Jahrbuch der Baumpflege 2019

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3 Kurzvita Dr. Silvius Wodarz (nach www.baum-des-jahres.de)

Dr. SILVIUS WODARZ wurde am 14.12.1930 in Ratibor/ Oberschlesien geboren und starb am 29.12.2018 in Marktredwitz/Fichtelgebirge. Sein Name ist eng verknüpft mit einer ganzen Reihe von Modernisierungen der Berufsausbildung zum Forstwirt, bekannt wurde er zunächst durch seine Arbeit im Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik (KWF). Viele kennen ihn vor allem durch seine spätere Arbeit als Initiator und langjährigen Vorsitzenden des Vereins Baum des Jahres e.V., der „Baum des Jahres – Dr. Silvius Wodarz Stiftung“ und des Kuratoriums „Baum des Jahres“. Ab 1958 war WODARZ in der schleswig-holsteinischen Landesforstverwaltung tätig und leitete von 1966 bis zu seinem Ausscheiden aus dem aktiven Forstdienst im Jahr 1995 die Lehranstalt für Forstwirtschaft der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein in Bad Segeberg, zuletzt als Forstdirektor. Maßgeblich wirkte er an der Verordnung über die Ausbildung zum Forstwirt von 1974 ebenso mit wie an der „Forstwirt-Mappe“, kurz FOMA genannt, aus der später das Lehrbuch „Der Forstwirt“ (Waldarbeitsschulen 2004) hervorging.

Abbildung 2: Auch seltene und bis dahin relativ unbekannte Baumarten wie Speierling und Elsbeere sind durch die Ausrufung zum Baum des Jahres (1993 und 2011) bekannter geworden und werden dadurch auch in der Forstwirtschaft stärker beachtet und gefördert (hier starke Elsbeere im „Elsbeerreich“ bei Wien).

Ideenreich und öffentlichkeitswirksam gründete WODARZ 1972 den Umweltschutzverein Wahlstedt (Schleswig-Holstein) und gilt daher als einer der Umwelt- und Naturschützer der „ersten Stunde“. Bewegt durch die Waldsterben-Diskussion der 1980er Jahre und angeregt durch die Wahl eines „Vogel des Jahres“ kam er Ende 1988 auf die Idee, analog dazu für jedes Jahr auch einen „Baum des Jahres“ auszurufen, beginnend mit der Stiel-Eiche 1989. Der Umweltschutzverein Wahlstedt wurde in der Folge zum Verein Baum des Jahres e. V. umbenannt, und WODARZ rief im Jahr 1991 das „Kuratorium Baum des Jahres (KBJ)“ als Fachbeirat des Vereins ins Leben. Die Baum des Jahres-Aktionen erzielten von Anfang an bundesweit ein großes Medienecho und stießen in der Öffentlichkeit auf viel Interesse.

WODARZ hat seine Arbeit für Bäume, den Wald und die Umwelt immer weiter verstärkt und gründete im Jahr 2008 die „Baum des Jahres – Dr. Silvius Wodarz Stiftung“. Zusammen mit dem Verein Baum des Jahres e.V. soll sie die Arbeit für den Baum des Jahres sowie für Bäume in Parks, in der Landschaft und im Wald auf der Basis „Menschen für Bäume“ fortsetzen und intensivieren. Mit seiner beharrlichen Arbeit unter dem Motto „Man muss Bäume nicht neu erfinden, man muss sie nur neu entdecken!“ erreichte er, dass sich hierzulande immer mehr Menschen für Bäume interessieren und auch stärker für deren Belange sensibilisiert sind.

4 Engagement für Baumartenvielfalt und Wissenstransfer

Seit 1991 bin ich selbst mit dabei und wurde damals als einer der ersten ins Kuratorium Baum des Jahres berufen. Zunächst viele Jahre als Mitglied, war ich dann zunehmend mit der Öffentlichkeitsarbeit mittels des Faltblattes und vieler Vorträge sowie mit der Tagungsorganisation betraut. Dabei hatte ich dann immer häufiger täglichen Kontakt mit WODARZ, bis es schließlich viele Jahre lang durchaus bis zu 20 Telefonate und E-Mails pro Tag wurden. In der Zeit war ich wohl einer seiner wichtigsten Ansprechpartner und kannte ihn schließlich so gut wie nur wenige andere.

Abbildung 3: Julia Klöckner (Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft) verkündet den Baum des Jahres 2019 bei der Ausrufung am 7. November 2018 in Berlin.

