Jahrbuch der Baumpflege 2019

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

4 Sonstiges Interessantes

Wie sollen wir in Zukunft mit den Ulmen umgehen, wenn die Krankheit so ein hohes Risiko darstellt: Soll man nicht besser ganz auf die Verwendung und Pflanzung verzichten? Dies wäre fatal, denn dann wird es in Zukunft noch weniger Ulmen geben. Vielmehr sollte man entweder wieder mehr Flatter-Ulmen pflanzen oder vermeintlich resistente Sorten, verbunden mit der Hoffnung, dass die Krankheit irgendwann auch wieder an Bedeutung verlieren wird. Dieser Optimismus ist angebracht, denn auch viele andere Baumarten sind derzeit von schweren Krankheiten betroffen (z. B. Esche, Rosskastanie, Schwarz-Erle).

Dies ist vielleicht die wichtigste Botschaft zum Jahr der Flatter-Ulme: Es geht ihr blendend, zumindest in größeren Teilarealen ihres Verbreitungsgebietes – bei 1.000 Exemplaren mit einem Stammumfang über 2 m entlang der sächsischen Elbe habe ich aufgehört zu zählen: starke vitale Flatter-Ulmen mit reichlich Naturverjüngung. Streckenweise ist es mit Abstand die häufigste Auenbaumart in diesem Bereich, z. T. mit dichten, geschlossenen Wäldchen. Sie kann und sollte daher wieder viel mehr, auch außerhalb der Auen gepflanzt werden.

Literatur

ANDERSON, S. T.; HAVEMANN, K., 1976: Ulmus laevis at Krenkerup. Dansk-Dendrol. Arsskrift 4, 3, 7–20.

BARTELS, H., 1993: Gehölzkunde. Ulmer, Stuttgart.

BEAN, W. J., 1980: Trees and Shrubs Hardy in the British Isles. 8th. ed., Vol. IV.: Ulmus. 634–661.

BEDNARZ, Z.; SZWAGRZYK, J.; MINSENK, P.; JESIORSKI, A., 1992: Dendrochronological interpretation of tree ring width variability in elm, Ulmus laevis PALL. in the Mogilski Forest, southern Poland. Dendrochronologica 10, 63–76.

BOHNENS, J.; JANßEN, A., 1992: Ulme – Baum des Jahres 1992. Allg. Forst-Ztschr. 47 (12), 636–638.

Bundesamt für Naturschutz (BfN), 1996: Rote Liste gefährdeter Pflanzen Deutschlands. Landw.-Verlag, Münster.

Bundesamt für Naturschutz (BfN), 2018: Floraweb-Internet-Datenbank des BfN. Flatter-Ulme. www.floraweb.de [11.11.2018].

BUTIN, H., 2011: Krankheiten der Wald- und Parkbäume. 3. Aufl., Ulmer, Stuttgart.

Citree, 2018: Planungsdatenbank Gehölze für urbane Räume. www.tu-dresden.de/forstbotanik [11.11.2018].

DYLIS, N. V.; ZHUKOVA, V. M.; MICHALSKI, V.; ZSOMKA, S., 1981: Ulmus laevis-forests – a new forest formation in the Moscow region. Lesovedenie 3, 12–21.

ENDTMANN, J., 1967: Zur Taxonomie der mitteleuropäischen Sippen der Gattung Ulmus. Arch. Forstwes. 16, 6/9, 667–672.

ENDTMANN, J., 1993: Ulmen in Deutschland. Beitr. Gehölzk., 5–18.

GROSSER, D.; TEETZ, W., 1985: Einheimische Nutzhölzer, Bd. 11: Rüster. Deutscher Betriebswirte-Verlag, Bonn.

HARRIS, E., 1996: The European White Elm in Britain. Quarterly J. Forestry 90, 121–125.

JANSSEN, G.; HEWICKER, H.-A., 2006: Die Flatterulme (Ulmus laevis Pall.) in Schleswig-Holstein – Verbreitung, Habitat und Vergesellschaftung, Gefährdung und Schutz. Drosera, 47–66.

