwasserleitung aus Beton, Ø 400 mm

Geschätzte technische Lebensdauer: 100 Jahre

Rohrtiefe: 2,5 m

Alternative 1: Diese Kurve zeigt die tatsächlichen Kosten für das Projekt Vanåsgatan in Malmö mit der Spezies Silberweide (Salix alba), einer Pionierart mit hoher Wurzelenergie. Diese Kurve wurde hier als Basis für die Prognoserechnung herangezogen. Sie wird durch den Effekt verschiedener Präventivmaßnahmen in der Zeit verschoben (Alternativen 2 und 3). Wurzelprobleme traten in Vanåsgatan nach etwa 40 Jahren auf (ROLF & STÅL 1994).


Abbildung 11: Hier wurden dem Baum drei verschiedene Standorte zugewiesen: Durch eine vergrößerte Distanz wird der Zeitpunkt des Wurzeleinwuchses nach hinten verschoben; wenn horizontale und vertikale Wurzelsperren verlegt werden, wird dieser Zeitpunkt noch weiter nach hinten verschoben (nach ORVESTEN et al. 2003)

Alternative 2: Der Planer hat einen Baum mit geringer Wurzelenergie (Tilia × europaea) direkt über die Rohrleitung platziert ohne jegliche Präventivmaßnahmen. Dies führt zu raschem Wurzeleinwuchs, so dass das Wurzelproblem nach etwa 45 Jahren akut wird. Kanalsanierung und Baumverpflanzung oder Neuanpflanzung müssen erfolgen. Die ursprüngliche Investition hat eine kürzere Laufzeit, also höhere Kosten pro Zeiteinheit

Alternative 3: Bei dieser Variante hat der Planer vorgesehen, den Baum mit einer horizontalen Distanz von 2 m zur Rohrleitung zu pflanzen; Präventivmaßnahmen werden ergriffen. Weiterhin entscheidet sich der Planer für eine optimierte Pflanzgrube mit überdurchschnittlich großem Volumen von mindestens 10 m3 (verfüllt mit grobem Substrat, sofern erforderlich). Der erwartete Zeitpunkt des Wurzeleinwuchses wird weiter nach hinten verschoben.

Alternative 4: Der Planer hat hier die Möglichkeit, eine noch größere Distanz von 3 m zu wählen; alle anderen Faktoren entsprechen denen der Alternative 3.

Kommentar: Die Wahl des Baumstandortes und die Anwendung von Präventivmaßnahmen haben auf die Entwicklung künftiger Kosten entscheidenden Einfluss. Durch das Einhalten einer möglichst großen kritischen Distanz können Investitions- und Unterhaltungskosten gesenkt werden.

Der geschätzte Zeitpunkt des Wurzeleindringens wird noch weiter in die Zukunft versetzt. Diese Alternative verursacht die geringsten Investitions- und Unterhaltungs kosten pro Zeiteinheit.

Zusammenfassung der Beispiele

Stadtplaner haben unter bestimmten Umständen die Möglichkeit, das Problem des Wurzeleinwuchses hinauszuzögern und damit die Unterhaltskosten zu senken. Die Planungsparameter, die direkten Einfluss auf den Zeitpunkt des Wurzeleindringens haben, sind: Wahl der Baumart, Rohrtyp, Rohrdurchmesser, Standortbedingungen, standortverbessernde Maßnahmen, Distanz zwischen Baum und Rohrleitung und Wahl der Wurzelsperre. Die Graphik aus Abbildung 12 wird in Tabelle 4 zusammengefasst.