Der Baum des Jahres war „sein Baby“, um das er sich täglich viele Stunden kümmerte, was angesichts der vielfältigen Aufgaben und Anfragen nicht verwunderte. Über all die vielen Jahre hat dabei beeindruckend viel von all dem geklappt, was er sich vorgenommen hatte und reichlich Früchte getragen. Darauf konnte er stolz sein und war es auch – gerne hätte er noch mehr gemacht, aber in den letzten Jahren ließen das seine Kräfte und seine Gesundheit schließlich nicht mehr zu. So konnte er auch bei der letzten Ausrufung im November 2018 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr mit dabei sein, als das erste Mal eine Bundesministerin (Julia Klöckner) persönlich an der Ausrufung teilgenommen und mitgewirkt hat (Abbildung 3). Mit einem großen Erfolgsgefühl ist er dann am 29. Dezember 2018 in Ruhe und Frieden eingeschlafen.

Sein Werk wird weiterleben, es müssen nun zunächst einige Grundsatzentscheidungen getroffen werden, wie Ablauf und Zuständigkeiten weiter geregelt werden können.

Es dürfte sich bei der Benennung und Ausrufung der Bäume des Jahres um eine der erfolgreichsten Aktionen der letzten Jahrzehnte zur Erhöhung der Baumartenvielfalt handeln, die zudem auch im Bewusstsein der Bevölkerung ankommt. Dies finde ich persönlich seinen größten Verdienst – ein jahrzehntelanger Transfer von Baumwissen zu den Menschen, mit besonderer Wertschätzung von Kindern und Jugendlichen, zusammen mit vielen Beteiligten in Stiftung, Verein und Kuratorium.

„Wir wollen Menschen an Bäume heranführen und Sensibilität für dieses lebendige Naturgut schaffen. In die Herzen großer und kleiner Menschen pflanzen wir Bäume, um gedankliche Veränderungen anzustoßen.“ (SILVIUS WODARZ)

Quellen

www.baum-des-jahres.de

www.wikipedia.de

ROLOFF, A., 1997–2019: Beiträge zu dem jeweiligen „Baum des Jahres“, in: DUJESIEFKEN, D. (Hrsg): Jahrbuch der Baumpflege. Haymarket Media, Braunschweig

Waldarbeitsschulen (Hrsg.), 2004: Der Forstwirt. 4. Aufl., Ulmer Verlag, Stuttgart.

Autor

Prof. Dr. Andreas Roloff leitet das Institut für Forstbotanik und Forstzoologie sowie den Forstbotanischen Garten der TU Dresden in Tharandt, ist Inhaber des Lehrstuhls für Forstbotanik und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit Fragen der Baumbiologie, Gehölzverwendung und Baumpflege. Er war und ist seit 1991 bei der Baum des Jahres-Findung, -Ausrufung und -Öffentlichkeitsarbeit aktiv.

Institut für Forstbotanik und Forstzoologie

Pienner Str. 7, 01737 Tharandt

Tel. (035203) 3 83 12 02

roloff@forst.tu-dresden.de

Baum des Jahres 2019: die Flatter-Ulme ( Ulmus laevis ) – Ihr Charakter: Eigenschaften und Besonderheiten
Tree of the year 2019: European White Elm ( Ulmus laevis ) – its character, features and special characteristics

von Andreas Roloff

Zusammenfassung

Flatter-Ulmen werden große, hoch aufragende Bäume mit dunkler Krone und zeigen eine leiterartige Verzweigung. Da die Blüte mit Windbestäubung bereits im März stattfindet, sind die Früchte schon Ende Mai reif. Diese führen vorher im April durch ihre ergrünenden Flügel zu grünen Kronen, obwohl die Blätter noch nicht ausgetrieben haben. Flatter-Ulmen treten vor allem entlang der Flussläufe in Auenwäldern bzw. als deren Reste auf (Abbildung 1). Als einzige der drei heimischen Ulmenarten zeigt die Flatter-Ulme am Stamm oft Brettwurzeln, Wurzelanlauf-Schösslinge und viele Wasser-reiser. Weit entfernt vom Naturstandort ist sie auch als Stadt- und Straßenbaum geeignet und steht gegenüber der Holländischen Ulmenkrankheit relativ gut da. Ihre Schattentoleranz ist bis ins mittlere Alter ausgeprägt.

Summary

European white elm is a species growing to large, towering trees with dark crowns and a ladderlike branching pattern. Flowering occurs in March with wind pollination, the fruits are ripe already in May. During their ripening they develop green wings with the consequence of crown greening already in April, long before leaf flush. White elms grow along rivers on riparian forest sites, often as the last remnants of these ecosystems. It is the only native elm species with buttress roots at the trunk base, with root collar sprouts and many epicormic sprouts on the trunk. Distant from its native riverside sites it can be used successfully as an urban and roadside tree. The resistance to Dutch elm disease is high, as well as its shade tolerance until medium age.