KÖHLER-MEIER, B., 1988: Förderung seltener Baum- und Straucharten im Staatswald Bayerns: Nebenbaumarten im Nachzuchtprogramm der Landesanstalt für forstliche Saat- und Pflanzenzucht. Inform. Bayer. Staatsforstverw. 1/88.

KÖSTLER, J. N.; BRÜCKNER, E.; BIBELRIETHER, H., 1968: Die Wurzeln der Waldbäume. Parey, Hamburg und Berlin.

KUMMER, M., 1974: Ulmenholz und seine Verwendung in der Slowakei. Holz-Zentralbl. 93, 1420–1421.

KÜßNER, R., 2002: Primäre Fruchtausbreitung von Flatter-Ulme und Winter-Linde. AFZ/Der Wald 5, 222–224.

LEHMANN, M., 2000: Reaktion von Gehölzen auf das Oderhochwasser im Jahre 1997. Gesunde Pflanzen 52, 5, 142–147.

LUCHNIK, Z.I., 1991: New ornamental form of Ulmus laevis. Byulleten’ Glavnogo Botanicheskogo Sada 160, 64–66.

LÜPKE, B. VON, 1993: Bedeutung der Ulmen in Wald und Landschaft. Ber. Hess. FVA 16, 7–16.

MACKENTHUN, G., 1999: Eine Bestandsaufnahme der Ulmen in Sachsen. Artenschutzreport 9, 32–34.

MACKENTHUN, G., 2004: Ulmus. In: ROLOFF, A.; WEISGERBER, H.; LANG, U. M.; STIMM, B. (Hrsg): Enzyklopädie der Holzgewächse 37, 1–20.

MACKENTHUN, G., 2018: Handbuch der Ulmengewächse, Version 2.6, www.ulmen-handbuch.de [1.12.2018].

MECHLER, T., 1989: Das Holz der Ulme und seine heutige Verwendung. Holz-Zentralbl. 66, 1051–1053; 78, 1264–1243; 102, 1517–1518.

MEUSEL, H.; JÄGER, E., 1965: Vergleichende Chorologie der zentraleuropäischen Flora. Bd. I u. Kartenband, Jena.

MEYER, F. H., 1982: Bäume in der Stadt. 2. Aufl. Ulmer, Stuttgart.

MICHELS, C.; ROLOFF, A., 2018: Neue Vorgaben zur Umfangmessung von starken Bäumen. BAUMZEITUNG (01), Haymarket Media, Braunschweig, 22–24.

MÜLLER-KROEHLING, S.: Die Flatterulme (Ulmus laevis Pall.), Hrsg: Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft www.lwf.bayern.de/waldbau-bergwald/waldbau/109895/index.php [1.12.2018].

MÜLLER-KROEHLING, S.; KROEHLING, A., 2016a: Die Flatterulme (Ulmus laevis Pall.) als Stadtbaum in Landshut (Niederbayern). In: DU-JESIEFKEN, D.: Jahrbuch der Baumpflege 2016, Haymarket Media, Braunschweig, 284–290.

MÜLLER-KROEHLING, S.; KROEHLING, A., 2016b: Plädoyer für die Flatterulme – Beobachtungen zur Flatterulme als Stadtbaum. Deutsche Baumschule (04), Haymarket Media, Braunschweig, 34.

MÜLLER-KROEHLING, S., 2003a: Flatterulme – ein unbekannter Baum. Zehn verbreitete Irrtümer zu einer heimischen Baumart. AFZ-Der Wald (25), 1282–1286.

MÜLLER-KROEHLING, S., 2003b: Ulmus laevis PALL. In: ROLOFF, A.; WEISGERBER, H.; LANG, U. M.; STIMM, B. (Hrsg): Enzyklopädie der Holzgewächse 33, 1–13.

MÜLLER-KROEHLING, S., 2005: Die Flatterrüster. Eine wenig bekannte heimische Holzart. Holz-Zentralbl. 131 (8), 109–111.

