Jahrbuch der Baumpflege 2021

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3 Der Nutzen von Vereinbarungen
3.1 Zusammenarbeit ersetzt Konfrontation

Wir wären unseren dienstlichen Verpflichtungen und unserer beruflichen Verantwortung nicht gerecht geworden, wenn wir wegen der „Störfaktoren“ resigniert und uns von einem wichtigen Thema wegen „Unlösbarkeit“ abgewandt hätten. So war es selbstverständlich, dass die Zusammenarbeit zwischen den „Technikern“ und den „Baumleuten“ weitergeführt und im Laufe der Zeit noch intensiviert wurde.

Die auf Initiative des Tiefbauamtes erfolgte Einrichtung der Arbeitsgruppe „Bäume und Leitungen“ brachte die verschiedenen Interessen wieder an einen Tisch. Vertreter der involvierten Geschäftsbereiche der Stadtwerke Osnabrück AG, des Tiefbauamtes und des Grünflächenamtes arbeiteten die aktuellen Fragestellungen systematisch auf.

Das Ziel war, eine Vereinbarung zu treffen, in der die in der Praxis auftretenden Fragestellungen grundsätzlich geregelt werden sollten.

Ein erster, aber wichtiger Schritt war, dass man wieder begann, die Sorgen der jeweils anderen Seite ernst zu nehmen und der entsprechenden Sichtweise mit Respekt zu begegnen. Das bedeutete nicht, dass Sachargumente und Tatsachen tabuisiert worden wären, weil sich sonst jemand hätte provoziert fühlen können.

Wir „Baumleute“ haben uns bemüht, den technischen Kollegen zu vermitteln, dass die Bäume nur das umsetzen, was sie im Laufe der Evolution „gelernt“ haben, dass sie ihre Grenzen haben und, dass es trotz aller Regelwerke nicht die Schuld der Bäume ist, wenn sich Probleme zwischen Bäumen, Ver- und Entsorgungseinrichtungen und sonstiger technischer Infrastruktur ergeben.

Aber auch wir haben einiges gelernt, über Materialeigenschaften unterschiedlicher Ver- und Entsorgungseinrichtungen, Unterhaltungsprobleme, Beschädigungen und Sorgen bezüglich persönlicher Haftung bei Unfällen, insbesondere nach dem tragischen „Gasunfall von Viersen“. Unglücklicherweise explodierte etwa zur gleichen Zeit auch in Osnabrück eine Gasleitung, bei der ein Mensch schwer verletzt wurde und hoher Sachschaden entstand. In diesem Falle stand aber kein Baum in der Nähe!

Aus verschiedenen Gründen, die durchaus nachvollziehbar vorgetragen wurden, konnten die Kollegen der Stadtwerke an der angestrebten schriftlichen Fixierung unserer Vereinbarungen nur auf der Basis des oben erwähnten Merkblattes mitwirken. Wir haben uns zwischenzeitlich damit arrangiert und festgestellt, dass die Zusammenarbeit auf beiden Seiten aufgrund der Absprachen problemloser vonstatten geht als je zuvor. Auch die Frage der Kostenübernahme für die Installation von Schutzeinrichtungen für Leitungen ist akzeptabel nach dem „Verursacherprinzip“ geregelt.

3.2 Internationale Zusammenarbeit

So wie die Bäume in fast allen Städten der Welt mehr oder weniger eingeschränkte Entwicklungsmöglichkeiten besitzen, sind auch die Probleme, die sich aus der Nachbarschaft von Bäumen und Ver- und Entsorgungseinrichtungen ergeben können, zumindest innerhalb Europas ähnlich.

Auf EU-Ebene wurde diese Situation erkannt und war Anlass für die Einrichtung einer Arbeitsgruppe bei der damaligen COST Action C3 (COST = Europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und technischen Forschung). Aufgrund der von dieser Arbeitsgruppe dargestellten Perspektiven wurde im Jahre 2001 eine neue COST Action vereinbart, sie trägt die Bezeichnung C15.

Ihr Titel ist Programm: „Technical infrastructure and vegetation – improving relations and preventing conflicts by an interdisciplinary approach”, zu deutsch: „Technische Infrastruktur und Vegetation – Verbesserung der Beziehungen und Verhinderung von Konflikten durch eine interdisziplinäre Betrachtungsweise“.

COST Action C15 gliedert sich in die Arbeitsgruppen: A – „Utilities and urban vegetation“ (Versorgungseinrichtungen und Stadtvegetation) B – „Transport infrastructure and vegetation“ (Verkehrsinfrastruktur und Vegetation) C – „Buildings and urban vegetation“ (Gebäude und Stadtvegetation)

Allen Arbeitsgruppen gehören neben Experten aus Wissenschaft und Praxis der betroffenen technisch-stadtplanerischen Fachgebiete Fachleute aus der „Grünen Branche“ aus etlichen europäischen Ländern an.