Abbildung 12: Finanzielle Auswirkungen der Platzierung von Bäumen in die Nähe von Abwasserleitungen (alternative Standortwahl, Wurzelsperre, etc.) (nach ORVESTEN et al. 2003)

Kommentar: Kleine Rohrdurchmesser sind erheblich anfälliger für Wurzeleinwuchs, daher sind in diesen Fällen die Baumwahl, die Standortfrage und Präventivmaßnahmen besonders wichtig. Daher müssen die Auswahl der geeigneten Baumspezies, der richtige Pflanzstandort, etc. sehr viel sorgfältiger durchgeführt werden, als dies bisher meist der Fall war. Dann kann Wurzeleinwuchs verhindert oder deutlich verzögert werden. Rohre mit kleinem Durchmesser verstopfen schnell, wenn die Wurzeln einmal eingedrungen sind, und die Situation kann rasch akut werden. Wenn ein Baum in nächster Nähe zu einem dünnen Rohr steht, ist die Gefahr des Wurzeleinwuchses extrem hoch, selbst wenn Wurzelsperren verlegt wurden und die richtige Baumart ausgewählt wurde. Daher sind bei solchen Planungen die das Baumwachstum bestimmenden Parameter, wie Pflanzgrubenvolumen und andere Standortbedingungen zu berücksichtigen, um Wurzeleinwuchs zu verhindern oder zu verzögern.

Tabelle 4: Bedeutung des Rohrdurchmessers für den Wurzeleinwuchs

 

Die Wahl der präventiven Maßnahmen muss auch in Abhängigkeit von der jeweiligen Baumart, den Standortbedingungen und dem Rohrtyp (nach ORVESTEN et al. 2003) erfolgen


Rohrdurchmesser Anfälligkeit für Wurzeleinwuchs Wichtige Planungsparameter Sekundäre Planungsparameter
klein (< 300 mm) Hoch Baumart, Baumstandort, Standortverbesserung, Wurzelsperren
groß (> 600 mm) Niedrig Baumart, Standortverbesserung, Wurzelsperren Standort

Literatur

BENNERSCHEIDT, C.; SCHMIEDENER, H., 2004: Warum Wurzeln in Kanäle wachsen. NoDig Sonderausgabe 04.

BOERESCH, A., 1996: Ursachen von Wurzeleinwuchs in Hausanschlussleitungen. Stadt und grün 12/96, 869–875.

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Phil. Trans. R. Soc. London. B (1990) 329, 343–355.

MATTHECK, C.; BETHGE, K.; STÅL, Ö., 1996: Die Querkraft einer Wurzel von Carrhagana arborscens. Baum-Zeitung 1–1996, 9.

PFEFFER, W., 1893: Druck und Arbeitsleistung durch wachsende Pflanzen. Abhandlungen der Königlich-Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften Nr. 33, 235–474.

ORVESTEN, A.; KRISTOFFERSSON, A.; STÅL, Ö., 2003: Trädrötter och ledningar- goda exempel på lösningar och samarbetsformer. Svenska Vatten och Avloppsverksföreningen. VA-FORSK Report 31, 2003.

RANDRUP, T. B., 2000: Occurence of Tree Roots in Danish Municipal Sewer Systems. Arboricultural Journal, vol. 24, 283–306.

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ROLF, K.; STÅL, Ö., 1994: Tree roots in sewer systems in Malmö, Sweden. Journal of Arboriculture, 20:6, 329–335.

STÅL, Ö., 1995: Rotspärrar håller rötterna i schack. Utemiljö, Gröna Fakta 2:1995.

STÅL, Ö., 1996: Rotinträngning i avloppsledningar. En undersökning av omfattning och kostnader i Sveriges kommuner. Svenska Vatten och Avloppsverksföreningen. VA-FORSK Report 1996–02.

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STÅL, Ö., ROSENLÖF, J., 1995: Trädrötter och avloppsledningar. En fördjupad undersökning av rotproblem i nya avloppsledningar. Svenska Vatten och Avloppsverksföreningen. VA-FORSK Report 1995–11.

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WAGAR, J. A.; BARKER, A. P., 1993: Effectiveness of tree barrier materials for stopping regenerating roots of established trees. Journal of Arboriculture 19:6, 332–338.

Autoren

Bsc. Eng. Don Ridgers arbeitete 2005 bei Thames Water, Großbritannien und verfügt über eine 30jährige Erfahrung in der Wasserindustrie; sein Hauptarbeitsgebiet ist die Kanalisation.