MÜLLER-KROEHLING, S., 2011: Eschentriebsterben, Erlen-Phytophtora:

Die Flatterulme als Alternative und Ersatz in geschädigten Feuchtwaldbeständen. AFZ-Der Wald 66 (19), 36–38.

RAMISCH, H., 1999: Artidentifizierung reiner Ulmen-Arten und deren Hybriden anhand qualitativ zu beurteilender Merkmale. Mitt. Dtsch. Dendrol. Ges. 84, 109–122.

RICHENS, R. H., 2012: Elm. Cambridge Univ. Press, Cambridge.

RÖHRIG, E., 1996: Die Ulmen in Europa. Ökologie und epidemische Erkrankung. Forstarchiv 67, 179–198.

ROLOFF, A., 2013: Bäume in der Stadt – Besonderheiten, Funktion, Nutzen, Arten, Risiken. Ulmer, Stuttgart.

ROLOFF, A., 2017: Der Charakter unserer Bäume – ihre Eigenschaften und Besonderheiten. Ulmer, Stuttgart.

ROLOFF, A.; BÄRTELS, A., 2018: Flora der Gehölze – Bestimmung, Eigenschaften, Verwendung. 5. Aufl. Ulmer, Stuttgart.

ROLOFF, A.; KORN, S.; GILLNER, S., 2009: The Climate Species-Matrix to select tree species for urban habitats considering climate change. Urb. For. & Urb. Greening 8: 295–308.

SCHMITT, H. P.; SCHULZE, L., 1994: Die Erhaltung der Ulme in Nordrhein-Westfalen. AFZ-Der Wald 49 (5), 230–233.

SCHÖNFELDER, P.; BRESINSKY, A., 1993: Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Bayerns. Ulmer, Stuttgart.

SCHREIBER, A., 1981: 37. Familie Ulmaceae. In: Hegi, G.: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Bd III, Teil 1, 3. Aufl. Parey, Berlin u. Hamburg.

SCHÜTT, P.; SCHUCK, H.-J.; STIMM, B., 1992: Lexikon der Forstbotanik. Ecomed, Landsberg.

SCHWAB, P.: Flatterulme – Ulmus laevis PALL., In: Projekt SEBA – Förderung seltener Baumarten. Hrsg.: Professur Waldbau ETHZ und Eidgenössische Forstdirektion BUWA. http://www.wm.ethz.ch/seba-genressourcen/seba/baumarten.html [1.12.2018].

SPÄTH, V., 1988: Zur Hochwassertoleranz von Auwaldbäumen. Natur und Landschaft 63 (7/8), 312–315.

THOMSON, P. W., 1942: Die Flatterulme und die Bergulme in der Waldgeschichte des Ostbalticums. Ber. Dt. Bot. Ges. 60, 203–205.

TIMBAL, J., 1981: Un arbre meconnu: l’orme lisse (Ulmus laevis PALLAS). Rev. For. Franc. 33, 109–115.

WALTER, H., 1931: Fam. Ulmaceae. In: KIRCHNER, O.V.; LOEW, E.(Hrsg.): Lebensgeschichte der Blütenpflanzen Mitteleuropas. Spezielle Ökologie der Blütenpflanzen Deutschlands, Österreichs und d. Schweiz. Bd. II, 1. Abt.,Bogen 39–41, Lieferung 38/39. Ulmer, Stuttgart.

WEIß, H., 2017: Ulmen (Ulmus sp.) und ihre Risiken in der Stadt. Forstwiss. Beitr., Beiheft 19, 29–50.

WEIß, H., 2018: Ulmen und ihre Risiken in der Stadt, Teil 1. AFZ-Der Wald 73 (16), 44–48.

WITTMANN, R.; ZWISSELI, J., 2008: Hofbäume – Tradition, Baumarten, Pflege. Ulmer, Stuttgart.

www.baum-des-jahres.de: Informationen zu den Bäumen des Jahres. [1.12.2018]

www.championtrees.de: Rekordbäume. Dtsch. Dendrol. Ges. [1.12.2018].

www.ulmenhandbuch.de: Handbuch der Ulmengewächse von G. MACKENTHUN [1.12.2018].