In der Arbeit der COST Action C15 spiegelt sich eine Erfahrungen wieder, die in der Osnabrücker Arbeitsgruppe „Bäume und Leitungen“ bereits gemacht wurden: Je intensiver man über die Problemstellung anderer Disziplinen informiert ist und sie versteht, um so eher können Lösungsansätze gefunden werden und sei es auch nur der, zu erkennen, dass weiterer Forschungsbedarf gegeben ist.

Wie schnell sicher geglaubte Thesen durch neue Erkenntnisse in Frage gestellt werden müssen, zeigte sich erst jüngst: Bisher ging man davon aus, dass Baumwurzeln in Leitungen aus PVC, Steinzeug oder Beton, also solche mit Steckverbindungen, nur dann eindringen können, wenn deren Muffen defekt sind oder die Rohre selbst einen Schaden aufweisen. Sogar der Bundes gerichtshof hat sich in einem Urteil zum Einwachsen von Wurzeln in Leitungen diese Annahme zu Eigen gemacht (BRELOER 2001).

Nun belehren uns Forschungsergebnisse der Universitäten Bochum (STÜTZEL & BOSSELER 2003) und Alnarp, Schweden, eines Besseren (STÅL & RIDGERS 2004). Anscheinend sind die Muffendichtungen solcher Leitungen wohl geeignet, die in den Rohren fließenden Abwässer nicht austreten zu lassen. Für die Wurzeln von Bäumen sind sie auf Dauer offenbar kein ernst zu nehmendes Hindernis.

Ich gehe davon aus, dass uns diese neuen Erkenntnisse in Zukunft mehr beschäftigen werden, als heute noch absehbar. Für die Sondersitzung der Arbeitsgruppe A, die im Februar 2005 unter Hinzuziehung von Experten, die sonst nicht an der COST Action C15 beteiligt sind, stattfand, stand die Thematik bereits auf der Tagesordnung.

Literatur

BERNATZKY, A., 1973: Baum und Mensch. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main.

BRELOER, H., 2001: Fach- und Rechtsfragen zu Bäumen. Tagungsband Osnabrücker Baumpflegetage.

BRELOER, H., 2004: Von der Haftung des Baumkontrolleurs und Baumeigentümers bis zu den Möglichkeiten und Grenzen einer Haftungsbeschränkung. Tagungsband Osnabrücker Baumpflegetage.

DIN 18 920, 2002: Vegetationstechnik im Landschaftsbau. Schutz von Bäumen, Pflanzenbeständen und Vegetationsflächen bei Baumaßnahmen. Beuth Verlag GmbH, Berlin.

FORSCHUNGSGESELLSCHAFT FÜR STRAßEN- UND VERKEHRSWESEN, 1989: Technische Mitteilungen Baumpflanzungen im Bereich unterirdischer Versorgungsanlagen, Köln.

HEIDGER, C., 2002: Wurzeln sind lenkbar! Optimierungsmöglichkeiten im Wurzelraum von Straßenbäumen. Tagungsband Osnabrücker Baumpflegetage.

RAS-LP 4, 1999: Richtlinie für die Anlage von Straßen, Teil: Landschaftspflege, 4: Schutz von Bäumen, Vegetationsbeständen und Tieren bei Baumaßnahmen. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Köln.

STÅL, Ö.; RIDGERS, D., 2004: Management and planning solutions to modern PVC- and concrete sewer Pipes’ lack of resistance to root penetration. Tagungsband Osnabrücker Baumpflegetage.

STÜTZEL, T.; BOSSELER, B., 2003: Kanal voll: Wenn Bäume in Rohren Wurzeln schlagen. www.boga.ruhr-uni-bochum.de/spezbot/publikationen.htm

Autor

Dipl.-Ing. Klaus Schröder war von 1972 bis 2007 bei der Stadt Osnabrück angestellt, zuerst als Bauleiter im Grünflächenamt, dann übernahm er die Verantwortung für die Planung, den Bau und die Unterhaltung von Grünanlagen, Kinderspielplätzen sowie für das Straßengrün und die Bäume. Zuletzt war er Werksleiter des städtischen Eigenbetriebs Grünflächen und Friedhöfe. Von 1993 bis 1999 war er Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Osnabrück für das Studienfach „Baumpflege“.