Agr. Lic Kaj Rolf war 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften (SLU) und hat dort den Komplex Boden und Wurzeln bearbeitet.

Dipl. Ing. Örjan Stål hat zeitweise ebenfalls als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der SLU gearbeitet und war 2005 bei der Firma SWECO VBB AB beschäftigt.

Kontakt: Orjan.stal@viosab.se

* Nachdruck aus/Reprint from Jahrbuch der Baumpflege 2005

1 COST = Coopération européenne dans le domaine de la recherche scientifique et technique = Europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und technischen Forschung

Gesunde Bäume trotz Leitungsbau – Handlungsempfehlungen für einen fachgerechten Baumschutz *
Healthy trees despite trenching – recommendation for tree protection
von Horst Stobbe und Thomas Kowol

Zusammenfassung

Leitungstrassen sollten möglichst außerhalb des Wurzelbereiches und falls dies nicht möglich ist, soweit wie möglich vom Stamm entfernt verlegt werden. Innerhalb des Wurzelbereiches sind Baumschutzmaßnahmen mit entsprechenden Vorgaben hinsichtlich der Durchführung der Leitungsverlegungen erforderlich. Besondere Bedeutung hat hierbei die Planung der Baumaßnahme unter Berücksichtigung des Baumbestandes. Ziel der vorliegenden Arbeit ist aufzuzeigen, wie ein Erhalt von gesunden Bäumen trotz Durchführung von Leitungsbaumaßnahmen möglich ist. Auf Basis von Normen und Regelwerken sowie Praxiserfahrungen werden Handlungsempfehlungen für den Baumschutz gegeben.

Summary

Trenching for the installation of pipes or wires should be outside the rooting area of trees or as far away as possible from the trunk of the tree. If work has tobe carried out within the rooting area of trees it is necessary to protect roots of more than 2 cm in diameter from being cut or damaged. In the planning phase trees should be described in a map (position of the tree, crown diameter respectively size of the rooting area). The aim of this paper is to show how to maintain sound and healthy trees despite trenching. On the basis of the German rules and regulations as well as on practical experiences recommendations for tree protection during construction are given.

1 Einleitung

Der Baumschutz auf Baustellen im urbanen Bereich hat seit längerem eine immer größere Bedeutung bekommen, zum einen aufgrund eines stärkeren Umwelt bewusstseins der Bevölkerung und zum anderen aufgrund des begrenzten Platzes im öffentlichen Straßenraum (BLAUERMEL 1968, 1978). Letzteres bedingt, dass bei der Verlegung neuer Leitung immer dichter an Bäume herangerückt wird und hierdurch ein zunehmendes Konfliktpotenzial entsteht (Abbildung 1). Aufgrund umfangreicher Baumschäden als Folge nicht fachgerecht und/oder nur unzureichend ausgeführter Schutzmaßnahmen wurden verschiedene Normen und Regelwerke hierzu erarbeitet (DUJESIEFKEN 2000), z. B. das Merkblatt über Baumstandorte und unterirdische Ver- und Entsorgungsleitungen (1989), die RAS-LP 4 (1999) und die DIN 18 920 (2002). Auf Basis dieser Regelwerke und der langjährigen Erfahrungen des Instituts für Baumpflege bei der Betreuung von Baumaßnahmen im Bereich von Bäumen werden Probleme und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt und anschließend Handlungsempfehlungen für einen fachgerechten Baumschutz gegeben.

Abbildung 1: Im innerstädtischen Bereich führt der Mangel an Platz zum Konflikt zwischen Baum und Leitung