Autor

Prof. Dr. Andreas Roloff leitet das Institut für Forstbotanik und Forstzoologie sowie den Forstbotanischen Garten der TU Dresden in Tharandt, ist Inhaber des Lehrstuhls für Forstbotanik und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit Fragen der Baumbiologie, Gehölzverwendung und Baumpflege. Er ist Fachreferent für Parks, Gärten und städtisches Grün im Rat der DDG und gibt die Enzyklopädie der Holzgewächse heraus.

 

Institut für Forstbotanik und Forstzoologie

Pienner Str. 7

01737 Tharandt

Tel. (035203) 3 83 12 02

roloff@forst.tu-dresden.de

1 Baumschutz
Prägend bis heute, vielfach vergessen: die „Baum-Pioniere“
Defining to this day, often forgotten: the „tree pioneers“

von Dirk Dujesiefken

Zusammenfassung

Dieser Beitrag befasst sich mit Persönlichkeiten, die unser Wissen über Bäume wesentlich geprägt haben und Pioniere waren für die Forstwirtschaft, die Wissenschaft über Bäume sowie im Naturschutz. Vorgestellt werden nicht die Wegbereiter der letzten Jahrzehnte, sondern die, die vor mehr als 100 Jahren die Grundlagen für spätere Generationen und damit für unsere heutige Arbeit rund um den Baum geschaffen haben: HANS CARL VON CARLOWITZ, ROBERT HARTIG und JOHN MUIR. Es geht dabei um das Konzept der Nachhaltigkeit, heute ein ökonomisch-ökologischer Schlüsselbegriff, der vor über 300 Jahren geprägt wurde, um den Beginn der modernen Wissenschaft über Bäume und deren Krankheiten sowie um die Anfänge des Naturschutzes. Durch diese Wegbereiter hat unsere Arbeit mit Bäumen im Wald und in der Baumpflege eine solide Grundlage erhalten. Es war stets das Engagement Einzelner, das große Wirkung entfaltete und bis heute prägend ist.

Summary

This article focuses on individuals who have made a significant contribution to our knowledge about trees and were pioneers in forestry, tree science and nature conservation. Not the pioneers of the last decades are presented, but rather those who more than 100 years ago laid the basis for later generations and thus for today’s work on trees: HANS CARL VON CARLOWITZ, ROBERT HARTIG and JOHN MUIR. It is about the concept of sustainability, today an economical and ecological concept that was developed over 300 years ago, about the beginning of modern science about trees and their diseases and about the beginnings of nature conservation. With these pioneers our work with trees in the forest and in tree care have a solid basis. It has always been the engagement of individuals that has had a great impact and is still influential today.

1 Einleitung

Der Umgang mit der Natur und damit auch mit Bäumen hat sich über Jahrhunderte stark verändert. Über lange Zeit gab es aus Sicht der Menschen die gestaltete Landschaft (besiedelte und kultivierte Flächen) und im Gegensatz dazu die ungezähmte Natur, die Wildnis. Diese Flächen galten als wertlos oder wurden genutzt bzw. übernutzt. In Europa kann man noch immer das Ergebnis dieser vor Jahrhunderten erfolgten Rodungen sehen. Die Eingriffe des Menschen haben in der Landschaft deutliche Spuren hinterlassen. Im Laufe der Zeit haben die Schäden in der Natur aber auch zu einem Umdenken geführt. Eine nachhaltige Forstwirtschaft, Naturschutzgesetze und Baumpflege sind letztendlich Ergebnisse dieser Entwicklung.

Unser heutiges Wissen in der Baumpflege basiert auf den Erfahrungen und Ergebnissen der Vorgänger. Neue Ideen und Impulse stammen von besonderen Persönlichkeiten. In Bezug auf den Umgang mit Bäumen gab es viele Pioniere; in den letzten Jahrzehnten gab es Wegbereiter wie ALEX SHIGO, WERNER KOCH und MICHAEL MAURER, die auf den Gebieten der Baumbiologie und Gehölzwertermittlung sowie der praktischen Umsetzung von Baumpflegemaßnahmen prägend waren. In dieser Betrachtung geht es jedoch nicht um diese Persönlichkeiten, sondern um die, die in der Zeit davor die Grundlagen für spätere Generationen geschaffen haben: HANS CARL VON CARLOWITZ, ROBERT HARTIG und JOHN MUIR.