* Nachdruck aus /Reprint from Jahrbuch der Baumpflege 2005

Bäume und Leitungen – Untersuchungen zur Einwurzelung in moderne PVC- und Betonabwasserleitungen *
Trees and pipes – Investigation in penetration of tree roots in modern PVC- and concrete sewer pipes
von Don Ridgers, Kaj Rolf und Örjan Stål

Zusammenfassung

Funktionsfähige Abwassersysteme und ästhetische Baumumwelt sind beide wesentliche Elemente des modernen städtischen Aufbaus. Um Schäden durch das Eindringen von Wurzeln in das Kanalsystem effektiver vermeiden zu können, müssen heutzutage die Verantwortlichen in der Stadtplanung und im Städtebau ein höheres Bewusstsein und einen besseren Kenntnisstand entwickeln.

Besonders wichtig sind die Ausgestaltung des Baumstandorts, Unterschiede zwischen Baumarten in Bezug auf ihre Penetrationskraft, kritische Punkte im Abwassersystem, Bedeutung der Baumplatzierung in Relation zu Material, zur Tiefe und zur Verlegungstechnik von Rohrleitungen.

Summary

Functional sewage systems and aesthetic tree environments are both essential elements of modern urban construction. However, during the greater part of the 20th Century, urban environments were designed without regard to how trees and sewage pipes were positioned in relation to each other. The penetration of tree roots into sewage pipes has therefore become a problem that is creating an everincreasing financial burden for urban society.

 

Tobe more effective at preventing root intrusion into sewage systems, today’s planners and constructors of urban environments must improve their knowledge, be aware of and have an understanding of growing site conditions and their significance, of variations between tree species in their demands on growing site, of vulnerable points in the sewage system, of variations between tree species in their capacity to penetrate vulnerable points of sewage pipelines and of significance of tree placement in relation to the type, depth and placement of pipelines.

1 Einleitung

Sowohl die Funktionalität von Abwassersystemen als auch die Ästhetik städtischer Grünanlagen sind wesentliche Elemente des modernen Städtebaus. Während des weitaus größten Teils des 20. Jahrhunderts wurde jedoch in der Stadtplanung nicht berücksichtigt, in welcher Konstellation zueinander Stadtbäume und Abwasserleitungen positioniert werden sollten. Der Wurzeleinwuchs in Abwasserleitungen ist infolgedessen zu einem Problem geworden, das größere finanzielle Belastungen nach sich zieht. Generell ist das Bewusstsein für die Problematik des Wurzeleinwuchses in Abwassersysteme sowohl bei den Planern im Kanalbau als auch bei den Grünflächenplanern gering. Häufig mangelt es an Wissen um die begrenzte Widerstandsfähigkeit von Rohrleitungen gegenüber Wurzeleinwuchs, kombiniert mit einer unzureichenden Kenntnis der Besonderheiten des Baum- und Wurzelwachstums im urbanen Bereich.

Ältere Arten von Beton- oder Tonröhren sind häufig anfälliger für Wurzeleinwuchs als moderne Leitungen, weil ältere Rohrverbindungen nicht völlig dicht sind. Untersuchungen über den Wurzeleinwuchs in moderne Steinzeug- oder PVC-Leitungen haben jedoch gezeigt, dass auch diese Materialien nicht gänzlich wurzelfest sind. Die Gründe hierfür sind noch nicht völlig geklärt.

Um Schäden durch das Eindringen von Wurzeln in das Kanalsystem effektiver vermeiden zu können, müssen heutzutage die Verantwortlichen in der Stadtplanung und im Städtebau ein höheres Bewusstsein und einen besseren Kenntnisstand insbesondere auf folgenden Gebieten entwickeln:

 Wachstumsbedingungen am Baumstandort (bzw. am Pflanzstandort) und deren Bedeutung – Spezifische Anforderungen der einzelnen Spezies an ihren Standort.

 Anfällige Stellen für Wurzeleinwuchs im Kanalsystem.

 Artspezifische Unterschiede der Bäume in Bezug auf ihre Penetrationskraft von anfälligen Stellen im Kanalsystem.

 Artspezifische Unterschiede der Bäume in Bezug auf das Wurzelwachstum im urbanen Raum.

 Bedeutung des Baumstandorts in Relation zur Art, zur Tiefe und zur Verlegung von Rohrleitungen.

Gute Standortbedingungen für die Bäume verringern das Risiko des Wurzeleinwuchses in die Kanalisation. Wenn gefährdete Bereiche – wie Einstiegsschächte, Rohrverbindungen, Muffen, Materialübergänge und Übergänge zwischen Haupt- und Zuleitungen – geschützt werden und wenn bei der Verlegung der Leitungen besondere Sorgfalt angewandt wird, kann das Risiko noch weiter reduziert werden.