1 Charakteristika und Erkennungsmerkmale

Auffällig an den Ulmen ist ihre leiterartige Verzweigung (Abbildung 2) – daran erkennt man sie sogar auf der Autobahn (als Beifahrer), wenn welche auf dem Mittelstreifen wachsen. Sie kommt durch eine sehr streng zweizeilige Blattstellung zustande: immer rechts-links-rechts-links … Und wenn die Blätter so angeordnet sind, müssen die Seitenzweige genauso stehen, da sie immer aus den Knospen in den Blattstiel-Achseln entspringen. Der Austrieb der Ulmen erfolgt erst relativ spät. Als ringporige Baumarten müssen sie im Frühjahr zunächst im neuen Jahrring Frühholzgefäße bilden, bevor sie die neuen Blätter mit Wasser versorgen können.

 

Die Rinde entwickelt sich zu einer dunkelgrauen Netzborke. Die Ulmen können Wunden mäßig gegen Infektionen schützen, sie haben ein mittleres Abschottungsvermögen. Die Zweige (auch Wipfeltriebe) wachsen anfangs waagerecht und richten sich erst anschließend bei ausreichender Belichtung auf, was wie bei Linde, Hainbuche und Rot-Buche als Zeichen für Schattenanpassung zu interpretieren ist.

Der Stamm der Flatter-Ulme kann 6 m (selten 9 m) Umfang erreichen, dafür muss man ggf. oberhalb vorhandener Brettwurzeln messen (MICHELS & ROLOFF 2018). Ulmen werden schnell große Bäume von 30–40 m Höhe, das Höchstalter erreicht 250–300, selten über 400 Jahre. Flatter-Ulmen treiben reichlich Wasserreiser und stammnahe Schösslinge aus den Wurzelanläufen aus und sind sehr stockausschlagfreudig.

Abbildung 1: Alter Solitär in der Flussaue

Weiter ist für Ulmenblätter der schiefe (asymmetrische) Blattgrund charakteristisch, d. h. auf einer Seite des Blattstieles reicht die Blattspreitenbasis meist viel länger zum Zweig herab als auf der anderen. Die Herbstfärbung ist gelb bis orange, selten sogar rötlich.

Eine Unterscheidung der drei einheimischen Ulmenarten ist eigentlich nicht schwierig, sie gelingt am besten anhand folgender Merkmale (zusätzlich zu den zuvor genannten): Die Blätter der Flatter-Ulme weisen in der oberen Blatthälfte keine gegabelten Hauptnerven auf (Abbildung 3), wogegen dies bei Berg- und Feld-Ulme (Ulmus glabra und U. minor) immer der Fall ist. Die Blätter der Berg-Ulme sind an einigen bis vielen Blättern 3-spitzig, die der beiden anderen Ulmen haben nur eine Spitze. Die Blätter der Berg-Ulme sind zudem oberseits so rau behaart, dass es sich wie Schleifpapier anhört, wenn man mit dem Finger darüber streicht.

Die Blüten und Früchte der Flatter-Ulme sind lang gestielt (Abbildung 4) und letztere flattern im Wind, daher ihr deutscher Name – die der beiden anderen Ulmen sind ungestielt/sitzend. Der Blütezeitraum ist sehr früh, oft schon im März, die Blüten sind unauffällig, zwittrig und werden vom Wind bestäubt. Man erkennt zur Blütezeit von weitem nur viele Kügelchen in der Krone. Erst wenn sich die Früchte ebenfalls relativ früh (im April und Mai) bis zur Reife entwickeln, fallen diese auf, da sie zunächst von einem grünen Flügel umgeben sind. Dessen grüne Farbe macht sofort deutlich, dass er Photosynthese betreibt – so ist die schnelle Fruchtreife schon vor dem Austreiben der Bäume zu erklären. Man könnte zunächst denken, dass die Ulmen austreiben, aber es sind „nur“ die Früchte (Abbildung 5). Von Nahem sieht man (gegen das Licht oder mit Lupe) eine wunderschöne Bewimperung am Rand der reifenden Früchte. Die Flatter-Ulme kreuzt sich nicht mit Berg- oder Feld-Ulme, diese beiden bilden hingegen miteinander den Hybrid Holländische Ulme (Ulmus x hollandica).