Das Wissen dieser „Baum-Pioniere“ ist über die Jahrzehnte fast selbstverständlich Teil unseres Grundverständnisses vom Umgang mit Baum und Natur geworden. Ohne diese Wegbereiter wäre die Entwicklung der Baumzunft anders verlaufen und unsere Arbeit im Wald sowie im Naturschutz und in der Baumpflege hätte keine solide Grundlage. Deshalb soll an die Leistungen dieser drei Pioniere für unseren Berufsstand erinnert werden, um diese zu würdigen.

2 Hans Carl von Carlowitz und der Beginn der Forstwirtschaft

Am Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert wurden für den Bau von Häusern und Kriegsschiffen sowie für den Bergbau viele Wälder in Mittel- und Westeuropa gerodet. Es gab einen Engpass an Holz- und anderen Waldprodukten. Um diesem Mangel vorzubeugen, wurde damals erstmals eine Nachhaltigkeit der Holzerzeugung gefordert. Diese Zeit markiert damit den Beginn einer geregelten Forstwirtschaft. Die Geschichte führt zurück ins barocke Sachsen zu HANS CARL VON CARLOWITZ (Abbildung 1). Wer war dieser Adelige in der Silberstadt Freiberg?

HANS CARL VON CARLOWITZ, dessen Vornamen in älteren Schriften „Hannß Carl“ geschrieben werden, wurde 1645 in Oberrabenstein bei Chemnitz geboren. Er war das zweite von 16 Kindern, besuchte das Gymnasium in Halle, studierte in Jena Naturwissenschaften, Sprachen und Jura. Er unternahm viele Reisen und lernte, dass die Knappheit an Holz überall in Europa ein akutes Problem war. Anschließend half er seinem Vater bei den sächsisch-böhmischen Grenzvermessungen, wurde Vize-Berghauptmann und übernahm nach dem Tod des Vaters das Gut Arnsdorf. Hier erlebte er extrem trockene Sommer und große Stürme mit erheblichen Baumschäden. Die Borkenkäfer, insbesondere der Buchdrucker, breiteten sich stark in Fichten und Tannen aus. Aufgrund der Holznot war der sächsische Silberbergbau in seiner Existenz bedroht. Die Erzgruben und Schmelzhütten des Erzgebirges (damals eines der größten Montanreviere Europas) brauchten viel Holz als Energiequelle. Der Grubenausbau, der Erzabbau mittels Feuersetzen, vor allem aber die mit Holzkohle betriebenen Öfen der Schmelzhütten vernichteten ganze Wälder. Die Umgebung der Bergstädte war durch Übernutzung weitgehend kahlgeschlagen.

Abbildung 1: HANS CARL VON CARLOWITZ (aus: H. THOMASIUS & B. BENDIX, 2013)

Seine Erfahrungen, Beobachtungen und Verbesserungsvorschläge fasste VON CARLOWITZ in seinem Hauptwerk 1713 zusammen und veröffentlichte die „Sylvicultura oeconomica oder Haußwirthliche Nachricht und Naturgemäße Anweisung zur Wilden Baum-Zucht“ (Abbildung 2). Es gilt als das erste forstwissenschaftliche Werk und beschreibt die Idee und den Begriff der Nachhaltigkeit. HANS CARL VON CARLOWITZ verstarb 1714 in Freiberg.