Ziel dieses Beitrags ist es, effektive Lösungen auf zuzeigen und das Verständnis für die Konfliktsituation, in der sich Baumwurzeln und Abwasserleitungen befinden, zu vertiefen.

Das Ziel der aktuellen Planungen ist es, das Problem des Wurzeleinwuchses soweit zu steuern, dass die Abwasser leitungen ihre technische Nutzungsdauer erreichen, d. h. ca. 100 Jahre. Ein gestiegenes Engagement für die Problematik sowie die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Kanalbau und Grünflächenplanung haben zu effektiven Lösungen im Konflikt zwischen Leitungen und Bäumen geführt. Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem neuen Bericht, der im Rahmen der COST1 Aktion C15 unter dem Titel „Verbesserung der Beziehungen zwischen technischer Infrastruktur und Vegetation“, veröffentlicht wurde, einer Gemeinschaftsarbeit zwischen dem Fachbereich Landschaftspflege und Garten bau der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften (SLU), der Thames Water UK, der Stadt Malmö und dem Schwedischen Wasser- und Abwasserverband.

2 Der Konflikt zwischen Baumwurzeln und Rohrleitungen
2.1 Bäume am Stadtstandort

Bäume und Kanalisationsleitungen konkurrieren um den begrenzten Raum, der ihnen im urbanen Bereich zur Verfügung steht – eine Situation, die zu kostenintensiven Konflikten führt. Im täglichen Sprachgebrauch wird jeder Baum im städtischen Umfeld als „Straßenbaum“ bezeichnet. Doch auch ein Straßenbaum ist ein Baum und er stellt dieselben Anforderungen an seinen Wuchsstandort, wie er dies in der freien Natur tun würde. Dieser Umstand wird häufig übersehen bei der Planung von Straßenbäumen. Die Wachstumsbedingungen im urbanen Umfeld unterscheiden sich jedoch erheblich von denen im natürlichen Habitat des Baumes.

Für einen Baum im urbanen Umfeld sind heutzutage die folgenden Wachstumsbedingungen typisch:

 Beschränkte Größe der vorhandenen Baumscheibe bzw. der Pflanzgrube.

 Versiegelte Oberflächen, die zu Sauerstoffunterversorgung und Kohlendioxidvergiftungen im Wurzelbereich führen.

 Reduzierte Oberflächendurchlässigkeit, was zu mangelnder Wasserversorgung führt.

 Fehlen der kontinuierlichen Zufuhr von organischem Material, was zu Nährstoffmangel und einer begrenzten Durchsetzung mit Mikroorganismen und Bakterien im Boden führt.

 Technische Arbeiten, wie Grabungen oder Boden - verdichtungsmaßnahmen im Wurzelraum ziehen direkte Verletzungen nach sich, haben aber auch indirekte Auswirkungen auf den Baum.

Die Folgen solcher Standortbedingungen können sein:

 Ältere Großbäume, bei denen das Baumumfeld verändert oder der Wurzelraum beschnitten wurde, stellen ihr Wachstum ein und sterben langsam ab; oder es kommt durch Verletzungen zu Infektionen mit holzzerstörenden Pilzen im Wurzelbereich mit der Folge, dass die Bäume nicht mehr standsicher sind.

 Neu gepflanzte Bäume haben Probleme beim Anwachsen, sie entwickeln sich schlecht oder sterben ab.

 Der Baum wächst an, hat aber eine reduzierte Lebensdauer.

 Der Baum wächst an und expandiert zum Nachteil der umliegenden unterirdischen Infrastruktur (Wurzeleinwuchs in Abwasserleitungen, etc.).

Im Inneren der Rohrleitungen findet der Baum ein reiches Vorkommen an sonst begrenzten Ressourcen, wie Sauerstoff, Wasser und Nährstoffe; daher werden die Wurzeln, die in die Rohre hinein gewachsen sind, zunächst ein vermehrtes Wachstum zeigen. Durch die Tendenz von Baumwurzeln, sich verstärkt dort zu entwickeln, wo günstige Bedingungen herrschen, haben sie die besondere Fähigkeit, den Weg in die Leitungsgräben zu finden, die oftmals lockeres und gut belüftetes Füllmaterial enthalten. Dort angelangt folgt die Wurzel der Kondensationsfeuchte auf der Rohroberfläche, bis sie auf eine Schwachstelle im Rohrsystem trifft – dies können Risse, Rohrverbindungen oder Spalten an Anschlüssen sein – an denen sie in die Leitung hinein wächst. Sind sie in die Leitung eingedrungen, wachsen die Wurzeln sehr schnell und verursachen Verstopfungen oder Rohrbrüche im Abwassersystem, die durch Rückstau zu Überflutungen von Kellern und Straßen führen können. Dann wird der Konflikt zwischen Rohrleitungen und Baumwurzeln zur Realität (ORVESTEN et al. 2003).