2 Baumschäden auf Baustellen

Die Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass häufig trotz entsprechender Vorschriften bzw. trotz der vorhandenen Normen und Regelwerke Baumbestände mehrere Jahre nach Hoch- und Tiefbaumaßnahmen erhebliche Schäden aufweisen oder sogar absterben (BALDER 1988, 1990; DUJESIEFKEN 1993). Ursache für die Schäden sind vor allem Beeinträchtigungen im Wurzelbereich der Bäume (Abbildung 2). Diese um fassen nicht nur mechanische Verletzungen wie Wurzelabrisse und Quetschungen, sondern auch Bodenverdichtungen und Veränderungen der Bodenzusammensetzung durch den Eintrag von Fremdstoffen. Holzbiologische Untersuchungen belegen, dass vor allem Altbäume empfindlich auf Standortveränderungen und Wurzelverletzungen reagieren und nach Bauvorhaben oftmals innerhalb weniger Jahre starke Schäden zeigen (BLAUERMEL 1978; DUJESIEFKEN 1993; WATSON & NEELY 1993, 1995; BALDER 1998; HARRIS et al. 1999; ECKSTEIN 2000).

Abbildung 2: Wurzelverletzung bei nicht fachgerechter Leitungsverlegung

Auf Baustellen kommt es häufig zu Schäden an Bäumen. Dies gilt für Hoch- und ebenso für Tiefbaumaßnahmen. Die Verlegung von Versorgungs- und Entsorgungsleitungen wird im Vergleich z. B. zum Straßenbau hinsichtlich des Schadenspotenzials häufig unterschätzt. Bei Leitungsbaumaßnahmen hat man es zudem typischerweise mit weniger offensichtlichen Schäden zu tun, anders als zum Beispiel bei Stammverletzungen sind die Beeinträchtigungen an den Wurzeln verdeckt. Beim Ausheben von Leitungsgräben mit einem Bagger werden vor allem auch Wurzeln außerhalb der Trasse beschädigt oder abgerissen. Auch durch den Einsatz so genannter Mini-Bagger, z. B. bei Neuanlage oder Reparatur von Hausanschlüssen, kann es zu starken Schäden an Bäumen kommen.

Beeinträchtigungen im Wurzelbereich führen, je nach Umfang, nach Monaten oder erst nach Jahren zu erkennbaren Schadsymptomen in der Krone: Durch Wurzelverluste kommt es zu einer Minderversorgung der Krone mit Wasser und Nährstoffen und je nach Schwere des Eingriffs auch zu sichtbaren Kronenverlichtungen. Sind stärkere Wurzeln betroffen, kann sich ein Pilzbefall von den Wunden ausgehend bis in den Wurzelstock hinein ausbreiten und nach Jahren die Verkehrssicherheit des Baumes gefährden; ein Zusammenhang mit den zuvor erfolgten Bauarbeiten ist häufig nicht mehr ohne weiteres erkennbar. Bei starken Wurzelverlusten kann auch direkt nach der Baumaßnahme die Standsicherheit des Baumes nicht mehr gewährleistet sein und dann ist die Fällung häufig unausweichlich.

Zusätzlich zu der direkten Schädigung des Wurzelwerkes durch Wurzelverletzungen und Wurzelkappungen kann es auch zu gravierenden Schädigungen durch Bodenverdichtung kommen, z. B. durch Baumaschinen. Durch die Verdichtung werden der Gasaustausch und der Sauerstoffgehalt im Boden vermindert. Da auch Wurzeln atmen und auf Sauerstoff angewiesen sind, kommt es zum Absterben von Teilen des Wurzelwerks. Hierdurch wird wiederum ein Mangel in der Wasser- und Nährstoffversorgung verursacht, und als Folgewirkung zeigen sich Schäden in der Krone. Weiterhin können auch in die hierdurch abgestorbenen Wurzeln holzzerstörende Pilze eindringen, die zu einer massiven Fäule im Wurzelstock führen können.

3 Ausdehnung von Wurzeln auf urbanen Standorten

Aus der forstlichen Literatur sind drei unterschiedliche Wurzelsysteme von Bäumen bekannt (KÖSTLER et al. 1968; BRAUN 1982): Bei ungestörter Entwicklung bilden Tanne, Kiefer und Eiche ein Pfahlwurzelsystem aus, während die meisten einheimischen Baumarten eher ein Herzwurzelsystem entwickeln, so z. B. Lärche, Birke und Hainbuche. Die eher flachstreichenden Wurzeln von Fichte, Esche und Pappel werden in der forstlichen Literatur als Senkerwurzelsystem bezeichnet. Zudem haben die Bodeneigenschaften einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Wurzelsystems, so dass Bäume der gleichen Art auf z. B. Sand- oder Lehmboden unterschiedliche Wurzelsysteme aufbauen (POLOMSKI & KUHN 1998; KUTSCHERA und LICHTENEGGER 2002).