VON CARLOWITZ kritisiert in seinem Buch das auf kurzfristigen Gewinn ausgerichtete Denken. Ein Kornfeld bringe jährlich Nutzen, auf das Holz des Waldes dagegen müsse man Jahrzehnte warten. Die fortschreitende Umwandlung von Waldflächen zu Äckern und Wiesen sei ein Irrweg. „Der gemeine Mann“ würde die jungen Bäume nicht schonen, weil er spüre, dass er deren Holz nicht mehr selbst genießen könne. Er gehe verschwenderisch damit um, weil er meine, es werde nicht alle. Zwar könne man aus dem Verkauf von Holz in kurzer Zeit „ziemlich viel Geld heben“. Aber wenn die Wälder erst einmal ruiniert seien, „so bleiben auch die Einkünfte daraus auf unendliche Jahre zurück, … sodaß unter dem scheinbaren Profit ein unersetzlicher Schade liegt.“ Gegen den Raubbau am Wald setzt VON CARLOWITZ die eiserne Regel: „.daß man mit dem Holtz pfleglich umgehe.“

Holz sei so wichtig wie das tägliche Brot, so VON CARLOWITZ. Man müsse es „mit Behutsamkeit“ nutzen, so dass „eine Gleichheit zwischen An- und Zuwachs und dem Abtrieb des Holtzes erfolget“ und die Nutzung „immerwährend“. „kontinuirlich“ und „perpentuierlich“ stattfinden könne. „Daßwegen sollten wir unsere Oeconomie also und dahin einrichten, daß wir keinen Mangel daran leiden und wo es abgetrieben ist, dahin trachten, wie an dessen Stelle junges wieder wachsen möge“. Das traditionelle Wort „pfleglich“ schien VON CARLOWITZ jedoch nicht eindringlich genug, die langfristige Kontinuität von Naturnutzung und den Gedanken des Einteilens und Sparens von Ressourcen zum Ausdruck zu bringen. So forderte er „eine continuirliche, beständige und nachhaltende Nutzung“. HANS CARL VON CARLOWITZ entwickelte damit das „Konzept der Nachhaltigkeit“. „Nach“ gilt hier im Sinne von „auf etwas hin“, „halt“ im Sinne von be- und erhalten, bewahren, in Obhut nehmen. Hierbei muss ein möglichst ausgewogenes Altersklassenverhältnis vorhanden sein oder sukzessive geschaffen werden.

Abbildung 2: Der aufwändig gestaltete Buchdeckel des 1713 erschienenen Buches von HANS CARL VON CARLOWITZ

Das Konzept der Nachhaltigkeit erfordert eine Waldwirtschaft, die die Kräfte des Standorts und die Abläufe in der Lebensgemeinschaft Wald optimal nutzt und auch unvorhersehbare Ereignisse berücksichtigt. Sie bietet langfristig mehr Erfolg, größere Sicherheit und zugleich Beiträge für Naturschutz und Landschaftspflege. Die deutsche Forstwissenschaft und damit das Konzept der Nachhaltigkeit erlangten im Laufe des 19. Jahrhunderts weltweite Geltung. Dieser Terminus technicus gehört inzwischen zu den Schlüsselbegriffen für ein erfolgreiches ökologisches und ökonomisches Handeln. Die Nachhaltigkeit (englisch: sustainable development) ist heutzutage ein weltweit diskutiertes Umweltkonzept. Es wurde vor über 300 Jahren von einem sächsischen Wald- und Bergbaufachmann geprägt und ist aktueller denn je.

3 Robert Hartig und der Beginn der modernen Wissenschaft über Bäume und deren Krankheiten

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Naturwissenschaft der Gegenwart begründet. In der Humanmedizin wurden in dieser Zeit erstmals die Zusammenhänge von Mikroorganismen und bestimmten Krankheiten erkannt. ROBERT KOCH (1843 – 1910) kultivierte den Erreger des Milzbrands außerhalb des Organismus und beschrieb somit lückenlos die Rolle eines Krankheitserregers beim Entstehen einer Krankheit. Die Erkenntnisse von LOUIS PASTEUR (1822 – 1895) ermöglichen seitdem die Haltbarmachung flüssiger Lebensmittel durch kurzzeitiges Erhitzen: die nach ihm benannte Pasteurisierung. Weniger bekannt sind die Arbeiten von ROBERT HARTIG (Abbildung 3), der zeitgleich das Leben von Bäumen und deren Krankheiten untersuchte. Er war auf diesem Gebiet der Pionier.