Langfristig kann es durch den Fließwiderstand innerhalb der Rohrleitung zu anaeroben Bedingungen kommen (Abbildung 1), insbesondere in den sich ansammelnden Sedimenten. Dadurch entstehen weniger günstige Bedingungen für das Wurzelwachstum, die dann meist langsam absterben.

Abbildung 1: Durch Sedimente am Boden der Rohrleitung können sich anaerobe Bedingungen entwickeln

Die Kommunikation zwischen den Betreibern der Kanalisationssysteme (z. B. Abwasserverbände) und den Eigentümern der Bäume (z. B. Grünflächen- oder Umweltämter) ist in vielen Bereichen noch immer sehr dürftig (STÅL 1996; STÅL 1998). Es werden nur sehr wenige Mittel bereitgestellt, um Lösungen für diese Konfliktsituationen zwischen Baumwurzeln und Abwasserleitungen zu finden. Bei Abwasserverbänden und Grünflächenämtern ist das gegenseitige Verständnis häufig nur begrenzt und es ist nicht selten, dass sie im Gegenteil viel Mühe darauf verwenden, der jeweils anderen Seite die Schuld zuzuschieben. Diese Situation ist auf die Dauer sehr unbefriedigend und teuer, und es sind die Bürger der entsprechenden Kommune oder Stadt, die die Rechnung für dieses Kommunikationsproblem zahlen müssen.

2.2 Ursachen des Wurzeleinwuchses

Die Erfahrung hat gezeigt, dass die artspezifischen Anforderungen und Charakteristika verschiedener Baumarten in Bezug auf ihren Wuchsstandort von hoher Bedeutung für das Problem der Wurzelschäden an Rohrleitungen sind. In diesem Zusammenhang ist der tatsächliche Standort eines Baumes entscheidend für den Zeitpunkt, zu dem seine Wurzeln mit der umgebenden Infrastruktur in Konflikt geraten, d. h., ob und wann die Baumwurzeln in das Leitungssystem eindringen.

Wenn der Wuchsstandort nicht den artspezifischen Anforderungen des Baumes entspricht, wird diese Zeitspanne verkürzt. Seine Wurzeln werden sich allmählich ihren Weg in die Leitungsgräben bahnen, in denen die Rohrleitungen verlaufen. Das lockere Füllmaterial ist leicht zu durchwurzeln und schließlich wird das Wurzelsystem jede Eintrittsmöglichkeit in die Rohrleitung „gefunden“ haben. Häufig beschleunigt die schlechte Bodenbeschaffenheit am Pflanzstandort den Wurzeleinwuchs. So haben Erfahrungen aus Schweden gezeigt, dass der Pflanzstandort von hoher Bedeutung dafür ist, wie schnell sich Baumwurzeln entwickeln und in eine Leitung vorgedringen. Bei schlechten Standortbedingungen finden die Wurzeln ihren Weg in die Rohrleitungen relativ schnell, bei guten Wachstumsbedingungen am Pflanzstandort geht dieser Prozess hingegen beträchtlich langsamer vonstatten.

2.3 Wie wird das Wurzeleinwuchsrisiko eingeschätzt

Einige Eigenschaften von Bäumen, wie artspezifische Wachstumsrate, Wurzelenergie und Wasserbedarf sind von entscheidender Bedeutung für die Einschätzung des Wurzeleinwuchsrisikos in die umgebende Infrastruktur (ORVESTEN et al. 2003).

Für den Städteplaner ist es daher wichtig, sowohl die Eigenschaften der verschiedenen Baumarten zu kennen als auch die Wachstumsbedingungen am geplanten Pflanzstandort. Bei Baumarten, die feuchte Standorte bevorzugen und eine hohe Wachstumsrate haben, kann man also davon ausgehen, dass diese eine verstärkte Tendenz zum Eindringen in Rohrleitungssysteme zeigen. Es muss allerdings betont werden, dass grundsätzlich alle Baumarten fähig sind, mit ihren Wurzeln in Leitungssysteme einzudringen; es geht hier allein um die Frage des Ausmaßes und des Zeitpunktes, wann dies geschieht. Im Allgemeinen zeigen erwachsene Bäume mit einem großen Kronendurchmesser und entsprechend hohem Wasserbedarf während der Wachstumsperiode das höchste Schadensrisiko durch Wurzeleinwuchs.