Die Größe des Wurzelbereichs von Bäumen kann somit sehr unterschiedlich sein, und zwar in Abhängigkeit von der Bodenstruktur und der Baumart. Insbesondere auf anthropogen veränderten Stadtstandorten, die im urbanen Bereich nahezu überall vorliegen, kann die Lage und Stärke der Wurzeln oftmals stark variieren. Auf den meisten Stadtstandorten können sich Wurzeln nicht ungestört entwickeln, sondern unterliegen aufgrund veränderter Bodenstrukturen, z. B. eingebrachtem Bauschutt oder sehr stark verdichteten Böden unter Fahrbahnen, z. T. erheblichen Einschränkungen. Aus diesem Grund sind häufig unmittelbar neben dem Baum nur in geringem Umfang Wurzeln zu finden, obwohl sich nach dem forstlichen Wurzelmodell hier ein umfangreiches Wurzelwerk ausgebildet haben müsste (Abbildung 3). Somit ist eine Vorhersage des Vorkommens von Wurzeln im urbanen Bereich nahezu unmöglich.

 

Wurzeln vermögen wasser- und nährstoffreiche Schichten des Bodens aufzusuchen und dadurch das pflanzenverfügbare Wasser und den Nährstoffvorrat des zugänglichen Bodenvolumens weitgehend auszunutzen (LYR et al. 1992). Aufgrund dieser Fähigkeit können sich die Wurzeln von Stadtbäumen gezielt in die Bodenbereiche hinein entwickeln, die ihnen ausreichend Wasser und Nährstoffe zur Verfügung stellen. Grobporige und damit sauerstoffreiche Bodenschichten wie sie beim Verfüllen von Leitungsgräben oder im Bereich von Fuß- und Radwegen verwendet werden, sind für Bäume auf eingeengten Standorten besonders interessant (LÖSKEN 1999; SCHRÖDER 2001; REICHWEIN 2002; HEIDGER 2004). Eine konzentrische Ausbildung des Wurzelwerkes in alle Richtungen ist somit auf urbanen Standorten relativ unwahrscheinlich. Werden in unmittelbarer Nähe von Bäumen Leitungen verlegt, können sich die Baumwurzeln nachfolgend stark im Bereich dieser Leitungstrassen ausbreiten und dabei z. T. erhebliche Schäden an den Leitungen verursachen (RIDGERS et al. 2004, BENNERSCHEIDT & SCHMIEDENER 2004).

Abbildung 3: Häufig finden sich unmittelbar neben dem Baum keine Wurzeln

Untersuchungen von ca. 3.000 Praxisfällen, bei denen Wurzeln von Bäumen Gebäude bzw. Leitungen beschädigt haben, zeigen auf, dass sich der überwiegende Teil der Wurzeln im unmittelbaren Wurzelbereich des Baumes befindet (CUTLER & RICHARDSON 1989). Im Extremfall können jedoch manche Baumarten mit ihren Wurzeln größere Entfernungen überwinden, um sich Wasser und Nährstoffe verfügbar zu machen. Hierbei sind besonders die Pioniergehölze Pappel und Weide zu erwähnen mit 30 bzw. 40 m maximaler Wurzellänge sowie Eiche (30 m), Ulme (25 m), Rosskastanie (23 m), Esche (21 m) und Linde (20 m). Hieraus ergibt sich, dass man mitunter auch weit außer halb des Wurzelbereiches nach DIN 18 920 einzelne starke Wurzeln oder sogar ein umfangreiches Wurzelwerk auffinden kann (Abbildung 4).

Abbildung 4: Vereinzelt kommen Starkwurzeln auch außerhalb des Kronenbereiches vor