Abbildung 3: ROBERT HARTIG (aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Hartig)

ROBERT HARTIG wurde 1839 in Braunschweig in einer Försterfamilie geboren. Sein Vater war der als Forstmann und Botaniker bekannte Professor und Forstrat THEODOR HARTIG und sein Großvater GEORG LUDWIG HARTIG, ebenfalls ein bedeutender Forstwissenschaftler. Von Jugend an hörte er zu Hause von forstlichen und naturwissenschaftlichen Zusammenhängen. Er studierte von 1863 bis 1864 Forstwissenschaft in Berlin und war dann in Braunschweig und Hannover in der Forstverwaltung tätig. 1866 promovierte er in Marburg und erhielt 1867 den Ruf an die Forstakademie in Eberswalde, wo er Vorlesungen zur Forstbotanik hielt.

Abbildung 4: Querschnitt eines verletzten Eichenstammes mit Darstellung der verschiedenen Wundreaktionen (aus: R. HARTIG, 1900)


Abbildung 5: Von Polyporus sulphureus zersetztes Holz (aus: R. HARTIG, 1900)

 

1871 übernahm HARTIG die Leitung der pflanzenphysiologischen Versuchsanstalt und 1878 erhielt er den Ruf als Professor der Forstbotanik an die Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1901 wirkte.

In Eberswalde und München hatte er durch die damals noch relativ neue Lichtmikroskopie die Zellstrukturen von Wirtspflanzen und Krankheitserregern eingehend untersucht. Damit wurden Krankheitsabläufe in Bäumen erkannt und wertvolle Hinweise für die forstliche Praxis gegeben. ROBERT HARTIG beschrieb erstmals die sog. Buchen-Komplexkrankheit, eine noch heute wirtschaftlich bedeutende Buchenerkrankung. Er forschte zudem über die Ursachen der Tannen-Nadelbräune und die Zerstörung von Bauholz durch den Echten Hausschwamm, über den er 1885 eine Monographie verfasst hatte. Hervorzuheben sind seine Untersuchungen über die Mykorrhiza an Wurzeln von Wald-bäumen. Das von ihm beschriebene und nach ihm benannte Netzwerk der Ektomykorrhiza-Pilze zwischen den Wurzeln heißt seitdem „Hartigsches Netz“. Zu fast allen Fragen der Baumbiologie, Forstwirtschaft und Pathologie findet man Ausführungen in seinen Veröffentlichungen.

Abbildung 6: Von Polyporus dryadeus zersetztes Holz (aus: R. HARTIG, 1900)

Bereits 1874 erschien das erste Buch HARTIGS zum Thema: „Wichtige Krankheiten der Waldbäume. Beiträge zur Mycologie und Phytopathologie für Botaniker und Forstmänner.“ Vier Jahre später folgte „Die Zersetzungserscheinungen des Holzes der Nadelholzbäume und der Eiche in forstlicher, botanischer und chemischer Richtung.“ 1882 wurde sein „Lehrbuch der Baumkrankheiten“ veröffentlicht.

HARTIG hatte die besondere Gabe, die von ihm im Lichtmikroskop beobachteten Strukturen auch zeichnerisch darzustellen. So enthalten seine Bücher hervorragende Grafiken vom Aufbau des Holzes, von pilzbefallenem Holz sowie von Pilzfruchtkörpern und Sporen (Abbildung 4 bis 6). Die Bedeutung dieses Wegbereiters zeigt sich auch darin, dass nahezu hundert Jahre nach der Erstveröffentlichung sein Buch „Wichtige Krankheiten der Waldbäume“ übersetzt wurde und 1975 in der Reihe „Phytopathological Classics“ der „American Phytopathological Society“ erschienen ist. Zudem kam von dem „Lehrbuch der Baumkrankheiten“ 2015 ein Reprint heraus, ebenfalls ein Beleg dafür, dass HARTIGS Arbeiten noch immer bedeutsam sind. ROBERT HARTIG ist somit einer der wesentlichen Begründer der wissenschaftlichen Holzkunde sowie der forstlichen Phytopathologie und hat die Basis für unsere heutige Arbeit gelegt.