An alten Flatter-Ulmen treten oft markante Brettwurzeln auf: weit ausladende Wurzelanläufe zur Verbesserung der Standfestigkeit auf nassen Standorten. Diese Eigenschaft behält die Art meist auch auf trockenen (z. B. Park-)Standorten bei. Zudem ist ihr Stamm oft von vielen Wasserreisern (jungen Stammaustrieben) bedeckt, ohne dass dafür eine Krisensituation der Anlass ist – es handelt sich also nicht um Angsttriebe, wie gelegentlich (für Eichen) zu hören oder zu lesen ist. Das Wurzelsystem entwickelt sich herzförmig und erreicht Tiefen von 2 m.

Die dickste Flatter-Ulme der Republik dürfte auf dem ehemaligen Friedhof hinter der Kirche von Gülitz (in NW-Brandenburg) stehen (www.championtrees.de), mit einem Stammumfang von 9,98 m und einem bemerkenswerten Alter von geschätzten 400–500 Jahren. In ihrem Stamm sind Reste der früheren Friedhofsmauer eingewachsen.

Die Ulmen gehören zur Familie der Ulmengewächse (Ulmaceae), mit ihnen auch die Zelkove (Zelkova), aber neuerdings nicht mehr der Zürgelbaum (Celtis).

2 Vorkommen und Ökologie

Das Areal der Flatter-Ulme umfasst große Teile Mittel-, Süd- und Osteuropas. Die Feld-Ulme bleibt im Nordosten weiter zurück, wohingegen die Berg-Ulme höher nach Nordwesten und in die Mittelgebirge vordringt (daher ihr Name). Die Flatter-Ulme erträgt wie die Feld-Ulme länger als drei Monate Überflutung und damit mehr als Eichen und Eschen.

Sie ist ein wichtiger Auenbaum, welcher von der katastrophalen Ulmenkrankheit am wenigsten betroffen ist, so dass nicht „die Ulmen“ aussterben, wie man es immer wieder hören oder lesen kann. Am stärksten betroffen davon ist die Feld-Ulme, daher sind Altbäume von ihr inzwischen tatsächlich selten geworden, und sie wird, wie die Flatter-Ulme, in der Roten Liste für Deutschland als gefährdet und für mehrere Bundesländer als (stark) gefährdet aufgeführt.

Abbildung 2: Leiterartige Verzweigung durch zweizeilige Blatt- und Zweigstellung

Abbildung 3: Blätter mit ungegabelten Seitennerven in der vorderen Blatthälfte und asymmetrischer Spreitenbasis

Abbildung 4: Lang gestielte und daher im Wind flatternde Früchte

Abbildung 5: Frühe Fruchtreife vor Blattaustrieb mit dadurch z. T. grüner Krone eines alten Auensolitärs im April

Der Schwerpunkt der Flatter-Ulme ist in Auen größerer unregulierter Flüsse Mitteleuropas zu finden (Abbildung 6), aber wo gibt es die noch? Auenwaldreste mit Ulmen existieren an Oder, Elbe, Rhein und Donau, jedoch machen ihnen Flussbegradigung und -regulierung sowie Entwässerungsmaßnahmen zu schaffen. Ulmen sind als Übergangsbaumarten in der Jugend relativ schattentolerant, was ihr Aufwachsen in Auenwäldern und alten Parkanlagen erleichtert. Viele Ulmen stehen (oder standen) an markanten Plätzen und Landmarken und bilde(te)n dort eindrucksvolle Solitärbäume.

Abbildung 6: Elbaue bei Torgau mit sehr vielen alten, vitalen Flatter-Ulmen

3 Nutzung, Verwendung, Heilkunde und Mythologie

Das harte Holz der Ulmen wird Rüster genannt und ist infolge der Krankheit selten geworden, obwohl es durch seinen braunen Kern sehr attraktiv und wertvoll ist. Dabei ist Bergrüster wertvoller als Flatterrüster, da der Kern/Splint-Kontrast stärker ist. Die Jahrringe sind sehr deutlich zu erkennen, weil es sich um ringporiges Holz handelt. Flatterrüster ist von Berg- und Feldrüster nach Aussagen von Tischlern am helleren Kern und an den breiten Spätholzgefäßbändern zu unterscheiden, Holzfachleute streiten das aufgrund der Variabilität jedoch ab. Sehr gesucht und teuer sind sog. Maserknollen von Ulmen, die aus Stammbeulen mit besonders vielen Knospen und Wasserreisern entstehen. Daraus lassen sich eindrucksvolle Furniere und kleine Gebrauchsgegenstände herstellen (Abbildung 7), z. B. Schreiber. Das Holz ist zäh-n derelastisch und daher auch für Bögen und Werkzeugstiele begehrt. Sonst wird es für Möbel sowie im Bootsbau und Innenausbau verwendet. In England ist Rüster das traditionelle Sargholz.

Wegen der nährstoffreichen Blätter wurden Ulmen früher gerne als Schneitelbäume verwendet, welche man immer wieder auf einen Kopf zurückschnitt, um die dann intensiv wachsenden Wiederaustriebe als Viehfutter zu nutzen.

Verwendung findet vor allem die Flatter-Ulme auch als Stadtbaum. In der „Ulmenhauptstadt Europas“ Amsterdam hat man durch eine sehr wirksame Bekämpfungsstrategie (Impfung) und Pflegemaßnahmen die Krankheit relativ gut im Griff, und die Ulmen (dort vor allem Holländische Ulmen) stellen fast 90% der Straßenbäume – das macht Hoffnung. Andernorts setzt man vor allem auf resistente Sorten. Allerdings hat sich dabei in der Vergangenheit häufiger herausgestellt, dass sich vermeintlich resistente Sorten in höherem Alter – wenn sie für den krankheitsübertragenden Ulmen-Splintkäfer attraktiv werden – als doch nicht resistent erwiesen haben. Der Absterbeprozess in Alleen kann dann rasant voranschreiten, u. a. indem der verantwortliche Pilz sich über Wurzelverwachsungen ausbreitet. Dies alles betrifft jedoch am wenigsten die Flatter-Ulme, die in erstaunlicher Anzahl und in beeindruckender Vitalität mit Altbäumen in verschiedenen Regionen auftritt. Am meisten beeindruckt mich dies an der Elbe im Abschnitt von Dresden/Radebeul bis hinter Torgau. Hier findet man an ca. 100 km Flusslauf beidseits am Elbe-Radweg in den Auen noch über 1.000 vitale Altulmen – darunter besonders viele Solitäre (Abbildung 6). Von hier stammt auch die „Torgauer Flatter-Ulme“, die sich gegenüber der Ulmenkrankheit als besonders resistent erwiesen hat. So kann die Flatter-Ulme auf Auenflächen teilweise die derzeit stark geschädigten Eschen und Schwarz-Erlen ersetzen.

Die Flatter-Ulme ist viel stärker von der anthropogenen Beseitigung ihrer Lebensräume am Flusslauf betroffen als von der Ulmenkrankheit: Auenwälder mit Überflutungsregime, Feuchtbiotope, mäandrierende Fließgewässer sind selten geworden, da die Landwirtschaft diese Flächen für Hochleistungs-Grünland favorisiert und Deiche als Hochwasserschutz nah an den Flüssen gebaut und kürzlich wieder erhöht wurden. Für die Flatter-Ulme wäre, wo das möglich ist, eine Deichrückverlegung hilfreich um wieder mehr Überflutungsraum zu schaffen.

Abbildung 7: Rüstermaser als Holzbuch

Abbildung 8: Flatter-Ulme als Stadtbaum in kleinem Vorgarten

Man kann nur staunen, wie es die Flatter-Ulme schafft, in kleinen Vorgärten an Hauptverkehrsstraßen fernab eines Flusses zu überleben (Abbildung 8). Sie hat ein beeindruckendes Anpassungspotenzial, welches durch die stark schwankenden natürlichen Wasserstandsverhältnisse in der Aue zu begründen ist: Von längeren Überflutungen bis zu langen extremen Austrocknungsperioden kommt alles immer wieder vor, damit muss ein Auenwaldbaum zurechtkommen. So gibt es auch sehr eindrucksvolle Alleen mit Flatter-Ulmen, z. B. bei Gadsdorf (südöstlich von Potsdam) und als Park-Allee auf der Grieserwiese in Landshut. Ulmen sind zudem beliebte Haus- und Hofbäume.

Die Innenrinde und Blätter wurden früher in der Heilkunde bei rheumatischen Krankheitsbildern sowie gegen Hautausschläge, Gicht, Durchfall und Abszesse verwendet (Tee und Waschungen). Aus den Nusskernen kann ein schmackhaftes Öl gepresst werden.

Ulmen spielten wegen ihrer viel größeren Verbreitung und ihres markanten Habitus’ bereits seit dem Altertum eine Rolle in Mythologie und Brauchtum. Als Symbol der Trauer wurden bei den Griechen Ulmen in Totenhainen gepflanzt. Den Kelten war sie heilig, die Römer weihten sie dem Gott Merkur. In Skandinavien, dem Baltikum und Norddeutschland war die Ulme ein wichtiger Wächterbaum auf Bauernhöfen.